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Mit der zunehmenden Elektrifizierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche in den vergangenen Jahrzehnten sind – rechtlich im „grauen“ bis unzulässigen Bereich – elektrotechnische Tätigkeiten in allen Branchen zunehmend und immer wieder durch „Nicht-Elektrofachkräfte“ ausgeführt worden. Die “Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten” – je nach Quelle als „EFKfT“ oder „EFKffT“ (wie folgend verwendet) abgekürzt – ist eine in der jüngeren Zeit vermehrt auftretende Qualifikationsstufe innerhalb der Elektrotechnik. Ihren Ursprung findet die EFKffT in einer Änderung der Handwerksordnung im Jahr 1995, die es Handwerkern ermöglicht, bestimmte mit ihrem Gewerk in Zusammenhang stehende elektrotechnische Arbeiten ohne Einsatz eines „klassischen Elektrikers“ (mit-)auszuführen, damit so die Kundenfreundlichkeit und Flexibilität gestärkt und Aufträge aus einer Hand angeboten und ausgeführt werden können.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH), Wirtschaftsjurist (LL.B.) Markus Klar; Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Ralf Ensmann
Sinnvolle Ergänzung eines nicht-elektrotechnischen Gewerks
Als Beispiele seien ein Möbeltischler genannt, der (natürlich nach entsprechender Ausbildung) in die von ihm gefertigten Schrankwände auch die Einbauleuchten einsetzen und diese elektrisch anschließen kann oder ein Rollladeninstallateur, der auch den Motor für den Rollladen an einem vorbereiteten Anschlusspunkt in die Elektrohausinstallation einbinden kann. Der Vorteil des Services aus einer Hand ist für den Kunden auch ein einziger Ansprechpartner, der die Werkleistung beziehungsweise ‑lieferung, die ein Handwerker klassischerweise erbringt, von „A bis Z“ verantwortet. Die beschriebene Vorgehensweise ist in Deutschland seit vielen Jahren die gelebte Praxis. Die oben angesprochene Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 1995 löste insofern eine lange erforderliche und überfällige Veränderung aus. Es ist völlig unstrittig, dass in diesen Fällen eine entsprechende Ausbildung der betroffenen Mitarbeiter erforderlich ist, die solche Tätigkeiten eigenständig durchführen sollen.
Die durch diese Änderung auch betroffene Institutionen wie beispielsweise BG, VDE, Handels- und Handwerkskammern waren Ende der 90er Jahre „von der Angst getrieben“, dass es zu einem „Dammbruch“ kommt und in den deutschen Industrie- und Handwerksunternehmen nur noch „angelernte Elektriker“ gemäß Handwerksordnung zum Einsatz kommen. Diese Angst hat sich im Nachhinein als unbegründet herausgestellt. Der Schritt diese Qualifikationsstufe einzuführen ist aus Sicht der Verfasser insgesamt als richtig zu beurteilen und war zum damaligen Zeitpunkt bereits lange überfällig.
Berufsgenossenschaftlicher Grundsatz DGUV Grundsatz 303–001
Als Hilfe zur praktischen Umsetzung gab die Berufsgenossenschaft im Juli 2000 den zur BGV A3 beziehungsweise jetzt DGUV Vorschrift 3 gehörenden berufsgenossenschaftlichen Grundsatz BGG 944 „Ausbildungskriterien für festgelegte Tätigkeiten im Sinne der Durchführungsanleitung zur BG-Vorschrift ´Elektrische Anlagen und Betriebsmittel´” heraus. Allerdings schießt der berufsgenossenschaftliche Grundsatz DGUV Grundsatz 303–001 (wie er im neuen Bezeichnungsschema heißt) – verglichen mit anderen Regelwerken zu Personenqualifikationen im Elektrobereich – weit über das Ziel hinaus. Die „Eintrittsschwelle“ in diese Quali-fikationsstufe sollte anscheinend besonders hoch gestaltet werden, um einen Missbrauch des Konstrukts „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ zu vermeiden.
Die EFKffT hat bislang keinen Eingang in das Regelwerk des VDE e.V. und hier insbesondere in die zentrale Qualifikationsnorm DIN VDE 1000-10 gefunden. Auch in berufsgenossenschaftlichen Vorschriften wie der DGUV-Vorschrift 3 beziehungsweise 4 sucht man die EFKffT vergeblich. Eine umfangreiche Regelung der Qualifikationsanforderungen findet man jedoch im BGG 944 (jetzt DGUV-Grundsatz 303–001). Hier werden sowohl Grund- als auch Fachausbildung für die EFKffT geregelt.
