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Wie geht das denn in der Praxis?

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Wie geht das denn in der Praxis?

Viele Betriebe fra­gen sich, wie sie die geset­zliche Forderung nach der Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen erfüllen kön­nen. Es herrscht noch Unsicher­heit, wie es denn nun am besten laufen kann. In diesem Artikel erfahren Sie grund­sät­zliche Möglichkeit­en und Tipps für die prak­tis­che Umsetzung.

Spätestens seit der Erweiterung des Arbeitss­chutzge­set­zes im ver­gan­genen Jahr 2013 ist klar: Die psy­chis­chen Belas­tun­gen bei der Arbeit müssen im Rah­men ein­er Gefährdungs­beurteilung betra­chtet wer­den. Die psy­chis­chen Belas­tun­gen kön­nen dabei gemein­sam mit den anderen Gefährdungs­fak­toren erfasst wer­den – eine spezielle Gefährdungs­beurteilung ist nicht erforder­lich. Das Vorge­hen bei der Erfas­sung der psy­chis­chen Belas­tun­gen ist aber weniger geregelt als bei anderen Gefährdungsfaktoren.
Was sollte man also beacht­en und welche Empfehlun­gen gibt es?
Belas­tung – Beanspruchung
Viele Fach­leute im Bere­ich Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit haben inzwis­chen vom Belas­tungs-Beanspruchungs-Mod­ell gehört. Trotz­dem ist es immer wieder wichtig auf die Unter­schiede zwis­chen Belas­tung und Beanspruchung hinzuweisen, da dies von großer Bedeu­tung für die Gefährdungs­beurteilung ist — und auch in Diskus­sio­nen, Beiträ­gen und Ver­laut­barun­gen wird hier (lei­der) hin und wieder geschludert.
Nach der Norm DIN ISO 10075–1 ist psy­chis­che Belas­tung „die Gesamtheit aller erfass­baren Ein­flüsse, die von außen auf den Men­schen zukom­men und psy­chisch auf ihn ein­wirken“. Psy­chis­che Beanspruchung ist „die unmit­tel­bare (nicht die langfristige) Auswirkung der psy­chis­chen Belas­tung im Indi­vidu­um in Abhängigkeit von seinen jew­eili­gen über­dauern­den und augen­blick­lichen Voraus­set­zun­gen, ein­schließlich der indi­vidu­ellen Bewältigungsstrategien“.
Psy­chis­che Belas­tun­gen sind also Ereignisse, Reize oder Anforderun­gen, die sich auf unser Denken, unsere Gefüh­le, unser Ver­hal­ten und auch unseren Kör­p­er(!) auswirken – eben alles, was von außen auf uns wirkt. Beanspruchun­gen sind die Reak­tio­nen auf diese Reize oder Anforderun­gen, das heißt also, ob wir uns freuen oder ärg­ern, ob unser Blut­druck steigt oder unser Herz schneller schlägt oder ob wir eine Auf­gabe mit Engage­ment übernehmen oder sie lieber erst mal liegen lassen.
Die Reak­tion hängt von der Per­son ab, zum Beispiel ihrer Qual­i­fika­tion oder ihren Inter­essen. Grund­sät­zlich wer­den vier mögliche Quellen für Belas­tun­gen bei der Arbeit unterschieden:
  • Arbeit­sauf­gabe bzw. ‑inhalt, wie zum Beispiel Hand­lungsspiel­raum, Ver­ant­wor­tung oder Kom­plex­ität der Aufgaben
  • Arbeit­sor­gan­i­sa­tion, wie beispiel­sweise Schichtar­beit, Pausen, Unter­brechun­gen oder Zeitdruck
  • Arbeitsmit­tel und ‑umge­bung, wie Maschi­nen, Werkzeuge, Lärm, Beleuch­tung oder Klima
  • Soziale Beziehun­gen – beispiel­sweise Führungsver­hal­ten oder die Kon­tak­te zu Kol­le­gen und Kolleginnen.
