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Führungskräfte haben durch ihren Führungsstil, in ihrer Rolle als Vorbild sowie durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen großen Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Aber wie steht es eigentlich um die psychische Gesundheit der Führungskräfte selbst? Wie kommen sie mit der Verantwortung klar, die sie für das Unternehmen, aber eben auch für ihre Mitarbeiter tragen?
Stephan Oster
Arbeits- und Gesundheitssituation von Führungskräften
Immerhin stehen Führungskräfte gegenüber der Geschäftsführung ständig unter Erfolgs- und Zeitdruck, was gerade im unteren und mittleren Management häufig zu entgrenzter Arbeit und Arbeitsverdichtung führt. Auf der anderen Seite müssen sie auch noch ihre Mitarbeiter motivieren, damit die ihre Aufgaben engagiert, sorgfältig und erfolgreich erfül-len. Das funktioniert erfahrungsgemäß nicht, indem der Druck einfach von oben nach unten durchgereicht wird. Diese Sandwichposition zwischen dem Druck von oben und den Wünschen/Erwartungen von unten scheint viele Führungskräfte insbesondere im mittleren Management zu überfordern.
Zwischen allen Stühlen
Zu diesem Ergebnis – Überforderung durch Druck von allen Seiten – kommt jedenfalls eine Studie der Cologne Business School, bei der 516 Angehörige des mittleren Managements deutscher Unternehmen aller Größenklassen und verschiedener Branchen befragt wurden. Danach fühlte sich die Mehrheit der Befragten in ihrem Arbeitsalltag überfordert, mehr als die Hälfte gab an, mit Menge und Komplexität der Aufgaben überlastet zu sein. Dabei war das Problem aus Sicht der Befragten weniger die langen Arbeitszeiten als vielmehr mangelnde Ressourcen, insbesondere im Bereich Personal. Auch das häufig fehlende Interesse des Top-Managements an den alltäglichen Herausforderungen des mittleren Managements wurde als sehr belastend bewertet.
Die Ergebnisse dieser Studie passen zum Bild, das die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) im Jahre 2011 von der Situation insbesondere des mittleren Managements gezeichnet hat. Danach steigt die Zahl der Führungskräfte in Deutschland, die unter beruflichem Dauerstress leiden. Als Ursache nennt auch diese Studie das komplexe Handeln im Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Geschäftsführung einerseits und den Mitarbeiterinteressen andererseits, was nach Angaben der Befragten zu Er-folgs- und Zeitdruck, der Notwendigkeit ständiger Erreichbarkeit, starker Arbeitsverdichtung sowie fehlendem Ausgleich in der Freizeit führt.
Selbstmanagement unverzichtbar
Ein solches Arbeitsumfeld bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ohne Folgen für Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Denn wenn Arbeitszeit und Freizeit fast eins werden, fehlt es an notwendigen Erholungsphasen. Allerdings fällt es vielen Führungskräften augenscheinlich schwer, auf sich und ihre Gesundheit zu achten. Dabei ist das eigene Wohlbefinden Voraussetzung dafür, dass die vielfältigen Sach- und Perso-nalaufgaben erfolgreich bewältigt werden können. Insofern ist das Selbstmanage-ment gerade bei Führungskräften der mittleren Ebene eine wichtige Kompe-tenz, die es zu entwickeln und auszubau-en gilt. Das Themenfeld reicht dabei von der Pausengestaltung und Freizeitausgleich über den Umgang mit Arbeitsun-terbrechungen durch E‑Mail & Co sowie dem Zeitfresser Meeting.
Gestellt werden sollten aber auch die Fragen nach Optimierungsmöglichkei-ten beim Delegieren, warum man auch als Führungskraft Unterstützungsange-bote annehmen sollte oder wie man mit Zielvorgaben und Erfolgsdruck sinnvoll umgehen sollte.
Was Unternehmen tun können
Unternehmen sind gefordert, sich grundsätzlich mit der Prävention der psychi-schen Gesundheit im Betrieb zu befassen und hier insbesondere das Thema „Führung und psychische Gesundheit“ stärker zu fokussieren. Kaum ein Einzelfaktor ist so bedeutsam für das mentale Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Beschäftigten wie gute Führung. Entsprechend lohnen hier Investitionen in eine sinnvolle Prävention ganz besonders. Dazu gehört auch und insbesondere die psychische Gesundheit der Führungskräfte selbst. Nur wer sich selbst wohlfühlt und psychisch stabil ist, kann seiner Fürsorgepflicht und seinen Führungsaufgaben nachkommen sowie seiner Rolle als Vorbild auch in gesundheitlicher Perspektive gerecht werden.
