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Kern- und Sonderaufgaben von Fachkräften für Arbeitssicherheit

Kern- und Sonderaufgaben von Fachkräften für Arbeitssicherheit
Wenn ich’s nich’ mache…

Viele Tätigkeit­snach­weise von Fachkräften für Arbeitssicher­heit enthal­ten unter dem Stich­wort „Son­der­auf­gaben“ reine Arbeit­ge­ber­auf­gaben. Die ver­ant­wortlichen Chefs und Chefinnen freut das Engage­ment ihrer Eier leg­en­den Wollmilch­säue. Wer will es ihnen ver­denken? Doch was sind die Gründe dafür, und warum meint selb­st so manche Fachkraft, dass Arbeit­ge­ber­auf­gaben zu ihrem Kerngeschäft gehören?

Heiko Mit­tel­staedt

Ken­nen Sie das? Am Jahre­sende, oder zu Beginn eines neuen Jahres, bekom­men Sie von Ihrem Arbeit­ge­ber den Auf­trag, eine umfassende Auf­stel­lung Ihrer Tätigkeit­en anzufer­ti­gen. In einem kurzen Vorge­spräch erk­lärt er Ihnen, dass er gerne etwas über Ihre Son­der­auf­gaben erfahren möchte. Schließlich will er Sie am Prämien­pro­gramm des Unternehmens beteiligen.
Ich weiß, dass das sel­ten passiert. Hin und wieder sollen noch Zeichen und Wun­der geschehen. Sie machen sich fro­hen Mutes ans Werk, und fol­gende Aufzäh­lung Ihrer Zusatztätigkeit­en kommt am Ende heraus:
  • Erstel­lung von Gefährdungsbeurteilungen
  • Organ­i­sa­tion, Durch­führung und Vor­sitz der ASA-Sitzungen
  • Unter­weisung der Beschäftigten
  • Auswahl geeigneter Sicherheitsbeauftragter
  • Aus- und Fort­bil­dung der Sicherheitsbeauftragten
  • Auswahl geeigneter Ersthelfer
  • Aus- und Fort­bil­dung der Ersthelfer
  • Beschaf­fung und Verteilung von Erste Hil­fe Material
  • Erstel­lung von ToDo-Lis­ten ein­schließlich Pri­or­itäten­vor­gabe und Fristsetzung
  • Erstel­lung von Unfal­lanzeigen und Archivierung der Unterlagen
  • Organ­i­sa­tion von Infor­ma­tionsver­anstal­tun­gen für die Führungskräfte
Sie hät­ten die Liste sicher­lich noch ergänzen kön­nen, doch klein­lich woll­ten Sie nicht sein. Mit der fer­ti­gen Auf­stel­lung erscheinen Sie zum vere­in­barten Gespräch­ster­min und wer­den rüde abge­fer­tigt. Ihr Gegenüber erk­lärt Ihnen frank und frei, dass er nichts über Ihr Kerngeschäft, son­dern über Ihre Son­dertätigkeit­en lesen will.
Er hat­te sich vor ein paar Tagen klar und deut­lich aus­ge­drückt, oder nicht? Er hat­te sich Ihrer Mei­n­ung nach klar und deut­lich aus­ge­drückt, und Sie sind schock­iert oder vielle­icht sog­ar erbost über die Reak­tion. Unter dem Punkt „Son­der­auf­gaben“ lis­ten Sie im Tätigkeit­snach­weis keines­falls Ihr Kerngeschäft auf. Die erste Hälfte des Tätigkeit­snach­weis­es haben Sie mit den Haup­tauf­gaben nach § 6 Arbeitssicher­heits­ge­setz (ASiG) gefüllt, und dann fol­gt die Auf­stel­lung mit den zusät­zlichen Auf­gaben. Jet­zt sind Sie ver­wirrt. Das sind doch Son­der­auf­gaben, die Sie da in Ihrer Liste klar und deut­lich anführen, oder nicht?

