Seit Jahrzehnten bestehen intensive Bemühungen zur Prävention von Hauterkrankungen. Auf Initiative der DGUV fand zusätzlich 2007 und 2008 eine deutschlandweite Hautkampagne statt. Sie hatte zum Ziel, große Bevölkerungskreise auf die Hautproblematik aufmerksam zu machen. Im Anschluss daran wurde das Hautthema einer der Schwerpunkte bei der GDA (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie). Die Aufmerksamkeit für das Thema sollte geweckt sein, doch was kommt am Arbeitsplatz an?
Hauterkrankungen gehören seit Jahren zu den Erkrankungen, bei denen am häufigsten der Verdacht auf einen Zusammenhang mit der Arbeit an die Berufgenossenschaften gemeldet wird. Meistens sind es Handekzeme; andere Körperteile sind wesentlich seltener betroffen. Das Wort Ekzem ist vielleicht deshalb genügend „eingebürgert“ weil, der Begriff Krätze früher wohl auch nicht aussagekräftiger war. Für die Praxis ist es wichtig, zwischen allergischen und subtoxisch kumulativen Handekzemen zu unterscheiden. Die allergischen Handekzeme sind zahlenmäßig nicht so bedeutsam. Den Hauptteil stellen die subtoxisch kumulativen Handekzeme. Sie entstehen häufig durch Substanzen, die nicht sofort zu Reizungen der Haut führen, insofern unauffällig sind. Eine wiederholte Einwirkung über einen längeren Zeitraum hinweg kann schließlich doch zu einem Handekzem führen.
Wenn wir reden, sollten wir das in verständlicher Weise tun. Wenn man die Prävention von Hautkrankheiten intensivieren will, gehört es dazu zu sagen, welche Hauterkrankung die häufigste in Zusammenhang mit der Arbeit ist und was zu ihrer Vermeidung zu tun ist. Damit sind wir am Arbeitsplatz wieder bei dem Begriff „subtoxisch kumulatives Handekzem“.
Über Allergien wird sehr viel veröffentlicht, nicht nur in Fachzeitschriften, sondern auch in der Tagespresse. Das Fremdwort Allergie wird dort ohne eine deutsche Umschreibung oder Übersetzung benutzt. Bei der weiten Verbreitung wird davon ausgegangen, dass es von den meisten Menschen auch verstanden wird.
Anders ist die Situation beim subtoxisch kumulativen Handekzem. Das überrascht nicht, denn über subtoxisch kumulative Handekzeme war in der Vergangenheit vergleichsweise sehr wenig in der Tagespresse zu finden. Erschwerend kommt dazu, dass von Hautärzten eine Vielzahl von Begriffen für den gleichen Sachverhalt verwendet wird. Schaut man sich Hautarztberichte an, so kann man schon nach kurzer Zeit auf z.B. 50 verschiedene Formulierungen zur gleichen Diagnose stoßen. Der medizinische Laie stellt sich die Frage, ob ein subtoxisch kumulatives Handekzem etwas anderes ist als ein kumulativ subtoxisches Handekzem, ob sich ein kumulativ-toxisches bzw. ein chronisch-toxisches Handekzem davon unterscheiden. Die Sprache der Dermatologen für die Diagnosen kann nicht einfach für das Gespräch oder die Unterweisung am Arbeitsplatz übernommen werden.
Fragestellung
Es wird ein verständlicher, allgemein akzeptierter Begriff für das subtoxisch kumulative Handekzem benötigt. Im Arbeitsalltag wird eine Reihe von Begriffen benutzt, wie z.B. Abnutzungsekzem, Erschöpfungsekzem, (chronisches) Irritationsekzem, degeneratives Ekzem. Bislang hat keiner davon die Führungsrolle übernommen und sich gegenüber den anderen durchgesetzt. Es ist auf keinen Fall ratsam, irgendein neues Wort „zu erfinden“, dessen Bedeutung man erst definieren und erklären muss. Aber auch ein bekannter Ausdruck muss von den Betroffenen in dem Zusammenhang angenommen werden. Darüber hinaus muss ein Ausdruck auch richtig sein und das Fremdwort für die Diagnose zutreffend wiedergeben. Der Empfänger sollte die Botschaft nicht falsch verstehen, nicht falsch interpretieren.
