Die Überschrift des im Sicherheitsingenieur 11/2010 erschienen Artikels „Wie viel Fachkenntnisse braucht eine EuP“ von Dipl.-Ing. Klaus Bödeker haben sicherlich viele Leser, die mit der Thematik vertraut sind, mit großem Interesse wahrgenommen. Die in diesem Artikel getroffenen Aussagen veranlassten jedoch zwei Leser, Stefan Euler und Rainer Rottmann, eine Gegendarstellung aus ihrer jeweiligen eigenen fachlichen Sicht zu verfassen.
Stefan Euler, Dipl.-Ing. Rainer Rottmann
Stefan Euler, BDSH geprüfter Sachverständiger, hat bereits seit über 12 Jahren durch Beratungen, Schulungen und gutachtliche Stellungnahmen sowohl in der Industrie und dem Handwerk als auch im kommunalen Bereich viele praktische Berührungspunkte zu dem Thema der elektrotechnisch unterwiesenen Person (EuP). Auch Rainer Rottmann setzt sich als für den Bereich „Elektrotechnik“ themenverantwortliche Aufsichtsperson eines Unfallversicherungsträgers in NRW seit Jahren intensiv mit dem Thema des Einsatzes elektrotechnisch unterwiesener Personen im Kommunal- und Landesbereich auseinander. Ihre jeweiligen Kenntnisse und Erfahrungen mit der Thematik spiegeln sich in dem folgenden Artikel wider.
Rechtsgrundlagen
Als grundlegende Rechtsquelle zitiert Herr Bödeker in seinem Artikel die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) BGV A3 (bzw. GUV‑V A3 für Mitgliedsbetriebe des öffentlichen Dienstes), was aus Sicht einer Aufsichtsperson zwar erfreulich ist, jedoch nur auf einen Teil der für EuP’en in Frage kommenden Tätigkeiten zutrifft.
Gemäß § 3 Abs. 1 dieser UVV hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass elektrische Anlagen und Betriebsmittel nur von einer Elektrofachkraft oder unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft den elektrotechnischen Regeln entsprechend errichtet, geändert und instand gehalten werden.
Die Durchführungsanweisungen zu diesem Paragraphen erläutern, was unter dem Begriff „unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft“ zu verstehen ist (die aus unserer Sicht besonders wichtigen Textpassagen sind dabei hervorgehoben):
„Leitung und Aufsicht durch eine Elektrofachkraft sind alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, damit Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln von Personen, die nicht die Kenntnisse und Erfahrungen einer Elektrofachkraft haben, sachgerecht und sicher durchgeführt werden können.
Die Forderung „unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft“ bedeutet die Wahrnehmung von Führungs- und Fachverantwortung, insbesondere:
- das Überwachen der ordnungsgemäßen Errichtung, Änderung und Instandhaltung elektrischer Anlagen und Betriebsmittel,
- das Anordnen, Durchführen und Kontrollieren der zur jeweiligen Arbeit erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen einschließlich des Bereitstellens von Sicherheitseinrichtungen,
- das Unterrichten elektrotechnisch unterwiesener Personen,
- das Unterweisen von elektrotechnischen Laien über sicherheitsgerechtes Verhalten, erforderlichenfalls das Einweisen,
- das Überwachen, erforderlichenfalls das Beaufsichtigen der Arbeiten und der Arbeitskräfte, z.B. bei nichtelektrotechnischen Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile.“ [1]
Der Begriff der elektrotechnisch unterwiesenen Person taucht somit erstmals in den Durchführungsanweisungen zu § 3 Abs. 1 der UVV BGV A3 auf, wobei gleichzeitig auch der direkte Bezug zu der mit der Leitung und Aufsicht Führung beauftragten Elektrofachkraft hergestellt wird.
