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Wenn es knallt und funkelt

Pyrotechnik trifft auf Arbeitssicherheit
Wenn es knallt und funkelt

Pyrotech­nik und Arbeitssicher­heit, auf den ersten Blick zwei Gebi­ete, die über­haupt nichts miteinan­der zu tun haben, ja sich sog­ar gegen­seit­ig auss­chließen – zumin­d­est wenn man die regelmäßi­gen Exzesse in unseren Fußball­sta­di­en betra­chtet. Aber dieser Ein­druck ist falsch. Was da an uner­laubter Zün­delei in den Sta­di­en stat­tfind­et (für den Fach­mann ist es immer wieder abso­lut unver­ständlich, dass solch gefährlich­es, ille­gales Han­deln nicht kon­se­quenter unter­bun­den wird) hat aber auch gar nichts mit der pro­fes­sionellen Pyrotech­nik zu tun! Denn auf kaum einem Gebi­et wird so auf Sicher­heit geachtet – und auch von den Behör­den kon­trol­liert – wie bei der Pyrotech­nik – der Autor spricht aus eigen­er Erfahrung.

Peter Krommes

Genau betra­chtet gibt es im Spreng­we­sen in Deutsch­land zwei Bere­iche, das „gewerbliche Spren­gen“ und die soge­nan­nte „Lust­feuer­w­erk­erei“, let­ztere unter­gliedert sich in die „Büh­nen-pyrotech­nik“, die „Großfeuer­w­erk­erei“ und die „Pyrotech­nik für die Film- und Fernseh­pro­duk­tion“. Über die „Lust­feuer­w­erk­erei“ soll im Fol­gen­den berichtet werden.
Der Büh­nen­py­rotech­niker wird im Regelfall pyrotech­nis­che Effek­te auf The­ater­büh­nen oder ähn­lichen Ein­rich­tun­gen vor­führen. Hier han­delt es sich um kleine, intel­li­gent aus­gewählte, oft recht spek­takuläre Effek­te, die deshalb beson­ders schwierig sind, weil sie meist in unmit­tel­bar­er Nähe der Schaus­piel­er und inner­halb von Gebäu­den gezün­det wer­den müssen. Neben dem tech­nis­chen Aufwand bei diesen Vor­führun­gen, die ja meist in exakt der gle­ichen Weise mehrfach vorge­führt wer­den müssen, sind beson­dere organ­isatorische Maß­nah­men zu beacht­en. Jed­er pyrotech­nis­che Effekt im The­ater muss mit der für den Brand­schutz zuständi­gen Stelle abges­timmt wer­den, vor der ersten Auf­führung muss er (auf Anforderung auch in Gegen­wart der für die Sicher­heit zuständi­gen Behörde, die vorher natür­lich über das Vorhaben zu informieren ist!) aus­führlich erprobt wer­den, eine Gefährdungs­beurteilung muss vor­liegen – Pfusch­er habe da keine Chance!
Beim Großfeuer­w­erk­er sind andere Über­legun­gen erforder­lich. Er wird im Regelfall „draußen“ sein Feuer­w­erk abbren­nen, die Sicher­heit der Beteiligten wird im Wesentlichen durch den sehr großen Sicher­heitsab­stand gewährleis­tet. Jedes Feuer­w­erk muss der zuständi­gen Behörde – üblicher­weise der Gewer­beauf­sicht – angezeigt wer­den. In dieser „Anzeige“ sind alle sicher­heit­srel­e­van­ten Aspek­te aus­führlich darzustellen, eine Gefährdungs­beurteilung nach dem Arbeitss­chutzge­setz sowie aus­führliche, schriftlich doku­men­tierte Unter­weisun­gen aller Helfer müssen natür­lich auch vor­liegen. Die Gewer­beauf­sicht leit­et diese Anzeige gegebe­nen­falls noch an andere zuständi­ge Stellen wie die Naturschutzbe­hör­den weit­er. Wenn der Feuer­w­erk­er alle Sicher­heits- und Umwelt­fra­gen kor­rekt bear­beit­et und berück­sichtigt hat, darf er „schießen“, anderen­falls erhält er eine „Unter­sa­gungsver­fü­gung“.
Die dritte im Bunde der „Film- und Fernseh­py­rotech­niker“ oder kurz gesagt der „SFXler“ ist für die zum Teil gigan­tis­chen Stunts mit Flam­men- oder Explo­sion­sef­fek­ten bei Fil­mauf­nah­men ver­ant­wortlich. Hier gel­ten natür­lich beson­dere Vor­sichts­maß­nah­men, da oft mit großen Mate­rial­men­gen, an ungewöhn­lichen Orten und meist auch in Anwe­sen­heit von Per­so­n­en gear­beit­et wer­den muss. Vor den Effek­ten ist eine dezi­dierte Absprache mit den für die Sicher­heit und den Brand­schutz zuständi­gen Behör­den erforder­lich; selb­stver­ständlich müssen auch Gefährdungs­beurteilung und aus­führliche Unter­weisun­gen aller am Effekt Beteiligten vorliegen.
Über die sicher­heit­stech­nis­chen Voraus­set­zun­gen der vom Pyrotech­niker einge­set­zten Gegen­stände, die Sprengstoffe enthal­te­nen, soll an ander­er Stelle berichtet werden.
Zusam­men­fassend lässt sich sagen, dass bei allen gewerblichen pyrotech­nis­chen Vor­führun­gen in Deutsch­land die Sicher­heit an erster Stelle steht!

