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Wann haftet die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit?

Die Sifa und die mangelhafte Stanze
Wann haftet die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit?

Wann haftet die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit?
Wann haftet eine externe Fachkraft für Arbeitssicherheit bei einem Unfall? Foto: © valentinT / Fotolia.com
Gerichte haben sich immer wieder mit der Frage zu befassen, wer nach Betrieb­sun­fällen haftet. In erster Lin­ie ist der Arbeit­ge­ber für die Gesund­heit sein­er Arbeit­nehmer ver­ant­wortlich. Er kann diese Auf­gabe an Fachkräfte für Arbeitssicher­heit (Sifa) über­tra­gen – allerd­ings nicht mit haf­tungs­be­freien­der Wirkung. Über die Frage, inwieweit eine externe Fachkraft für Arbeitssicher­heit, die tech­nis­che Män­gel ein­er Mas­chine nicht erkan­nt hat­te, bei einem Arbeit­sun­fall haftet, entsch­ied zulet­zt das OLG Nürn­berg (Urteil vom 17.06.2014 – Az. 4 U 1706/12).
 
Recht­san­walt Matthias Klagge, LL.M.
 
Fol­gen­des war geschehen: 
In ein­er Kar­ton­a­gen­fab­rik in Süd­deutsch­land kam es zu einem ver­häng­nisvollen Arbeit­sun­fall: Während der Arbeit an ein­er Papp­kar­ton­stanze geri­et ein Arbeit­nehmer mit sein­er recht­en Hand in die soge­nan­nte „Rif­fel­walze“, als er Kar­ton­a­gen in das Walzw­erk ein­führte. Die Hand war den Stanzbe­we­gun­gen mehrere Minuten lang aus­ge­set­zt und wurde dadurch par­tiell skelet­tiert. Bei seinem Ver­such, die rechte Hand aus der Mas­chine zu befreien, ver­let­zte sich der Arbeit­nehmer auch an sein­er linken Hand schwer.
 
Die Mas­chine entsprach nicht den vorgeschriebe­nen Sicher­heitsvorkehrun­gen nach der Maschi­nen­richtlin­ie. Sie hat­te einen zu hohen Einzugss­chlitz und der Walzen­ab­stand war zu ger­ing. Zudem fehlten eine Plas­tikhaube als Hand­schutz im Einzugs­bere­ich sowie eine Lichtschranke zur automa­tis­chen Abschal­tung bei Gefahr. Ein Notauss­chal­ter war zwar vorhan­den, befand sich aber seitlich an der Mas­chine, so dass er von der Arbeit­spo­si­tion aus nicht erre­icht wer­den konnte.
 

Externe Betreuung durch Sifa

Der Arbeit­ge­ber hat­te seit eini­gen Jahren für seinen Betrieb einen exter­nen Dien­stleis­ter als Fachkraft für Arbeitssicher­heit beauf­tragt. Dieser hat­te noch zwei Wochen vor dem Unfall dem Arbeit­ge­ber attestiert, dass anlässlich ein­er aktuellen Unter­suchung der Mas­chine „keine arbeitssicher­heit­stech­nis­chen Aspek­te“ aufge­treten waren.
 
Die geset­zliche Unfal­lver­sicherung trat in Vor­leis­tung und glich alle Schä­den des ver­let­zten Arbeit­nehmers aus. Nach­dem die Betrieb­shaftpflichtver­sicherung des Maschi­nen­her­stellers einen wesentlichen Teil der Aufwen­dun­gen der Unfal­lver­sicherung erstat­tet hat­te, nahm diese für den Rest ihrer Forderung den Her­steller sowie die externe Fachkraft für Arbeitssicher­heit in Regress. Den Arbeit­ge­ber verk­lagte sie hinge­gen nicht. Die Unfal­lver­sicherung war der Auf­fas­sung, ein Ver­schulden des Arbeit­ge­bers sei nicht erkennbar, weil er ein­er­seits auf die CE-Kennze­ich­nung der Mas­chine ver­trauen durfte, ander­er­seits seine Arbeitss­chutzpflicht­en ver­traglich auf die Fachkraft delegiert hatte.

Das Urteil des OLG Nürnberg

Das OLG Nürn­berg verurteilte den Her­steller und die Fachkraft für Arbeitssicher­heit als Gesamtschuld­ner zur Haf­tung, kürzte allerd­ings den Anspruch der kla­gen­den Unfal­lver­sicherung um den Ver­ant­wor­tungsan­teil des Arbeit­ge­bers. Diesen hat­te das Gericht auf 1/3 tax­iert. Ein Mitver­schulden des ver­let­zten Arbeit­nehmers erkan­nten die Richter nicht.
 
