Am Beispiel einer Anfrage zur überarbeiteten Norm des elektrischen Explosivstoffschutzes DIN V VDE V 0166 wird deutlich, dass sich sprachliche Halbheiten zu brisanten Fehldeutungen aktivieren können, hier in Verbindung mit der benachbarten Ex-Norm DIN EN 60079–14 (VDE 0165–1). Es gibt aber auch noch andere Gründe, dazu einiges anzumerken und zu bedenken. Im Teil 1 des Beitrages wurde die konkrete Anfrage erläutert, über Ursachen nachgedacht und auf rechtliche Belange eingegangen. Teil 2 schließt inhaltlich unmittelbar an, befasst sich näher mit den genannten Normen, stellt wesentliche Inhalte vergleichend gegenüber und gibt Empfehlungen für den Fall, dass ein Auftraggeber dem Planungsbüro wesentliche Arbeitsvorgaben vorenthält.
4. Zusammenhang zwischen DIN V VDE V 0166 und DIN EN 60079–14 (VDE 0165–1) [1] [2]
4.1 Überblick
Beide Normen haben gemeinsam zum Ziel, ungewollte Explosionswirkungen durch angemessene elektrotechnische Schutzmaßnahmen zu vermeiden. Hauptsächlich besteht das Schutzprinzip darin, zündgefährliche Energiewerte (Funkenbildung, Oberflächentemperatur) auf zweckmäßige Weise auszuschließen. Dafür ergänzen sie die grundlegenden Elektronormen der Reihe VDE 0100 ff jeweils mit zusätzlichen gefährdungstypischen Maßnahmen. Um die Normen anwenden zu können, muss in beiden Fällen für den jeweiligen örtlichen Bereich ein aussagekräftiges schriftliches Beurteilungsergebnis vorliegen.
Inhaltlich erscheinen die beiden Elektronormen wie zwei ungleiche Schwestern. Gemessen an der Seitenanzahl rein elektrotechnischer Aussagen erscheint die kleinere (VDE V 0166) geradezu minimalistisch. Selbstverständlich ist es nicht die körperliche Masse, die den praktischen Nutzen einer Norm repräsentiert, sondern ihr fachtechnisches Gewicht. Anders herum deuten sich damit die gravierenden Wesensunterschiede zwischen den beiden Gefahrenarten an.
In Struktur und Inhalt lehnt sich die VDE V 0166 an die größere Schwester an. Charakteristische Unterschiede zeigen beide Normen in Bezug auf
- Herkunft (einerseits national, andererseits international/europäisch),
- stoffliche Ursachen einer möglichen Explosion,
- Zonen-Einstufung und ‑Charakteristik der gefährdeten Bereiche und
- Schutzmaßnahmen
Tab. 4 stellt die Inhalte der Normen vergleichend nebeneinander.
4.2 Anmerkungen zu DIN EN 60079–14 (VDE 0165–1)
Diese verhältnismäßig umfangreiche Norm internationalen Ursprungs hat deutsche Wurzeln. In ihrer aktuell gültigen Fassung führt sie zwei miteinander verwandte Gebiete wieder zusammen, die vorher eine Zeit lang separat genormt waren: Den elektrischen Gasexplosionsschutz und den elektrischen Staub-Explosionsschutz (technisch unverändert übernommen aus DIN EN 61241–14 (VDE 0165–2)). Beides zielt auf explosionsgefährdete Bereiche, die gemäß BetrSichV beurteilt, eingestuft und dokumentiert worden sind. Als dafür maßgebend gelten die Technischen Regeln der TRBS-Reihe 2152 [12], weiterhin für vertiefende Erkenntnisse bei Gas- oder Staubexplosionsgefährdung die VDE 0165–101 [14] oder die VDE 0165–102 [15].
Da sind die Zündquellen kein Merkmal für die Beurteilung der „Zonen“ (Zone 0, 1, 2 für Gas‑, Dampf- und Nebel/Luft-Gemische; 20, 21, 22 für Staub/Luft-Gemische). Nach der Zoneneinstufung (Tab. 3) richten sich die Auswahl, die Installation und das Betreiben elektrischer als auch nichtelektrischer Betriebsmittel. Elektrische Zündschutzmaßnahmen des Explosionsschutzes begünstigen naturgemäß auch den elektrischen Brandschutz. Darauf geht die Norm aber nicht näher ein.
Darüber hinaus gehören elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen zur Gruppe der „überwachungsbedürftigen Anlagen“ nach § 2(7) GPSG [16] und BetrSichV. Demgemäß unterliegen sie besonderen Prüfungen (TRBS 1201–1). Verweise irgendwelcher Art auf VDE V 0166 enthält die Norm nicht.
4.3 Anmerkungen zu VDE V 0166
Die im Umfang relativ knappe Norm steht weder auf internationalem noch europäischem Fuß. Ein letzter ehemals deutsch initiierter EN-Entwurf von 1997 kam europäisch nicht voran. Zu der als Vornorm herausgegebenen aktuellen Ausgabe 2011-04 gibt es keinen veröffentlichten Entwurf. Verglichen mit der ebenfalls als Vornorm bekannten Fassung 2008-01 und überhaupt hat sich seither inhaltlich nur wenig geändert. Abgesehen von den überarbeiteten Beispielbildern im Anhang C wurde die neue Ausgabe lediglich den Änderung der zu berücksichtigenden benachbarten Normative (z.B. DIN VDE 0100) angepasst.
Was es auch immer sein mag, womit uns das vorgeordnete Regelwerk künftig überrascht – gegenwärtig fordert die Norm eine Bewertung, unter welchen Umständen elektrische Einrichtungen mit explosiv reagierenden Stoffen in Berührung kommen können. Im Ergebnis richten sich die Auswahl, Installation und das Betreiben elektrischer Betriebsmittel nach gestaffelten Bedingungen für die Zonen E1, E2 und/oder E3. Im Gegensatz zu den Zonen gemäß BetrSichV hängt aber hier das Einstufungsergebnis eben auch (jedoch nicht ausschließlich) davon ab, ob elektrische Anlageteile in gefährliche Berührung mit explosiven Stoffen kommen können. In diesem Zusammenhang sind die Zündquellen ein wesentliches Kriterium bei der Einstufung.
Einleitend stellt VDE V 0166 voran, worum es geht: Schutzmaßnahmen gegen elektrische Zündquellen sollen die Wahrscheinlichkeit von Bränden und Explosionen verringern. Hier gehört der Brandschutz also mit zum Thema.
In mehreren Abschnitten der VDE V 0166 erkennt man Analogien zu Formulierungen der VDE 0165–1, einschließlich des Zugriffes auf Ex-Betriebsmittel nach Normen der Reihe DIN EN 60079–0 ff (VDE 0170–1 ff). Dass das ehemals anders war, als es für den Explosivstoffschutz noch elektrische Betriebsmittel nach VDE 0666 gab, die mit dem Kennzeichen Sp im Kreissymbol genormt waren, weiß inzwischen fast niemand mehr. Schon ausgangs des vorigen Jahrhunderts gaben unternehmerische Überlegungen den Ausschlag, sich die Schutzwirkung von Ex-Betriebsmitteln auch im Explosivstoffschutz nutzbar zu machen. Etwa ebenso lange ist es her, dass ein Normenteil mit Zusatzfestlegungen zum Betrieb von Starkstromanlagen für explosionsgefährdete Bereiche außer Betrieb genommen wurde – die DIN VDE 0105–9:1986–05 (als „zurückgezogen“ stellt sie der VDE-Verlag aber weiterhin käuflich zur Verfügung).