In dem Artikel wurde jedoch zuerst auf die Durchführungsanweisungen zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 verwiesen („Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel darf auch eine elektrotechnisch unterwiesene Person übernehmen, wenn geeignete Mess- und Prüfgeräte verwendet werden.“ [2]) wobei der erste Satz in diesem Passus der UVV „Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfungen obliegt einer Elektrofachkraft.“ unerwähnt blieb. So könnte der Eindruck entstehen, dass die elektrotechnisch unterwiesene Person ggf. auch die alleinige Verantwortung für diese Prüfungen übernehmen könnte. Dem entgegen stehen völlig eindeutig die bereits aus der BGV A3 zitierten Textpassagen sowie die folgende, der Aktualisierung der LASI-Leitlinie LV 35, in Frage/Antwort A 10.3 entnommene Aussage:
A 10.3 zu § 10 Abs. 1 „Prüfungen durch elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuP)“
Frage:
Inwieweit ist die elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) noch für die Prüfung der ortsveränderlichen elektrischen Betriebsmittel nach § 10 BetrSichV einsetzbar? Bisher konnte die EuP Prüfungen nach § 5 Abs. 1 BGV A 3 und der Tabelle 1 B (elektrische Wiederholungsprüfungen) mit geeigneten Messgeräten durchführen. Es bleibt die Frage, ob ein Haustechniker (Hausmeister) ohne den Anforderungen an eine befähigte Person zu genügen, als EuP die elektrische Prüfung mit geeigneten Messgeräten durchführen darf. Anmerkung: Nach VDE 1000-10 wie auch VDE 0105–100 ist eine EuP, wer durch eine Elektrofachkraft über die ihr übertragenen Aufgaben und die möglichen Gefahren bei unsachgemäßem Verhalten unterrichtet und erforderlichenfalls angelernt sowie über die notwendigen Schutzeinrichtungen und ‑maßnahmen belehrt wurde.
Antwort:
Jeder Arbeitgeber muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festlegen, welche Prüfungen von einer befähigten Person durchzuführen sind und welche durch eine unterwiesene Person erfolgen können. Die in § 10 BetrSichV genannten Prüfungen dürfen ausschließlich durch befähigte Personen durchgeführt werden. Diese kann andere Personen mit Aufgaben beauftragen (z. B. die EuP) und sich deren Messergebnisse zu eigen machen. Die Verantwortung für die Durchführung der Prüfung bleibt letztlich bei der befähigten Person, die dann die Aufzeichnungen über die Prüfung ausstellt. Anforderungen an die befähigte Person werden in der TRBS 1203 „Befähigte Personen“ konkretisiert. Diese übernehmen im Wesentlichen die Anforderungen der bisherigen BGV A 3 § 2 Abs. 3. Die in § 5 BGV A 3 genannte Person (EuP) ist demnach keine befähigte Person, da sie nicht die Anforderungen der BetrSichV und der TRBS 1203 erfüllt. Nach wie vor kann die EuP im begrenzten Umfang Arbeiten an elektrischen Anlagen vornehmen, wie z. B. Prüfen einfacher ortveränderlicher Betriebsmittel mit geeigneten Prüfgeräten oder Feststellen der Spannungsfreiheit. EuP dürfen aber keine Eingriffe in Schaltungen vornehmen, elektrische Betriebsmittel an- bzw. abklemmen oder Fehler in elektrischen Anlagen lokalisieren oder beheben. [3]
Von einer Verunsicherung durch wenig konkrete rechtliche Vorgaben kann deshalb in diesem Zusammenhang keine Rede sein!
BGV A3 und TRBS
Die Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung sowie der BGV A3 sind jedoch dahingehend zu unterscheiden, welche Aufgaben für die EuP’en vorgesehenen sind.
Die Unfallverhütungsvorschrift BGV A3 gilt für elektrische Anlagen und Betriebsmittel sowie für die Durchführung nichtelektrotechnischer Arbeiten in der Nähe elektrischer Anlagen und Betriebsmittel.
Die Betriebssicherheitsverordnung [4] gilt jedoch nur bezüglich der Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln (inklusive der erforderlichen Prüfungen) und regelt (bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B. die Durchführung von Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen) nicht die Durchführung von Arbeiten an oder in der Nähe elektrischer Anlagen, was bereits zu der Zurückziehung der TRBS 2131 „Elektrische Gefährdungen“ [8] im vergangenen Jahr führte.
