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Verwirrende Materialangaben täuschen

Praxistauglichkeit schnittfester Schutzhandschuhe
Verwirrende Materialangaben täuschen

Par­al­lel zu Schnittschutzhand­schuhen aus Hochleis­tungs­fasern von Marken- her­stellern drän­gen seit eini­gen Jahren immer mehr Bil­lig­pro­duk­te auf den Markt, die mit frag­würdi­gen Pro­dukt- oder Marken­beze­ich­nun­gen eine gle­ich hohe Leis­tungs­fähigkeit sug­gerieren. Der fol­gende Artikel beschreibt den gefährlichen Trend und umreißt die wesentlichen Unter­schiede typ­is­ch­er Mate­ri­alien für Schnittschutzhandschuhe.

Etwa jed­er siebte meldepflichtige Arbeit­sun­fall, so der Bun­desver­band Hand­schutz (BVH), ist eine Schnittverletzung1, oft ver­bun­den mit langem Kranken­stand und entsprechen­den Arbeit­saus­fällen. Dabei kön­nten die meis­ten dieser Unfälle ver­mieden wer­den, wenn bei Tätigkeit­en mit Schnittge­fahr die richti­gen Schutzhand­schuhe ver­füg­bar wären und auch getra­gen wür­den. Allein let­zteres scheit­ert nicht sel­ten wiederum an man­gel­hafter Grif­figkeit, schlechtem Tragekom­fort und/oder unhan­dlich­er Mate­rialdicke. Hinzu kommt, dass viele Sicher­heits­fachkräfte auf­grund unpräzis­er Mate­ri­alan-gaben nicht ein­schätzen kön­nen, wie sich die ver­mutete Schutzwirkung in der Prax­is bewährt und welche Risiken vom jew­eili­gen Schutzhand­schuh in der Anwen­dung selb­st aus­ge­hen kön­nten – was sie aber wis­sen soll­ten, denn davon hän­gen Schutz und Kom­fort entschei­dend ab.

Bunte Marken­welt
Gle­ich­wohl beste­ht auf dem Markt eher ein Überange­bot an Schnittschutzhand­schuhen. „Was oft fehlt, sind wirk­liche Ver­gle­ichsmöglichkeit­en und qual­i­fizier-te, prax­is­rel­e­vante Aus­sagen der Her­s­tel-ler und Händler über Auf­bau, Mate­ri­alien und Schut­zleis­tung der Handschuhe“,sagt Frank Zuther, Geschäfts­führer BVH mit 30 Jahren Erfahrung im Hand- und Hautschutz. „Auch bei den Schnittschutz­fasern selb­st wird die Marken­welt immer bunter. Doch nur weil man irgend­wo auf der Welt ein­er Faser­mix­tur einen wohlk­lin­gen­den Namen gibt oder sie mit ein­er schwammi­gen Beze­ich­nung bewirbt, wird daraus noch lange kein inno­v­a­tives Produkt.“
Einige Sicher­heits­fachkräfte set­zen angesichts dieser ver­wirren­den Pro­duk­tviel-falt und deren Aus­lobung gern auf Angaben wie „Schnittschutz Lev­el 5“ und sind der Mei­n­ung, damit ihrer Pflicht genüge getan zu haben, ohne spez­i­fis­che Leis­tungsangaben anzu­fordern oder sich gezielt berat­en zu lassen. Das genügt aber nicht, zumal die Vorschriften für den Ein­satz von Schnittschutzhand­schuhen über­all in der EU ver­lan­gen, dass ein Prax­is­test die Eig­nung bestätigt. Auch ein aus falsch ver­standen­er Vor­sorge überdi­men­sion­iert­er Schutz kann gefährlich wer­den, wenn er etwa zu Las­ten der Griff­sicher­heit und des Feinge­fühls geht. Doch wie erhält man den für die jew­eilige Gefahr opti­malen Schutz?
Schutz und Komfort
„Der Hand­schuh­her­steller muss die Gefährdung genau ken­nen, um gemein­sam mit dem Mate­ri­al­her­steller das best­geeignete Pro­dukt zu ermit­teln und den Hand­schuh für die jew­eilige Anwen­dung zu opti­mieren“, erläutert Georg Rou­ette, Appli­ca­tion Man­ag­er bei DSM Dyneema, dem weltweit führen­den UHMWPE2- Her­steller. „Bei Bil­lighand­schuhen, mit denen der Markt in den let­zten Jahren über­schwemmt wurde, rech­net sich diese Inno­va­tion­sar­beit nicht. Stattdessen wird häu­fig auf undurch­sichtige, frag­würdi­ge und ver­wirrende Mate­r­i­al- und Pro­duk­t­beze­ich­nun­gen zurück­ge­grif­f­en, um ein Sicher­heit­sniveau zu ver­mit­teln, das in der Prax­is nicht hält, was es verspricht.“
Selb­st der Hin­weis auf eine „HMPE-Hochleis­tungs­fas­er“ oder der­gle­ichen allein ist keine Gewähr für eine hohe mech­a­nis­che Resistenz und den erwarteten Schutz, denn die all­ge­meine („gener­ische“) Beze­ich­nung des Mate­ri­als alleine besagt nichts über dessen spez­i­fis­che Struk­tur, kon­trol­lierte Fer­ti­gung und Qual­ität. Eine Schut­zleis­tung auf dem Niveau eines Hand­schuhs mit der vielfach bewährten UHMW­PE-Fas­er Dyneema sollte und kann man in diesem Fall nicht erwarten. So wer­den kostengün­stigere und gegen mech­a­nis­che Ein­wirkung weniger resistente Poly­ester- und Nylon­fasern häu­fig mit Glas oder Met­all gemis­cht, um hohe Schnittschutze­in­stu­fun­gen zu erre­ichen. Dabei nimmt man unsicht­bare Sicher­heitsmän­gel wie möglichen Glas­bruch eben­so in Kauf wie Ein­schränkun­gen im Tragekomfort.
Zum Tragekom­fort zählt nicht nur das Tastempfind­en für die jew­eils erforder-liche Motorik bei der Arbeit, son­dern auch das Haut­ge­fühl ein­schließlich Wärmeen­twick­lung im Hand­schuh, Atmungsak­tiv­ität und Hand­schweiß bis hin zu poten­ziellen Hautreizun­gen. Die tat­säch­liche Eig­nung des Hand­schuhs hängt außer­dem entschei­dend davon ab, für welche spez­i­fis­chen Arbeit­en und Gefährdun­gen, wie oft und wie lange er getra­gen wer­den muss. Es wäre außer­dem wün­schenswert, wenn weit­ere Leis­tungskri-terien wie zum Beispiel Kom­fort oder Ver­wen­dungszeit bei der Auswahl berück­sichtigt wür­den, so Zuther.
Kurzum: den ide­alen Schnittschutzhand­schuh für alle Ein­satzfälle gibt es nicht. Der Anwen­der ist daher gut berat­en, wenn er auf bewährte Marken­pro­duk­te und ‑her­steller set­zt, die ein­deutige Angaben zu den ver­wen­de­ten Mate­ri­alien und der Bauart machen sowie über langjährige Erfahrung im Markt und eine große Fer­ti­gungstiefe verfügen.
Faser­hy­bride – Segen oder Problem?
Led­er und Natur­fasern wie Baum- oder tierische Wolle bieten nur einen sehr begren­zten Schnittschutz und meis­tens keine aus­re­ichende Hap­tik für die erfor-der­liche Fin­ger­fer­tigkeit und Griff­sich­er-heit. „Naht­los“ gestrick­te Hand­schuhe aus aliphatis­chen Polyami­den (Nylon) und Poly­estern bieten zwar weit mehr Kom­fort, liegen aber eher im unteren Schnittschutzbereich.
Das änderte sich erst mit dem Aufkom­men von Fasern aus aro­ma­tis­chen Polyami­den sowie aus UHMWPE, bess­er bekan­nt als Dyneema. „Hand­schuhe aus dieser hochfesten voll­syn­thetis­chen poly­meren Fas­er sind heute nicht mehr wegzu­denken“, sagt Zuther. „Sie vere­inen gute Trageigen­schaften mit hohem Schutz gegen Schnitt- und andere Verletzungen.“
Die Nach­frage nach Schnittschutzhand­schuhen ist sei­ther enorm gestiegen. Um dieses Mark­tvol­u­men zu nutzen und im Wet­tbe­werb zu beste­hen, began­nen einige Anbi­eter, schnit­tfeste hybride Faserkon­struk­tio­nen mit Met­all- und Glas­faserver­stärkung einzuset­zen und die daraus gefer­tigten Hand­schuhe vor­rangig über die Schnittschutze­in­stu­fung zu ver­mark-ten. Bil­lig­pro­duk­te dieser Art erzie­len im Test zwar oft sehr hohe Schnittschutzw­erte, schnei­den beim Tragekom­fort aber erhe­blich schlechter ab. Bei Glas­fasern beste­ht außer­dem die Gefahr, dass sie brechen, was zu Hau­tir­ri­ta­tio­nen beim Hand­schuhträger führen kann, und dazu noch keinen sicheren Schnittschutz mehr bieten. Stahlfasern sind schon auf­grund des hohen Gewichts und der begren­zten Elas­tiz­ität angesichts mod­ern­er Hochleis­tungs­fasern nicht mehr zeitgemäß.