Entgegen eventueller Vermutung besteht die Norm grundsätzlich nicht darauf, überall Ex-Betriebsmittel einzusetzen. Auch sogenannte „normale“ (industriell allgemein übliche) elektrische Betriebsmittel eigenen sich für explosivstoffgefährdete Bereiche, sofern sie den jeweils geforderten Beschaffenheitsmerkmalen entsprechen, und kostenseitig bieten sie deutliche Vorteile in der Beschaffung und Wartung. In früheren Normenausgaben war das noch ausdrücklich nachzulesen.
Seit einiger Zeit unterscheidet das Tabellenwerk im Anhang A der Norm die Stoffe nach einem „vergleichsweise hohen“ oder „vergleichsweise geringen“ Gefährlichkeitsgrad. In den Definitionen der Zonen E 1, E 2 und E 3 kommt dieses Kriterium zwar nicht vor, wohl aber in der Staffelung der Schutzmaßnahmen bei Zone E 2. Wenn die gefährdenden Stoffe in E 2‑Bereichen nur einen vergleichsweise geringen Gefährdungsgrad haben, genügt es hinsichtlich der Oberflächentemperatur, dass die Betriebsmittel mindestens der Ex-Temperaturklasse T3 entsprechen. Das bedeutet, die ansonsten maßgebende Zersetzungstemperatur spielt da keine Rolle bei der Auswahl der Betriebsmittel. Zusätzlich wird vorausgesetzt, dass die Stoffe nicht zur Verwendung als Explosivstoffe oder zu ihrer Herstellung bestimmt sind.
Einer der drei Anhänge von VDE V 0166 (Übersicht s. Tab. 4) trägt die Überschrift „Anhang C (informativ) Leitfaden für die Errichtung von elektrischen Anlagen in Bereichen, die durch Stoffe mit explosiven Eigenschaften gefährdet sind“. Von den insgesamt 28 Seiten dieses Anhanges gehen aber nur die beiden ersten Seiten auch auf den elektrotechnischen Teil der Norm ein. Inhaltlich befasst sich dieser Anhang mit einem nicht minder wichtigen Thema – der sachgerechten Einstufung von gefährdeten Bereichen, listet zahlreiche Beispiele auf und demonstriert sie grafisch.
Nach Erläuterungen zu Fragen bei elektrotechnischen Schutzmaßnahmen, die sich aus dem normativen Teil stellenweise intuitiv ergeben, sollte man also im Anhang C nicht suchen.
4.4 Beide Normen, verbunden im Anhang C der VDE V 0166 (Beispielsammlung)
Abb. 1 stellt dar, welche rechtlichen Hintergründe die beiden Normen haben und wie sie miteinander korrespondieren. Gewisse Unsicherheiten über ihre Anwendungserfordernisse scheint es der Fachliteratur zufolge schon vor Jahrzehnten gegeben zu haben. Ein Sprengstoffexperte beklagte „die falsche Anwendung der VDE 0165 für Räume, auf die nur die VDE 0166 zutrifft“, als häufig zu beobachtenden Sachverhalt [17]. Ein nicht minder frustrierendes Resultat hat ein Auftraggeber zu erwarten, wenn er den Elektroauftragnehmer lapidar auf die Einstufungsbeispiele in VDE V 0166 verweist, anstatt seiner Dokumentations- und Informationspflicht nachzukommen.
Aus den typischen Eigenarten und Aggregatzuständen explosiver Stoffe ergeben sich spezifische Unterschiede gegenüber den Schutzmaßnahmen gegen die Gefahren durch atmosphärische Gas- oder Staub/Luft-Gemische. Deswegen schließt die VDE 0165–1 „explosivstoffgefährdete Situationen, z.B. Herstellung und Verarbeitung von Explosivstoffen“ in ihren Anwendungsbereich (Abschnitt 1) auch nicht mit ein.