EFKffT versus EFK für ein begrenztes Aufgabengebiet
Nicht zu verwechseln ist die „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ gemäß DGUV Grundsatz 303–001 mit der in der DIN VDE 1000-10 genannten „Elektrofachkraft für ein begrenztes Aufgabengebiet“. Mit der Formulierung „für ein begrenztes Aufgabengebiet“ in der DIN VDE 1000-10 soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Elektrotechnik insgesamt eine so umfangreiche Disziplin ist, dass es eine Fachkraft für alle Gebiete der Elektrotechnik nicht geben kann, sondern man sich im Rahmen seiner beruflichen Aufgabe einem mehr oder weniger großen Teilgebiet der Elektrotechnik verschreibt.
Ausbildungsangebote am Markt sind mit Vorsicht zu genießen
Die Regelungen zur Ausbildung sind auch dringend notwendig. Nahezu jeder technische Bildungsträger bietet mittlerweile eine mehr oder weniger zeitintensive EFKffT-Ausbildung an. Dies führt dazu, dass sich zahlreiche „Zertifikats-EFKffT“ am Markt tummeln, die mit der ursprünglichen Intention als Erweiterung der handwerklichen Möglichkeiten nichts mehr zu tun haben. Eine Ausbildung in einem Elektroberuf dauert optimistisch gesehen mindestens drei Jahre – mit einer anschließenden Einarbeitungszeit von circa sechs bis 24 Monaten je nach Tätigkeitsfeld sowie persönlicher Eignung erreicht die Person mit Berufs- und/oder Schulabschluss den „begehrten Status“ als Elektrofachkraft. Das „Zertifikat“ mit der Bezeichnung „EFKffT“ überreichen manche Bildungsträger bereits nach 14 Tagen Theorieschulung – teilweise im Fernunterricht mit anschließenden Praxistagen. Dabei wird verkannt, dass neben der Grundbildung (elektrotechnische Grundlagen) auch ein Fachmodul zu absolvieren ist, welches dem angestrebten Gewerk (z.B. Möbeltischler oder Gas-Wasser-Installateur) individuell angepasst sein muss.
Da es sich auch bei der EFKffT um einen Qualifikationsstatus handelt, benötigt dieser, wie der Status EFK, eine solide Basis, im besten Fall nämlich eine in einem anderen Gewerk abgeschlossene Berufsausbildung oder zumindest eine mehrjährige Tätigkeit im entsprechenden Berufsfeld.
Den Autoren liegen konkrete Beispiele vor, bei denen Bewerber ohne jegliche Berufsausbildung mit einem Fernkurs und „Kurzzeit-Praktikum“ schnell „besohlt“ und von einer IHK mit einem Zertifikat „geadelt“ für das Aufgabengebiet „Montage, Wartung und Instandsetzung elektrischer Einrichtungen von Industriemaschinen“ als EFKffT „freigegeben“ wurden. Das Zertifikat, welches weder Bildungsinhalte noch Prüfungsergebnisse nennt, ergeht sich ansonsten in rechtlichen Ausführungen über die Einbindung der EFKffT in eine elektrotechnische Sicherheitsorganisation und überlässt es letztlich dem Unternehmer oder seiner verantwortlichen Elektrofachkraft, die Eignung des Bewerbers für die vorgesehene Tätigkeit mangels eigener belastbarer Aussagen nochmals selbst festzustellen. Letztlich wird der Status EFK wie auch EFKffT erst vom verantwortlichen Unternehmer oder seinem Anlagenbetreiber Elektrotechnik oder der verantwortlichen Elektrofachkraft „verliehen“, der den Arbeitnehmer entsprechend seines Ausbildungsprofils mit elektrotechnischen Tätigkeiten – siehe §3 Abs. 1 DGUV-Vorschrift 3 beziehungsweise 4 – betraut.
Problematisch an dem in Aussicht gestellten Aufgabengebiet ist, dass es sich nicht, wie für die EFKffT beabsichtigt, um eine elektrotechnische Zusatzqualifikation im sonst elektrofremden Gewerk handelt, sondern eigentlich ein eigenständiges Feld darstellt, in dem auch nach Lesart des §3 DGUV-Vorschrift 3 beziehungsweise 4 nur EFK zum Einsatz kommen sollen. Der Unternehmer wird mit solcherart Qualifikationsnachweisen insbe-sondere hinsichtlich der ihm aus §7 ArbSchG erwachsenen Pflicht auf ein Auswahlverschulden geleitet. Hier wäre es zu begrüßen, wenn die Bildungsträger, die solche und ähnliche Lehrgänge anbieten, wie die Kammern, die ihnen obliegende Aufgabe der Qualitätssicherung der (Berufs-) Ausbildung besser leben würden.