„Wir sehen hier einen gefährlichen Trend hin zur Auf­s­pal­tung des Mark­ts in schein­bar geeignete Bil­lig- und gegen die tat­säch­liche Gefährung opti­mal schützende High­ghtech-Pro­duk­te“, warnt Zuther. „Ein Hand­schuh soll und muss in jed­er Hin­sicht für die Tätigkeit geeignet sein.“ Denn wie ein­gangs erwäh­nt, kommt es in den meis­ten Fällen nicht alleine oder einzig auf den größt­möglichen Schnittschut­zlev­el an. Vielmehr sind Kri­te­rien wie Tragekom­fort, Grif­figkeit und spez­i­fis­che Funk­tion­al­itäten deut­lich stärk­er bei der Auswahl zu berücksichtigen.
Spiel­raum für weit­ere Innovationen
Vor allem Dyneema hat die Sicher­heit und den Kom­fort von Schnittschutz-hand­schuhen neu definiert. Die Mol­masse dieser UHMW­PE-Fas­er ist bis zu 100 Mal größer als die von Stan­dard-PE. Ihre kristalline Struk­tur mit streng in Faser­rich­tung ori­en­tierten Poly­mer-ket­ten erschließt eine Rei­he außergewöhn­lich­er Leis­tung­seigen­schaften. So ist Dyneema 15 Mal fes­ter als Quali-tätsstahl, außer­dem feuchte‑, UV- und chemikalienbeständig.
Mit der aktuellen Inno­va­tion Dyneema Dia­mond Tech­nol­o­gy ist es sog­ar gelun­gen, die erforder­liche Gar­ndicke für wirk­samen Schnittschutz im Ver­gle­ich zu herkömm­lichen HMPE-Gar­nen zu hal­bieren (Abb. 1). Das hat inzwis­chen zu Hand­schuhen geführt, die bei Schnittschutzk­lasse 3 nach EN388 ein Fin­ger­spitzenge­fühl wie mit der bloßen Hand ver­mit­teln. Die inno­v­a­tive Fasertech­nolo­gie erschließt dem Hand­schuh­her­steller einen bis­lang unerr­e­icht­en Spiel­raum in der Entwick­lung und Fer­ti­gung dün­ner­er und leichter­er Schnittschutzhandschuhe.
Das Geheim­nis der paten­tierten Dynee-ma Dia­mond Tech­nol­o­gy beruht auf der speziellen Poly­mer­ma­trix der Dyneema Fas­er, kom­biniert mit zusät­zlich schützen­den Mikropar­tikeln (Abb. 2). „Resul­tat ist ein rich­tungsweisend dünnes Hand­schuh­garn ohne Kom­pro­misse an Schnitt-und Reißfes­tigleit“, unter­stre­icht Georg Rou­ette. „Die Fas­er ist dabei nicht nur 40 bis 50 Prozent leichter als PE-Stan­dard­fasern der gle­ichen Schnit­tfes­tigkeit, son­dern ver­fügt auch über eine aus­geze­ich­nete Wärme­ableitung für ein küh­les Handge­fühl – ein weit­eres wesentlich­es Argu­ment für den Tragekomfort.“
DSM Dyneema, Erfind­er von Dyneema mit europäis­ch­er Fer­ti­gungszen­trale im nieder­ländis­chen Heerlen, besitzt eine voll­ständig inte­gri­erte Fer­ti­gungstiefe vom Basis­poly­mer bis hin zu spezial­isierten Gar­nen für unter­schiedlich­ste Ein­satzbere­iche. Die Pro­duk­tion unter­liegt streng­sten Anforderun­gen an die kon­sis­tente, wieder­hol­ge­naue Qual­ität und Zuver­läs­sigkeit der Fas­er- und Gar­npro­duk­te. Auch dies gehört zu den wichti­gen Infor­ma­tio­nen, die der Anwen­der über die Inhaltsstoffe der best­geeigneten Schnittschutzhand­schuhe ken­nen sollte.
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