Das Verkehrsaufkommen auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen ist im Jahr 2015 auf einem Rekordhoch angekommen. Faktoren wie die Globalisierung der Wirtschaft, Liberalisierung der Märkte und die steigende Anzahl von Verkehrsteilnehmern im Personen- und Güterverkehr begünstigen diese Entwicklung auch auf langfristige Sicht. Die Gruppe der Berufskraftfahrer ist dieser Entwicklung dabei unmittelbar in der täglichen Ausführung ihrer Tätigkeit ausgesetzt. Trotz wachsender Alternativen, sei es bei der Beförderung von Personen oder dem Transport von Gütern, stellt der „Arbeitsplatz Straße“ immer noch einen bedeutenden Erwerbszweig in der Transportbranche dar.
Dr. Stefan Poppelreuter, Sebastian Lorenz
Der genaue Anteil der auf Deutschlands Straßen tätigen Berufskraftfahrer ist nicht bekannt. Zwei Zahlen können jedoch diese Entwicklung und das Potenzial der Branche verdeutlichen: Seit der Liberalisierung des Fernbusmarkts 2013 ist alleine die Zahl der Fernbusanbieter auf aktuell 326 gestiegen. 2013 waren im Güterverkehr allein 534.421 Berufskraftfahrer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dabei lag der Anteil der Frauen gerade einmal bei 1,7 Prozent. Häufig unterschätzt und unbeachtet bleiben jedoch die zum Teil extrem belastenden Arbeitsbedingungen, denen Busfahrer (Fokus: Fernbusreisen) und LKW-Fahrer ausgesetzt sind. Nicht selten müssen die Fahrer die Nebenwirkungen des komplexen wirtschaftlichen und logistischen Gefüges sowie des zunehmenden Wettbewerbsdrucks der Branche schultern. Insbesondere die Konkurrenz aus mittel- und osteuropäischen Ländern verdrängt durch ihre niedrigen Lohn- und Sozialkostenstandards immer mehr deutsche Anbieter vom Markt und erhöht somit den Druck.
Die Folge: lange Arbeitszeiten, mangelnde Einhaltung der Lenkzeiten und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, schlechte technische Zustände der Fahrzeuge, übermüdete und abgelenkte Fahrer. Aus den genannten Arbeitsbedingungen und den damit verbundenen Belastungen heraus ergeben sich zahlreiche gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene manifestieren. In diesem Zusammenhang lassen sich für Berufskraftfahrer unter anderem folgende Einzelbelastungen identifizieren:
- Konträre und unvereinbare Arbeitsanforderungen, z.B. Einhalten von Fahrzeiten und sicheres Fahren/Kundenfreundlichkeit
- Hohe Konzentrations- und Aufmerksamkeitsanforderungen, Ermüdung
- Geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume
- Monotone Tätigkeit bei gleichzeitig hohen Anforderungen
- Hohes Risiko bedingt durch Straßen- und Witterungsverhältnisse, Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern, hohe Verkehrsdichte etc.
- Hoher Zeit- und Termindruck
- Lange und ungünstige Arbeitszeiten (Schicht‑, Wochenend‑, Nachtarbeit, Überstunden); Störung des natürlichen Biorhythmus
- Soziale Isolation und Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben
- Hohe Verantwortung für Fahrzeug, Ladung und/oder Fahrgäste
- Mangelnde Anerkennung und Förderung durch Vorgesetzte; schlechtes Image und geringe Wertschätzung des Fahrerberufs
- Heben und Tragen von zum Teil schweren Lasten
- Vibrationen
- Ergonomisch ungünstige Arbeitshaltung und Bewegungsmangel
- Lärm
- Abgase, Schmutz, Staub
- Extreme Lichtverhältnisse und Blendwirkung bei Fahrten im Dunkeln
- Starke Regularien, Vorschriften und externe Kontrollen durch Polizei und Bundesamt für Güterverkehr (BAG)
- Unregelmäßige und ungesunde Ernährung
- Lebensstilbezogen Risiken, z.B. Rauchen
- Hohe Unfallgefahr
Zu unterscheiden ist darüber hinaus noch zwischen angestellten und selbstständigen Berufskraftfahrern, bei denen sich zum Teil weitere Belastungen ergeben. Erscheint der Schritt in die Selbstständigkeit auch in dieser Branche für viele Kraftfahrer als lukrativ und reizvoll, sind mit dieser Entscheidung jedoch nicht selten auch enorme finanzielle Risiken und ein starker Konkurrenzdruck im ständigen Verdrängungswettbewerb auf deutschen und europäischen Straßen verbunden. Ohne stabiles Kundennetz, eine klare Unternehmensstrategie und finanzielle Rücklagen schaffen es nur wenige sich gegen große Logistik- oder Reiseunternehmen durchzusetzen. Die damit verbundenen Belastungen stellen dabei nicht nur für den einzelnen Fahrer ein unmittelbares Risiko dar, sondern können sich im Extremfall negativ im Verkehrsverhalten äußern und damit auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Nicht selten überschreiten Berufskraftfahrer die gesetzlichen Tageslenkzeiten von neun bis zehn Stunden und halten vorgeschriebene Pausen und Ruhezeiten nicht ein. Einer Umfrage zufolge beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von LKW-Fahrern 40 bis 60 Stunden. 42 Prozent der Befragten arbeiten zum Teil sogar zwischen 61 und 80 Stunden und überschreiten damit deutlich die gesetzliche Grenze von maximal 56 erlaubten Arbeitsstunden pro Woche. Die Folgen sind Übermüdung und eine damit einhergehende erhöhte Unfallgefahr.