Die Betriebssicherheitsverordnung ist auch nicht auf allgemeine elektrische Anlagen anzuwenden, was ebenfalls durch die LASI Leitlinie LV 35 in Frage/Antwort A 2.1 konkretisiert wurde:
A 2.1 zu § 2 Abs. 1 „Gebäude/Gebäudebestandteile/Einrichtungen“
Frage:
Gehören Gebäude bzw. Einrichtungen in Gebäuden zu den Arbeitsmitteln nach BetrSichV? Stand 29. 08. 2008
Antwort:
Gebäude, in denen sich Arbeitsstätten befinden, unterliegen der ArbStättV. Bei Einrichtungen in Gebäuden, wie z. B. kraftbetriebene Türen, Rolltore, Beleuchtung, Lüftungstechnische Anlagen, Elektroinstallation und Heizungsanlagen gelten ebenfalls die Anforderungen der ArbStättV. Die BetrSichV ist zugleich anzuwenden, wenn die Benutzung der Einrichtungen in direktem Zusammenhang mit der Arbeit steht (z. B. Elektroinstallation in explosionsgefährdeten Bereichen). [5]
Die durch den „LASI“ (Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik) erarbeiteten Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung sind im Vergleich zu den Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) zwar leider im Allgemeinen noch weitestgehend unbekannt, doch stellen sie ein wichtiges Instrument zur Interpretation der Betriebssicherheitsverordnung dar, da sie
- 1. von einem hochrangigen Gremium erarbeitet wurden, in welches Vertreter aus allen Bundesländern entsandt wurden
- 2. Antworten auf konkret gestellte Fragen geben.
Zwar wird in jedem Vorwort einer TRBS darauf hingewiesen, dass auch andere Lösungen zur Erfüllung der sich aus der Betriebssicherheitsverordnung ergebenden Anforderungen möglich sind, sofern die gleichwertige Erfüllung schriftlich nachgewiesen wird, doch können wir nicht nachvollziehen, weshalb so wichtige Quellen wie die LASI-Leitlinien in dem Artikel nur am Rande und ohne die Darstellung ihrer Inhalte erwähnt wurden, zumal in dem Artikel wiederholt beklagt wurde, dass es von offiziellen Stellen zu wenig konkrete Aussagen gibt.
Befähigt oder nicht?
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass in der Antwort zur Frage 10.3 der LASI- Leitlinie eindeutig herausgestellt wird, dass eine EuP nicht als befähigte Person im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung gelten kann. Weiterhin ist beim Einsatz von EuP’en als Prüfhelfer zu beachten, dass noch eine Auswertung der Messergebnisse durch die befähigte Person/Elektrofachkraft erfolgen muss. Die Zeiten, in denen die EuP’en Prüfungen mit Prüfgeräten durchführten, die lediglich eine Ja-/Nein-Aussage lieferten und Prüfsiegel als alleinigen Nachweis der von ihnen durchgeführten Prüfungen an den geprüften Geräten anbringen konnten, dürften somit wohl der Vergangenheit angehören.
Für die Prüfung elektrischer Arbeitsmittel („elektrische Betriebsmittel“ im Sprachgebrauch der UVV) ist die Betriebssicherheitsverordnung als staatliches Recht vorrangig anzuwenden. Die Durchführung sonstiger elektrotechnischer Arbeiten (mit Ausnahme der durch die Betriebssicherheitsverordnung abgedeckten Sonderfälle) wird über die UVV BGV A3 abgedeckt.
Durch die Einführung der Betriebssicherheitsverordnung und der weiteren in ihrem Zusammenhang anzuwendenden Konkretisierungen ergeben sich nach unserer Auffassung gegenüber den bisherigen Regelungen der BGV A3 jedoch keine wesentlichen Änderungen!
Das eine in dem Artikel unterstellte bisherige „Genehmigung“ für das verantwortliche Prüfen durch eine EuP durch die Einführung der Betriebssicherheitsverordnung zurückgezogen worden sei, können wir nicht nachvollziehen, da diese anhand der oben beschriebenen Passagen der UVV unserer Überzeugung nach vorher nie bestanden hat.
Gemäß der bereits zitierten Durchführungsanweisung zu § 3 Abs. 1 der BGV A3 bedeutet die Wahrnehmung der Leitung und Aufsicht für die hiermit beauftragte Elektrofachkraft, dass sie für alle Tätigkeiten, die durch EuP’en durchgeführt werden sollen, die Führungs- und Fachverantwortung wahrzunehmen hat. Dies umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, damit diese die ihr übertragenen Arbeiten an elektrischen Anlagen und Arbeitsmitteln sachgerecht und sicher durchführen können.
