Da es für Arbeitsschutzmanagementsysteme (ASM-Systeme) derzeit noch keinen weltweit gültigen Standard gibt, werden in diesem Bericht verschiedene, in Deutschland anwendbare ASM-Systeme beschrieben und tabellarisch miteinander verglichen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Internationale Organisation für Normung ISO im Juni 2013 beschlossen hat, die ISO 45001 als international anerkannten Leitfaden für Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsysteme zu entwickeln und 2016/2017 zu veröffentlichen.1
Maximilian Probst
1. Occupational Health and Safety Assessment Series OHSAS 18001
Die BS OHSAS 18001 ist eine britische Norm, die Anforderungen an Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsysteme definiert. Die strukturelle Orientierung an anderen Manage-mentsystemnormen ermöglicht es, ein integriertes Managementsystem aufzu-bauen, das z. B. Qualitäts‑, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagement umfasst. Da bis jetzt keine internationale Norm vorhanden ist, können sich Unternehmen weltweit von akkreditierten Zertifizierungsgesellschaften nach BS OHSAS 18001:2007 zertifizieren lassen. Der Fokus der OHSAS 18001 liegt gleichermaßen auf berufsbezogenen Gesundheitsrisiken und Arbeitssicherheit und setzt voraus, dass die in den jeweiligen Ländern vorhandenen Gesetze und Richtlinien vom jeweiligen Unternehmen umgesetzt werden und ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess vorhanden ist.2
2. Sicherheits-Certifikate SCC (Contractoren) und SCP (Personaldienstleister)
Das Sicherheits-Certifikat-Contractoren wurde 1994 von der niederländischen Mineralölindustrie als internationaler Standard für Sicherheits‑, Gesundheits- und Umweltschutz für Unternehmen, die technische Dienstleistungen in den Betriebsstätten des Auftraggebers erbringen, entwickelt. Seit 1995 ist eine Zertifizierung nach SCC in Deutschland möglich, darüber hinaus zwischenzeitlich auch in Belgien und Österreich.3 Das aktuelle SCC-Regelwerk Version 2011 geht über reine Anforderungen der Petrochemie hinaus und unterscheidet drei Arten von Zertifizierungen:
- SCC* = eingeschränktes Zertifikat(Fokus auf Arbeitsplatz, weniger als 35 Beschäftigte, 27 Pflichtfragen)
- SCC** = uneingeschränktes Zertifikat(Fokus auf gesamtes Unternehmen, mehr als 35 Beschäftigte, 40 Pflichtfragen)
- SCCP = uneingeschränktes Zertifikat für Petrochemie (Zusätzliche spezifische Anforderungen der Petrochemie, 44 Pflichtfragen)
Das Regelwerk ist ein Fragenkatalog, der Pflicht- und Ergänzungsfragen umfasst. Je nach Umfang der Zertifizierung muss dabei eine unterschiedliche Anzahl dieser Fragen positiv beantwortet werden. Des weiteren sind spezielle Anforderungen an die Ausbildung der Mitarbeiter und Führungskräfte gelistet, die in einer Personalzertifizierung mit Gültigkeit von zehn Jahren münden.4 Abschließend darf eine vorgegebene Obergrenze bezüglich der Unfallhäufigkeit nicht überschritten werden; diese Forderung ist jedoch insbesondere für Handwerksbetriebe mit schweren körperlichen Arbeitsbedin-gungen schwierig umzusetzen.5
Das Sicherheits-Certifikat Personaldienstleister hat dieselbe historische Entwicklung und denselben Umfang wie SCC und hat Personaldienstleister im Fokus. Hierzu gibt es nur eine Variante mit 29 Pflichtfragen sowie Ergänzungsfragen.
3. Systeme von Unfallversicherungsträgern
In Deutschland wurde durch Zusammenarbeit verschiedener Behörden und Unfallversicherungsträger der nationale Leitfaden NLF entwickelt. Dieser orientiert sich dabei an dem internationalen Dokument ILO-OSH 2001, das von einer Unterorganisation der UNO unter Mitwir-kung Deutschlands erarbeitet wurde, und berücksichtigt insbesondere die deutsche Gesetzgebung. Der Leitfaden ist so aufgebaut, dass ein integriertes Mana-gementsystem errichtet werden kann. Da es sich beim NLF um keine Norm handelt, ist eine Zertifizierung durch Dritte nicht möglich.