Eine Antwort auf diese Entwicklung und die steigende Anzahl psychischer und physischer Belastungen liegt häufig in einer zunehmenden Technisierung der Fahrzeuge. So wird versucht durch Servosysteme, Automatikgetriebe und verbesserte Fahrwerke die Fahrer bestmöglich zu entlasten. Jedoch ergeben sich auf der anderen Seite durch die zunehmende Technisierung und Digitalisierung des Arbeitsumfeldes in Form von digitalen Technographen oder onboard Computing vor allem für ältere Berufskraftfahrer neue Anforderungen. Die neuen Technologien erfordern nicht nur erhöhte mentale Fähigkeiten, sondern teilweise auch eine entsprechende Weiterbildungsbereitschaft und ‑fähigkeit der Kraftfahrer.
Die multiplen Belastungsfaktoren und das erhöhte Stresslevel, dem die Fahrer ausgesetzt sind, stellen de facto ein großes Risiko dar. Dabei sind nicht immer nur die Arbeitgeber Schuld an den genannten Zuständen. In diesem Zusammenhang spielt die sich in den vergangenen Jahrzehnten nahezu vollständig durchsetzende „just in time“-Philosophie eine zentrale Rolle. Unternehmen reduzieren ihre Lagerhaltung und erwarten von ihren Zulieferern eine punktgenaue Anlieferung von benötigten Rohstoffen, Produkten oder Betriebsmitteln. So nötigen insbesondere die Kunden die Transportunternehmen und damit letztlich die Fahrer zu pünktlichen, eng terminierten und stressigen Einsätzen. Bei häufigen und wiederkehrenden Stresssituationen steigt die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigungen bis hin zu krankheitsbedingten Ausfällen. Häufig leiden Berufskraftfahrer in Folge ihrer Tätigkeit an Bluthochdruck, Magengeschwüren, Schlaflosigkeit und einem erhöhten Herzinfarktrisiko.
Darüber hinaus reduziert Stress die Aufmerksamkeit und Konzentration, wodurch auch das Fehlerrisiko steigt. Nicht selten geraten LKW- und Busfahrer in einer Stresssituation, in einen Wahrnehmungstunnel, in dem sie sich primär auf die pünktliche Auftragserfüllung fokussieren, darüber ein erhöhtes Sicherheitsrisiko eingehen und routinemäßige Aufgaben vernachlässigen. Trotz externen Drucks ist es enorm wichtig, dass sich die Fahrer ihrer eigenen Stresstoleranz und den von ihrer Tätigkeit ausgehenden gesundheitlichen Risiken bewusst sind. Sowohl auf Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerseite gilt es, präventive und stressreduzierende Strategien zu etablieren, die sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren und beispielsweise während Pausen durchführen lassen. Auch wenn sich ein Großteil der primären Belastungsfaktoren wie Staus, Verkehrsprobleme oder Zeitdruck nur bedingt beheben lassen, ist es umso wichtiger in Form von Schulungen gezielt unterstützende Maßnahmen für die Fahrerinnen und Fahrer anzubieten, um die übrigen Belastungen bestmöglich zu minimeren. Entspannungsübungen, ausgewogene Ernährung und Fitnessangebote sind nur Beispiele für mögliche Lösungen.
Wie sich psychische und physische Belastungsfaktoren konkret auf den eigenen Berufsalltag sowie das soziale Leben außerhalb der Tätigkeit auswirken, soll im Folgenden genauer dargestellt werden. Das Fallbeispiel beleuchtet dual den Berufsalltag und auftretende Risiken aus Sicht eines angestellten LKW-Fernfahrers und eines Fernbusfahrers. Das beschriebene Erleben wird wie immer über Expertenbeiträge kommentiert und durch Ansätze zur Prävention und Intervention ergänzt. Der dargestellte LKW-Fahrer ist bei einer großen Spedition als sogenannter Termintrucker angestellt, die sich auf Transporte innerhalb Deutschlands und Europas spezialisiert hat. Der im Folgenden vorgestellte Busfahrer ist bei einem der führenden Anbieter für Busfernreisen angestellt und auf seiner Standardroute Köln-München unterwegs. Er trägt bei der aktuellen Fahrt die Verantwortung für insgesamt 50 Passagiere. Wir steigen in Köln ein und begleiten ihn auf der insgesamt mehr als neunstündigen Fahrt nach München.
LKW-Fahrer: Ich bin leider in Oberhausen mit Zeitverzug losgekommen, weil die Verladung der Ware dann doch länger gedauert hat, als ich dachte. Ich werde häufig vor allem dann nervös, wenn das Be- und Entladen unerwartet lange dauert oder Komplikationen auftreten, die den gesamten Zeitplan durcheinander bringen. Kurz hinter dem Autobahnkreuz Herne ging dann gar nichts mehr wegen eines Auffahrunfalls mit Personenschaden. Bis die Autobahn geräumt war und es zumindest wieder stockend weiterging, stand ich eine gute Stunde im Stau. Eine Stunde ist nicht viel, verglichen zu manch anderen Tagen, an denen Autobahnen sogar vollständig für mehrere Stunden gesperrt werden. Trotzdem kam ich mit Verspätung beim Kunden an, der eigentlich schon geschlossen hatte. Gott sei Dank waren aber noch einige Mitarbeiter da, um die Ware abzuladen. Es kommt nicht selten vor, dass ich vor verschlossenen Toren stehe und dann die Nacht über bis zum nächsten Morgen warten muss. Ärgerlich, weil sowas Zeit kostet, die mir nachher fehlt.
Busfahrer: Ich bin recht zufrieden mit dem bisherigen Ablauf. Das Verladen des Gepäcks und das Einchecken der Fahrgäste ging problemlos und glücklicherweise waren auch alle, die auf meiner Liste stehen, in Köln da, so dass wir pünktlich losfahren konnten. Da sind wir sehr strikt beziehungsweise bekommen ganz klare Anweisungen vom Unternehmen. Heute war die angesetzte Abfahrtzeit 10:30 Uhr, und wer dann nicht in meinem Bus ist, hat halt leider Pech gehabt. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Die Fahrgäste werden aufgefordert, immer 15 Minuten vor Abfahrt am Busbahnhof zu sein, um nicht in Zeitprobleme zu kommen. Der Fahrplan ist eng getaktet und große Verzögerungen kann ich mir da nicht leisten. Ich muss schon immer mit möglichen Staus, gerade auf einer langen Strecke wie von Köln nach München, rechnen, da ist mir alles, was planmäßig verläuft, sehr recht.
Experte: Hoher Zeit- und Termindruck sind häufig zentrale Belastungsfaktoren in der Tätigkeit von Berufskraftfahrern, die aus den enormen Flexibilitäts- und Transporterfordernissen der Branche resultieren. Der erlebte Zeitdruck, die Ware termingerecht beim Kunden abzuliefern, Fahrpläne einzuhalten, und das unter der strikten Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten, wirkt sich häufig negativ auf das Fahrverhalten, die Arbeitsleistung und die Konzentration aus. Die Bereitschaft zu risikofreudigem Fahren gefährdet Fahrer und Verkehrsteilnehmer gleichermaßen und resultiert nicht selten in schweren Unfällen. Dabei liegen die Ursachen des beschriebenen Zeitdrucks selten in der Persönlichkeit des Fahrers, sondern gehen vielmehr auf externe, unbeeinflussbare Faktoren wie Störungen im Verkehrsfluss oder lange Wartezeiten beim Be- und Entladen zurück. Das hierdurch entstehende Gefühl von Hetze birgt deutliche gesundheitliche Risiken. Auch wenn Zeitdruck nur einen der zahlreichen Belastungsfaktoren darstellt, hat er häufig eine Vielzahl von Folgewirkungen. Die Fahrer stehen unter enormen Stress, der sich während der Arbeitszeit häufig auf einem kontinuier-lich hohen Level einpendelt.
Um mit der Dauerbelastung umgehen zu können, greifen viele auf ungesunde Bewältigungsstrategien in Form von Alkohol, Medikamenten, Zigaretten oder Koffein zurück. Kurzfristig heiligen diese Mittel den Zweck und reduzieren das empfundene Stresslevel, doch unterschätzen die Meisten deren potenzierende Wirkung. Langfristig manifestiert sich der Stress in psychischen Belastungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und endet nicht selten in einer krankheitsbedingten Frühverrentung. Auch wenn die primären Ursachen von Stress nicht elementar beeinflussbar sind, ergeben sich dennoch auf betrieblicher und individueller Ebene Möglichkeiten, mit dem empfundenen Stress besser umgehen zu können. Trivial und dennoch effektiv sind zunächst Entspannungsübungen und Techniken zur Stressbewältigung, die sich auch während der Ruhezeiten, im Stau und sogar während der Fahrt durchführen lassen. Darüber hinaus bieten Anbieter wie die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft Seminare, Schulungen und Trainings rund um das Thema Gesundheit und Sicherheit für Berufskraftfahrer an. Dazu zählt nicht nur die Vermittlung von Wissen und Tricks zur Stressbewältigung, sondern ebenso werden Workshops zu den Themen Be- und Entladen, Umgang mit Müdigkeit und weiteren gesundheitsrelevanten Aspekten angeboten.
Da es für Fernfahrer, die häufig unregelmäßig, unvorhersehbar und über mehrere Tage unterwegs sind, schwer ist, Zeit für solchen Seminare zu finden, sollten diese am besten blockweise (z.B. an Wochenenden) angeboten werden. Um die Attraktivität derartiger Angebote zu steigern, ist es wichtig Anreize zu bieten. Diese könnten zum Beispiel darin bestehen, einen Teil des Verdienstausfalls als Arbeitgeber oder über die Krankenkasse auszugleichen oder die Schulungstage als Arbeitszeit anzurechnen.
Busfahrer: Lange Strecken wie diese sind natürlich strapazierend und erfordern meine komplette Konzentration und Aufmerksamkeit; nicht immer einfach, insbesondere weil der Großteil der Fahrt über Autobahnen führt. Als Autofahrer mit den entsprechenden PS unter der Haube und relativ wenig Geschwindigkeitsvorgaben kann ich natürlich auch mal Gas geben oder wechsle häufiger die Spuren. In meinem Job muss ich mich an die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h halten, auch wenn ich manchmal gerne schneller fahren würde. Aber da geht die Sicherheit vor. Etwas Abwechslung von der Monotonie der Autobahn bieten dann immerhin die kurzen Strecken in den Städten auf dem Weg zu den einzelnen ZOBs (Zentraler Omnibusbahnhof).
Experte: Die Tätigkeit als Berufskraftfahrer stellt zum Teil konträre Anforderungen an die Beteiligten. Dabei unterfordert die lange Fahrt viele der Fahrer aufgrund der zeitlichen Gleichförmigkeit und Monotonie der Arbeit, verlangt aber zugleich ein hohes Maß an Konzentration und Wachsamkeit. Die Fahrten sind selten abwechslungsreich und variieren nur bedingt durch Komponenten wie Strecke, Verkehrsaufkommen und gelegentliche Überlandfahrten. Die empfundenen Monotoniezustände manifestieren sich in unterschiedlicher Form: Die Fahrer erleben die Situation als eintönig, langweilig und abstumpfend, die Zeit wird lang und zieht sich, eine gleichgültig-apathische Haltung stellt sich ein, die Aufmerksamkeit lässt nach und die Müdigkeit nimmt zu.
Schläfrigkeit und Müdigkeit werden vielfach durch die Bedingungen gefördert, unter denen insbesondere LKW-Fahrer unterwegs schlafen müssen (z.B. Lärm, Fahrkabine). Häufig fehlt es den Fahrern an ausreichend und erholsamem Schlaf. Das von Müdigkeit ausgehende Risiko wird dabei oft unterschätzt: Bei einem Sekundenschlaf von nur zwei Sekunden, legt ein Berufskraftfahrer bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h 56 Meter unkontrolliert zurück. Müde Fahrer reagieren langsamer, können sich schlechter konzentrieren und schätzen Fahrsituationen falsch ein. Ein Großteil der Verkehrsunfälle resultiert aus Übermüdung und Sekundenschlaf am Steuer. Wichtig ist daher eine hohe Selbstaufmerksamkeit. Berufskraftfahrer sollten Anzeichen von Müdigkeit ernst nehmen und nicht versuchen, diese zu ignorieren. Außerplanmäßige Pausen, die in der Praxis aufgrund von Termindruck und hohen Anforderungen häufig umgangen werden, sollten rechtzeitig eingelegt werden.
Der Konsum von koffeinhaltigen Getränken oder Energydrinks sorgt nur kurzfristig für eine erhöhte Aufmerksamkeit, jedoch kehrt die Müdigkeit in den meisten Fällen schneller und zum Teil stärker zurück. Sicherlich kann Koffein unterstützend wirken, sollte jedoch nicht als Garant und einzige Strategie gegen Müdigkeit genutzt werden. Wichtig ist es darüber hinaus, die Fahrer für diese Thematik zu sensibilisieren und ihnen die möglichen Folgen aufzuzeigen. Kleine, gesunde Snacks, ausreichend Flüssigkeit und eine ausgewogene Ernährung während der Fahrt und in den Pausen halten fit. Fettreiche Speisen, die oftmals auf Rastplätzen angeboten werden, gilt es zu vermeiden, da diese sich negativ auf die Konzentration und Leistungsfähigkeit auswirken. Auch ein Kurzschlaf von zehn bis 30 Minuten kann helfen. Arbeitgeber sind unterstützend gefordert, indem sie beispielsweise die Fahrzeitenregelung, unter Berücksichtigung der tageszeitlichen Aspekte der Müdigkeit (z.B. Nachtfahrzeit kürzen) optimieren.
LKW-Fahrer: Das ärgerliche an solchen Verspätungen ist, dass ich in den seltensten Fällen die Ursachen beeinflussen kann. Wenn ich es dann nicht schaffe, die Zeit wieder rauszuholen, geht das oftmals auf Kosten meiner Freizeit und meines Privatlebens. Nicht gerade angenehm, meiner Frau und meinen drei Kindern dann verkünden zu müssen, dass ich es am Wochenende nicht nach Hause schaffe oder nicht zur Familienfeiern erscheinen kann. Dann bin ich also nicht wie geplant zuhause, sondern sitze die Zeit alleine auf irgendeinem Parkplatz fest. Meine erste Ehe ist damals aus diesem Grund gescheitert. Ich bin die gesamte Woche unterwegs, fahre teilweise auch nachts oder am Wochenende und natürlich wäre es mir auch lieber, die Zeit, die ich auf der Straße, in Staus oder auf Rastplätzen absitze, mit meiner Familie zu verbringen, aber das ist nun mal mein Job.
Experte: Ein zentrales Problem stellen die Arbeitszeiten in der Branche der Berufskraftfahrer dar. Während im Güternahverkehr und auch bei vielen Fernbusfahrern eine weitgehend geregelte Arbeitszeit besteht, ist dieser Arbeitszeitrhythmus im Fernverkehr weitgehend aufgelöst. Die Fahrer sind praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs und müssen nicht selten auch die Wochenenden für ihren Beruf opfern. Übernachtet wird, wenn überhaupt, im eigenen Fahrzeug, auf Raststätten oder in Hotels. Insbesondere Schicht- und Nachtfahrten belasten den Körper enorm und bringen den natürlichen Biorhythmus und die zirkadiane Rhythmik durcheinander. Zwar sind Nachtfahrten bei vielen Fernfahrern aufgrund der geringeren Verkehrsdichte beliebt oder im Fall von Schwer- und Spezialtransporten sogar gesetzlich vorgeschrieben, jedoch bergen sie ein erhöhtes gesundheitliches Risiko. Für den Körper resultiert diese Form der Arbeit häufig in einer nicht zu unterschätzenden biologischen Desynchronisation. Grund dafür: Der Körper kann sich nur bedingt an Nachtarbeit anpassen und während des Tages nicht die erforderliche Energie regenerieren, die er normalerweise im Nachtschlaf bekommt. Dauerhaft führen derartige Arbeitszeiten zu einer steigenden Anzahl von Fehlleistungen, einem höheren Unfallrisiko, permanenten Schlafstörungen und einem erhöhten Risiko psychischer Belastungen.
Zugleich werden die Arbeitszeiten häufig zur Herausforderung für Beziehungs- und Privatleben. Lange Touren, manchmal sogar über mehrere Wochen, und unregelmäßige Wochenenden zu Hause machen auch die Pflege von Hobbies und sozialen Kontakten zu einem Problem. Viele Beziehungen zerbrechen an der häufigen Abwesenheit des Partners oder werden immer wieder auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Die Fahrer nehmen durch ihre berufliche Verpflichtung nur unregelmäßig am aktiven Familien-/Sozialleben teil und sind dadurch häufig vom Alltag ihrer Kinder, Verwandten und Freunde ausgeschlossen. Der Partner trägt nicht selten weitestgehend alleine die Verantwortung für die Kinder. Was vor Jahrzenten noch funktioniert haben mag, stellt sich in Zeiten, in denen häufig beide Partner berufstätig sind, zunehmend schwieriger dar. Die gemeinsame Zeit, die Wochenenden und Urlaubstage stehen deshalb meist unter Erfolgszwang. Der Druck, in der kurzen Zeit die Versäumnisse der Woche aufzuholen, Ansprüchen von Partnern und Kindern gerecht zu werden und der Gefahr der Entfremdung entgegen zu wirken begleiten jeden Betroffenen.
Sowohl Arbeitgeber als auch Fahrer können jedoch einen Beitrag dazu leisten, die negativen Folgen der eigenen Arbeitszeiten zu minimieren. Die Vorstellung, Nachtfahrten und lange Touren vollständig zu eliminieren, ist illusorisch. Dennoch können Arbeitgeber ihre Fahrer direkt und aktiv in die Schichtplangestaltung einbeziehen und unter Berücksichtigung des jeweiligen Chronotyps die Fahrzeiten für den einzelnen Fahrer optimieren. Viele Fahrer vernachlässigen berufsbedingt erforderliche Arztbesuche und gehen dadurch ein erhöhtes gesundheitliches Risiko ein. In diesem Zusammenhang gilt es die arbeitsmedizinische Betreuung durch Betriebsärzte oder regelmäßig verpflichtende Routineuntersuchungen sowie unterstützend begleitende Informationsveranstaltungen auszubauen. Gesetzlich werden Berufskraftfahrer bereits jetzt entsprechend der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) dazu verpflichtet, sich alle fünf Jahre zum Nachweis ihrer Fahrtauglichkeit einem Gesundheitscheck zu unterziehen.
Die Fahrer sollten versuchen, bestmöglich am Alltagsleben ihrer Familie und Freunde teilzunehmen, was durch regelmäßige Telefonate, Skypegespräche und den Austausch von Fotos und Infos über moderne Medien unterstützt werden kann. Wichtig ist es, feste private Termine und gemeinsame Wochenenden, wenn möglich, im Voraus zu planen und die freie Zeit bewusst zu nutzen, um soziale Kontakte/Hobbies zu pflegen und sich ausreichend zu erholen.
LKW-Fahrer: Ich bin jetzt seit 45 Jahren im Geschäft. Mein Vater war schon LKW-Fahrer bei einer Spedition und hat mich damals immer mal auf eine seiner Touren mitgenommen. Die Faszination Straße mag für manchen unverständlich sein. Aber für mich war eigentlich schon früh klar, dass es das ist, was ich machen will. Mit 19 Jahren habe ich angefangen meine ersten Touren zu fahren. Herr über einen Zwölftonner zu sein, hoch über allen anderen Verkehrsteilnehmern in meiner Kabine zu sitzen, Musik zu hören und über das Leben nachzudenken, macht mich glücklich. Wenn ich zurückblicke, hat sich jedoch einiges geändert. Manches zum Positiven, manches zum Negativen. Der Konkurrenzdruck vor allem aus Osteuropa ist in den vergangenen Jahren stark geworden. Deren günstigere Preise und Löhne führen dazu, dass immer mehr deutsche Unternehmen Speditionen im Ausland beauftragen. Auch wenn wir durch die Mindestlohn-Regelung das Lohndumping etwas ausbremsen konnten, haben sich die Löhne für deutsche Trucker zum Teil enorm verschlechtert. Es wird gespart, wo es geht, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Auf der anderen Seite macht die Digitalisierung und Technologisierung auch vor uns nicht halt. Einen LKW heute zu führen ist dank Servolenkung, Automatikgetriebe und Bremsassistent körperlich viel einfacher geworden. Dennoch stellen die neuen Techniken mich auch häufig vor eine Herausforderung. Mit 64 dauert es manchmal etwas länger, bis ich mich an die zusätzlichen Geräte und deren Bedienung gewöhnt habe.
Experte: Seit Jahren werden immer neue Sicherheitsmaßnahmen in Kraftfahrzeugen eingebaut; dabei sind Airbag und ABS längst nicht mehr wegzudenken. Moderne Systeme wie Elektronische Stabilitäts-Programme (ESP), automatische Notbremssysteme (ABA), Spurwächter und Abstandsregeltempomaten (ACC) sollen auch zukünftig für mehr Sicherheit und eine nachhaltige Reduzierung der Verkehrsunfälle sorgen. Diese und weitere, derzeit noch in der Testphase befindliche Techniken sollen die Fahrer bestmöglich entlasten und das Unfallrisiko senken. Die Überlegungen gehen so weit, den Fahrer zum Teil sogar komplett von seiner Hauptaufgabe, der Fahrzeugführung, zu entlasten. Daimler testet dazu derzeit hochmoderne Sattelzüge, die ohne Fahrerführung sicher die Fahrzeugkontrolle übernehmen. Die LKWs steuern dabei per Autopilot, ausgestattet mit GPS, Videokameras, Radar und hochmoderner Software selbstständig durch den Verkehr. Der Fahrer muss lediglich in Bereitschaft bleiben, um im Notfall einzugreifen. Einerseits soll darüber die Anzahl der Unfälle reduziert werden, andererseits verfolgen Experten verfolgen auch das Ziel, den Schadstoffausstoß zu minimieren und die Transporteffektivität zu steigern.
Auf der anderen Seite dominieren Navigations- und Telekommunikationstechniken zunehmend das Cockpit von Bussen und LKWs. Kontrollsysteme, welche kontinuierlich die technischen Daten des Fahrzeugs überwachen, sind von den Fahrern immer im Blick zu behalten. Was auf der einen Seite unterstützend und entlastend wirken soll, führt auf der anderen Seite zu psychomentalen Belastungen der Fahrer. Durch die Zunahme von Informations- und Kommunikationstechnologien in den Fahrzeugen sind die mentalen und technischen Anforderungen sowie die zu bewältigenden Kontroll- und Steuerungsaufgaben gestiegen. Hinzu kommt, dass der durch die eingebauten Assistenzsysteme steigende Grad an Automatisierung auch das Risiko der Anforderungsarmut und das Monotonie-erleben steigert.
Die aus der technologischen Entwicklung heraus resultierenden Anforderungen für Kraftfahrer sind händelbar zu machen, sie sind in gezielte Weiterbildungen und Fahrsicherheitstrainings zu integrieren. Die Fahrer müssen in regelmäßigen Abständen über Neuerungen informiert und im Umgang mit den Geräten geschult werden. Denkbar wären verpflichtende Tests, welche die Fähigkeiten der Fahrer bei erfolgreicher Bedienung der Geräte bestätigen. Darüber hinaus ist es wichtig, den Fahrern die Notwendigkeit und den Mehrwert der eingebauten Technologien zu vermitteln, um deren Akzeptanz und Nutzung langfristig zu steigern.
LKW-Fahrer: Manchmal wünsche ich mir auch einfach die LKWs von früher zurück. Damit möchte ich nicht nostalgisch klingen und alte Zeiten idealisieren. Natürlich war es nicht unbedingt leichter, ein Ziel per Karte zu finden und ohne Unterstützung heutiger Navigationssysteme Staus zu umfahren; definitiv ein Vorteil, den in ich diesen neuen Geräten sehe. Dennoch schränken sie mich auch in meiner Freiheit ein und verfolgen jeden kleinsten Schritt und damit auch jede Abweichung von der vorgesehenen Route. Die Spedition, für die ich arbeite, kann jederzeit über meine GPS-Koordinaten verfolgen, wo ich mich aufhalte, wann ich Pausen mache und in welchen Fällen ich anders als geplant fahre. Dadurch fühle ich mich nicht nur durch die Verpflichtung zur pünktliche Auftragserfüllung und Auslieferung der Waren unter Druck gesetzt. Ich werde darüber hinaus zum gläsernen Mitarbeiter. Die wissen, wenn sie wollen, alles über mich; Geschwindigkeit, Spritverbrauch, Einhaltung der Ruhezeiten, Fahrtroute und so weiter.
Experte: Berufskraftfahrer zählen mittlerweile zu einer der meist überwachten Berufsgruppen. Dabei liegen die Gründe dafür nicht nur auf der Seite des Arbeitgebers. Auch die staatlichen Stellen haben Gesetze und Verordnungen geschaffen, die die Kontrolle ermöglichen sollen. Da der Staat nicht nur die Lenkzeiten regelt, sondern auch die Pausenzeiten, ist somit auch der Bereich der privaten Lebensgestaltung einbezogen. Die analogen Überwachungsinstrumente werden zunehmend durch digitale Kontrollgeräte ersetzt, die eine Rekonstruktion der Lenkzeiten, Geschwindigkeit, Ruhezeit und so weiter ermöglichen. Die serienmäßig inzwischen fast in allen LKWs und Bussen eingebauten GPS-Navigationssysteme erleichtern zwar zum einen auch die Zielfindung und Planung alternativer Routen. Jedoch stehen die Fahrer darüber nicht selten unter ständiger Kontrolle ihres Arbeitgebers, denn durch GPS und Telematiksysteme ist es möglich, den Aufenthaltsort der Fahrer in ihren Fahrzeugen permanent zu überwachen. Auch wenn prinzipiell nur die Fahrzeuge geortet werden, entsteht dennoch durch die Zuordnung der LKWs oder Busse zu den jeweiligen Mitarbeitern ein direkter Personenbezug.
In vielen Fällen werden die Systeme unter dem Vorwand eingebaut, sowohl eine ökologische und damit spritsparendere Fahrweise als auch eine bessere Auslastung der Fahrzeuge zu gewährleisten. Dass die gewonnenen Daten aber auch zu Überwachungszwecken der Fahrer eingesetzt werden, ist diesen nur selten bekannt. Wann und in welchen Fällen die GPS-Ortung über den regulären Rahmen hinaus erlaubt ist, wird dabei durch das Bundesdatenschutzgesetz (§32g BDSG) genau definiert. Demnach ist die Erhebung von Beschäftigtendaten durch Ortungssysteme nur während der Arbeits- und Bereitschaftszeiten zur Sicherheit des Beschäftigten oder zur Koordinierung des Einsatzes der Fahrer zulässig. In jedem Fall ist der Mitarbeiter zuvor über die geplante Aufzeichnung und deren Zweck zu informieren. Der Arbeitgeber darf Ortungssysteme darüber hinaus auch zum Schutz beweglicher Sachen einsetzen. Jedoch darf eine Ortung des Beschäftigten nicht erfolgen, solange dieser die bewegliche Sache erlaubterweise nutzt oder diese sich erlaubterweise in seiner Obhut befindet. Zudem sind erhobene Daten unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich sind.
Trotz der rechtlichen Grundlage wiedersetzen sich viele Unternehmen diesen Vorgaben und überwachen ihre Fahrer. Diese fühlen sich häufig zusätzlich dadurch belastet und unter Druck gesetzt. Bei akutem Verdacht der unrechtmäßigen Kontrolle und der Nutzung von Beschäftigtendaten als Argumentationsgrundlage für mögliche Abmahnungen oder Kündigungen hilft letztlich nur noch eine Klage gegen den Arbeitgeber.
