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Im ersten Teil dieses Artikels wurde ausführlich auf das zentrale Element der Betriebssicherheitsverordnung, nämlich die Gefährdungsbeurteilung eingegangen. Hier werden Prüfart, Prüfumfang und Prüffrist festgelegt. Auch die weiterhin notwendigen befähigten Personen für Prüfungen und die neu eingeführten fachkundigen Personen sowie deren künftig erforderlich verpflichtende Weiterbildung wurden im ersten Teil behandelt. Im Folgenden geht es mit Stichwort Prüffrist um die Notwendigkeit von Erstprüfungen. Einen größeren Rahmen nimmt der Vergleich zwischen Betriebssicherheitsverordnung und der zentralen elektrotechnischen Betriebsvorschrift DIN VDE 0105–100 ein.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH), Wirtschaftsjurist (LL.B.) Markus Klar; Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Ralf Ensmann
Zeitpunkt für Prüfungen
Die Prüfverpflichtungen sind nun von §10 BetrSichV-2002 in den neuen §14 gewandert. Es geht sowohl um Arbeitsmittel, deren Sicherheit von den Montagebedingungen abhängt (alt §10 Absatz 1 BetrSichV-2002) und weiter um Arbeitsmittel, die Schäden verursachenden Einflüssen ausgesetzt sind, die zu Gefährdungen führen können. Während erste einer Erstprüfung unterliegen, ist dies bei den weiteren nicht erforderlich. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass eine Prüfung vor Inbetriebnahme nicht erforderlich sei, weil sich der Arbeitgeber auf die nach dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) erfolgte Herstellerprü-fung verlassen könne.
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber auf die herstellerseitig implementierte Sicherheit des Arbeitsmittels vertrauen. Er muss daher auch nicht die Risikobeurteilung (nicht zu verwechseln mit der Gefährdungsbeurteilung) wiederholen. Sinnvoll-erweise lässt sich der Arbeitgeber vom Hersteller bzw. Lieferanten schriftlich zusichern, dass das Arbeitsmittel den in Deutschland geltenden Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung – ein entsprechender Textbaustein ist in DGUV-Grundsätze 303–003 (früher BGG/GUVG960) enthalten – sowie den der Betriebssicherheitsverordnung entspricht. Die Einhaltung des ProdSG sowie der einschlägigen Produktsicherheitsverordnung bestätigt die Konformitätserklärung sowie das evtl. angebrachte CE-Zeichen. Diese richten sich jedoch primär an die Marktüberwachungsbehörden (Stichwort: Produktreisepass) und weniger an die Letztnutzer.
Allerdings hat der Arbeitgeber sowieso nach §4 Absatz 5 die Schutzmaßnahmen vor der erstmaligen Verwendung zu überprüfen. Da dies bei elektrischen Arbeitsmitteln aber durch elektrotechnische Laien und ohne Prüfgeräte nicht möglich ist, wird es doch wieder auf eine Erstprüfung hinauslaufen. Lediglich eine Doppelprüfung, d.h. einmal nach §4 Absatz 5 und nach §14, soll es nach §4 Absatz 5 Satz 2 nicht geben. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die DGUV-Vorschrift 3 in §5 weiterhin von einer Erstprüfung ausgeht und diese nur nach §5 Absatz 4 DGUV-V3 als entbehrlich ansieht. Letztlich sind weitergehende Prüfungen immer dann angezeigt, wenn sich irgendwelche Zweifel an der vom Arbeitsmittel mitzubringenden Sicherheit einstellen. So könnte die Anschlussleitung schon fühlbar zu dünn ausgeführt worden sein, was auf einen geringeren Leitungsquerschnitt schließen lässt. Auch augenscheinlich nicht robuste Schutzkontakt-federn bei Mehrfachsteckdosen sollten misstrauisch machen.
Ist das Arbeitsmittel Schäden verursach-enden Einflüssen ausgesetzt, so besteht nach §14 Absatz 2 eine Prüfpflicht. Diese Einflüsse sind wieder über eine Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Da durch Interaktion mit der Umwelt und den Beschäftigten eigentlich immer solche Einflüsse vorliegen werden, bestände somit nur für ein „im Materiallager“ sicher verwahrtes Arbeitsmittel kein Prüferfor-dernis. Jedoch ergibt sich eine weitere Prüfpflicht nach §14 Absatz 3 bei Änderungen und außergewöhnlichen Ereignissen. Außergewöhnliche Ereignisse sind Unfälle und Naturereignisse, aber auch die längere Nichtverwendung („längere Lagerung ohne Benutzung“).