Um die Zündgefahr eines beliebigen Betriebsmittels (Arbeitsmittels) bewerten zu können, muss die betriebsbedingt maximale Oberflächentemperatur bekannt sein. Der Wert gilt als ungefährlich, wenn er die Entzündungstemperatur des gefährdenden Mediums (explosiver Stoff oder explosionsfähiges Gemisch) nicht erreicht. Im Zusammenhang mit dem Ex-Schutz der Betriebsmittel gemäß DIN EN 60079–0 ff existieren genormte Prüfverfahren sowohl für die Ermittlung der stofflichen Zündtemperaturen explosionsfähiger atmosphärischer Gemische als auch für die Bewertung der Zündfähigkeit von Ex-Betriebsmitteln.
Bei Stoffen mit explosiven Eigenschaften gilt gemäß VDE V 0166 die Zersetzungstemperatur als stoffliches Kriterium für das Zündrisiko durch Betriebsmittel mit erwärmten Oberflächen. VDE V 0166 definiert die Zersetzungstemperatur als „niedrigste Temperatur, bei der eine bestimmte Menge des Stoffes – unter festgelegten Bedingungen erhitzt – sich unter Wärmeentwicklung praktisch sofort zersetzt.“
„Zersetzen“ bedeutet – so merkt die Norm dazu an – dass der Stoff entweder sich entzündet, verpufft, explodiert, ohne Flamme abraucht oder aufschäumt. Anhang A enthält Tabellen mit Beispielen von stofflichen Zersetzungstemperaturen und Anhang B empfiehlt und beschreibt eine Prüfmethode.
Dem Wunsch nach praktikablen Prüfverfahren für elektrische Betriebsmittel steht im Explosivstoffschutz eine Vielfalt stofflicher Erscheinungsformen mit variablen Zündempfindlichkeiten und Reaktionen gegenüber. Bezogen auf die Betriebsmittelauswahl nach VDE V 0166 hat der der Verfasser bisher keine Informationen darüber, welche Prüfmethoden es ermöglichen, das Zündverhalten von explosiven Stoffen bei Kontakt mit erwärmten Betriebsmitteln (Oberflächen) repräsentativ nachzuweisen.
Bei einer Detonation entwickelt sich eine Stoßwelle, die schnell die Schallgeschwindigkeit erheblich übersteigt und viel heftiger auf die Umgebung einwirkt als die Deflagration einer explosionsfähigen Atmosphäre mit Werten unterhalb der Schallgeschwindigkeit. Letztlich sei noch daran erinnert, dass explosiv reagierende Stoffe andere Zündmechanismen haben als atmosphärische Gemische. Die CLP-Verordnung [8] gliedert explosive Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse in 6 wirkungsbezogen gestaffelte Unterklassen. Das sind Kennzeichen für Gefahren, die ein explosives Gefahrgut insgesamt in sich birgt und mit welcher Intensität es reagiert. Auch damit deuten sich Unterschiede im Schutzbedürfnis an, denen man bei explosiven Stoffen mit angepassten Schutzmaßnahmen begegnet – beispielsweise durch erhöhten Blitzschutzaufwand [18].
Einige Stoffe oder Arbeitsverfahren erfordern besondere Aufmerksamkeit, weil sie sowohl nach VDE V 0166 als nach VDE 0165–1 tendieren. Stellvertretend sei hier die Nitrocellulose genannt.
Als krümelige Masse im Rohzustand kommt dieser Stoff bei der weiteren Verarbeitung teilweise mit verschiedenartigen Lösemitteln zusammen, bis schließlich ein Fertigprodukt vorliegt, eventuell als leicht entzündlicher NC-Lack oder als brisanter Explosivstoff.
Für welche Stoffe und Situationen das auf ähnliche Weise zutrifft, verdeutlicht die schon erwähnte Beispielsammlung im Anhang C der VDE V 0166. Etwa 25 % der Beispiele tragen einen entsprechenden Vermerk. Im Anwendungsbereich der Norm heißt es dazu unter 1.2: „Werden elektrische Anlagen nach 1.1 ((d.h., Anlagen mit Gefährdung durch Stoffe mit explosiven Eigenschaften)) in explosionsgefährdeten Bereichen errichtet, geändert, instandgesetzt oder erweitert, gelten auch die entsprechenden europäischen Normen. Dabei gelten diejenigen Bestimmungen mit Vorrang, die im Interesse der Sicherheit höhere Anforderungen stellen.“ Hinter der abstrakten Wendung „europäische Normen“ darf man zuerst elektrotechnische DIN EN vermuten. Doch das berechtigt nicht dazu, alle anderen Normative des Explosionsschutzes kurzerhand auszuschließen.