Busfahrer: Nicht immer verlaufen meine Fahrten so ruhig wie heute. Es gibt Tage, an denen ich Passagiere an Bord habe, die mir schon beim Einstieg den letzten Nerv rauben und im Extremfall auch eine Gefahr für die Sicherheit an Bord darstellen können. Bei meiner letzten Tour von München aus musste ich an einem Bussteig halten, an dem es leider keine Überdachung gab, unter die sich die Passagiere wegen des anhaltenden Regens hätten stellen können. Ich kann verstehen, dass jeder von ihnen so schnell wie möglich dann in den Bus will. Dennoch bin ich verpflichtet, jeden Gast ordnungsgemäß einzuchecken, bevor er den Bus betreten darf. Und das kann leider manchmal ein paar Minuten dauern. Eine Gruppe junger Männer hatte dafür beim letzten Mal allerdings nur wenig Verständnis und beschwerte sich lautstark und schmiss mir obszöne Beleidigungen an den Kopf.
Einer von ihnen versuchte sogar, sich an mir vorbei unbemerkt in den Bus zu schleichen und wurde leicht handgreiflich, als ich ihn zurückhielt und bat, sich wie die anderen Gäste noch einen Moment zu gedulden. In solchen Momenten gilt es trotzdem immer die Ruhe zu bewahren und nicht unfreundlich zu werden. Kundenfreundlichkeit und Serviceorientierung stehen bei uns an erster Stelle. Privat würde ich da wahrscheinlich anders handeln. Aber es ist mein Job, jedem Fahrgast mit Respekt und Höflichkeit zu begegnen. Glücklicherweise war diese Fahrt doppelt besetzt und mein Kollege konnte mit eingreifen. Dieses Glück haben wir nicht immer. Es gibt auch häufiger die Fälle, besonders auf dieser Strecke von Köln nach München, wo sich alkoholisierte Fahrgäste an Bord befinden, die während der Fahrt andere Passagiere belästigen oder durch den Bus laufen. Damit gefährden sie nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen Anwesenden.
Experte: Das Verhältnis zwischen Fahrern und Gästen ist mitunter gespannt, was unter anderem auf eine steigende Gewaltbereitschaft und Aggressivität seitens der Passagiere zurückzuführen ist. Vor allem verbale Attacken, aber auch körperliche Übergriffe gehören immer mehr zum Arbeitsalltag von Fernbusfahrern. Diese fühlen sich häufig bedroht und hilflos, insbesondere da sie die Touren meist alleine fahren. Auch alkoholisierte oder pöbelnde Fahrgäste stellen eine potenzielle Gefahr dar und strapazieren die Nerven der Fahrer zusätzlich. Um solche Situationen zu entschärfen, wird von den Fahrern ein besonderes Einfühlungsvermögen ebenso verlangt wie die Fähigkeit, im Notfall auch mit der erforderlichen Härte durchzugreifen. Aufgabe ist es, den auffälligen Fahrgästen unmissverständlich die Verhaltensregeln an Bord aufzuzeigen, die sowohl ihrem eigenen als auch dem Schutz der übrigen Fahrgäste dienen. Dabei müssen die Fahrer unter Wahrung der Kundenfreundlichkeit und Toleranz zum Teil besonders schwierigen und auch aggressiven Gästen entgegentreten.
In solchen Situationen bringen sie sich zum Teil immer wieder selber in Gefahr. Viele Fernbusanbieter berechtigen ihre Fahrer in ihren Beförderungsbedingungen deshalb dazu, zum einen offensichtlich alkoholisierte oder anderweitig beeinträchtigte Personen von der Beförderung auszuschließen, zum anderen aber auch Gebrauch von diesem Recht zu machen bei Fahrgästen, die aus anderen Gründen die Sicherheit anderer Passagiere gefährden oder das Wohlbefinden der Mitreisenden erheblich negativ beeinträchtigen. Nicht nur im Vorfeld der Fahrt, sondern auch während der Beförderung ist der Fahrer dazu befähigt, Fahrgäste am nächsten Halt abzusetzen, wenn diese sich trotz vorheriger Abmahnung störend verhalten oder sich nicht an die gegebenen Sicherheitsanweisungen halten. Um die Durchsetzung dieser Rechte gewährleisten zu können, sind darüber hinaus entsprechende Konflikt- und Deeskalationstrainings erforderlich, um die Fahrer im Umgang mit schwierigen und aggressiven Gästen zu schulen. Ebenso sind Kurse zur Selbstverteidigung eine notwendige Maßnahme, um auch das Wohl und den Schutz der Fahrer selbst sicherzustellen.
In den öffentlichen Verkehrsmitteln, und immer häufiger auch in Fernbussen, sind als Sicherheitsmaßnahme Videoüberwachungen an Bord integriert, um Auffälligkeiten und aggressive Übergriffe von Fahrgästen dokumentieren und im Zweifel strafrechtlich verfolgen zu können. Um die Fahrer auch während der Fahrt besser zu schützen, könnte das Konzept der in Linienbussen vermehrt eingebauten Trennscheiben auch auf Fernbusse übertragen werden. Damit kann sich der Busfahrer gezielt selbst abschotten und im Zweifel vor möglichen Angriffen schützen.
LKW-Fahrer: Seit einigen Jahren legt meine Spedition auch immer mehr Wert auf eine ökologische und spritsparende Fahrweise. Insbesondere durch den zunehmenden Konkurrenzdruck suchen deutsche Logistikunternehmen vermehrt nach Einsparungsmöglichkeiten, die idealerweise nicht zu Lasten der Belegschaft realisiert werden müssen. Allein mein 40-Tonner verbraucht auf normaler Strecke zwischen 30 und 35 Liter auf 100 Kilometer. Pro Monat, schätze ich, bin ich im Schnitt gut 13.000 Kilometer unterwegs. Wenn ich demnach durch eine umweltfreundlichere Fahrweise alleine schon 1,5 Liter pro 100 Kilometer einsparen würde, summiert sich das ganz schnell auf 195 Liter im Monat. Jetzt sind derzeit die Spritpreise wieder etwas gesunken. Dennoch käme man somit umgerechnet auf eine Ersparnis von gut 190 Euro.