Ausbildung zum Pyrotechniker

Das zeigt sich auch bei der Aus­bil­dung zum Pyrotech­niker die nur durch staatlich zuge­lassene Feuer­w­erk­er­schulen durchge­führt wer­den darf. Vor der Aus­bil­dung zu ein­er der drei oben genan­nten Sparten muss der ange­hende Pyrotech­niker eine ganze Menge an prak­tis­chen Erfahrun­gen sam­meln. Vor der Zulas­sung zur Aus­bil­dung als Großfeuer­w­erk­er beispiel­sweise muss er bei min­destens 26 Großfeuer­w­erken unter Auf­sicht eines erfahre­nen Fach­manns als Helfer teilgenom­men haben. Wenn diese Voraus­set­zung vor­liegt, erfol­gt die Über­prü­fung auf „Zuver­läs­sigkeit“ – unter anderem muss ein „blitzsauberes“ polizeilich­es Führungszeug­nis vorgelegt wer­den. Straftat­en, Alko­hold­e­lik­te oder gar Nähe zum Ter­ror­is­mus sind absolute Auss­chlusskri­te­rien für den Erwerb der Feuer­w­erk­slizen­zen! Chaoten, Pyro­ma­nen oder andere Ver­rück­te wer­den so aus­geschlossen! (Sollte man später als Feuer­w­erk­er straf­fäl­lig wer­den, ver­liert man automa­tisch seine Zulassung)
Wenn alle Voraus­set­zun­gen erfüllt sind, dür­fen die Anwärter zur Aus­bil­dung „ein­rück­en“, die dann mit ein­er stren­gen staatlichen Prü­fung mit einem the­o­retis­chen und prak­tis­chen Teil abschließt. Wenn man den „Schein“ in den Hän­den hält, muss man auch regelmäßig „schießen“, fehlt diese Prax­is, ver­fällt die Erlaub­nis nach zwei Jahren, alle fünf Jahre muss man außer­dem an einem „staatlich anerkan­nten“ Wieder­hol­ungskurs teilnehmen.
Da mich, den Autor, Pyrotech­nik und Arbeitssicher­heit schon immer fasziniert hat, habe ich im Laufe der Jahre alle drei „Lust­feuer­w­erk­slizen­zen“ erwor­ben. Ein Großfeuer­w­erk wird aus ein­er ganzen Serie einzel­ner Bomben­rohre, kom­biniert mit Box­en, Boden­ef­fek­ten, Feuer­bildern etc. abgeschossen. Die Kun­st des Feuer­w­erk­ers beste­ht in der Zusam­men­stel­lung der einzel­nen Effek­te zu ein­er Gesamtkom­po­si­tion, die handw­erk­liche Fähigkeit beste­ht darin, alles in der gewün­scht­en Rei­hen­folge elek­trisch zu zün­den, möglichst auch im Takt zu ein­er dazu passenden Musik. Mehrere Tage Vor­bere­itung sind oft erforder­lich, um dann für 20 Minuten den Nachthim­mel zu verzaubern.
Während der Aus­bil­dung zum „Film- und Fernseh­py­rotech­niker“ musste ich dann neben vie­len kleinen Effek­ten wie dem Erzeu­gen von Ein­schus­s­löch­ern oder Flam­men- und Rauch­er­schei­n­un­gen ler­nen, wie man vor der Kam­era große Sprengstof­f­ex­plo­sio­nen simuliert. Es war für mich schon über­raschend zu sehen, dass für solche gewalti­gen Effek­te kaum Sprengstoffe, son­dern ver­meintlich harm­lose Stoffe wie Mehl oder andere „unge­fährliche“ Stäube ver­wen­det werden!
Ich denke, dass viele Anwen­der von explo­sions­fähi­gen Fein­stäuben – ca. 80 Prozent der indus­triell einge­set­zten Stäube haben dieses Gefährlichkeitsmerk­mal – gar nicht wis­sen, wie heftig solche Explo­sio­nen ablaufen kön­nen! Man hat zwar mal reg­istri­ert, dass das einge­set­zte Mate­r­i­al als ST1 eingestuft wurde, aber über die Kon­se­quen­zen ist man sich oft nicht im Klaren. Da ich noch ganz im Anfang meines Beruf­slebens engen Kon­takt mit Her­rn Dipl. Ing. Beck vom Beruf­sgenossen­schaftlichen Insti­tut für Arbeitssicher­heit (BIA) hat­te, der vor Jahren die Explo­sion der Rolandsmüh­le in Bre­men unter­sucht hat­te, wurde ich bere­its früh für das The­ma „Staubex­plo­sio­nen“ sensibilisiert.
Nach mein­er Pyrotech­niker­aus­bil­dung habe ich dann zunächst mit einem pro­fes­sionellen Kam­er­ateam einen Film gedreht, in dem gezeigt wird, wie unglaublich heftig „harm­lose“ Stäube und Lösungsmit­teldämpfe explodieren können.
Ich habe dann das Ver­fahren, einen brennbaren Staub aufzuwirbeln und zu zün­den, opti­miert. Während in der Fil­min­dus­trie im Regelfall Lykopodi­um oder Mehl gemis­cht mit Ben­zin zur Erzeu­gung von Explo­sion­sef­fek­ten einge­set­zt wer­den, gelingt es mir jet­zt mit meinem Ver­fahren prak­tisch jeden brennbaren Staub zur Explo­sion zu brin­gen und damit die Gefährlichkeit von Staubex­plo­sio­nen vorzuführen.
Autor
Peter Krommes
Diplom­chemik­er, Sicher­heitsin­ge­nieur und Pyrotechniker
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