Die Elektrofachkraft muss deshalb die ihr unterstellten EuP’en zunächst soweit kennen, dass sie auch einschätzen kann, ob diese Personen überhaupt in der Lage sind, die vorgesehenen Arbeiten sicher und zuverlässig ausführen zu können. Gründe, warum dies nicht der Fall sein könnte, liegen oft im körperlichen oder geistigen Unvermögen bzw. im mangelnden Interesse oder fehlender Motivation. Der Artikel unterstellt jedoch unterschwellig, dass alle EuP’en motiviert und fachkundig sind, wobei die Realität häufig völlig anders aussieht!
Im kommunalen Bereich werden z. B. sehr häufig Hausmeister zur EuP bestellt. Im Industriebereich ist es üblicherweise der Werkschutz. Diese haben in der Regel bereits einen entsprechend ausgefüllten täglichen Arbeitsumfang. Die Aussicht, nun mit zusätzlichen (im Falle der Prüfung ortsveränderlicher Arbeitsmittel zudem sehr umfangreichen und zeitaufwändigen) Aufgaben betraut zu werden und hierfür womöglich auch noch verantwortlich zu sein, dürfte sich bei den meisten EuP’en ebenso wenig motivierend auswirken wie die Aussicht, sich den Unmut der Kolleginnen und Kollegen zuzuziehen, weil deren Arbeitsabläufe durch die Prüfungen beeinträchtigt werden bzw. deren Elektrogeräte ggf. der weiteren Nutzung entzogen werden müssen. Insofern hat die Elektrofachkraft zu beurteilen, ob diese Personen ihre Aufgabe wirklich wie vorgesehen sicher und zuverlässig ausführen werden. Die so wichtige Auswahlverantwortung des Arbeitgebers bzw. seiner verantwortlichen Führungskräften wird hier leider viel zu oft auf die leichte Schulter genommen.
Die Praxis
Auch die in dem Artikel unterstellte Fachkenntnis der EuP’en, die sie durch die kontinuierliche Ausübung ihrer Tätigkeiten erwerben und die in manchen Fällen an die Kenntnisse einer Elektrofachkraft heranreichen sollen, dürfte sich wohl nur dann einstellen, wenn die EuP’en ihre jeweiligen Tätigkeiten tatsächlich kontinuierlich ausführen können. In der Praxis wird sich dies jedoch ebenfalls in den wenigsten Fällen ergeben.
Aufgrund der mit der Anschaffung eines Prüfgerätes verbundenen Kosten ist in den meisten Betrieben nur ein Prüfgerät oder bestenfalls eine geringe Anzahl von Prüfgeräten vorhanden, die in der Regel von der Elektrofachkraft zentral verwaltet und den EuP’en für einige Tage oder Wochen zur Durchführung der Prüfungen zur Verfügung gestellt werden. Dies wiederholt sich im vorgesehenen Prüfzyklus (in der Regel innerhalb von maximal zwei Jahren). Von einer vertieften Kenntnis der Prüfabläufe kann in solchen Fällen wohl nicht die Rede sein.
Entscheidungslast
Weiterhin wurde in dem Artikel auch nicht die zunehmende Vielfältigkeit der zu prüfenden elektrischen Arbeitsmittel ausreichend berücksichtigt. Dieser Tatsache wurde bei der Überarbeitung der Prüfnorm DIN VDE 0701–0702 Rechnung getragen und dem Prüfer (gemeint ist hier die befähigte Person gemäß TRBS 1203 [6] bzw. die Elektrofachkraft nach BGV A3, jedoch nicht die EuP!) eine größere Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Prüfumfänge und –verfahren eingeräumt. Die von Elektrofachkräften erhaltenen Rückmeldungen zeigen uns jedoch auf, dass sie selbst mit diesen neuen Entscheidungsfreiheiten ihre Probleme haben, da konkrete Vorgaben sie bisher von der Last befreit hatten, für eigene Entscheidungen einstehen zu müssen.