Grundqualifikationen im Bereich der Elektrotechnik
In der Elektrotechnik können bezüglich der Qualifikationsstufen nur drei echte Grundtypen unterschieden werden, die die Abbildung 2 aufzeigt.
Der Grundtyp der Qualifikationsstufe Elektrofachkraft kann – im Gegensatz zum Typ Laie und EuP – vielfältig ausgeprägt sein:
- Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (gemäß DGUV Grundsatz 303–001)
- Klassische Elektrofachkraft (mit regulärer Berufsausbildung)
- Elektrofachkraft mit Spezialkenntnissen wie beispielsweise:
- Arbeiten-unter-Spannung-Monteur
- Schaltberechtigter für elektrische Hochspannungsanlagen
- Blitzschutzfachkraft
- Befähigte Personen für Prüfungen zum Schutz vor elektrischen Gefährdungen
- Befähigte Person für Prüfungen zum Schutz vor Gefährdungen durch Explosion
- Anlagenverantwortlicher
- Verantwortliche Elektrofachkraft
Die einzelnen Qualifikationsstufen lassen sich nicht immer scharf gegeneinander abgrenzen, es gibt durchaus Überschneidungen, wie in Abbildung 3 zu sehen ist.
Schul- und Berufsabschlüsse versus „Qualifikationsstufen“
Bisher wurden „nur“ Qualifikationsstufen vorgestellt. Es gibt hierbei noch einen wichtigen Aspekt zu ergänzen: Die vorgestellten Qualifikationsstufen beschreiben einen aktuellen „Qualifikationsstatus“ eines Mitarbeiters. Es handelt sich dabei nicht um Schul- oder Berufsabschlussbezeichnungen, sondern um temporäre Stufen, die auch wieder verloren gehen können:
- „Von bleibendem Wert“ sind: Berufsabschlüsse wie Facharbeiter, Geselle, Techniker, Meister etc. und Hochschulabschlüsse wie Dipl.-Ing., Bachelor etc.
- „Vergänglich“ sind: Qualifikationsstufen wie Elektrofachkraft, Schaltberechtigter, elektrotechnisch unterwiesene Person etc.
So wie es die Universal-Elektrofachkraft für alle Spannungsebenen und Bereiche nicht geben kann, gibt es auch bei den EFKffT nur Qualifikationen in Verbindung mit dem Grundgewerk – der EFKffT-qualifizierte Möbeltischler kann eben nur die in diesem Zusammenhang stehenden elektrotechnischen Arbeiten erbringen und nicht Elektromotoren von Werkzeugmaschinen anschließen oder Transformatoren warten.
Definitionen im Vergleich
Die Definitionen für die EFK und die EFKffT ähneln sich nahezu unterschiedslos:
- Eine Elektrofachkraft (EFK) ist eine Person, die aufgrund fachlicher Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie der Kenntnis der einschlägigen Normen die ihr übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann.
- Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT) ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung in Theorie und Praxis, Kenntnisse und Erfahrungen sowie der Kenntnis der bei diesen Tätigkeiten zu beachtenden Bestimmungen die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann.
Bis auf vermeintlich „unbeachtliche Nuancen“ kein Unterschied? Nein, auf keinen Fall, denn ein wichtiger Aspekt wird nämlich bei der EFKffT gern überlesen: „für festgelegte Tätigkeiten“. Was sind nun die festgelegten Tätigkeiten? Hier gibt auch der DGUV-Grundsatz 303–001 Auskunft: Festgelegte Tätigkeiten sind gleichartige, sich wiederholende elektrotechnische Arbeiten an Betriebsmitteln, die vom Unternehmer in einer Arbeitsanweisung festgelegt sind.
Eine eindeutige Einschränkung der Arbeitsvielfalt also: gleichartig und sich wiederholend sowie vom Unternehmer in einer Arbeitsanweisung festgelegt. Ersteres schränkt somit den Einsatz der EFKffT im klassischen Elektroinstallations- und Kundendienstbereich ein. Der Installateur greift zur Lösung von Installationsaufgaben auf sein in der Ausbildung erworbenes Fachwissen zurück.