Wo sich zwei örtliche Bereiche unterschiedlicher Gefahrenlage überschneiden, ist demnach zu prüfen, welche Gefährdungsart insgesamt die höheren Anforderungen stellt. Einen Bereich zweifach einzustufen führt kaum zu einer praktikablen Lösung. Naturgemäß fehlt Elektrofachleuten das spezielle Wissen, um zweifelsfrei zu entscheiden. Was dann zu tun ist, muss der abwägenden Risikoanalyse eines Fachexperten vorbehalten bleiben.
In der Beurteilungspraxis entscheidet man sich entweder – wenn die Gefahr durch explosionsfähige Atmosphäre dominiert – für den Explosionsschutz nach VDE 0165–1 oder es wird alles der VDE V 0166 unterstellt. Selbstverständlich darf dieses „entweder oder“ nicht zu sicherheitstechnischen Lücken führen. Im speziellen Fall eines Verdachtes auf hybride Gemische kann das problematisch werden. Darauf sind weder VDE V 0166 noch VDE 0165–1 eingerichtet. Welche der beiden Varianten letztlich den Vorzug bekommt, hängt zwangsläufig auch davon ab, welche kompensierenden technologischen Maßnahmen daraus folgen.
5. Über fachliche Voraussetzungen für ein sachgerechtes Angebot
Wenn es ein Auftraggeber an aussagekräftigen Vorgaben fehlen lässt, sollte man sich zunächst über die eigenen Befindlichkeiten klar werden. Über solchen Situationen schwebt immer ein mehr oder minder hohes Risiko nachträglicher Korrekturen. Welche Argumente sprechen dafür, sich dann noch damit zu befassen? Geht es nur um eine optimale Kostenpauschale oder um eine fachlich korrekte verbindliche Ausarbeitung? Welche Unwägbarkeiten kann es nach sich ziehen, trotzdem ein Angebot abzugeben?
Im Zweifelsfall begegnet man den Risiken am besten damit, dass man sich gar nicht erst darauf einlässt. Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen, meint der Verfasser. Er tut es dennoch, weil er aus eigner Praxis weiß, die Meinung eines Fachplaners gilt bei Vorgesetzten durchaus nicht immer als das Maß aller Dinge. Die folgend angemerkten Zusammenhänge sollen dazu beitragen, zielführend zu argumentieren.
Ob eine belastbare Lösung möglich ist, hängt sehr von der jeweiligen Sachlage ab. Unter überschaubaren stofflichen und anlagetechnischen Bedingungen kann das so sein, aber kaum bei einer Anlage, wo beide stofflichen Gefährdungen vorliegen, d.h., Stoffe mit explosiven Eigenschaften (VDE V 0166) im Zusammenhang mit gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre (VDE 0165–1). Im ersteren Fall kommt man möglicherweise anhand der Beispielsammlung in VDE V 0166 zu plausiblen Ergebnissen. Eine ehemalige Beispielsammlung zur VDE 0165 wurde schon vor Jahrzehnten in die „Explosionsschutz-Richtlinien“ (EX-RL) überführt und allgemeingültig qualifiziert. Inzwischen haben die EX-RL alle TRBS übernommen, die sich mit dem Schutz gegen Gefahren durch explosionsfähige Atmosphäre befassen. Elektrofachleuten fehlt der technologische Hintergrund dafür, um zielsicher einen Ex-Bereich abzuschätzen.