Psy­chis­che Belas­tun­gen sind also neu­tral definiert – sie kön­nen sich pos­i­tiv oder neg­a­tiv auswirken. Das führt manch­mal zu Ver­wirrung, da das Wort „Belas­tung“ im deutschen neg­a­tiv beset­zt ist. Da die Wirkung aber abhängig von den indi­vidu­ellen Leis­tungsvo­raus­set­zun­gen ist, kann let­z­tendlich erst im Nach­hinein fest­gestellt wer­den, wie sich eine Belas­tung aus­gewirkt hat.
Belas­tun­gen erfassen
Die Unter­schei­dung von Belas­tung und Beanspruchung ist wichtig für die Gefährdungs­beurteilung. Bei der Gefährdungs­beurteilung geht es um die Erfas­sung der Belastungen.
So schreibt es auch das Arbeitss­chutzge­setz: Gemäß § 5 hat der Arbeit­ge­ber die Arbeits­be­din­gun­gen zu beurteilen. Ziel der Präven­tion­sar­beit ist es ja, die Arbeits­be­din­gun­gen gesund zu gestal­ten. Die Beanspruchun­gen, das heißt, die Reak­tio­nen auf die Bedin­gun­gen, soll­ten also nicht Gegen­stand der Gefährdungs­beurteilung sein. Es soll nicht erfasst wer­den, ob sich jemand über­fordert fühlt und das Gefühl hat, den Anforderun­gen nicht mehr gewach­sen zu sein. Es soll schließlich nicht die Leis­tungs­fähigkeit beurteilt wer­den. Wenn die Beschäftigten dies denken, weil es ihnen kein­er erk­lärt hat, führt dies schnell zu Ängsten.
Und noch etwas: Wenn Sie die Beanspruchun­gen erfassen, wis­sen Sie im Nach­hinein möglicher­weise zwar, dass es den Leuten schlecht geht, aber Sie wis­sen nicht warum. Es kann an der Auf­gabe selb­st liegen oder an der Arbeit­sor­gan­i­sa­tion oder an ganz anderen Fak­toren, wie zum Beispiel famil­iären Prob­le­men, Geld­sor­gen, usw. Sie haben dann also gar keine Ansatzpunk­te für Ihre weit­ere Präventionsarbeit.
Wenn Sie aber durch die Beurteilung der Arbeits­be­din­gun­gen fest­stellen, dass bei der Organ­i­sa­tion einiges im Argen liegt, während die anderen drei Bere­iche in Ord­nung sind, kön­nen Sie hier entsprechend mit Verän­derun­gen ansetzen.
Das „Stres­so-Meter“ gibt es nicht
Viele Sicher­heits­fachkräfte und Sicher­heits­beauf­tragte hät­ten gerne ein Gerät, um damit die psy­chis­chen Belas­tun­gen zu erfassen. So, wie man mit einem Schallpegelmess­gerät den Lärm messen kann, wäre es doch schön, man hätte eine Art „Stres­so-Meter“, mit dem man die psy­chis­chen Belas­tun­gen erfassen kann. Ein solch­es Gerät gibt es aber lei­der nicht. Warum? Hierzu kön­nen Sie ein kleines Gedanken­ex­per­i­ment machen. Stellen Sie sich vor, Sie möcht­en den Hand­lungsspiel­raum bei ein­er Tätigkeit erfassen. Wie kön­nte ein Gerät ausse­hen, das den Hand­lungsspiel­raum am Arbeit­splatz erfasst? Ein solch­es Gerät gibt es nicht – es gibt noch nicht ein­mal eine Ein­heit für Hand­lungsspiel­raum. Oder stellen Sie sich vor, Sie woll­ten Unter­brechun­gen messen. Sie bräucht­en ein Gerät, dass beispiel­sweise zählt, wie häu­fig das Tele­fon klin­gelt, wie oft ein Kol­lege oder die Vorge­set­zte kommt und etwas fragt und wie viele E‑Mails ankom­men. Die Anzahl der Anrufe und Mails ließen sich gegebe­nen­falls noch tech­nisch zählen, die Störun­gen durch Kol­le­gen schon weniger. Oder noch schwieriger: Welch­es Gerät kön­nte das Ver­hal­ten der Führungskräfte messen oder die soziale Unter­stützung durch Kol­le­gen? Sie sehen, dass es nicht möglich ist, die psy­chis­chen Belas­tun­gen mit Geräten zu bes­tim­men. Let­z­tendlich bleibt nur, die Beschäftigten oder ihre Vorge­set­zten zu fra­gen oder die Per­so­n­en bei ihrer Tätigkeit zu beobacht­en. Aus diesem Grund erfasst man die psy­chis­chen Belas­tun­gen mit Hil­fe von Beobach­tungs- oder Befra­gungsver­fahren oder in Work­shops, in denen man die Beschäftigten nach ihren Belas­tun­gen fragt.
