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Sicher benutzen – aber wie?

Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz
Sicher benutzen – aber wie?

Das Arbeitss­chutzge­setz legt fest, dass indi­vidu­elle Maß­nah­men nachrangig sind. Für den Bere­ich „Schutz vor Absturz“ wird dies durch die TRBS 2121 „Maß­nah­men gegen Absturz“ konkretisiert. Diese tech­nis­che Regel nach Betrieb­ssicher­heitsverord­nung legt eine Rang­folge fest. Danach sind zunächst Absturzsicherun­gen (Gelän­der, Abdeck­un­gen) zu ver­wen­den. Es fol­gen in dieser Rang­folge Auf­fangein­rich­tun­gen (Net­ze, Fang­gerüste) und als dritte Maß­nahme der indi­vidu­elle Gefahren­schutz, die PSA gegen Absturz.

BG RCI Branchen­präven­tion Chemie Präven­tions­bere­ich Halle Her­rn Rain­er Schu­bert Merse­burg­er Straße 52 06110 Halle

Es gibt eine ganze Rei­he von Sit­u­a­tio­nen, in denen kollek­tive Maß­nah­men kaum oder nur unter erhe­blichem Aufwand zu real­isieren sind und somit auf die PSA gegen Absturz zurück­ge­grif­f­en wer­den muss, z. B. bei Mon­tagetätigkeit­en, beim Besteigen hoher Ein­rich­tun­gen wie Schorn­steine, Kolon­nen, Telekom­mu­nika­tion­stürme und Wind­kraftan­la­gen oder beim Ein­steigen in Behäl­ter. Ist die Benutzung der PSA in jedem Fall als „Not­nagel“ anzusehen?
Die fol­gen­den Betra­ch­tun­gen sollen nicht nur zeigen, wie die PSA gegen Absturz sich­er benutzt wer­den kann. Es soll auch aufgezeigt wer­den, dass bei ein­er umfassenden Risiko­be­tra­ch­tung die PSA im Einzelfall die bessere Lösung sein kann. Das set­zt allerd­ings die bes­tim­mungs­gemäße Benutzung voraus. Wer­den die Bedi­enungsan­leitung des Her­stellers, die Betrieb­san­weisung des Unternehmers oder in vie­len Fälle auch nur der gesunde Men­schen­ver­stand mis­sachtet, kann das zu Unfällen führen. Aber ist das nicht bei jed­er Ver­wen­dung eines Arbeitsmit­tels der Fall? Die meis­ten Absturzun­fälle resul­tieren daraus, dass entwed­er tech­nis­che Maß­nah­men als zu aufwendig ange­se­hen wer­den (begrün­det oder unbe­grün­det) oder Ein­rich­tun­gen umgan­gen wur­den. In vie­len Fällen hätte die ein­fach­er zu instal­lierende PSA Abstürze verhindert.
Welche wesentlichen Gefährdun­gen kön­nen auftreten? Es kann zum Absturz durch Ver­sagen einzel­ner Bestandteile der PSA kom­men. Diese beste­ht immer aus einem Sys­tem mehrerer Komponenten:
Bes­tim­mungs­gemäß Verwenden
Zur bes­tim­mungs­gemäßen Ver­wen­dung gehört auch, dass der Nutzer die Fes­tigkeit­en und vor allem die Ein­flussfak­toren auf die Fes­tigkeit der einzel­nen Bestandteile kennt.
Eine weit­ere Gefährdung kann durch Anschla­gen an Bau- oder Kon­struk­tion­steilen auftreten. Sie kann ver­mieden wer­den durch die Ver­wen­dung eines geeigneten Sys­tems (s. u.), durch die Wahl der opti­malen Anschlag­möglichkeit, durch die opti­male Auswahl der Auf­fangöse (vorne oder hin­ten) und durch zusät­zliche PSA. Die Benutzung der PSA gegen Absturz erfordert geeignete Helme. Übliche Arbeitss­chutzhelme schützen gegen Anstoßen oder her­ab­fal­l­ende Teile. Beim Sturz in das Auf­fangsys­tem treten aber andere Gefährdun­gen auf. Der Helm muss so fest sitzen, dass er durch den Fangstoß oder durch nach oben gezo­gene Gur­triemen nicht vom Kopf geris­sen wird. Das erfordert eine ganz spezielle Beriemu­ng, die übliche Arbeitss­chutzhelme in der Regel nicht aufweisen.