Seitens der Unfallversicherungsträger gibt es eine Vielzahl von Handlungshilfen, die sich mit Arbeitsschutzmanagement befassen und auf dem nationalen Leitfaden NLF basieren; darüber hinaus unterstützen die Unfallversicherungsträger die zugehörigen Unternehmen bei der Einführung durch kostenlose Beratung und Seminare und verleihen im Rahmen von Begutachtungen Gütesiegel.6
Die grundlegenden Anforderungen und Mindestinhalte für die Begutachtung basieren auf Rechtsvorschriften und sind in einer Checkliste beschrieben; circa 60 Prozent der Anforderungen des Gütesiegels sind gesetzlich gefordert. Die Begutachtung selbst erfolgt anhand einer Ist-Aufnahme im Unternehmen und berücksichtigt dabei Bußgeldverfahren von Arbeitsschutzbehörden, Ursachen für schwere und tödliche Arbeitsunfälle sowie die Zuschläge bei den vom Unter-nehmen an den Unfallversicherungsträger zu leistenden Beiträgen.7
4. ASCA – Arbeitsschutz und sicherheitstechnischer Check in Anlagen
Aufgrund von Störfällen in der chemischen Industrie wurde 1993 von der hessischen Arbeitsschutzverwaltung das Programm ASCA eingeführt. In den letzten Jahren wurde ASCA zum ganzheitlichen Angebot zur Überprüfung und Verbesserung der Arbeitsschutzorganisation ausgebaut und umfasst nun unter anderem den Leitfaden Arbeitsschutzmanagement.8 Die kostenlose, aktuelle 4. Auflage unterteilt sich in die beiden Teile „Anleitung zur Implemen-tierung eines prozessorientierten Arbeitsschutzmanagements“ und „Inhalt und Struktur eines dokumentierten Arbeitsschutzmanagement“; neben einer Beschreibung des Einführungsprozesses werden viele praktische Hinweise für die Umsetzung gegeben, z. B. der Einsatz von Kennzahlen, und aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen werden aufgegriffen. Unternehmen in Hessen können sich durch Experten der regionalen Arbeitsschutzbehörden beim Aufbau eines ASM-Systems kostenlos unterstützen und das eingeführte Arbeitsschutzsystem seit 2013 offiziell bestätigen lassen. Die Überprüfung erfolgt einerseits anhand eines Fragebogens, der dem Leitfaden beiliegt, und andererseits anhand einer Compliance-Prüfung, in der unternehmensspezifisch Stichproben zur Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften genommen werden.9
5. Occupational Health- and Risk-Managementsystem OHRIS
OHRIS ist ein ASM-System, das vom bayerischen Sozialministerium in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Wirtschafsverbänden entwickelt und 1998 veröffentlicht wurde. Es ist für Unternehmen jeder Größe geeignet. Die aktuelle Ausgabe aus dem Jahr 2010 orientiert sich dabei am internationalen Leitfaden ILO-OSH 2001, dem nationalen Leitfaden NLF und es ist an den aktuellen Ausgaben der ISO 9001 und ISO 14001 angepasst.10
Da der Fokus nicht nur auf dem Schutz der Beschäftigten liegt, sondern auch Dritte berücksichtigt, ist OHRIS auch ein Managementsystem für Anlagensicherheit und deckt die Anforderungen an ein Sicherheitsmanagement der Störfallverordnung Anhang III ab, die von Betreibern bestimmter umweltrelevanter Anlagen gefordert werden.11 Neben den Anforderungen umfasst das OHRIS-Gesamtkonzept auch eine Handlungsanleitung und Beispieldokumentation sowie Prüflisten für das interne System- und Complianceaudit. Die zuständigen Gewerbeaufsichtsämter unterstützen kostenlos Unternehmen bei der Einführung des Systems; ebenso bieten sie die Systemprüfung und Zertifizierung an.12 Neben Bayern ist OHRIS zwischenzeitlich auch in den Bundesländern Sachsen (seit 2006) und Saarland (seit 2013) mit Unterstützung der jeweiligen Behörden umsetz- und zertifizierbar; in Bayern werden Klein- und Mittelbetriebe darüber hinaus mit einem Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro gefördert.13
Fazit und Übersicht
Wenn die Einführung eines Arbeitsschutzmanagementsystems geplant ist, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Solange keine branchen- oder kundenseitige Forderung vorliegt, empfehlen sich die kostenlosen Systeme der Unfallversicherungsträger oder Arbeitsschutzbehörden – insbesondere auch aufgrund der praktischen Erfahrung der jeweiligen Aufsichtsperson. Zu berücksichtigen sind nur die regionale bzw. branchenspezifische Verfügbarkeit sowie ggf. vorhandene Fördermöglichkeiten.
- 1 Vgl. o. V.: ISO 45001, http://www.lrqa.de/news/251189-neuer-isostandard-fr-arbeitssicherheit-ohsas-18001-wird-iso-45001.aspx, 19.06.2014.
- 2 Vgl. ebd.
- 3 Vgl. o. V.: SCC, http://www.dgmk.de/scc/link_einfuehrung.html#SCC, 19.06.2014.
- 4 Vgl. o. V.: SCC, http://www.dgmk.de/scc/link_einfuehrung.html#SCC, 19.06.2014.
- 5 Vgl. Büttner, G. u. a. : Nutzenorientierter und kostenreduzierter Arbeits- und Gesundheitsschutz im Handwerk – NOAH, in: Institut für Technik der Betriebsführung (Hrsg.): Innovation und Prävention, Mering 2009, S. 124.
- 6 Vgl. Krüger, A.: Gesundheit und Sicherheit mit Konzept, in: Arbeit & Gesundheit 11–12/2013, S. 9 ff.
- 7 Vgl. o. V.: Vergabebedingungen Gütesiegel „Sicher mit System“, 26.04.2013.
- 8 Vgl. o. V.: ASCA Arbeitsschutzmanagement, https://soziales.hessen.de/arbeit/arbeitsschutz/gute-arbeitsschutzshyorganisation-betrieben/arbeitsschutzmanagement, 25.06.2014.
- 9 Vgl. o. V.: Jahresbericht 2011 der Hessischen Arbeitsschutzverwaltung, Wiesbaden 2012, S. 14 ff.
- 10 Vgl. o. V.: Kurzinformation zu OHRIS, München 2009, S. 7.
- 11 Vgl. Scheuermann, K.: Management und Monitoring von Arbeitsschutzsystemen, Berlin 2012, S. 95.
- 12 Vgl. o. V.: Kurzinformation zu OHRIS, München 2009, S. 7.
- 13 Vgl. o. V.: Förderung von Klein- und Mittelbetrieben, http://www.lgl.bayern.de/arbeitsschutz/managementsysteme/ohris/ohris_foerderung.htm, 13.07.2014.
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