Meth­o­d­en bei der Erfas­sung der Belastungen
Man unter­schei­det drei Meth­o­d­en, um psy­chis­che Belas­tun­gen zu erfassen:
  • Befra­gung
  • Beobach­tungsin­ter­views
  • Mod­erierte Workshops
Alle Meth­o­d­en haben ihre Vor- und Nachteile, so dass jed­er Betrieb für sich entschei­den muss, welche Meth­ode die geeignete ist. Bei ein­er Befra­gung erhal­ten alle Beschäftigten einen Frage­bo­gen, in dem (Fehl-) Belas­tun­gen aufge­lis­tet sind. Sie sollen dann jew­eils ein­schätzen, ob diese für ihren Arbeit­splatz zutr­e­f­fen oder nicht. Bei einem Beobach­tungsver­fahren wer­den die Beschäftigten eine Zeit lang bei ihrer Tätigkeit beobachtet. Bei den Beobachtern kann es sich um Experten (z.B. Psy­cholo­gen) und/oder Vorge­set­zte han­deln, die dann die psy­chis­chen Belas­tun­gen beurteilen. In der Regel wer­den bei den Beobach­tun­gen auch einzelne Beschäftigte inter­viewt (Beobach­tungsin­ter­views). Bei mod­erierten Grup­pendiskus­sio­nen set­zen sich die Beschäftigten in kleinen Grup­pen zusam­men und sprechen über Fehlbe­las­tun­gen und mögliche Maß­nah­men dage­gen. Der Vorteil von Frage­bö­gen beste­ht darin, dass alle Beschäftigten ein­be­zo­gen wer­den. Es ist auch ein Aus­druck von Wertschätzung, die Beschäftigten selb­st zu fra­gen und nicht andere über die Belas­tun­gen urteilen zu lassen. Es beste­ht jedoch des Öfteren die Sorge, dass die Beschäftigten die Sit­u­a­tion zu neg­a­tiv beurteilen. Übri­gens: Auch wenn man im Rah­men ein­er Gefährdungs­beurteilung die Beschäftigten befragt, han­delt es sich nicht um eine Mitar­beit­er­be­fra­gung, son­dern es bleibt eine Gefährdungs­beurteilung. Der Vorteil von Beobach­tun­gen beste­ht darin, dass sie unab­hängig von den Ein­drück­en der beobachteten Per­son sind. Führen viele Beschäftigte dieselbe Tätigkeit aus, kann es auch kostengün­stiger sein, eine einzige Per­son zu beobacht­en anstatt alle zu befra­gen (das machen Sie im Rah­men von z.B. der Gefährdungs­beurteilung gle­ichar­tiger Arbeit­splätze bzw. Tätigkeit­en ja genau­so, Sie beurteilen nicht jeden Büroar­beit­splatz, oder jeden einzel­nen Produktionsarbeitsplatz).
