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Gefahrgut, Gefahrstoff, gefährliche Mischung? Schon die Begrifflichkeiten gehen oft durcheinander, wenn es um den innerbetrieblichen Umgang mit Gefahrgut geht. Auch bei den rechtlichen Grundlagen bestehen häufig Unklarheiten. Dieser Beitrag schildert, was Sicherheitsbeauftragte über den sicheren Umgang mit gefährlichen Gütern im Betrieb wissen sollten.
Wolfgang Hüsgen
Selbst das Gesetz ist nicht eindeutig. Eigentlich gilt das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) auf einem Betriebsgelände nicht, denn in § 1 „Geltungsbereich“ heißt es explizit: „Dieses Gesetz (…) findet keine Anwendung auf die Beförderung innerhalb eines Betriebes oder mehrerer verbundener Betriebsgelände (Industrieparks) (…).“ Trotzdem wird in § 2 GGBefG definiert, dass zur Beförderung eben nicht nur der Transport, sondern auch die Übernahme, die Ablieferung sowie das Verpacken, Auspacken, die Be- und Entladung sowie sogar die Herstellung von Gefahrgutverpackungen zählt. Diese Tätigkeiten werden aber eindeutig auf dem Betriebsgelände durchgeführt.
Gefahrgut: Welche Verordnung gilt?
Im Prinzip unterliegt der Umgang mit Gefahrgut im Betrieb – von einigen Ausnahmen abgesehen – der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und damit deren Vorgaben sowie den dazugehörigen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS). Die in § 2 GGBefG genannten Ausnahmen versuchen, die Schnittstellen beim Transport von Gefahrgut im Betrieb zu regeln, da sonst gesetzliche Lücken – und damit auch Risiken für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten – entstanden wären. Auch das gilt es zu berücksichtigen: Bei Verstößen im Bereich des GGBefG fallen deutlich höhere Bußen für Ordnungswidrigkeiten an!
Ausnahmen bestätigen die Regel
Gesetzliche Grundlage für den Transport von Gefahrgütern ist das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par Route), kurz ADR. In den Anlagen zum ADR werden die Ausnahmen, Erleichterungen sowie die Vorgaben zu Verpackung, Begleitpapieren und Gefahrgutaufklebern (Gefahrgutzettel) verbindlich festgelegt.
Für Handwerker, aber auch für Privatpersonen gibt es viele Ausnahmen, die als Freistellungen bezeichnet werden. So können Privatpersonen beispielsweise im Baumarkt gekaufte brennbare Flüssigkeiten transportieren, ohne die Gefahrgutvorschriften beachten zu müssen. Dies gilt auch für die Gasflasche im Campingbus oder Druckgasflaschen fürs Tauchen. Die Ladung muss jedoch auf jeden Fall ausreichend beim Transport gesichert werden.
Wareneingang: Darauf sollten Sie unbedingt achten!
Angenommen, ein Betrieb erwartet eine Anlieferung von gefährlichen Gütern wie zum Beispiel brennbare Flüssigkeiten und Akkusäure. Die Gefahrgüter sind an den dafür vorgesehenen Gefahrgutzetteln zu erkennen. Diese sind an dem Behälter oder der Verpackung angebracht.
Praxistipp: Empfehlenswert ist, ein Foto von der Ladefläche zu machen. So ist ein Beleg vorhanden, ob das Gefahrgut auf dem anliefernden Lkw ordnungsgemäß gesichert worden ist oder nicht. Alle Beschäftigten im Betrieb, die mit dem Wareneingang und dem angelieferten Gefahrgut zu tun haben, sollten sich außerdem bewusst sein, dass ab diesem Moment Gefahrgutunfälle auf dem Betriebsgelände möglich sind!
Einlagerung: „Mischen impossible“
Im Regelfall geht es nun darum, den Gefahrstoff bzw. die gefährliche Mischung einzulagern. Werden verschiedene Gefahrstoffe im selben Raum oder im selben Palettenregal eingelagert, muss unbedingt die Verträglichkeit geprüft werden. Dafür muss ein Betrieb entsprechende Vorgaben bereithalten. Maßgebend ist die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 510 „Lagern von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“. Typische Unfallsituationen bei der Einlagerung entstehen zum Beispiel dann, wenn der Behälter von der Gabel eines Staplers beschädigt wird und der Gefahrstoff austritt.