Eine Prüfpflicht bei Instandsetzung kann schließlich unter §14 Absatz 1 fallen. Damit sind letztlich alle praxisrelevanten Sachverhalte abgedeckt. Basierend auf der Gefährdungsbeurteilung begleiten die Prüfungen ein Arbeitsmittel dann „von der Wiege bis zur Bahre“, so dass auch die Implementierung eines ganzheitlichen Prüfkonzepts über den gesamten Lebenszyklus eines Arbeitsmittels sinnvoll geboten sein dürfte.
Dokumentationspflicht
Klar gestellt ist in §14 Absatz 7 die Dokumentationspflicht der Prüfungen. Mindestens jeweils bis zur nächsten Prüfung sind Art, Umfang und Ergebnis der Prüfungen aufzuzeichnen, wobei die elektronische Form zulässig ist. Dies erleich-tert auch die Nachweispflicht – hier muss natürlich auf eine nachträglich unveränderbare Datenablage Acht gegeben werden. Die Prüfplakette als sichtbares Kennzeichen einer Prüfung lässt sich in §14 Absatz 7 Satz 4 als eine von mehreren Möglichkeiten entnehmen.
Da die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) nach wie vor nur die Prüfpflicht, jedoch nicht die Prüfdurchführung regelt, ist – insgesamt betrachtet – der §14 wie oben bereits erwähnt eine deutliche Basisvorschrift für DIN VDE 0701–0702 und auch DIN VDE 0105–100 Kapitel 5.3 unterstreicht damit nochmal die Bedeutung der Durchführung und Dokumentation von regelmäßigen Prüfungen.
Aufbau und Erhalt einer Sicherheitsorganisation
Eine weitere neue Forderung in §4 Absatz 6 ist die Einbindung des Arbeitsschutzes in die betriebliche Organisation. Für den Teilbereich der Elektrotechnik ist dies natürlich die elektrotechnische Sicherheitsorganisation, wie sie in DIN VDE 1000-10 (verantwortliche Elektrofachkraft) und DIN VDE 0105–100 (elektrischer Anlagenbetreiber, Anlagen- und Arbeitsverantwortliche) beschrieben ist. Die sehr grobe Darstellung zum Thema Betriebsorganisation in der Norm DIN VDE 0105–100 muss von jedem Unternehmen dementsprechend auf die konkreten Betriebsverhältnisse adaptiert werden. Dazu hat der Arbeitgeber die personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.
Besondere Hervorhebung der Instandhaltung
Auch wird hier erneut die Rolle der Instandhaltung hervorgehoben. Es genügt nicht, sich Arbeitsmittel und Anlagen anzuschaffen und diese zu betreiben. Sie müssen auch durch Instandhaltungsmaßnahmen in einem sicheren Zustand erhalten werden. Dazu gehört als wichtige Maßnahme die als Inspektion zu betrach-tenden Prüfungen, die überhaupt erst durch Vergleich des Ist- mit dem Sollzu-stand weitere Instandhaltungsmaßnah-men anzeigen.
Instandhaltung wird deutlich aufgewertet
Wie bereits angedeutet, erhält die Instandhaltung in der neuen BetrSichV Verordnungscharakter. Der Arbeitgeber hat nach §10 Absatz 1 Instandhaltungsmaßnahmen zu treffen, damit die Arbeitsmittel während der gesamten Verwen-dungsdauer den für sie geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entsprechen und in einem sicheren Zustand erhalten werden. Die Instand-haltungsmaßnahmen haben sogar in der Stellung Vorrang vor Prüfungen. In der Praxis werden sich beide wechselseitig ergänzen und bedingen. Die Anforde-rungen kommen hierbei sowohl aus gesetzlichen Bestimmungen (z.B. Produkt-sicherheitsgesetz) als auch aus der eigenen Gefährdungsbeurteilung. Auch eine Zeitvorgabe für die Instandhaltungsmaßnah-men liegt nun vor: Sie sind unverzüglich durchzuführen. Der Begriff „unverzüglich“ ist in §121 BGB legal definiert und bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Übersetzen lässt sich dies etwa so:
„Hat man keine Begründung, warum bis morgen kein Unfall passieren wird, so ist die Instandhaltung heute noch durchzuführen – mindestens aber Sicherungs- oder Ersatzmaßnahmen vorzunehmen.“
Erleichterungen für einfachste Arbeitsmittel
Die mit §7 ermöglichten Vereinfachungen sind erst nach Durchsicht der §§8 und 9 verständlich. Hier wird sich auch zeigen, dass es sich dabei nur um einfachste Arbeitsmittel handeln wird, für die der Arbeitgeber die Erleichterungen in Anspruch nehmen kann. Mit §8 Absatz 1 sind nämlich sämtliche elektrischen Arbeitsmittel mit Spannungen über 50V AC umfasst.