Allerd­ings lassen sich in einem Zeitraum von ein paar Stun­den nicht alle Tätigkeit­en repräsen­ta­tiv beobacht­en und manche Belas­tun­gen wie zum Beispiel das Führungsver­hal­ten sind kaum ein­er Beobach­tung zugänglich. In kleinen Betrieben mit häu­fig unter­schiedlichen Tätigkeit­en eignen sich eher Grup­pendiskus­sio­nen. Hier wäre der Aufwand für Befra­gun­gen oder Beobach­tun­gen zu groß und die Meth­o­d­en wären auch inhaltlich nicht sin­nvoll. Grup­pen­work­shops zur Beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen lassen sich natür­lich auch in größeren Betrieben durch­führen. Das kann dann aber schnell sehr aufwändig werden.
Analy­setiefe
Bei den Ver­fahren zur Erfas­sung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen unter­schei­det man drei Analysetiefen:
  • Ori­en­tierende Verfahren
  • Screen­ing-Ver­fahren
  • Experten­ver­fahren
Wie der Name es schon sagt, geben ori­en­tierende Ver­fahren einen ersten Überblick über das Aus­maß der Belas­tun­gen. Screen­ing-Ver­fahren sind bere­its etwas genauer. Bei ori­en­tieren­den Frage­bö­gen oder Beobach­tungsver­fahren kann man sich vorstellen, dass in etwa mit 20 Fra­gen Belas­tun­gen grob eingeschätzt wer­den. Hier­bei gibt es in der Regel nur zwei Antwort­möglichkeit­en (trifft eher zu – trifft eher nicht zu). Bei Screen­ing-Ver­fahren sind es dop­pelt so viele Fra­gen mit mehreren Antwort­möglichkeit­en (trifft völ­lig zu – trifft eher zu – trifft eher nicht zu – trifft gar nicht zu). Experten­ver­fahren sind sehr detail­liert und enthal­ten entsprechend mehr Fra­gen und Antwortmöglichkeiten.
Mit zunehmender Analy­setiefe steigt natür­lich auch die notwendi­ge Exper­tise der Per­so­n­en, die das Ver­fahren anwen­den. Hin­sichtlich der Analy­setiefe beste­ht inzwis­chen weit­ge­hend Kon­sens darüber, dass man ori­en­tierend ein­steigen sollte. Das machen Sie bei anderen Gefährdun­gen und Gefährdungs­beurteilun­gen auch so. Wenn es bere­its deut­liche Hin­weise auf psy­chis­che Fehlbe­las­tun­gen gibt, kann man auch mit einem genaueren Ver­fahren einsteigen.
Und nun?
Gehen wir nun ein­mal davon aus, dass die psy­chis­chen Belas­tun­gen in einem Betrieb erfasst wur­den. Dann stellt sich als näch­stes natür­lich die Frage, ab wann eine Belas­tung denn zu ein­er Gefährdung wird. Dies lässt sich lei­der nicht generell sagen, da es keine Gren­zw­erte bei den psy­chis­chen Belas­tun­gen gibt. Dies stellt sich in den Betrieben auf den ersten Blick häu­fig als großes Prob­lem dar. Vielle­icht hil­ft aber der Gedanke und Hin­weis darauf, dass es dieses Prob­lem nicht nur bei den psy­chis­chen Belas­tun­gen gibt, son­dern auch bei anderen Gefährdun­gen. Beispiel­sweise gibt es bei kreb­ser­re­gen­den Stof­fen auch keine Gren­zw­erte – hier gilt generell das Min­imierung­sprinzip hin­sichtlich der Expo­si­tion von Beschäftigten. Dieses Prinzip lässt sich auch auf die psy­chis­chen Fehlbe­las­tun­gen über­tra­gen. Aus der Forschung wis­sen wir inzwis­chen, dass sich Fehlbe­las­tun­gen wie Zeit­druck, häu­fige Unter­brechun­gen oder Mul­ti­task­ing neg­a­tiv auf Leis­tung, Wohlbefind­en und Gesund­heit auswirken.