Geeignete Maßnahmen, um das Thema „Stress und psychische Erkrankungen“ in einem ersten Schritt auf betrieblicher Ebene zu verankern und insbesondere für alle Beschäftigten zu thematisieren, sind:
- Gesundheitstage zum Thema Stress und Stressmanagement
- Vortragsreihen, Infoveranstaltungen zum Thema
- Kursangebote, die auf den kompetenten Umgang mit Stress bzw. auf den Abbau von Stress abzielen, wie zum Beispiel Entspannungskurse, Stressbewältigungsseminare, autogenes Training, Yoga usw.
Weitere Maßnahmen sollten sich hingegen ausschließlich an die Führungskräfte richten und können in zwei Richtungen zielen:
- Sensibilisierung der Führungskräfte für die eigene Gesundheit im Sinne eines achtsamen Umgangs mit den eigenen Ressourcen
- Schulung der Führungskräfte im Bereich „Gesund Führen“ im Hinblick auf die Mitarbeitergesundheit, insbesondere auch auf die psychische Gesundheit und das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten
Als geeignete Maßnahmen für Führungskräfte zur Sensibilisierung für die eigene Gesundheit kommen zum Beispiel Seminare zum Stressmanagement und zur Stressbewältigung sowie zu den Bereichen Ernährung, Bewegung, Work-Life-Balance und ähnliches in Betracht. Ziel dieser Maßnahmen ist, dass die Führungskräfte einerseits kompetent mit der eigenen Gesundheit umgehen, sich aber auch ihrer Vorbild- und Multiplikatorenrolle bewusst werden.
Das Thema „Gesund Führen“ kann ebenfalls im Rahmen von Seminaren bearbeitet werden, wobei es praktischerweise in mehrere Unterthemen aufgegliedert werden sollte. Ein solcher modularer Aufbau hat den Vorteil, dass die einzelnen Themen kurz und prägnant behandelt werden können. Auch ergibt sich so die Möglichkeit, dass sich die jeweilige Führungskraft ein Themenpaket zusammenstellt, das ihre spezielle Situation spiegelt und eigene Bedarfe berücksichtigt. Solche Seminare sollten mit Blick auf die nachhaltige Wirkung in Workshops nachbereitet werden. Ziel der Seminare und Workshops ist es, die Führungskräfte zu befähigen, psychische Fehlbeanspruchung und Überforderung bei anderen zu erkennen, um dann im nächsten Schritt zu lernen, wie Unterstützung organisiert werden kann.
Hinsichtlich der Themen für Führungskräfte-Seminare und ‑Schulungen lassen sich die zwei Schulungsbereiche „Gesundheit“ und „Soziale Kompetenz“ unterscheiden.
Bei den Schulungen zum Thema Gesundheit geht es um die Vermittlung von Grundlagenwissen zur psychischen Gesundheit. Hier können Fragen beantwortet werden, wie zum Beispiel: Was sind psychische Erkrankungen? Welche Symptome sind damit verbunden? Wie kann ich als Führungskraft betroffene Beschäftigte erkennen? Darüber hinaus gehören zum Themenfeld Gesundheit natürlich auch Fragen nach dem Einfluss des eigenen alltäglichen Führungshandelns auf die Gesundheit der Mitarbeiter.
Im zweiten Schulungsbereich stehen die sozialen Kompetenzen der Führungskräfte im Fokus, deren Qualität erheblichen Einfluss auf die Mitarbeitergesundheit haben kann. Neben Aspekten wie Respekt, Wertschätzung und Achtung als wichtige Voraussetzungen für eine „Gesunde Führung“ stehen auch grundsätzliche „handwerkliche“ Kompetenzen wie Kommunikation und Gesprächsführung auf der Schulungsagenda. Auch sollte im Rahmen von Schulungen die Rolle von Führungskräften im Umgang mit psychisch erkrankten Beschäftigten geklärt werden, wobei hier auch die Grenzen der Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte aufgezeigt werden sollten. Was die Schulungsform angeht, so können Coachings für Führungskräfte insbesondere im Bereich der sozialen Kompetenzen sinnvoller sein als Seminare. Die Praxis zeigt, dass im Zweiergespräch die nötige Selbstkritik von Führungskräften eher geäußert wird als im Beisein anderer Führungskräfte.