Praxistipp: Welche Gefahr von eingelagerten Stoffen und Mischungen ausgeht, zeigt entweder der Gefahrgutzettel oder die Gefahrstoffkennzeichnung an. Zurzeit sind noch viele Chemikalien im Umlauf, die mit der alten Gefahrstoffkennzeichnung versehen sind. Die offizielle Frist zur Verwendung der alten Gefahrstoffkennzeichnung lief bereits im Juni 2015 ab, aber für schon im Lager befindliche Ware darf die alte Kennzeichnung noch bis zum Juni 2017 genutzt werden. Deswegen ist es ratsam, in allen Unterweisungen auf beide Kennzeichnungssysteme hinzuweisen!
Um- und Abfüllen: Lassen Sie dabei Sorgfalt walten!
In der betrieblichen Praxis müssen Gefahrstoffe auch um- oder abgefüllt werden. Das sind typische Situationen, in denen es kritisch werden kann: Gefahrstoffe können auslaufen, Gase oder Dämpfe austreten und – sofern es sich um brennbare Stoffe handelt – Explosionsgefahren entstehen. Alle Beschäftigten, die mit dem Gefahrstoff zu tun haben, müssen daher wissen, wo sich die Ex-Schutz-Zonen befinden und welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Praxistipp: Beim Umfüllen ist unbedingt darauf zu achten, dass die entsprechende Kennzeichnung auf das neue Gebinde übernommen wird. Andernfalls können Benutzer dieser Chemikalie die Gefährdung nicht erkennen.
Information und Schutz aller betroffenen Beschäftigten
Spätestens jetzt ist eine gezielte Unterweisung aller betroffenen Beschäftigten dringend geboten. Die Durchführung der Unterweisung ist zu dokumentieren. Dabei muss auf Schutzmaßnahmen und die notwendigen persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) verwiesen werden.
Praxistipp: Bei den Unterweisungen sollten auch die entsprechenden Betriebsanweisungen und das Chemikalienkataster erklärt werden. Zu der Unterweisung gehört außerdem eine Warnung an die Beschäftigten, vorhandene Absaugungen oder andere technische Maßnahmen weder abzuschalten noch zu blockieren.
Verpackung ist Expertensache
Für das Verpacken von Gefahrgut gibt es sehr strenge Vorschriften; dieser Vorgang ist im Detail reguliert. Deswegen dürfen nur ausgebildete, unterwiesene Beschäftigte das Verpacken vornehmen. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass geeignete (geprüfte) Verpackungen wie Pappkartons oder entsprechende Innenverpackungen zum Einsatz kommen.
Praxistipp: Es kann sich lohnen, zu prüfen, ob das Gefahrgut in begrenzten Mengen versandt werden kann. In diesem Fall gestaltet sich der Gefahrguttransport einfacher. Dabei wird ein spezielles Kennzeichen eingesetzt.
Versenden: Per Flugzeug oder Lkw?
Bei einem Versand mit dem Flugzeug müssen alle beteiligten Personen (Verpacker, Dokumentenhersteller) ein spezielles Training erhalten, das alle zwei Jahre wiederholt werden muss und mit einem Abschlusstest endet. Bei einem Versand per Lkw ist zu prüfen, ob dieser vorne und hinten mit einem gelb-orangen Schild zu kennzeichnen ist. Dies ist abhängig von der Größe des Lkw und der geladenen Gefahrgutmenge. Entsprechende Begleitpapiere und ein Unfallmerkblatt müssen mitgeführt werden, wenn keine Erleichterungen der ADR-Vorschrift genutzt werden können. Feuerlöscher und PSA sind mitzuführen. Der Fahrer benötigt außerdem einen Gefahrgutführerschein (ADR-Schulungsbescheinigung). Gefahrgüter, die bei Freisetzung gefährlich miteinander reagieren können, dürfen im Lkw keinesfalls nebeneinander gelagert werden.
Praxistipp: Unbedingt an die Ladungssicherung denken! Auch wenn es sich bei der Ladungssicherung um eine allgemeine Anforderung in der Straßenverkehrsordnung handelt, wird diese im Gefahrgutrecht erneut gefordert. Zu Recht: Die Gefahren für Mensch und Umwelt können sehr groß sein. Wichtig ist der Einsatz von Hilfsmitteln (Antirutschmatten, Zurrgurten, Klemmbalken, Netze). Die Ladung muss formschlüssig an den Lkw-Aufbauten verstaut werden. Seitliche Lkw-Planen sind keine geeigneten Sicherungsmittel! Die Ladung muss gegen Vollbremsung und Ausweichmanöver ausreichend gesichert sein. Deshalb sollten Sicherungsgurte regelmäßig auf Beschädigungen überprüft und gegebenenfalls ersetzt werden.
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