Das Ampel­prinzip
Den­noch kommt der Betrieb nicht umhin für sich festzule­gen, wann und welche Maß­nah­men abgeleit­et wer­den sollen. Es gibt inzwis­chen Empfehlun­gen nach dem Ampel­prinzip vorzuge­hen. Das bedeutet Fol­gen­des: Liegen bei einem Drit­tel der Arbeit­splätze Fehlbe­las­tun­gen vor, brauchen keine weit­eren Maß­nah­men abgeleit­et zu wer­den. Liegen bei ein bis zwei Drit­tel Fehlbe­las­tun­gen vor, sollte noch ein­mal genauer analysiert wer­den, bei welchen Arbeit­splätzen das der Fall ist beziehungsweise welche Fehlbe­las­tun­gen es sind. Liegen bei über zwei Drit­tel Fehlbe­las­tun­gen vor, soll­ten auf jeden Fall Maß­nah­men abgeleit­et wer­den. Ein Betrieb kön­nte aber auch sagen, dass er mit Maß­nah­men gegen diejeni­gen Fehlbe­las­tun­gen begin­nt, die am häu­fig­sten fest­gestellt wur­den und dann nach und nach Maß­nah­men gegen die weit­eren Fehlbe­las­tun­gen erfol­gen. Wichtig ist, dass diese Fes­tle­gung VOR der Erfas­sung der psy­chis­chen Belas­tun­gen erfol­gt. Son­st kann es im Nach­hinein schnell zu Auseinan­der­set­zun­gen kom­men, ob das Aus­maß ein­er Fehlbe­las­tung denn nun Maß­nah­men recht­fer­tigt oder nicht.
Maß­nah­men ableit­en und umsetzen
Die Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen endet nicht mit der Erfas­sung der Fehlbe­las­tun­gen. Wie bei allen anderen Gefährdungs­fak­toren auch, gehört die Maß­nah­menableitung und ‑umset­zung, die Wirk­samkeit­skon­trolle sowie die Doku­men­ta­tion zwin­gend dazu. So ste­ht es auch im Arbeitsschutzgesetz.
Wenn die psy­chis­chen Belas­tun­gen erfasst sind und fest­gelegt wurde, gegen welche (Fehl-)Belastungen Maß­nah­men ergrif­f­en wer­den sollen, müssen diese Maß­nah­men natür­lich auch abgeleit­et und umge­set­zt wer­den. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeit­en. Zum einen kön­nen die Führungskräfte aufge­fordert wer­den, Maß­nah­men zu über­legen und vorzuschla­gen. Zum anderen kann man externe Experten hinzuziehen, die Empfehlun­gen geben.
Beschäftigte ein­beziehen
Am sin­nvoll­sten ist es aber oftmals/meistens, die Beschäftigten selb­st zu fra­gen. Es geht schließlich um deren Arbeit­splätze und diese wis­sen selb­st am besten, was ihnen die Arbeit erle­ichtern würde. Hierzu bieten sich mod­erierte Maß­nah­men-Work­shops an. Solche Work­shops dauern in der Regel zwei bis drei Stun­den und die Beschäftigten über­legen gemein­sam, welche Maß­nah­men helfen kön­nen, um die fest­gestell­ten Fehlbe­las­tun­gen zu reduzieren. Diese Vorschläge wer­den doku­men­tiert, Ver­ant­wortliche für die Umset­zung der Maß­nah­men benan­nt und Ter­mine zur Real­isierung vereinbart.
In solchen Maß­nah­men-Work­shops ergeben sich in der Regel schnell umset­zbare Ideen und länger­fristig zu pla­nende Maß­nah­men. Eine Maß­nahme, die sich schnell real­isieren lässt, ist zum Beispiel, bei Besprechun­gen Pro­tokolle anzufer­ti­gen. So kön­nen auch diejeni­gen, die nicht da waren, alles noch mal nach­le­sen. Außer­dem kann in ein­er Liste fest­ge­hal­ten wer­den, welche Auf­gaben, die die gesamte Gruppe betr­e­f­fen, anfall­en und wer sich bis wann darum zu küm­mern hat. Diese Liste kann dann bei der näch­sten Besprechung als erstes durchge­sprochen wer­den. Eine länger­fristige Maß­nahme kann beispiel­sweise sein, dass Auf­gaben­bere­iche neu organ­isiert werden.
Mit oder ohne Vorgesetzte?
Ob die Vorge­set­zten bei den Maß­nah­men-Work­shops dabei sind oder nicht, sollte auch im Vor­feld fest­gelegt wer­den. Eigentlich ist es gut, wenn die Vorge­set­zten dabei sind – sie sind schließlich diejeni­gen, die für die Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit ver­ant­wortlich sind und sollen dieser Ver­ant­wor­tung auch nachkom­men. Ander­er­seits kann es manch­mal prob­lema­tisch sein – vor allem, wenn das Ver­hält­nis zwis­chen Vorge­set­zten und Mitar­beit­ern nicht gut ist. Die Anwe­sen­heit der Führungskraft kann dann dazu führen, dass sich die Beschäftigten nicht trauen etwas zu sagen oder umgekehrt die Führungskraft ange­grif­f­en wird. Manch­mal kön­nen auch Impulse von ein­er exter­nen Mod­er­a­torin hil­fre­ich sein, wenn die Beschäftigten selb­st keine Änderungsmöglichkeit­en sehen, weil sie auf­grund der täglichen Rou­tine inzwis­chen eine Art „Tun­nel­blick“ haben.
Wirk­samkeit­skon­trolle und Dokumentation
Wie bei anderen Gefährdun­gen auch, müssen die Maß­nah­men auf ihre Wirk­samkeit hin über­prüft wer­den und alles muss doku­men­tiert werden.
Eine Möglichkeit die Wirk­samkeit zu über­prüfen beste­ht darin, die psy­chis­chen Belas­tun­gen noch ein­mal zu erheben. So kön­nen Sie sehen, ob sich Fehlbe­las­tun­gen reduziert haben. Natür­lich kann es auch sein, dass es zu keinen Verän­derun­gen gekom­men ist oder die Fehlbe­las­tun­gen sog­ar noch zugenom­men haben, wenn es zwis­chen­zeitlich beispiel­sweise eine Restruk­turierungs­maß­nahme gab und dadurch neue Belas­tun­gen ent­standen sind. Um genau beurteilen zu kön­nen, welche Maß­nah­men wie gewirkt haben, benötigt man genauere Unter­suchun­gen im Rah­men ein­er Eval­u­a­tion. Dies machen aber oft­mals nur größere Betriebe. Anson­sten kann man auch die Beschäftigten um Rück­mel­dun­gen bit­ten, welche Maß­nah­men hil­fre­ich waren und welche gegebe­nen­falls nicht.
Hin­sichtlich der Doku­men­ta­tion lässt sich empfehlen, es wie bei anderen Gefährdun­gen auch zu machen. In § 6 des Arbeitss­chutzge­set­zes ste­ht zu diesem The­ma: „Der Arbeit­ge­ber muss über die je nach Art der Tätigkeit­en und der Zahl der Beschäftigten erforder­lichen Unter­la­gen ver­fü­gen, aus denen das Ergeb­nis der Gefährdungs­beurteilung, die von ihm fest­gelegten Maß­nah­men des Arbeitss­chutzes und das Ergeb­nis ihrer Über­prü­fung ersichtlich sind. Bei gle­ichar­tiger Gefährdungssi­t­u­a­tion ist es aus­re­ichend, wenn die Unter­la­gen zusam­menge­fasste Angaben enthal­ten.“ Bei ein­er Betrieb­s­bege­hung muss aus den Unter­la­gen ersichtlich wer­den, dass die Gefährdungs­beurteilung angemessen und voll­ständig durchge­führt wurde.