Der Her­steller der Mas­chine hat­te den Anspruch im Gegen­satz zur Fachkraft für Arbeitssicher­heit im Rah­men des Gerichtsver­fahrens anerkan­nt. Die Fachkraft für Arbeitssicher­heit hinge­gen vertei­digte sich unter anderem damit, dass sie für die Ver­let­zung der Rechts­güter des Arbeit­nehmers nicht einzuste­hen habe – denn der Ver­trag zur Über­nahme der arbeitssicher­heit­stech­nis­chen Betreu­ung ent­falte nur Rechtswirkung zwis­chen ihr und dem Ver­tragspart­ner, dem Arbeit­ge­ber. Jeden­falls sei die Fachkraft aber – wie der Arbeit­ge­ber auch – nach den sozialver­sicherungsrechtlichen Vorschriften von der Haf­tung befre­it, da es sich nicht um einen vorsät­zlich verur­sacht­en Betrieb­sun­fall gehan­delt habe.
 
Diese Ansicht teil­ten die Richter jedoch nicht. Das OLG kam zu dem Schluss, dass Fachkraft und Arbeit­ge­ber einen soge­nan­nten „Ver­trag mit Schutzwirkun­gen zugun­sten Drit­ter“ abgeschlossen hat­ten. Dieser Ver­trag bein­halte die Über­nahme der arbeitssicher­heit­stech­nis­chen Betreu­ung sowohl des Betriebes als auch sein­er Beschäftigten. Der ver­let­zte Arbeit­nehmer war daher in den Schutzbere­ich des Ver­trags und somit auch in die ver­tragliche Sorgfalt­spflicht der Fachkraft ein­be­zo­gen. Diese Pflicht hat­te die Fachkraft bei der Unter­suchung schuld­haft ver­let­zt und daher den Unfall mitverur­sacht. Das Gericht war davon überzeugt, dass die Fachkraft bei sorgfältiger Unter­suchung der Papp­kar­ton­stanze die Män­gel erkan­nt hätte, denn sie seien offenkundig gewe­sen. Bei einem entsprechen­den Hin­weis an den Arbeit­ge­ber hätte dieser die Mas­chine abgeschal­tet und der Unfall wäre ver­mieden worden.

Haftungserleichterung für die Sifa?

Neben der Schuld­frage war weit­er­hin von Bedeu­tung, ob der Fachkraft eine Haf­tungser­le­ichterung zugutekommt. Nach den §§ 104ff. des siebten Sozialge­set­zbuchs (SGB VII) haftet der Arbeit­ge­ber bei Betrieb­sun­fällen mit Per­so­n­en­schä­den nur bei Vor­satz. Ein der­ar­tiges „Haf­tung­spriv­i­leg“ gilt auch dann, wenn Schädi­ger und Geschädigter im sel­ben Betrieb (§ 105 SGB VII), zum Beispiel als Kol­le­gen, oder auf ein­er gemein­samen Betrieb­sstätte (§ 106 Abs. 3 SGB VII) tätig sind. Hin­ter­grund für dieses Priv­i­leg ist zum einen, dass der Betrieb­s­frieden nach Arbeit­sun­fällen gewahrt – und nicht durch Rechtsstre­it­igkeit­en erschüt­tert – wer­den soll, und zum anderen, dass allein der Arbeit­ge­ber die Beiträge zur geset­zlichen Unfal­lver­sicherung trägt und ihm daher eine gewisse Haf­tungser­le­ichterung eingeräumt wer­den soll.
 
Das OLG Nürn­berg nahm keine vorsät­zliche son­dern nur eine fahrläs­sige Verur­sachung des Unfalls an. Daher hätte der Arbeit­ge­ber im vor­liegen­den Fall auf­grund des geschilderten Haf­tung­spriv­i­legs nicht für die Unfall­fol­gen ein­ste­hen müssen, wäre er eben­falls verk­lagt wor­den. Dieses Priv­i­leg standen die Richter der Fachkraft nicht zu. Sie sei als extern­er Berater wed­er in dem­sel­ben Betrieb tätig gewe­sen noch habe eine gemein­same Betrieb­sstätte vorgele­gen. Die Fachkraft sei als Dien­stleis­ter engagiert wor­den, ver­gle­ich­bar einem Handw­erk­er oder son­sti­gen Dien­stleis­ter, der keine betriebliche Arbeit aus­führt son­dern lediglich in den Räum­lichkeit­en des Betriebs tätig ist. Auch die Voraus­set­zun­gen ein­er gemein­samen Betrieb­sstätte im Sinne ein­er Gefahrenge­mein­schaft sah das Gericht als nicht gegeben an.
 