Die in der Abb. 1 dargestellten Geräte (Master-Slave-Steckdosenleiste, Anschlussleitung mit integrierter Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (PRCD‑S), Flachbildschirm und Wasserkocher) gehören beispielsweise alle der gleichen Schutzklasse (SK I) an, jedoch ergeben sich durch deren internen Aufbau bzw. der Funktion der Geräte selbst jeweilige Besonderheiten. Die Grundaussage des Bildes verdeutlicht, dass nicht jedes SK I Gerät sich mit demselben Prüfprocedere prüfen lässt. Die Auswahl des jeweils richtigen Prüfverfahrens erfordert eine vertiefte Fachkenntnis, über welche die EuP nicht verfügt und die auch nicht von einem Wahlschalter des Prüfgeräts übernommen werden kann.
Wie soll eine EuP mit diesem Thema umgehen?
Es wird deutlich, dass entgegen den in dem Artikel getroffenen Schlussfolgerungen zukünftig die EuP’en eindeutigere Vorgaben bezüglich der anzuwendenden Prüfverfahren erhalten müssen. Eine Möglichkeit hierzu bieten beispielsweise solche Prüfgeräte, deren Prüfablauf mittels einer Prüf- und Dokumentationssoftware über einen Barcode oder ein anderes Identifikationsmedium für jeden einzelnen Prüfling der Prüfablauf individuell gesteuert werden kann. Diese speichern in der Regel auch Messwerte ab, welche die befähigte Person in elektronischer Form leichter auswerten kann.
Leider müssen wir in der Praxis jedoch häufig feststellen, dass auch viele angeblich befähigte Personen/Elektrofachkräfte bei der zwingend erforderlichen Bewertung der Messergebnisse Probleme haben bzw. der Meinung sind, dass ihnen das Prüfgerät diese Aufgabe abnähme. In den Normen VDE 0701–0702 wie auch VDE 0105–100 steht jedoch immer klar und deutlich, dass der Prüfer (die befähigte Person/Elektrofachkraft) für die Bewertung der Messergebnisse verantwortlich ist.
Wie soll dann erst eine EuP in der Lage sein die Entscheidung zu treffen, welcher Prüfablauf an dem Prüfling der Abb. 2 zur Anwendung kommen muss?
Es mag zwar in Einzelfällen die in dem Artikel beschriebenen EuP’en geben, die für bestimmte Tätigkeiten an das Niveau einer Elektrofachkraft heranreichen, doch wird dies auf die überwiegende Zahl der EuP’en wohl eher nicht zutreffen. Aber werden deshalb die EuP zu „Messknechten“, die keine eigenen Überlegungen mehr treffen.
Das war und ist so nicht gemeint und unseres Erachtens nach in dem Artikel bewusst überspitzt formuliert.
Natürlich müssen die EuP’en auch weiterhin aktiv mit eingebunden werden. Denn wer sonst, wenn nicht sie selbst können der befähigten Person/Elektrofachkraft die Rückmeldung geben, ob sie die Unterweisungsinhalte verstanden haben und nun die vorgesehenen Arbeiten sicher und sachgerecht ausführen können?
Wird allerdings der Wissenstand der EuP’en angesprochen, sollten auch die in dem Artikel angesprochenen Seminare zu deren Ausbildung näher betrachtet werden. Diese zumeist ein- bis zweitägigen Seminare informieren in der Regel über elektrotechnische Grundlagen, Gefahren durch elektrischen Strom, anzuwendende Schutzmaßnahmen sowie über die einschlägigen Rechtsgrundlagen. Des Weiteren wird zumeist etwas messtechnische Praxis im Zusammenhang mit der Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel vermittelt.
Somit erhalten die unterwiesenen Personen zwar in der Regel eine gute Grundunterweisung, doch damit ist es in der Praxis zumeist noch nicht getan!
Unterweisung ist notwendig!
Zu den im Rahmen der Wahrnehmung der Leitung und Aufsicht durch die Elektrofachkraft zu leistenden Aufgaben gehört das bereits zitierte Unterrichten elektrotechnisch unterwiesener Personen. Oder anders ausgedrückt: Zur elektrotechnisch unterwiesenen Person wird man erst, wenn man von der zuständigen Elektrofachkraft unterwiesen wurde.
Insofern stellen die angesprochenen Seminare zwar eine sinnvolle unterstützende Maßnahme zur Qualifizierung elektrotechnisch unterwiesener Personen dar, weil sie den Elektrofachkräften Zeit und Arbeit ersparen und in der Regel auch eine qualifizierte Grundunterweisung sicherstellen, doch darf sich die Elektrofachkraft nicht darauf verlassen, dass damit alle notwendigen Unterweisungsinhalte abdeckt worden sind.