Vor­bere­itung ist das A und O
Grund­sät­zlich ist das Vorge­hen bei der Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen weniger geregelt als bei anderen Gefährdun­gen. Dies ist ein Vorteil und Nachteil zugle­ich. Auf der einen Seite haben die Betriebe mehr Hand­lungsspiel­räume, auf der anderen Seite führt dies aber auch zu Unsicher­heit, wie es denn nun richtig geht. Vieles, was für alle Gefährdungs­fak­toren gilt, gilt auch für die psy­chis­chen Belas­tun­gen. So zum Beispiel, dass die Arbeits­be­din­gun­gen und nicht die Reak­tio­nen darauf erfasst wer­den oder dass zu ein­er voll­ständi­gen Gefährdungs­beurteilung auch die Maß­nah­men, die Wirk­samkeit­skon­trolle und die Doku­men­ta­tion gehören. Was bei den psy­chis­chen Belas­tun­gen anders ist, ist die Art der Erhe­bung, da es keine Mess­geräte gibt. Hier muss jed­er Betrieb seinen eige­nen Ver­fahrensweg find­en. Auf jeden Fall ist es in der Regel sin­nvoll, ori­en­tierend einzusteigen, es sei denn, es liegen bere­its Hin­weise auf Fehlbe­las­tun­gen vor.
Wie bei anderen Prozessen auch, ist die Pla­nung und Vor­bere­itung entschei­dend für den Erfolg oder Mis­ser­folg. Nur wenn sich die beteiligten Part­ner bere­its im Vor­feld darauf ver­ständigt haben, wie die Belas­tun­gen erfasst und wie Maß­nah­men abgeleit­et wer­den sollen, kann der Prozess gut laufen. Wichtig ist vor allem die kon­se­quente und zügige Maß­nah­menableitung und ‑umset­zung.
Zum Schluss …
Bei der Gefährdungs­beurteilung psy­chis­ch­er Belas­tun­gen zeigt sich, ob der Betrieb im Bere­ich Sicher­heit und Gesund­heit bere­its gut aufgestellt ist. Hier geht es beispiel­sweise um die Frage, ob die Beteiligten des Arbeitss­chutzauss­chuss­es ver­trauensvoll zusam­me­nar­beit­en oder ob die Führungskräfte ihre Ver­ant­wor­tung in diesem Gebi­et bish­er über­haupt wahrgenom­men haben.
Anson­sten gilt: Seien Sie geduldig – es dauert, bis der Prozess das erste Mal durch­laufen ist. Aber bleiben Sie am Ball und lassen Sie sich von Ihrem Unfal­lver­sicherungsträger beraten.
Autorin
Dr. Hiltraut Pari­don E‑Mail: Hiltraut.Paridon@dguv.de
 

Weit­er­führende Tipps find­en Sie auch im IAG-Report zur Gefährdungs­beurteilung www.dguv.de (Web­code: dp59074)
Im Por­tal der Gemein­samen Deutschen Arbeitss­chutzs­trate­gie find­en Sie eben­falls nüt­zliche Hin­weise und Leitlin­ien, wie z. B. die Leitlin­ie Beratung und Überwachung bei psy­chis­ch­er Belas­tung am Arbeit­splatz oder die Leitlin­ie Gefährdungs­beurteilung und Dokumentation 
Auf www.gefaehrdungsbeurteilung.de find­en Sie zu allen Gefährdungsarten Hand­lung­shil­fen und viele Infor­ma­tio­nen rund um das The­ma Gefährdungsbeurteilung.
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