Es ist illusorisch, dass der Meister neben dem Installationsplan auch die Biegeradien der Leitungsführung vorgibt. Im Kundendienstbereich sind Erfahrung und Fehlersuchstrategien erforderlich. Beides kann nicht umfänglich per Arbeitsanweisung vorgegeben werden. Die Beschränkung auf festgelegte Tätigkeiten reduziert das Einsatzfeld einer EFKffT daher natürlich deutlich. Man wird sich schon aufgrund der Tatsache, dass alle Arbeiten in Arbeitsanweisungen festgelegt werden müssen, auf solche beschränken, die mit dem Grundgewerk in Verbindung stehen. Die Niederspannungsanschlussverordnung setzt einem allzu weiten Tätigkeitsfeld ebenfalls Grenzen.
„Tiefe und Breite“ der unter-schiedlichen Ausbildungsgänge
Es ist also erforderlich, zwischen einer Elektrofachkraft mit umfassender elektrotechnischer Berufsausbildung und dem EFKffT-Status deutlich zu unterscheiden. Der Qualifikationsstatus EFKffT gilt nämlich nur und ausschließlich für die besagten festgelegten (zur Verdeutlichung: gleichartigen und sich wiederholenden) sowie in einer Arbeitsanweisung vorherbestimmten Tätigkeiten, die zudem noch mit dem Grundgewerk, für den der EFKffT-Status erworben wurde, in Zusammenhang stehen. Das heißt auch, dass eine EFKffT bei Wechsel des Gewerks – zum Beispiel von Möbeltischler zu Rollladeninstallateur – ihren Status verliert und bis auf das Grundmodul die Fachausbildung für die neuen Tätigkeiten neu erwerben muss.
Eine mehrjährige Berufsausbildung im Bereich der Elektrotechnik ist eher breit angelegt und kann an bestimmten Stellen – je nach Tätigkeitsschwerpunkt des ausbildenden Unternehmens – auch mal in die Tiefe gehen, aber insbesondere in großen Unternehmen und Konzernen sind die Ausbildungen naturgemäß thematisch eher breit als inhaltlich tief ausgeprägt.
Die Ausbildung der EFKffT ist hingegen immer sehr schmal auf ein konkretes Tätigkeitsfeld ausgelegt, aber soll dafür in diesem Bereich mit Blick auf die Kenntnisse und die Fertigkeiten entsprechend fundiert sein.
Anforderungen an eine Organisation
Da die EFKffT eine Zusatzqualifikation für elektrofremde Gewerke darstellt, ist sie trotz Marktüberflutung keine Geheimwaffe gegen den aktuellen Fachkräftemangel in klassischen Elektroberufen. Die Verantwortung für den Mitarbeitereinsatz liegt beim Unternehmer beziehungsweise bei den fachlichen Vorgesetzten. Eine Arbeitsausführung durch nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiter stellt im juristischen Sinne ein Organisationsverschulden dar: Ein Organisationsmangel liegt vor, wenn für eine bestimmte Aufgabe niemand vorgesehen ist oder die Zahl sachkundiger Beschäftigter zu gering bemessen wird, so dass im Einzelfall auch unerfahrene Personen mitwirken müssen.
Das Risiko, eine EFKffT für eben nicht festgelegte Tätigkeiten einzusetzen, liegt also beim Unternehmer oder seiner verantwortlichen Elektrofachkraft.
Eine komplexe, arbeitsteilige Organisation ist also so zu organisieren, dass niemand zu Schaden kommt und Risiken beherrschbar bleiben (verbleibendes Restrisiko = zulässiges Grenzrisiko gemäß Stand der Technik). Dies geschieht durch klare Regelungen und sachgerechte Delegierung nach dem „AOK-Prinzip“ inklusive der erforderlichen Dokumentation:
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- Auswahlverantwortung – Der richtige Mann am richtigen Platz
- Organisationsverantwortung – Sagen wo‘s lang geht – Regeln aufstellen
- Kontrollverantwortung – Stichprobenartig, aber ausreichend kontrollieren
Fazit
Gleichwohl halten die Verfasser die EFKffT für eine mögliche Einstiegsqualifikation in den Elektrobereich. Der Qualifikationsstatus EFKffT ist dort gut, wofür er ursprünglich gedacht war, nämlich zur elektrotechnischen Ergänzung eines elektrofremden Grundgewerks. Wenn man die betroffenen Mitarbeiter jedoch langsam und sachgerecht auf die künftigen Ausgaben vorbereitet, dann ist die EFKffT ein hervorragendes Sprungbrett in die Welt der Elektrotechnik. Sie ist damit zwar doch keine Geheimwaffe gegen Fachkräftemangel, aber doch eine Zukunftsoption mit Langzeitwirkung.
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