Es müssen bei diesen ausgehende oder verwendete Energien, der Schutz gegen direktes und indirektes Berühren unter Spannung stehender Teile, die Störung der Energieversorgung (Stichwort: Wiederanlaufschutz – auch nochmals konkret in §8 Absatz 4 genannt) und mögliche elektrostatische Aufladungen untersucht werden. Für all diese Arbeitsmittel muss ein gefahrloses Stillsetzen möglich sein, in dem die Energiequellen sicher getrennt werden. Dem Elektrotechniker ist dies als Sicherheitsregel Nr. 1 „Freischalten“ aus der DIN VDE 0105–100 bekannt. Auch die 2. Sicherheitsregel findet sich in §8 Absatz 5, das Stillsetzen muss Vorrang vor dem Einschalten haben, oder wie bekannt: „gegen Wiedereinschalten sichern“. Selbst die als „Spannungsfreiheit feststellen“ bekannte 3. Sicherheitsregel ist zu finden, wenn auch eher mittelbar: wenn nämlich gespeicherte Energien vorhan-den sind, muss es Einrichtungen zum Energiefreimachen oder zumindest Hinweise auf das Vorhandensein solcher Energien geben. Letztlich lässt sich hieraus die Notwendigkeit der Prüfung der Spannungsfreiheit für ein sicheres Arbeiten ableiten.
Parallelen bei allgemeinen und elektrotechnischen Schutzzielen
Im Zusammenhang mit der Instand-haltung kommt der Begriff der fachkundigen Person erneut ins Spiel. Durch diese hat der Arbeitgeber nach §10 Absatz 2 nämlich die Instandhaltungsmaßnah-men durchführen zu lassen. Dies deckt sich mit dem §3 Absatz 1 DGUV-Vorschrift 3, nach dem elektrische Anlagen und Betriebsmittel von einer Elektrofachkraft (ebenfalls eine fachkundige Person) oder unter deren Leitung und Aufsicht errichtet, geändert und instand gehalten werden müssen. Auch finden wir hier erneut wesentliche Bestandteile der DIN VDE 0105–100 wieder.
§10 Absatz 3 spricht von erforderlichen Maßnahmen zu sicheren Instandhaltung. Was ist dies in der Elektrotechnik anderes als die fünf Sicherheitsregeln oder grundlegende Anforderungen zum Arbeiten unter bzw. in der Nähe von Spannung. Ein Bezug auf die 5. Sicherheitsregel Abdecken und Abschranken findet sich in diesem Absatz. Auch im Weiteren liest sich die Aufzählung wie eine Wiedergabe der DIN VDE 0105–100:2009–10 mit anderen Worten (vgl. Tabelle 2)
Im §10 Absatz 4 findet man schließlich auch die 4. Sicherheitsregel, das Erden und Kurzschließen (VDE0105–100 Kap. 6.2.4) und auch nochmals die Forderung nach geeignetem Handwerkszeug und persönlicher Schutzausrüstung (Kap. 4.6) bei besonderen Arbeitsverfahren wie dem Arbeiten unter Spannung wieder. Die zentrale Betriebsvorschrift der Elektrotechnik ist also künftig durchaus in Teilen auf die Betriebssicherheitsverordnung rückführbar.
Betreiber kann zum Hersteller werden
§10 Absatz 5 macht letztlich auf die Bedeutung von Änderungen an Arbeitsmitteln aufmerksam. Hier kann es sein, dass ein Betreiber durch eine Änderung selbst zum Hersteller wird und nun die Anforderungen des ProdSG, das sich sonst an den Hersteller richtet, selbst erfüllen muss. Auch wird darauf hingewiesen, dass manche Änderungen prüfpflichtig sein können und dass die Arbeitsmittel nach der Änderung ebenfalls den Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entsprechen müssen.