Die beim Sturz in das Auf­fangsys­tem auftre­tende Fangstoßkraft ist durch die energieab­sorbieren­den Einzel­teile (z.B. Falldämpfer oder mit­laufend­es Auf­fang­gerät) zwar auf max­i­mal 6 KN begren­zt, den­noch kön­nen Ver­let­zun­gen durch den Fangstoß beim Auf­fan­gen auftreten. Deshalb muss der Auf­fang­gurt opti­mal aus­gewählt und eingestellt wer­den. Hier wird aus­drück­lich auf die richtige Auswahl hingewiesen. Aus der Vielzahl von Auf­fang­gurten, die alle den Anforderun­gen der DIN EN 361 entsprechen, muss der für den jew­eili­gen Ein­satz­fall und vor allem für die jew­eilige Per­son geeignete Gurt aus­gewählt wer­den. Es gibt keinen Gurt für alle Möglichkeit­en und alle Kör­per­maße! Danach muss ein Hängetest erfol­gen. Nur dieser kann fest­gestellt, ob der Gurt richtig sitzt und eine opti­male Hänge­po­si­tion ein­genom­men wird. Oft­mals kön­nen durch kleine Verän­derun­gen der Gurt­bän­der schmerzhafte Druck­stellen oder ungün­stige Kör­per­hal­tun­gen beim Hän­gen ver­mieden werden.
Als weit­ere Gefährdung kann das viel zitierte Hänge­trau­ma auftreten, über welch­es bere­its in anderen Aus­gaben (siehe Aus­gabe 9/2008) berichtet wurde. Bei bes­tim­mungs­gemäßer Benutzung beste­ht nur ein äußerst geringes Risiko, einen so genan­nten ortho­sta­tis­chen Schock durch freies Hän­gen zu erlei­den. Dazu gehört aber die Bere­i­thal­tung von Ret­tungsaus­rüs­tung, die es ermöglicht, eine frei hän­gende Per­son aus dieser Lage in ein­er endlichen Zeit zu befreien.
Prak­tis­che Übungen
Um diese kom­plex­en Gefährdun­gen zu ver­mei­den, sind umfan­gre­iche Unter­weisun­gen und prak­tis­che Übun­gen erforder­lich. Dies wird konkret in § 31 der BGV A1 gefordert. Wer PSA gegen tödliche Gefahren benutzt, muss prak­tis­che Übun­gen durch­führen! Im Bere­ich des Atem­schutzes wird dies seit vie­len Jahrzehn­ten prak­tiziert. In der BGR 190 sind sog­ar feste Zeit­en für die prak­tis­chen Übun­gen vorgeschrieben, die im Einzelfall 20 Stun­den betra­gen! Und bei der Benutzung der PSA gegen Absturz? Hier ist es lei­der immer noch ver­bre­it­ete Prax­is, irgen­deinen Gurt mit Verbindungs­seil und Falldämpfer zur Ver­fü­gung zu stellen, ohne eine aus­führliche Ein­weisung vor Ort oder prak­tis­che Übungen.
Was soll­ten diese Übun­gen bein­hal­ten und wie umfan­gre­ich müssen sie sein? Dazu gilt es zunächst die einzel­nen Auf­fang- sys­teme mit ihren Gefährdun­gen und Beson­der­heit­en zu betrachten.