Befragung
Im Herbst 2007 wurde unsererseits eine Online-Befragung durchgeführt. Die Motivation zur Teilnahme an der Befragung wurde durch eine Gewinnverlosung gestärkt. Innerhalb der vorgegebenen Zeitspanne erhielten wir 448 Rückmeldungen.
Kollektiv: 202 (45%) waren Männer und 244 (55%) waren Frauen (bei 2 Teilnehmern fehlte die Angabe zum Geschlecht).
Die Begriffe, die abgefragt werden sollten, wurden vom damaligen Ärzteteam der Hautbetreuung der BGN in Mannheim ausgesucht. Die Fragen mussten selbsterklärend sein, weitere Hilfestellungen/Auskünfte wurden von dem Team nicht gegeben. Das Einstellen auf der Homepage der BGN erfolgte im Geschäftsbereich „Prävention“.
Die Befragung enthielt zwei Teile, die nacheinander zu beantworten waren. Im ersten Teil wurde nach der Akzeptanz der Begriffe gefragt und welche Vorstellungen mit den Begriffen verbunden werden. Im zweiten Teil wurde der Sachverhalt für das subtoxisch kumulative Ekzem kurz dargelegt und gefragt, welcher Begriff dies wohl am besten wiedergibt.
Es gab die Möglichkeit, auf einem zusätzlichen Freitextfeld Ausführungen in freier Form aufzuschreiben. Die Auswertung erfolgte extern.
Befragungsergebnisse:
Rangfolge der Akzeptanz:
Bei der Bewertung der Begriffe durch die befragten Personen werden das Überlastungsekzem und das irritative Ekzem am besten bewertet. Das irritative Ekzem wird zwar am häufigsten auf Platz 1 gesetzt, es findet sich aber auch deutlich häufiger „am anderen Ende“ der Bewertung wieder, d.h. es wird als nicht so gelungen betrachtet.
Bei einer Auswertung getrennt nach Männern und Frauen schneiden das Abnutzungsekzem und vor allem das Erschöpfungsekzem und das degenerative Ekzem ebenfalls deutlich schlechter bei der Akzeptanz ab.
Fast zwei Drittel (N=285; 64%) fänden es gut einen der fünf Begriffe zu verwenden. 39 (9%) fänden dies nicht gut, 107 (24%) ist es egal und bei 17 (4%) lag hierzu keine Angabe vor.
Richtigkeit der Assoziation:
Für die Bewertung der einzelnen Begriffe ist es jedoch nicht nur wichtig, ob die Betroffenen einen Begriff eher annehmen; es ist auch sehr wichtig, ob sie ihn auch „richtig“ verstehen. Geläufige Worte können bei verschiedenen Menschen durchaus unterschiedliche Assoziationen auslösen. Damit läuft man auch Gefahr bei der Wahl bestimmter Worte, dass man häufiger missverstanden wird.
Insgesamt geben lediglich 26 (6%) der Teilnehmer an, den Begriff „subtoxisch-kumulatives Ekzem“ zu kennen. Die verschiedenen „Übersetzungen“ sind allerdings auch nicht unproblematisch. Jede freie Assoziation eines Teilnehmers wurde in ihrer Gesamtheit danach bewertet, ob sie stimmig mit der Definition des „subtoxisch kumulativen Ekzems“ ist (Tabelle 4) Hierfür wurde sie einer der folgenden fünf Gruppen zugeordnet:
- 1. Sehr gut mit der gewünschten Definition übereinstimmende Assoziation
- 2. Übereinstimmende, aber z.T. lückenhafte Assoziation
- 3. Falsche Assoziation
- 4. Falsche Assoziation (da psychische Verursachung)
- 5. Keine Assoziation
Bei der Frage, was die Vorstellung ist, die der Betroffene mit jedem der angebotenen Begriffe verbindet und ob das in Übereinstimmung mit dem subtoxisch kumulativen Ekzem ist, zeichnete sich ein Vorsprung der Begriffe „Abnutzungsekzem“ und „Überlastungsekzem“ ab. Die „falsche Assoziation“ psychischer Ursachen führt dazu, dass das Abnutzungsekzem nicht noch stimmiger bewertet wird.