Führt man sich beispielsweise vor Augen, dass in einem solchen von einem externen Dienstleister angebotenen Seminar nicht auf die jeweils gegebenen innerbetrieblichen Besonderheiten eingegangen werden kann, ergeben sich beispielsweise bezüglich der Prüfung elektrischer Arbeitsmittel hieraus die weiteren noch durch die Elektrofachkraft zu vermittelnden Unterweisungsinhalte. Diese umfassen in der Regel:
- die praktische Einweisung in das im Betrieb tatsächlich vorhandene Prüfgerät,
- die Durchführung einer angemessenen Anzahl von Übungen an unterschiedlichen elektrischen Arbeitsmitteln,
- die Einweisung in die innerbetriebliche Arbeitsschutz- und Notfallorganisation.
Weiterhin hat die Elektrofachkraft zu überprüfen, ob die in dem Seminar vermittelten Inhalte von den EuP’en verstanden wurden und für diese in der Praxis auch umsetzbar sind.
Sollen neben der Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel noch andere Tätigkeiten ausgeführt werden, sind hierfür ebenfalls die noch notwendigen praktischen und theoretischen Kenntnisse zu vermitteln.
Bestehen seitens der Elektrofachkraft Bedenken, dass eine ihr unterstellte EuP nicht sicher arbeiten kann, hat sie entweder den Aufgabenbereich der EuP soweit zu beschränken, dass die vorgesehenen Aufgaben wirklich zuverlässig und sicher ausgeführt werden können oder die EuP ist so lange anzuleiten und zu beaufsichtigen, bis die Elektrofachkraft der Meinung ist, dass die Arbeiten sicher von der EuP beherrscht werden. Die hier erforderliche Auswahl und vor allem Kontrollpflicht wird allerdings in der Praxis meistens nur sehr stiefmütterlich wahrgenommen.
Wir vertreten deshalb die Auffassung, dass das von einer EuP abzudeckende Aufgabengebiet sich auf solche Tätigkeiten beschränken muss, für welche die zuständige befähigte Person/Elektrofachkraft auch bereit ist, die Verantwortung zu tragen!
Dies ist aufgrund der individuellen Voraussetzungen einer jeden EuP für jeden Einzelfall zu beurteilen und ergibt somit den eigentlichen Grund dafür, warum in keiner Rechtsvorschrift benannt wurde, was eine EuP leisten darf und wo ihre fachlichen Grenzen liegen.
Elektrofachkraft ist verantwortlich
Diese Ausführungen sollen verdeutlichen, dass nicht (wie eingangs in dem Artikel beschrieben) die EuP ihren Handlungsspielraum selbst beurteilt, sondern ausschließlich die ihr disziplinarisch vorgesetzte Elektrofachkraft. Sie ist, um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu wiederholen, dafür verantwortlich, dass die Arbeiten von den ihr unterstellten EuP’en sowohl sicher als auch sach- und fachgerecht durchgeführt werden können. Ob die EuP’en diese in der täglichen Praxis allerdings tatsächlich auch umsetzen, ist eine andere Frage.
Um sich selbst gegen vorsätzliches Fehlverhalten entgegen den gegebenen Anweisungen abzusichern, sollten befähigte Personen (bzw. Elektrofachkräfte) bezüglich des Einsatzes elektrotechnisch unterwiesener Personen beachten, dass sie
- bei der Auswahl der zur EuP zu schulenden Personen mit eingebunden werden,
- selbst die notwendigen Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse gegenüber den unterstellten EuP’en inne haben,
- eine personen- und aufgabenbezogene Gefährdungsbeurteilung für den Einsatz der EuP’en durchführen,
- auf Grundlage der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse die notwendigen praktischen und theoretischen Unterweisungsinhalte abstimmen und die Teilnahme, das Verständnis der Unterweisungsinhalte sowie die Einhaltung der hier genannten Verhaltensweisen durch eine Unterschrift jeder EuP bestätigen lassen,
- die Aufgabengebiete unter Berücksichtigung der eigenen von jeder EuP gewonnenen Erkenntnisse auf das Maß beschränken, dass sie selbst unter den gegebenen Umständen für jede unterstellte EuP verantworten können. Dabei sollte die befähigte Person/Elektrofachkraft das für die EuP „freigegebene“ Tätigkeitsfeld schriftlich festlegen und sich dieses von der ihr unterstellten EuP unterzeichen lassen.