Weder noch…

Darf ich ehrlich zu Ihnen sein? Es han­delt sich wed­er um das Kerngeschäft ein­er Fachkraft für Arbeitssicher­heit (Sifa), noch um deren Son­der­auf­gaben! Noch nicht ein­mal die „neue Rolle“ der Sifa ver­langt die Durch­führung der dargestell­ten Tätigkeit­en von Ihnen. Die neue Rolle ver­wirrt zwar erst ein­mal jede Sifa, doch let­ztlich gelangt man immer wieder zur bekan­nten Auf­gabenbeschrei­bung des ASiG. An den Auf­gaben hat sich seit 1974 nichts wesentlich geän­dert, an der (angestrebten) Rol­len­verteilung lei­der schon …
Ich schweife ab. Sie lis­ten in Ihrem Tätigkeit­snach­weis reine Arbeit­ge­ber­auf­gaben auf! Das weiß auch Ihr Gegenüber; er ver­schweigt es Ihnen jedoch lieber und lässt Sie auflaufen. Sie kön­nen sich nach dem uner­freulichen Gespräch gerne der Mei­n­ung Ihres Arbeit­ge­bers anschließen. Die Liste Ihrer „Ker­nauf­gaben“ wächst in diesem Fall um einige Punk­te und Sie steigen möglicher­weise in sein­er Beliebtheitsskala. Ihrer anvisierten Prämie ist das allerd­ings abträglich.
Jet­zt wird es schwierig, echte Son­der­auf­gaben für Ihren Tätigkeit­snach­weis zu find­en. In diesem Fall kön­nen Sie im Grunde nur noch auf Ihre Rolle als Brand­schutzbeauf­tragter zurück­greifen, für die Sie seit Auf­nahme Ihrer Tätigkeit allerd­ings bis heute nicht schriftlich bestellt wur­den. Sie kön­nen auch Ihre Funk­tion als Baustel­lenko­or­di­na­tor her­vorkra­men, für die Sie auf­grund fehlen­der Ken­nt­nisse nicht die Voraus­set­zungskri­te­rien erfüllen. Bis heute fehlen Ihnen die bau­fach­lichen Ken­nt­nisse. „Moment, junger Mann!“, wer­den Sie entrüstet rufen, „ich wurde nach den neuen Aus­bil­dungsrichtlin­ien der Beruf­sgenossen­schaften geschult und geprüft.
Ich bin froh, dass Sie mir das zugerufen haben. Es ist hin­sichtlich der ange­blichen Ker­nauf­gaben in Ihrem Tätigkeit­snach­weis nicht von Bedeu­tung, dass Sie nach den neuen Aus­bil­dungsrichtlin­ien der Beruf­sgenossen­schaften zur Fachkraft für Arbeitssicher­heit aus­ge­bildet wur­den oder noch aus­ge­bildet (als alter Hase vielle­icht sog­ar „nachgeschult“?) wer­den. Zwar hat sich inhaltlich einiges getan; die Zugangsvo­raus­set­zun­gen für Sifa haben sich jedoch nicht geändert.
Auch wenn Sie nach den neuesten Richtlin­ien aus­ge­bildet wur­den, oder noch wer­den, macht Sie das am Ende nicht zur Eier leg­en­den Wollmilch­sau. Aus Meis­tern, Tech­nikern und Inge­nieuren der unter­schiedlich­sten Fachrich­tun­gen wer­den dadurch nicht Bauin­ge­nieure, Brand­schutzsachver­ständi­ge oder Dok­toren der BWL, Chemie, Physik, Medi­zin oder der Juris­terei. Bei vie­len The­men zum Arbeits- und Gesund­heitss­chutz wird man auch zukün­ftig nicht auf spezial­isierte Kräfte verzicht­en kön­nen und die wer­den nicht automa­tisch mit der Fachkraft für Arbeitssicher­heit iden­tisch sein.
Mir stellen sich an dieser Stelle zwei Fragen:
  • Wie kommt es, dass viele Arbeit­ge­ber in Tätigkeit­snach­weisen ihrer Sifa unter dem Stich­wort „Son­der­auf­gaben“ reine Arbeit­ge­ber­auf­gaben zu lesen bekom­men und warum gehen sie, als wäre es selb­stver­ständlich, automa­tisch vom Kerngeschäft der Sifa aus?
  • Warum meinen sog­ar manche Sifa, dass diese Arbeit­ge­ber­auf­gaben ihr Kerngeschäft seien?

Wer ist zuständig?

Die Beant­wor­tung der ersten Frage ist ver­gle­ich­sweise leicht. Vie­len Arbeit­ge­bern und Führungskräften ist nach wie vor nicht ein­sichtig, dass sie – selb­st wenn sie eine Fachkraft für Arbeitssicher­heit bestellt haben – am Ende des Tages noch mit Auf­gaben der Arbeitssicher­heit beschäftigt sein sollen. Und das, obwohl sie in ihrem Tages­geschäft genug um die Ohren haben. Da wird der Begriff der „Unter­stützung bei den Auf­gaben“ schnell zur „Über­tra­gung der Auf­gaben“ umfor­muliert. Dies geschieht oft­mals ein­seit­ig auss­chließlich im Kopf des Arbeit­ge­bers. Manch­mal jedoch sog­ar schriftlich mit der Unter­schrift bei­der Parteien. Und schon ste­hen die Arbeit­ge­ber­auf­gaben im Tätigkeit­snach­weis. Zaghaften Ein­wän­den von Seit­en der Fachkraft für Arbeitssicher­heit wird mit dem Totschla­gar­gu­ment begeg­net, dass sie der Profi sei und sich im Arbeitss­chutz auskenne, und soviel Arbeit sei die Organ­i­sa­tion ein­er popeli­gen ASA-Sitzung nicht. Die Sifa sollte sich mit dieser Aus­sage nicht zufrieden geben. Der Geset­zge­ber hat, neue Rolle hin oder her, einzig dem Arbeit­ge­ber die Hauptver­ant­wor­tung im Arbeitss­chutz zugewiesen. Er will die Ver­ant­wortlichen in den Unternehmen dazu brin­gen, sich mit Ihren Entschei­dun­gen rund um die Arbeit­splätze per­sön­lich auseinan­derzuset­zen. Dazu bedarf es im Grunde kein­er Fachqual­i­fika­tion, son­dern in erster Lin­ie ein­er Weisungs­befug­nis. Der Unternehmer und alle nach­fol­gen­den Führungskräfte haben diese Befug­nis, die reine Sifa hat sie nicht.
Die Fachkräfte für Arbeitssicher­heit tra­gen alle Infor­ma­tio­nen zusam­men, die der Ver­ant­wortliche für seine Entschei­dung braucht. Das ist ihre zugewiesene Auf­gabe und die neue Form der Aus­bil­dung kann hier­bei hil­fre­ich sein. Muss sie aber nicht, denn die „alten“ Sifa kön­nen mit viel Stärk­erem aufwarten; mit Erfahrung. Ganz gle­ich, was die Sifa zu Rate ziehen. Für die Richtigkeit ihrer Unter­stützung und Beratung tra­gen sie die Ver­ant­wor­tung, für die let­ztliche Entschei­dung nicht.