Was sich Führungskräfte wünschen
Individuelles Coaching ist auch bei den Führungskräften selbst die bevorzugte Variante, sich dem Themenfeld „Psychische Belastung“ zu nähern. Das jedenfalls hat der Führungskräfteverband ULA (gegründet 1951 unter dem damaligen Namen „Union der leitenden Angestellten“) bei einer Befragung von rund 300 Führungskräften in Deutschland herausgefunden. Die Befragten konnten einzelne Weiterbildungsformate auf einer Skala von eins („kommt für mich nicht in Frage“) bis sechs („ist für mich sehr interessant“) bewerten. Mit einem Durchschnittswert von 4,3 lag Coaching auf Platz eins des Rankings.
Die Weiterbildungsrealität ist allerdings eine andere. So hatten lediglich 16 Prozent der befragten Führungskräfte im Jahr der Befragung tatsächlich ein Coaching absolviert beziehungsweise geplant, dieses zu absolvieren.
Als Ursache für die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit sieht die Studie die (noch) mangelhafte Akzeptanz dieses Weiterbildungsformats im betrieblichen Umfeld. So befürchten immer noch viele Führungskräfte, dass die Inanspruchnahme eines Coachings als Schwäche interpretiert werde und verzichten deshalb darauf. Gebucht werden der Studie zufolge vielmehr kürzere Präsenzveranstaltungen. So gaben 43 Prozent der Befragten an, ein Eintagesseminar besucht zu haben beziehungsweise dieses im laufenden Jahr besuchen zu wollen. Was die Themenauswahl angeht wird deutlich, dass die Führungskräfte die Grenzen ihrer Belastbarkeit durchaus im Blick haben, aber auch den sozialen Aspekten von Führung Rechnung tragen. Entsprechend wünschen sich Führungskräfte aktuell am häufigsten Unterstützung beim Thema „Selbstführung“ gefolgt von „Stressma-nagement“, „Strategieentwicklung“ und „Mitarbeitermotivation“.
Fazit
Vor dem Eindruck steigender Arbeitsunfähigkeitstage und Frühverrentungen aufgrund psychischer Erkrankungen rückt auch das Thema Führung und Führungsqualität stärker in den Fokus – dies nicht zuletzt mit Blick auf den demografischen Wandel, der dazu führen wird, dass die Beschäftigten möglichst lange gesund, motiviert und produktiv im Erwerbsprozess verbleiben (müssen). Zahlreiche Studien unterstrei-chen dabei den Einfluss der Führung – positiv wie auch negativ – auf Gesund-heit, Arbeit- und Beschäftigungsfähigkeit. Insofern sind Unternehmen und Organisationen im eigenen Interesse gut beraten, nachweislich gesundheitsförderliche Führungskonzepte im Rahmen ihrer Unternehmenskultur umzusetzen und zu verankern.
Voraussetzung dafür, dass die Führungskräfte diese Konzepte erfolgreich umsetzen können, ist die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden eben dieser Führungskräfte selbst. Nur wenn beides gegeben ist, können die Führungskräfte ihre Vorbildfunktion wie auch Multipli-katorenrolle erfolgreich ausfüllen. Hier sind die Unternehmen allem Anschein nach stärker als bisher in der Pflicht, auch diese Personengruppe als poten-zielle Adressaten für betriebliche Gesundheitsangebote zu betrachten. Auf der anderen Seite sollten Führungskräfte im eigenen Interesse den Blick ab und an nach innen richten, stärker auf die eigene Gesundheit achten und gegebenenfalls Unterstützung einfordern und auch annehmen.
Weiterführendes
- Deutsche Gesellschaft für Personal-führung e.V. (Hrsg.) (2011): Psychische Beanspruchung von Mitarbeitern und Führungskräften. PraxisPapier 2/2011
- Gregersen S., Kuhnert S., Zimber A., Nienhaus A. (2011): Führungsverhalten und Gesundheit – Zum Stand der Forschung. Gesundheitswesen 2011; 73: S. 3–12
- Stilijanow, Ulrike. Führung und Gesundheit. In Lohmann-Haislah, A. (2012). Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden (S. 123–129). Dortmund
- ULA-Studie: Führungskräfteumfrage zur Weiterbildung 2013
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