Unterweisungspflichten
§12 übernimmt die aus §9 BetrSichV-2002 sowie §12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bekannte Unterweisungspflicht und erweitert diese auf die Verpflichtung Unterweisungen vor der Aufnahme der Verwendung der Arbeitsmittel, d.h. also vor dem erstmaligen Benutzen durchzuführen. Dabei gibt der Gesetzgeber auch zu verwendende und gegebenenfalls zu erstellende Informationsmedien vor. Eine spezielle Beauftragung zur Verwendung von Arbeitsmitteln war in der bisherigen BetrSichV nicht vorgesehen. Stattdessen sollte der Arbeitgeber die „erforderlichen Vorkehrungen treffen“. Hieraus konnte aber niemals so recht ein förmliches Beauftragungserfordernis abgeleitet werden. Man konnte dieses allerdings früher aus verschiedenen Unfallverhütungsvorschriften (z.B. BGV D27, D29 oder „Auffangregel“ BGR 500) ablesen. Es wäre aber auch denkbar gewesen, dass eine Beauftragung konkludent mit der Übertragung der jeweiligen Tätigkeit erfolgt sei. Nun hat der Arbeitgeber bei Arbeitsmitteln mit besonderen Gefährdungen die dafür eingesetzten Beschäftigten ausdrücklich zu beauftragen. Dies macht durchaus Sinn, da man nun den Kreis der mit dem Arbeitsmittel arbeitenden Beschäftigten aktiv festlegt und einschränkt. So sind auch Unterweisungs- und PSA-Maßnahmen zielgenauer umsetzbar.
Umgang mit Fremdfirmen
Die bereits aus §8 ArbSchG bekannte Verpflichtung zum Fremdfirmenmanagement wird nun in §13 konkretisiert. Arbeiten dürfen nur dann an andere Unternehmen fremd vergeben werden, wenn dort die entsprechende Fachkunde (fachkundige Personen!) vorhanden ist. Der Arbeitgeber muss daher sowohl in- als auch externes Fachpersonal einsetzen. Hier muss in Zukunft bei der Auswahl von Fremdfirmen ganz exakt auf die fachliche Qualifikation Acht gegeben werden. Eine Verpflichtung, die nach §§280, 278 sowie §831 BGB sowieso schon immer bestand – nur dort nicht direkt, weil abstrakt formuliert, abzulesen war. Bei Fremdfirmeneinsatz mit erhöhter Gefährdung muss ein (Fremdfirmen-)Koordina-tor bestellt werden. Klargestellt wird, dass der Arbeitgeber seiner Verantwortung durch den Einsatz eines Koordinators nicht entledigt wird.
Überwachungsbedürftige Anlagen
Die §§15 bis 18 beziehen sich auf überwachungsbedürftige Anlagen. Auf diese soll – um den Rahmen nicht zu sprengen – nicht weiter eingegangen werden. Allgemeine Vollzugsregelungen zur Verordnung sind in den §§19 bis 21 enthalten.
Ordnungswidrigkeitsvorschriften stark erweitert und verschärft
Deutlich wird allerdings in den §§22 und 23, dass die Ordnungswidrigkeits- und Strafvorschriften stark erweitert und verschärft wurden. Enthielt der alte §25 BetrSichV-2002 insgesamt acht Ordnungswidrigkeiten, von denen sich allein 4 auf überwachungsbedürftige Anlagen bezogen, so sind es jetzt 42. Die Mehrzahl liegt nun ganz klar in Verstößen gegen die §§3 bis 14. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Gewerbeüberwachungsbehörden das Potenzial dieser Vorschriften realisieren. Die Höchstsumme der für Ordnungswidrigkeiten auszusprechenden Sanktionen liegt nach §25 ArbSchG bei 5.000 Euro sowie nach §39 Absatz 1 Nr. 7 ProdSG zwischen 10.000 und 100.000 Euro. Sofern Leben oder Gesundheit gefährdet wurden, können Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen verhangen werden.
Keine Übergangsfrist
Dem §24 kann man entnehmen, dass es außer für erlaubnisbedürftige und Aufzugsanlagen keine Übergangsfristen gibt. Daher scheint es geboten, sich schleunigst – auch mit Blick auf die möglichen Ordnungswidrigkeiten – mit der Umsetzung der neuen BetrSichV zu beschäftigen.
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