- Des Weiteren sollte Sie um ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu erlangen,
notwendige Arbeits- und Betriebsanweisungen (z. B. als Prüfanweisung) schriftlich festlegen,
ihrer Leitungs- und Aufsichtsfunktion durch stichprobenartige Kontrollen nachkommen und diese dokumentieren.
Zwar stimmen wir der in dem Artikel anklingenden Grundaussage von Herrn Bödeker zu, dass elektrotechnisch unterwiesene Personen einen wichtigen und wesentlichen Beitrag zum Erhalt des sicheren Zustands elektrischer Anlagen und Arbeitsmittel leisten können, jedoch müssen zum einen zunächst hierfür geeignete innerbetriebliche Organisationsstrukturen gegeben sein, zum anderen muss auch die Elektrofachkraft (bzw. befähigte Person für die Prüfung elektrischer Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung) selbst eine entsprechende fachliche und persönliche Qualifikation zur Führung fachfremder Mitarbeiter aufweisen.
Diesem Umstand hat das Sachgebiet „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ im Fachausschuss Elektrotechnik der DGUV Rechnung getragen und mit der Informationsschrift BGI/GUV‑I 5190 [7] die hierbei zu beachtenden wesentlichen Informationen in verständlicher Form und zum richtigen Zeitpunkt aufbereitet. Viele der in dieser Gegendarstellung getroffenen Aussagen sind auch in dieser Schrift enthalten (z. B. der Einsatz von EuP’en in Prüfteams unter der Leitung und Aufsicht einer befähigten Person).
Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat ihren Standpunkt mehrfach klar und deutlich durch Frau Dr. Nagel formuliert (s. Abb. 3).
Sowohl für Arbeitgeber als auch für Elektrofachkräfte ist es aufgrund der Deregulierung und der damit verbundenen „neuen Freiheiten“ nun wichtiger geworden, ihre jeweiligen Entscheidungen selbst nachvollziehbar und wiederholbar begründen zu können.
Die Instrumente hierzu liefern die verantwortungsvoll durchgeführte Gefährdungsbeurteilung sowie die klare Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der innerbetrieblichen Organisationsstruktur.
Diese Gegendarstellung stellt zum Einen die private Sichtweise einer Aufsichtsperson zu dieser Thematik dar, ohne dabei jedoch als offizielle Aussage der Unfallversicherungsträger gelten zu können und gibt zum Anderen auch die Meinung des BDSH geprüften Sachverständigen Stefan Euler wieder, der im Jahr 2010 im Auftrag vieler Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, die Prüfergebnisse der Prüfung ortsveränderlicher Arbeitsmittel ausgewertet hat. Das Ergebnis der Überprüfung war leider in sehr vielen Fällen mangelhaft.
Da die Deregulierung der Vorschriftenwerke neue Möglichkeiten zu ihrer Interpretation bieten, muss gesagt werden, dass die abgedruckte Gegendarstellung mit Mitgliedern der maßgeblichen Gremien abgestimmt wurde und demnach die rechtlichen Grundlagen zutreffend darstellt.
Literatur/Quellen:
- 1. Unfallverhütungsvorschrift BGV A3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“, Durchführungsanweisungen zu § 3 Abs 1
- 2. Unfallverhütungsvorschrift BGV A3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“, Durchführungsanweisungen zu § 5 Abs. 1 Nr. 2
- 3. Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung (LV 35), Aktualisierungen März 2009 und Januar 2010 zur dritten überarbeiteten Auflage August 2008, Frage/Antwort A 10.3
- 4. Betriebssicherheitsverordnung
- 5. Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung (LV 35), dritte überarbeitete Auflage August 2008, Frage/Antwort A 2.1.
- 6. Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 1203 vom Mai 2010
- 7. BGI/GUV‑I 5190 „Befähigte Personen“ Wiederkehrende Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel Organisation durch den Unternehmer
- 8. Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2131 „Elektrische Gefährdungen“
Autoren
Stefan Euler Geschäftsführer MEBEDO GmbH, Koblenz E‑Mail: euler@mebedo.de www.mebedo.de
Dipl.-Ing. Rainer Rottmann, Aufsichtsperson, NRW
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