Freie Assoziationen:
Ein weiterer Gesichtspunkt wird in Tabelle 4 deutlich. Hierzu wurden die 448 freien Assoziationen zu den Begriffen ausgewertet. 58 Teilnehmer gaben bei allen Begriffen „nichts“ oder Unsinn an. Sie wurden nicht einbezogen.
Das Abnutzungsekzem wird mit lang anhaltenden oder häufigen Reizungen, vor allem mechanischen (Reibung), in Verbindung gebracht.
Beim Überlastungsekzem wird ebenfalls an lang anhaltende oder häufige Reizungen gedacht. Ursachen sind hier mehr chemischer als mechanischer Natur. Zusätzlich wird häufig eine psychische Komponente genannt.
Das irritative Ekzem wird häufig mit einer allergischen Reaktion auf den Kontakt mit einem bestimmten Stoff assoziiert.
Das Erschöpfungsekzem wird vor allem mit einer psychischen Ursache in Verbindung gebracht. Man macht etwas solange, bis man erschöpft ist.
Beim degenerativen Ekzem denken die Befragten insbesondere an den Verlauf. Entweder wird damit ein dauerhafter ernster Verlauf oder das Gegenteil, ein Ekzem welches sich gerade zurückbildet, assoziiert.
Ein Bezug zum Arbeitsplatz wird nur in wenigen Fällen genannt, dann jedoch deutlich häufiger beim Abnutzungs- und Überlastungsekzem als bei den anderen Begriffen.
Diskussion
Erschöpfungsekzem und degeneratives Ekzem haben im Vorfeld bei der Richtigkeit bereits schlechter abgeschnitten. Es wird nachfolgend daher nicht mehr darauf eingegangen.
Bei der Wiedergabe von „kumulativ“ sollte sowohl das Bild einer längeren Zeitschiene als auch das einer wiederholten Einwirkung erzeugt werden. Bei der Wiedergabe von „subtoxisch“ sollten chemische Aspekte nicht verloren gehen.
Beim irritativen Ekzem sind die belastenden chemischen Einwirkungen führend. Allerdings taucht recht häufig der Gedanke an eine Allergie auf, was nicht so gut hinsichtlich der Abgrenzung zum allergischen Handekzem ist. Außerdem scheint die Dauer für die Einwirkung und bis zum Auftreten des Ekzems eher kurz zu sein. Das ist auch nicht im Einklang mit der oft sehr langen Vorgeschichte bei subtoxisch kumulativen Handekzemen.
Abnutzungsekzem und Überlastungsekzem werden oft mit lang andauernden oder häufig wiederholten Einwirkungen in Verbindung gebracht. Beim Abnutzungsekzem stehen mechanische Ursachen im Vordergrund, beim Überlastungsekzem stattdessen mehr chemische Einwirkungen (die psychischen Ursachen werden weiter unten diskutiert).
In der Gesamtsicht schneidet der Begriff „Überlastungsekzem“ bei den vorliegenden Daten im Mittel vergleichsweise gut ab. Er hätte noch besser abgeschnitten, wenn es nicht den Teil „Falsche Assoziation (da psychische Verursachung)“ geben würde. Formal ist die Bewertung als falsch sicher gerechtfertigt. Bei der Diagnose „subtoxisch kumulatives Handekzem“ liegt offensichtlich eine stoffliche, mechanische Sichtweise zugrunde; psychische Ursachen werden bei dieser Begriffswahl nicht als relevant für die Manifestation eines Handekzems angesehen. Somit ist es legitim, einen Begriff, der andere (psychische) Ursachen vermittelt, im Sinne einer Übersetzung unter „nicht richtig“ zu zählen.
Diagnosen werden unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten in der Fachsprache der Fakultät erstellt. Die Formulierung subtoxisch kumulatives Handekzem wurde von „einer Schule“ ausgehend von dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen der Haut (G 24) eingebracht; andere Dermatologen verwenden unterschiedliche Begriffe für den gleichen Sachverhalt. Ein übersetzender Begriff, der mit dieser einen „Lehrmeinung“ nicht völlig deckungsgleich ist, muss nicht schlechter für den Gebrauch am Arbeitsplatz sein.