1. Seil­stück mit Falldämpfer
Vorteile:
  • Ein­fache Handhabung
  • sichere, von der Hand­habung rel­a­tiv unab­hängige Funktion
  • kann sowohl ober­halb als auch unter­halb der Per­son fix­iert werden
  • Schnelle Instal­la­tion
Nachteile:
geringer Bewe­gungs­freiraum (max. 2 Meter)
2. Höhen­sicherungs­gerät (HSG)
Vorteile:
  • Ein­fache Handhabung
  • sichere, von der Hand­habung rel­a­tiv unab­hängige Funktion
  • Schnelle Instal­la­tion
  • Auf­fan­gen ohne größere Sturzbelastung
  • ermöglicht bewegliche Sicherung (z. B. für Auf- oder Abstiege)
Nachteile:
  • bei größeren Län­gen hohes Gewicht
  • Anschlag­möglichkeit muss sich i. d. R. ober­halb befind­en (hor­i­zon­tale Anord­nung nur mit dafür zuge­lasse­nen Geräten möglich)
3. Steigschutz
Vorteile:
  • beim Auf­stieg über eine Stei­gleit­er an jed­er Stelle gesichert
  • Per­son kann sich beim Auf­stieg entlasten
Nachteile:
  • sicheres Benutzen erfordert gezielte Handhabung
  • Fehler kön­nen leicht zum Absturz führen
4. Mit­laufend­es Auf­fang­gerät an beweglich­er Führung
Vorteile:
  • der Benutzer ist immer von oben gesichert oder er kann sich exakt positionieren
  • ein­fache Installation
Nachteile:
es kann durch Bedi­en­fehler oder Beein­träch­ti­gun­gen zum Ver­sagen des Auf­fang­gerätes kommen
5. Vorstei­gesicherung
Vorteile:
diese stark an den Bergsport angelehnte Sicherungsmeth­ode ermöglicht den Auf­stieg an Kon­struk­tio­nen, an denen noch keine anderen Auf­stieg- oder Sicherungsmöglichkeit­en vorhan­den sind
Nachteile:
  • die Sicherung erfordert auf­grund des möglichen Gefährdungspoten­zials und der Anforderun­gen an den Vorsteiger eine solide Ausbildung
  • Fehler kön­nen leicht zum Absturz führen
Bere­its bei der Schilderung der Nachteile der einzel­nen Sys­teme wurde darauf hingewiesen, dass die Sicher­heit und Zuver­läs­sigkeit der PSA durch unsachgemäße Benutzung beein­trächtigt wer­den kann. Wird z. B. aus dem fest­gelegten Läufer ein­er Steigschutzein­rich­tung her­aus gear­beit­et, kann sich dieser durch unbe­ab­sichtigte Bewe­gun­gen lösen und es kommt zum Absturz des Benutzers. Bei der Vorsteige-Sicherung mit­tels zuge­lassen­em Sicherungs­gerät kann durch Panikreak­tio­nen des Sich­ern­den das Gerät geöffnet wer­den, was im Sturz­fall des Vorsteigers eben­falls zum Absturz führen würde.
Es kön­nen daher keine konkreten Train­ingszeit­en angegeben wer­den. Die Anzahl der erforder­lichen Train­ingsstun­den hängt von ver­schiede­nen Fak­toren ab:
  • 1. vom Ken­nt­nis­stand und der Erfahrung des Benutzers
  • 2. vom jew­eili­gen Ein­sat­zort (Höhe, Erre­ich­barkeit, Rettungsmöglichkeiten)
  • 3. vom benutzten System
Es beste­hen z. B. große Unter­schiede, ob mit einem Seil­stück mit Fälldämpfer auf ein­er Rohrbrücke eines Unternehmens mit Werk­feuer­wehr oder auf einem 100 Meter hohen Telekom­mu­nika­tion­s­mast irgend­wo im Gelände gear­beit­et wird.
Vor allem die drei zulet­zt erläuterten Sys­teme erfordern aus­führliche Übun­gen, da der Benutzer deut­lich mehr Fehler machen kann, als beim HSG oder beim Seil mit Falldämpfer.
Die umfassenden the­o­retis­chen Unter­weisun­gen, die je nach aus­gewählter PSA 2 bis 3 Stun­den betra­gen soll­ten, müssen durch Übun­gen von min­destens 3 bis 15 Stun­den ergänzt wer­den. Diese Zeit­en beziehen sich auf die Benutzung der PSA gegen Absturz. Für die PSA zum Ret­ten kön­nen deut­liche län­gere Train­ingszeit­en erforder­lich sein (dieses The­ma wird in einem weit­eren Beitrag aus­führlich behan­delt werden).
Auch wenn einige Leser über diese Empfehlun­gen vielle­icht auf­schreck­en, ver­gle­ichen Sie bitte die Zahlen mit den Forderun­gen der BGR 190, die von den Nutzern seit vie­len Jahren akzep­tiert wer­den. Während nicht jed­er Fehler beim Atem­schutz sofort zu einem Unfall führt, ist das lei­der bei der PSA gegen Absturz sehr häu­fig der Fall. Fehler haben hier i. d. R. deut­lich schlim­mere Auswirkungen.
Darum: Nehmen Sie jeden Meter ernst!
Autor
Rain­er Schu­bert BG RCI E‑Mail: Rainer.Schubert@bgrci.de
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