Den­noch verneinte das OLG eine hun­dert­prozentige Haf­tung der Fachkraft für Arbeitssicher­heit und kürzte den Anspruch der Unfal­lver­sicherung gegen die Fachkraft (und den Her­steller der Mas­chine) um ein Drit­tel – dem Ver­ant­wor­tung­steil des Arbeit­ge­bers. Die Vorin­stanz, das Landgericht Nürn­berg, hat­te dem Arbeit­ge­ber noch jeglich­es Mitver­schulden abge­sprochen. Er habe seine Überwachungspflicht­en auf die externe Fachkraft über­tra­gen und auf deren Bew­er­tung („keine sicher­heit­stech­nis­chen Män­gel“) ver­trauen dür­fen. Dieser Ansicht wider­sprach das OLG. Denn das Sicher­heits­de­fiz­it habe „offen zutage“ gele­gen und sei daher leicht zu erken­nen gewe­sen. Zudem kam es im Betrieb häu­fig vor, dass gewellte Kar­ton­a­gen ver­wen­det wur­den, die von Hand in den Einzugss­chlitz gesteckt wer­den mussten. Diese Prax­is hätte der Arbeit­ge­ber „strikt unterbinden“ müssen. Stattdessen hat­te er dem ver­let­zten Arbeit­nehmer einen Arbeit­splatz mit augen­schein­lichen Sicher­heit­slück­en zugewiesen.
 
Das OLG kam zu dem Ergeb­nis, dass die Fachkraft für Arbeitssicher­heit (neben dem Her­steller) als Gesamtschuld­ner vol­lum­fänglich hafte. Der Arbeit­ge­ber sei wegen des Haf­tung­spriv­i­legs von der Haf­tung ausgenom­men, obwohl auch er den Unfall mitver­schuldet hat­te. Um diesen Nachteil gegenüber Fachkraft und Her­steller auszu­gle­ichen, kürzte das Gericht deren Haf­tungsan­teil um ein Drittel.

Bedeutung für die Praxis

Beson­ders an dem vor­liegen­den Urteil sind – neben den haarsträuben­den Fehlern von Her­steller, Arbeit­ge­ber und Fachkraft für Arbeitssicher­heit – die Aus­führun­gen des OLG zur Haf­tung von Arbeit­ge­ber und Sicher­heits­fachkräften. Die Sifa ist im Gegen­satz zum Arbeit­ge­ber nach den sozialver­sicherungsrechtlichen Vorschriften nicht haf­tung­spriv­i­legiert und hat bere­its bei ein­fach­er Fahrläs­sigkeit einzuste­hen. Nur eine „interne“ Fachkraft für Arbeitssicher­heit (ein Arbeit­nehmer aus dem Betrieb) ist bei fahrläs­sigem Ver­schulden wie der Arbeit­ge­ber priv­i­legiert und damit von der Haf­tung befreit.
 
Um diesem Ungle­ichgewicht zu ent­ge­hen, muss eine externe Fachkraft stets auf die Ver­tragsaus­gestal­tung mit dem Arbeit­ge­ber acht­en. Denn der Ver­trag ist Grund­lage für die eventuelle Haf­tung. Ein extern­er Dien­stleis­ter muss den Arbeit­ge­ber nur über das ord­nungs­gemäß berat­en, was im Ver­trag fest­gelegt ist. Darüber hin­aus beste­ht keine Beratungspflicht und fol­glich bei Unfällen auch keine Haf­tung. Wenn der Dien­stleis­ter der Auf­fas­sung ist, die Über­prü­fung ein­er Betrieb­san­lage sei nicht Bestandteil seines Auf­trags und er deswe­gen keine Ver­ant­wor­tung für deren Arbeitssicher­heit übernehmen will, hat er den Ver­tragspart­ner darauf ein­deutig hinzuweisen. Im Übri­gen emp­fiehlt sich natür­lich auch der Abschluss ein­er geeigneten Haftpflichtver­sicherung, die auch zum Gegen­stand des Ver­trags zwis­chen extern­er Fachkraft und Arbeit­ge­ber gemacht wer­den kann.
 
Das Urteil hebt aber auch her­vor, dass sich Arbeit­ge­ber durch die Über­tra­gung von Arbeitss­chutzpflicht­en auf Fachkräfte für Arbeitssicher­heit (seien es intern oder extern Beauf­tragte) nicht ihrer Ver­ant­wor­tung entledi­gen kön­nen. Sie sind nur dann von der Haf­tung befre­it, wenn ihr Ver­schulden auf Fahrläs­sigkeit beruht. Dies entspricht der beste­hen­den Rechtslage.
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