Eine primäre Voraussetzung, um ein sachgerechtes Elektro-Angebot erarbeiten zu können, besteht im ausreichenden Zugriff auf unabdingbare Bearbeitungsvorgaben. In der eingangs beschriebenen Situation steht und fällt der Erfolg mit der Möglichkeit, Informationslücken (z.B. örtlicher Bereich, stoffliche Kennzahlen, technologische Sachverhalte) anderweitig operativ zu füllen. Frühzeitig muss geklärt werden, ob das mit eigenem Wissen gelingt oder nur mit externer Hilfe. Es ist sehr wichtig, Toleranzbereiche herauszufinden und zu überprüfen, ob sie sicherheitshalber bereinigt werden müssen oder optimal genutzt werden können. Außerdem sollte unmittelbarer Kontakt zu einer fachlichen Vertrauensperson des potenziellen Vertragspartners bestehen. Auf dieser Grundlage wäre abzuwägen, ob sich in gegenseitigem Einvernehmen eine Kalkulationsbasis ergeben kann, z.B. im Analogieschluss zu ähnlichen Anlagen oder durch das Vorgeben maßgebender Eckdaten als Vertragsgrundlage. Als Anbietender sollte man auch nicht darauf verzichten, sich präzisierende Korrekturen ausdrücklich vorzubehalten.
6. Fazit
Ein Planungsbüro sieht sich außerstande, zwei fachlich benachbarte Normen zielgerecht einzuordnen. Explosionsschutz oder Explosivstoffschutz, lautet die Frage, DIN EN 60079–14 (VDE 0165) oder DIN V VDE V 0166. Begrifflich irritiert von einer Fachpublikation ist man sich im Zweifel über die Anwendungsbereiche. Es geht darum, neben physikalischen und technischen Unterschieden die rechtlichen Grundlagen sachgerecht einzubeziehen.
Mit diesem Hintergrund wird eine Bestandsaufnahme vorgenommen zur Suche nach Ursachen und Auswirkungen. Ein gegenüberstellender Vergleich der beiden Normen, ergänzt durch Anmerkungen zu begrifflichen Ähnlichkeiten und schutztechnischen Analogien schließt sich an. Veranlasst durch einen begrifflichen Angelpunkt der Anfrage, dem „Ex-Bereich“, stehen auch Verständigungsprobleme infolge unscharfer Fachausdrücke ganz allgemein im Blickfeld. Abschließend gibt der Verfasser Empfehlungen, ob und wie man als Planer arbeitsfähig werden kann, wenn der Auftraggeber sicherheitsbezogene Vorgaben verweigert.
Literatur
- 1. DIN V VDE V 0166:2010–04 Errichten elektrischer Anlagen in Bereichen, die durch Stoffe mit explosiven Eigenschaften gefährdet sind.
- 2. DIN EN 60079–14 (VDE 0165–1): 2009-05 Explosionsfähige Atmosphäre – Teil 14: Projektierung, Auswahl und Errichtung elektrischer Anlagen
- 3. DIN EN 60079–10–1 VDE 0165–101: 2009-10 Explosionsfähige Atmosphäre – Teil 10–1: Einteilung der Bereiche – Gasexplosionsgefährdete Bereiche
- 4. DIN EN 60079–10–2 VDE 0165–102: 2010-03 Explosionsfähige Atmosphäre – Teil 10–2: Einteilung der Bereiche – Staubexplosionsgefährdete Bereiche
- 5. Gesetz über die Bereitstellung von Produkten auf dem Markt (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 08.11.2011 – BGBl. I S. 2178 (vorher Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG)
- 6. Kreuter, Th.: Spreng- und Zündmittel, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig 1962
- 7. Reihe DIN EN 62305 (VDE 0185–305): 2011 Blitzschutz, speziell DIN EN 62305–3 Schutz von baulichen Anlagen und Personen Beiblatt 2 (VDE 0185– 305–3 Beiblatt 2):2009–10 Zusätzliche Informationen für besondere bauliche Anlagen
Vertiefende Fachliteratur: s. Internet
Autor
Dipl. Ing. Johannes Pester Markkleeberg E‑Mail: pestermbg@t‑online.com
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