Beispiel

Der Geset­zge­ber bes­timmt in vie­len Geset­zen und Verord­nun­gen, dass der Ver­ant­wortliche – und nicht die Fachkraft für Arbeitssicher­heit – im Unternehmen eine Gefährdungs­beurteilung durchzuführen hat.
Die Sifa bege­ht die zu beurteilen­den Arbeit­splätze gemein­sam mit dem Ver­ant­wortlichen und ste­ht ihm bera­tend zur Ver­fü­gung. Die Auswer­tung, also die Beurteilung an sich, ist Sache des Arbeit­ge­bers. Bei allen anderen Auf­gaben, die der Arbeit­ge­ber im Arbeitss­chutz hat, ver­hält es sich genauso.

Arbeitsschutz leben

Lei­der möcht­en sich viele Arbeit­ge­ber und Führungskräfte ins gemachte Nest set­zen. Es geht ihnen einzig darum, lästige Auf­gaben wegzu­drück­en. Die Ver­ant­wortlichen überse­hen dabei allerd­ings, dass durch dieses Ver­hal­ten der Arbeitss­chutz im Betrieb nicht gelebt wird. Da sie sich nicht mit ihm iden­ti­fizieren, machen es die Beschäfti­gen eben­falls nicht. Nicht sel­ten sind alle geset­zlichen Anforderun­gen auss­chließlich der Sifa bekan­nt und wer­den nur von ihr erfüllt. Ein sicheres Zeichen dafür sind beispiel­sweise die Unfal­lzahlen im Unternehmen, die oft eine deut­liche Sprache sprechen.

Arbeitgeberaufgaben?

Ich schulde Ihnen noch eine Antwort auf meine zweite Frage. Das ist nicht ein­fach, denn ich laufe Gefahr, dem einen oder anderen Kol­le­gen beziehungsweise der ein oder anderen Kol­le­gin zu nahe zu treten, der oder die im Unternehmen frei­willig und aus Überzeu­gung sämtliche Auf­gaben im Arbeits- und Gesund­heitss­chutz an sich bindet. Oft ver­bun­den mit der kon­se­quenten Aus­sage: „Wenn ich’s nich’ mache, dann macht’s hier kein­er!“ Mag schon sein… Aus eigen­er Erfahrung – und aus Gesprächen mit anderen Sifa – weiß ich, dass diese Ein­stel­lung sel­tener gewor­den ist. Sie kommt aber, auch bei reinen Sifa ohne jed­wede Ver­ant­wor­tungszuweisung, noch viel zu häu­fig vor. Doch warum?
Ein Grund dürfte sein, dass der per­ma­nente Recht­fer­ti­gungs­druck, dem sich alle Fachkräfte für Arbeitssicher­heit heutzu­tage aus­ge­set­zt sehen, zur (mehr oder weniger frei­willi­gen) Über­nahme von Arbeit­ge­ber­auf­gaben führt.
Wur­den die FaSi vor Jahren bei ihrer Arbeit von den Ver­ant­wortlichen meist nur müde belächelt, wer­den sie nun­mehr teil­weise aggres­siv unter Druck geset­zt und lan­den am Ende demo­tiviert mit Symp­tomen eines Burnout-Syn­droms beim Betrieb­sarzt und/oder der Sozial­ber­atung. Wird nicht gemacht, was die Ver­ant­wortlichen wollen, bekom­men interne Sifa zu hören, dass man zukün­ftig auf externe Unternehmen zugreifen könne, und externe Fachkräfte für Arbeitssicher­heit wer­den mit der Andro­hung ein­er Ver­tragskündi­gung unter Druck geset­zt. Die bei­den Vorge­hensweisen stellen die zweite Stufe dar, mit der die Arbeit­ge­ber ihre Ver­ant­wor­tung wegzu­drück­en ver­suchen, wenn die zuvor erwäh­nte „Profi-Masche“ nicht gefruchtet haben sollte. Das ist eine bedauer­liche Sit­u­a­tion, die bei allen Beteiligten eine Unmenge Ärg­er und gesund­heitliche Belas­tun­gen hervorrufen.
Autor
Heiko Mit­tel­staedt
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