Somit kann ich die Auflagen schon verstehen. Dennoch lässt sich das nicht immer so leicht realisieren. Habe ich keinen übermäßigen Zeitdruck, versuche ich schon zum Beispiel über Tempomat, verringerten Bremseinsatz oder Vermeidung von Zwischengas den Spritverbrauch zu reduzieren. Wenn ich aber durch Staus oder eine verspätete Abfahrt unnötig in Zeitnot gerate, kann ich beim besten Willen nicht auch noch darauf achten, was mein Truck verbraucht.
Experte: Besonders in Zeiten knapper Margen und hohen Konkurrenzdrucks sehen sich viele Spediteure verpflichtet ihre Kosten zu reduzieren. Der Spritverbrauch und die anfallenden Kosten, welche durch die Fahrweise der Beschäftigten verursacht werden, sind häufig die Hauptquelle geplanter Einsparungen. Denn nicht zuletzt der Fahrstil ist für bis zu 60 Prozent der anfallenden Betriebskosten verantwortlich. Darüber hinaus sind Spediteure seit Januar 2014 zur Einhaltung der verschärften Schadstoffnorm Euro‑6 verpflichtet, die eine Verringerung der Partikel- und Stickoxid-Emissionen für neu zugelassene LKWs und Busse vorsieht. Mit Hilfe von Schulungen, Simulatoren und Eco-Trainings, die nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz (BKrFQG) seit 2006 verpflichtend sind, wird den Fahrern vermittelt, worauf es beim umweltschonenden Fahren ankommt. Nicht immer reicht es dabei, nur gelegentlich den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Vielmehr kommt es darauf an, niedertourig und gleichmäßig zu fahren, nur mit circa 80 Prozent Volllast zu beschleunigen, Gänge zu überspringen und bei erreichter Geschwindigkeit den Tempomat unterstützend einzusetzen. Wichtig ist es deshalb, den Fahrern den Irrglaube und damit den entstehenden Druck zu nehmen, dass sie zwangsläufig langsamer fahren müssen, um den Anforderungen ihrer Arbeitgeber nach einer ökologischen Fahrweise gerecht zu werden.
Das Problem derartiger Schulungen ist jedoch deren Nachhaltigkeit. Viele der Teilnehmer sind seit Jahren als Berufskraftfahrer beschäftigt und haben ihren ganz eigenen Fahrstil entwickelt, der nicht immer spritsparend und vorausschauend ist. Demnach verfallen viele von ihnen nach entsprechenden Trainings oft in alte Verhaltensmuster. Abhilfe sollen deshalb weitere Technologien schaffen. So gibt beispielsweise das Eco-Drive-Telematiksystem dem Fahrer auf Basis einer Fahrverhaltensanalyse kontinuierliche Rückmeldung über seinen Fahrstil, so dass dieser gegebenenfalls seine Fahrweise anpassen kann. Vereinzelt gehen Speditionen dazu über, die mittels der Systeme gewonnen Daten zu speichern und auszuwerten. Darauf aufbauend werden Fahrer ausgezeichnet, die durch eine besonders spritsparende Fahrweise positiv aufgefallen sind.
Andere Unternehmen gehen sogar soweit, ihre Fahrer prozentual, in Form einer Prämie, an der durch ihre Fahrweise gewonnenen Ersparnisse zu beteiligen. Ein Blick in die Zukunft verrät allerdings bereits jetzt, dass das Einsparpotenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist: Hybrid-Busse und LKWs, autonome Fahrsteuerung, aerodynamische Fahrzeuge, Elektrifizierung und Leichtbausysteme sind nur einige Beispiele.
Aus den alltäglichen Berichten der beiden Berufskraftfahrer wird deutlich, dass auch in dieser Berufsgruppe das Thema psychischer und physischer Belastungen von großer Bedeutung ist. Die auftretenden Problemfelder sind in keinem Fall zu vernachlässigen und erfordern umfangreiche präventive Maßnahmen seitens der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Verbände. Im Rahmen der Änderung des Arbeitsschutzgesetztes im Jahr 2013 sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, nicht nur die physischen, sondern auch die psychischen Belastungen und Gefährdungen am Arbeitsplatz zu erfassen und – falls erforderlich – notwendige Schritte einzuleiten, um die Belastungen und Gefährdungen der Berufskraftfahrer soweit wie möglich auszuschalten oder zu reduzieren.
Auch wenn in der Branche ein wachsendes Gespür für diese Thematik aufkommt, sind dennoch umfangreiche Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen zu ergreifen, um die zahlreichen Belastungsfaktoren zu reduzieren und idealerweise zu eliminieren. Die gegebenen Arbeitsplatzmerkmale (Ergonomie, Gefährdungen, Anforderungen) sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie individuelle Faktoren (Alter, körperliche Konstitution, Belastbarkeit, Erfahrung etc.). Hinzu kommen situative Rahmenbedingungen (Verkehrslage, Tages-/Nachtzeit, Wetter usw.) sowie soziale Komponenten (psychische Situation, soziale Unterstützung etc.). In Anbetracht dieser Komplexität an Wirkfaktoren wird umso mehr deutlich, wie wichtig die Durchführung von Gefährdungsanalysen ebenso wie das Angebot von Trainings und Schulungen und die technische Aufrüstung der Fahrzeuge sind.
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