Wenn man formale Aspekte beiseite legt, stellt sich die Frage: Ist es denn im Arbeitsalltag sinnvoll, psychische Aspekte völlig auszugrenzen? Subtoxisch kumulativ ist mehr beschreibend. „Überlastend“ ist eine Wertung, die darüber hinaus geht. Eine Überlastung ist ein „Zuviel“. Die Vorstellung eines Überlastungsekzems beurteilt hier weniger den Arbeitsplatz, sondern versetzt sich mehr in die Position der Haut. Die Exposition ist nicht generell zuviel, so dass alle krank werden. Die Exposition ist zu diesem Zeitpunkt für die Haut des Individuums „zuviel“, das Handekzem tritt deshalb auf.
Eine „Überlastung“ kann sprachlich auch eine gute Rechtfertigung für die Einleitung von Präventionsmaßnahmen sein. Die Wertung „zuviel“ ist ein Appell für eine Hilfestellung. Und gerade beim subtoxisch kumulativen, d.h. beim Überlastungsekzem, haben bekanntermaßen die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten besonders gute Aussicht auf Erfolg.
Zusammenfassung
Die am häufigsten auftretende Hauterkrankung am Arbeitsplatz ist das subtoxisch kumulative Handekzem. Bei der Information von Betroffenen über die Bedeutung der Handekzeme ist dieser Fachausdruck nicht verständlich. Es trägt auch nicht zur Akzeptanz bei, wenn für denselben Sachverhalt zahlreiche genauso schlecht verständliche Synonyme benutzt werden. Umso wichtiger ist es, dass die häufigste Diagnose in verständlicher Form übermittelt und auch richtig verstanden wird.
Zu fünf verständlicheren Begriffen, „Übersetzungen“ wurden die Antworten derer ausgewertet, die mit diesen Worten am Arbeitsplatz konfrontiert werden, die die Botschaft verstehen sollen. Wichtige Gesichtspunkte sind einerseits die Akzeptanz eines Begriffes, andererseits die Übereinstimmung zwischen dem was ausgesagt wird und dem was „ankommt“.
Am besten hat in der Gesamtsicht der Befragungsergebnisse der Begriff „Überlastungsekzem“ abgeschnitten. Das „Abnutzungsekzem“ gibt zwar die lang andauernden und häufig wiederholten Einwirkungen besser wieder, lässt aber mehr an mechanische Einwirkungen und weniger an eine Hautbelastung durch chemische Stoffe denken. Das irritative Ekzem weckt die Vorstellung einer Einwirkung chemischer Stoffe, hat aber Nachteile hinsichtlich lang andauernder und häufig wiederholter Einwirkungen.
Die Bezeichnung „subtoxisch kumulatives Handekzem“ hat einen beschreibenden Charakter. „Überlastung“ in dem Begriff „Überlastungsekzem“ drückt im Vergleich dazu auch eine Bewertung aus. Dieser Anteil kann jedoch das Präventionsanliegen, geeignete Maßnahmen rechtzeitig durchzuführen, durchaus fördern.
Mit den dargestellten Studienergebnissen ist ein erster Schritt getan, dass man sich auf einen präventionstauglichen Begriff einigt. Weitere Schritte sind noch notwendig, z.B. die Überlegung, ob bei unterschiedlichen Berufsgruppen ein unterschiedlicher Sprachgebrauch zu erwarten ist mit der Folge, dass unterschiedliche Begriffe bevorzugt werden. Dies war in dem befragten Kollektiv nicht zu erheben.
Nach einer bundesweiten Hautkampagne in den Jahren 2007/2008 und einer Weiterführung des Hautthemas als einen Schwerpunkt der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) wäre es schon zu wünschen, dass einer der zentralen Krankheitsbegriffe nicht nur auf „Fachchinesisch“, sondern auch mit einem verständlichen Begriff kommuniziert werden kann.
Dr. Peter Kleesz
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe Dynamostr. 7–9 68165 Mannheim
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