Die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) in DIN und VDE hat ein neues Projekt gestartet: „Isolationskoordination: Bemessung von Luft- und Kriechstrecken unter Umgebungsgesichtspunkten in neuen Anwendungen (IsKoNeu)“. Der Sicherheitsingenieur begleitet das Projekt – dieser erste Bericht soll zunächst das Vorhaben umreißen.
Dipl.-Ing. (FH) Robert Schmieder, M.Sc.
„Isolationskoordination umfasst die Auswahl der elektrischen Isolationseigen-schaften eines Betriebsmittels hinsichtlich seiner Anwendung und in Bezug auf seine Umgebung. Isolationskoordination kann nur erreicht werden, wenn die Bemessung des Betriebsmittels auf den Beanspru-chungen, denen es im Verlauf der zu er-wartenden Lebensdauer voraussichtlich ausgesetzt ist, beruht.“ [1]
Mit dieser grundlegenden Definition beginnt die Normenreihe DIN EN 60664 (VDE 0110), die den anerkannten Stand der Technik auf dem Gebiet der Isolationskoordination darstellt. Teil 5 der Normenreihe weist dabei in den Litera-turhinweisen auf zwei Forschungsberichte des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) von 1989 hin:
- zur Kurzzeitspannungsfestigkeit kleiner Isolierstrecken unter dem Einfluss natürlicher Umgebungsbedingungen [2] sowie
- zur kriechstromsicheren Bemessung von Isolierungen bei Niederspan-nung [3].
Im Hinblick auf den verstärkten Einsatz elektrotechnischer und elektronischer Komponenten in innovativen Technologien, wie beispielsweise der Elektromobilität oder der Photovoltaik, stellt sich mittlerweile die Frage, ob diese oben genannten Untersuchungen noch ausreichend sind und als Basis für diese und zukünftige Anwendungen verwendet werden können.
Denn mit den neuen Anwendungen gehen Neuentwicklungen in der Batterie- und der Halbleitertechnologie sowie der verstärkte Einsatz dezentraler Energieversorgungseinheiten einher. Dabei spielt der Einsatz von Gleichspannung eine immer größere Rolle:
- sie wird von elektrischen Energiespei-chern zur Verfügung gestellt, z.B. von stationären Pufferspeichern und in Elektrofahrzeugen durch Batterien mit hoher Energiedichte,
- sie entsteht primär bei der Erzeugung, z.B. in PV-Anlagen und Brennstoffzellen,
- sie wird von Stromrichtern erzeugt, z.B. bei Windkraftanlagen,
- zu versorgende elektronische Verbraucher arbeiten mit Gleich-spannung und
- sie ist für die Übertragung über größere Entfernungen besser geeignet ist als Wechselspannung.
Damit werden neue Fragen zur Isola-tionskoordination aufgeworfen, insbe-sondere vor dem Hintergrund von besonders zu berücksichtigenden Umgebungseinflüssen wie Verschmutzung und Betauung.
Und genau hier setzt das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Projekt „Isolationskoordination: Bemessung von Luft- und Kriechstrecken unter Umgebungsgesichtspunkten in neuen Anwen-dungen (IsKoNeu)“ an: Gemeinsam mit der Bender GmbH & Co. KG, einem Geräte- und Systemhersteller auf dem Gebiet der Netzschutztechnik, erarbeitet die DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE basierend auf theoretischen Betrachtungen und Laborver-suchen eine aktuelle Bewertung der Einflussfaktoren für die Auslegung von Luft- und Kriechstrecken. Auf der Basis der Auswertung bisheriger Erkenntnisse zur Isolationskoordination, insbesondere im Zusammenhang mit zu erwartenden Umgebungseinflüssen und dadurch potenzieller Gefährdungen, sollen Sicherheitsgrenzwerte bestätigt oder neu aufgestellt und bei Bedarf entsprechende Schutzkonzepte neu entwickelt werden.
Der Bereich der Niederspannung (Wechselspannungen bis 1000 V und Gleichspannungen bis 1500 V) spielt deshalb dabei eine so große Rolle, weil die meisten Geräte, die von Laien bedient werden, in diesem Spannungsbereich betrieben werden. Die Hauptgefährdung besteht im elektrischen Schlag beim Berühren. Aber auch Ausfälle von wichtigen Komponenten können durch Isolationsfehler hervorgerufen werden, wenn die Isolierung den im realen Betrieb vorkommenden Anforderungen nicht gewachsen ist. Weiterhin besteht unter Umständen Brandgefahr, wenn nicht oder nur unzureichend berücksichtigte Fehlerströme fließen.
Im Rahmen des IsKoNeu-Projektes wird ein Gewinn neuer Erkenntnisse über die verschiedenen Wirkungsmechanismen im Zusammenhang mit der Isolationsko-ordination angestrebt. Das Projekt dient somit der Bestätigung beziehungsweise Schaffung einer Basis für die sichere Nutzung elektrischer Energie in neuen Anwendungen. Dies erfolgt in mehreren Schritten:
- Einleitend wird eine Untersuchung der Einflussfaktoren auf die Isola-tionskoordination am Beispiel von Elektrofahrzeugen und der Photo-voltaik durchgeführt,
- Parallel dazu wird analysiert, welche möglichen Gefährdungen durch unzureichende Isolationskoordination bestehen.
- Anschließend müssen daraus resultierende Sicherheitsanforderungen hinsichtlich der Isolationskoordination definiert und mit den bestehenden Anforderungen abgeglichen werden.
- Falls Änderungen der Anforderungen an die Isolationskoordination erfor-derlich sind, müssen abschließend geeignete Prüfungen zur Verifizierung der neuen Schutzkonzepte beschrieben werden.
Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen einer breiten Fachöffentlichkeit in einer Reihe von Workshops vorgestellt werden. Weitere Informationen und Anmeldung auf
Über die Ergebnisse werden wir an dieser Stelle berichten.
Literatur
DIN EN 60664–1 (VDE 0110–1): 2008-01, Isolationskoordination für elektrische Betriebsmittel in Niederspannungsanlagen – Teil 1: Grundsätze, Anforderungen und Prüfungen (IEC 60664–1:2007); Deutsche Fassung EN 60664–1:2007
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI), Mai 1989; Kurzzeitspannungsfestigkeit kleiner Isolierstrecken unter dem Einfluß natürlicher Umgebungsbedingungen. Abschlußbericht zum AIF-Forschungsvorhaben 6788
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI), Mai 1989; Kriechstromsichere Bemessung von Isolierungen bei Niederspannung. Abschlußbericht zum AIF-Forschungsvorhaben 6789
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