Anzeige
Seit Mitte der 1980er-Jahre nimmt die Arbeitszufriedenheit in Deutschland ab. Eine Reihe neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen geht der Frage nach dem Zusammenhang von Entlohnung und Arbeitszufriedenheit nach. Inwieweit hängt dies mit der Entlohnung zusammen? Welche Faktoren gibt es noch?
Ministerialrat Peter H. Niederelz
Rund zwei Drittel der Berufstätigen sagen nach einer aktuellen Umfrage von TNS Emnid, dass für sie die Vergütung entscheidend sei. Jeder Zweite führt an, dass ihr oder ihm die Wertschätzung der geleisteten Arbeit auch wichtig sei. 48 Prozent legen Wert auf eine klare Aufgabenverteilung. Jedem Dritten sind auch flexible Arbeitszeitmodelle wichtig. 25 Prozent achten auf die Sozialleistungen des Arbeitgebers.
Am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena untersuchen Forscher um Martin Binder, welche Rolle Beschäftigungsformen und Gesundheitszustand bei der Arbeitszufriedenheit spielen. Sie weiten den Begriff der Arbeitszufriedenheit berechtigterweise bis hin zur Lebenszufriedenheit aus. Denn oft haben Ökonomen den Fortschritt einer Gesellschaft nur anhand des Einkommens bemessen. „ Die Lebenszufriedenheit sollte aber auch berücksichtigt werden“, sagt Martin Binder. [1]
Kleiner Exkurs: In dem kleinen Himalaya-Staat Bhutan steht die Lebenszufriedenheit gar als oberstes Ziel für seine Bürger sogar in der Verfassung.
Geht es also überhaupt nicht um Geld? Doch. Es gibt Arbeitnehmer, die freiwillig von einer besser bezahlten Stelle zu einer mit weniger Lohn wechseln, weil sie die Arbeit dort mehr erfüllt.
Es gibt Grenzen, und es hängt von der Höhe der individuellen materiellen Bedürfnisse ab. Nicht ohne Grund gilt bei uns die Armutsgrenze, die bei 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens liegt. Das Einkommen vieler im Niedriglohnbereich, in unfreiwilliger Teilzeitarbeit oder in Leiharbeiter liegt darunter. Da bedarf es keiner wissenschaftlichen Untersuchungen um herauszufinden, ob hier die Entlohnung eine hohe Bedeutung für die Arbeitszufriedenheit hat. Dies liegt auf der Hand. Die weiteren Faktoren gewinnen erst dann an Bedeutung, wenn die Entlohnung wenigstens einigermaßen stimmt.
Aber wann stimmt Sie? Dann, wenn jemand bei Vollzeitarbeit davon auch leben und nicht nur existieren kann. Auch das hängt von den individuellen Bedürfnissen und dem Umfeld ab. Mitten in München mit hohen Mieten zu wohnen erfordert für den gleichen Lebensstandard ein höheres Einkommen als in preiswerterer Gegend.
Wesentlich ist, dass der Empfänger seine Bezahlung als leistungsgerecht empfindet. Auf eine entsprechende Befragung Ende 2010 hin antworteten etwa zwei Drittel, dass dies bei ihnen vollständig bis einigermaßen der Fall sei. Ein Drittel antwortete mit „nein“. In den neuen Bundesländern war die Unzufriedenheit höher als im Durchschnitt. [2]
Aber selbst dann, wenn die Bezahlung einigermaßen stimmt, ist die Arbeitszufriedenheit nicht garantiert. Häufig geht es um negativen Stress am Arbeitsplatz, um Überlastung, ständige Erreichbarkeit, geringe Entwicklungsmöglichkeiten und ungerechte Behandlung durch Vorgesetzte. Eine sichere Arbeitsstelle, gute Zusammenarbeit im Kollegenkreis, sinnvolle Arbeitsinhalte, eigene Entscheidungsspielräume, Aufstiegschancen und Weiterbildungsmöglichkeiten kommen hinzu.
In vielen Firmen und auch im öffentlichen Dienst ist seit Jahren neben der Mitarbeiterbeurteilung auch die Beurteilung der Vorgesetzten durch die Mitarbeiter eingeführt. Auch dies kann die Arbeitszufriedenheit verbessern.
Einer der Pioniere der Arbeitszufriedenheitsforschung war sicherlich Frederick Herzberg. Entlohnung und Gehalt stehen auch bei ihm weit oben. [3] Seine Ergebnisse ergänzen sehr gut die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow, die bei der Sicherung der Existenz beginnt und bei der Selbstverwirklichung endet. [4]
Ende 2011 haben Uwe Jirjahn von der Universität Trier, Thomas Cornelissen vom University College London und J. S. Heywood von der University of Wisconsin ihre Arbeitsergebnisse über den Zusammenhang von Leistungsentlohnung und Arbeitszufriedenheit veröffentlicht. [5] Sie kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem bei überdurchschnittlich produktiven Mitarbeitern Leistungsentlohnung die Arbeitszufriedenheit steigert. Die Ökonomen nutzten für ihre Studie Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP). Dabei handelt es sich um eine große Haushaltsbefragung in Deutschland, die im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt wird.
Eine leistungsbezogene Entlohnung wurde vor einigen Jahren auch bei der Novelle der Besoldungsgesetze für Hochschullehrer in den Bundesländern zugrunde gelegt. Zu einer Grundbesoldung nach W 1, W 2 oder im Höchstfall W3 kommen Leistungszulagen in drei Stufen hinzu. Über die Praxis der Zuteilung dieser Leistungsstufen gibt es derzeit allerdings viel Unmut. Außerdem hat auf die Klage eines Hochschullehrers der Universität Gießen hin das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die W‑Besoldung zu niedrig und nicht amtsangemessen sei. Bei Hochschullehrern sollte man davon ausgehen, dass ihre intrinsische Arbeitsmotivation vor dem Entlohnungsaspekt im Vordergrund steht. Diese Klage beweist das Gegenteil.
Aus alledem geht hervor, dass es Ziel sein sollte, für alle Mitarbeitenden die jeweils ansprechende Mischung aus monetären und nichtmonetären Motivationsinstrumenten einzusetzen, um die Arbeitszufriedenheit und damit auch das Betriebsergebnis zu verbessern.
Dann wird sich die Arbeitszufriedenheit auch auf die Lebenszufriedenheit übertragen lassen, denn beide sind untrennbar miteinander verbunden.
Literatur
- 1. In: Max Planck Forschung, 3/2012, S. 19 ff, München, 2012
- 2. Quelle: Gallup
- 3. Herzberg, Frederick;Mausner, Bernhard; Snydermann, Barbara: The Motivation to Work, New York: Wiley 1959
- 4. Maslow, Abraham: Motivation und Persönlichkeit, Walter-Verlag, Olten 1977
- 5. Cornelissen, T., Heywood, J. S. and Jirjahn, U.: Performance Pay, Risk Attitudes and Job Satisfication, in Labour Economics, Vl 18, S. 229–239
Autor
Ministerialrat
Peter H. Niederelz,
E‑Mail: peter.h.niederelz@googlemail.com
Teilen: