Wie arbeitet man E‑Mails ab? Wie archiviert man sinnvoll? Was sollte man ausdrucken und was darf man guten Gewissens löschen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Mitarbeiter von heute. All diese Themen lassen sich unter dem Oberbegriff E‑Mail-Management zusammenfassen. Im Folgenden werden einige Methoden vorgestellt, die bei konsequenter Anwendung dabei helfen können, Ordnung im E‑Mail-Postfach zu schaffen und somit den Stress zu reduzieren.
Die zentralen Aufgaben dabei sind:
- Die wichtigen E‑Mails in der Flut zu erkennen.
- Die Essenz der E‑Mail zu erfassen, die darin enthaltenen Aufgaben zu entschlüsseln und diese zu erledigen oder erledigen zu lassen.
Prinzipiell gibt es zwei Methoden des wirksamen E‑Mail-Managements:
- Chaotisch: Für Personen mit einem guten Gedächtnis ist es möglich, alle E‑Mails im Posteingang liegen zu lassen. Über die Suchfunktion lässt sich dann die gewünschte Email abrufen.
- „Nach Ordnern archiviert“: Sollen alle E‑Mails nach einem bestimmten Ordner-System archiviert werden, etwa nach Kunden oder Projekten, gibt es dafür Programme, wie zum Beispiel den XIANT-Filer. Diese Outlook-Erweiterung lernt mit der Zeit, welche Emails in welchen Ordner verschoben werden, so dass irgendwann mit nur einem Klick alle E‑Mails in die richtigen Ordner verschoben werden können.
Eine gängige Methode ist das Anlegen eines Archivsystems in der Ordnerstruktur. Man liest die E‑Mail, erfasst den Inhalt, bearbeitet sie und sortiert sie weg.
Ein wichtiges Prinzip des E‑Mail-Managements sind die 4Ds – Man bekommt eine E‑Mail und entscheidet dann zwischen einem der folgenden 4Ds:
- Delete it? – E‑Mails, die man gelesen oder ungelesen löschen kann.
- Do it? – E‑Mails, deren Inhalt man direkt erledigen kann.
- Delegate it? – E‑Mails, deren Inhalt von anderen zu erledigen ist.
- Date it? – E‑Mails, deren Inhalt zu einem anderen Zeitpunkt relevant ist.
Eine gute Organisationsgrundlage bietet auch die PIFEM-Methode (Pay It Forward E‑Mail-Management). Diese sieht drei Ordner im Posteingang vor.
- Alle neuen und unsortierten Emails.
- E‑Mails, die heute zu erledigen sind.
- E‑Mails, die später als heute zu erledigen sind.
Wie jedes System sind die hier dargestellten Möglichkeiten, Herr über seine Emails zu werden, keine Patentrezepte. Es besteht die Gefahr, dass man nur noch mit dem Sortieren beschäftigt ist. Es ist daher zu empfehlen, sich nicht darauf zu konzentrieren jede neue E‑Mail sofort zu sortieren, sondern dies in festen Abständen, zum Beispiel einmal morgens und dann einmal am Abend, zu tun. Hierbei sollte man sich bewusst machen, dass eine E‑Mail ein asynchrones Medium und eine Rückantwort nicht, wie von vielen erwartet, sofort nötig ist. Wenn jemand sofort eine Information benötigt, dann kann er auch anrufen. Daher ist es sinnvoll eine entsprechende Abwesenheitsnotiz einzurichten, aus der hervorgeht, dass man zwar anwesend ist, Mails jedoch nur zu entsprechenden Zeiten liest und dass man in dringenden Fällen telefonisch zu erreichen ist.
Man sollte alles auslagern, was den Blick auf einen ordentlichen Posteingang verstellt und dafür sorgen, dass mehr E‑Mails direkt von einem E‑Mail-Programm in einen dafür vorgesehenen Ordner geleitet werden. Diesen kann man dann einmal am Tag kontrollieren. Im Wesentlichen sind das:
- Newsletter
- Abwesenheitsnotizen der Empfänger
- Lesebestätigungen
- Unzustellbarkeitsnachrichten
- Benachrichtigungs-E-Mails von Online-Diensten wie zum Beispiel XING
- Google Alerts
Nicht selten sind viele der E‑Mails, die man über den Tag erhält solche, in denen man selbst nur in CC steht. Der Inhalt dieser E‑Mails ist nicht primär relevant für den Empfänger.
Abhilfe schafft hier eine Regel in Outlook, mit Hilfe derer alle E‑Mails, in denen man nur in CC steht, automatisch in einem Ordner gesammelt werden. Diese kann man einmal am Tag durchlesen. Auch hier gilt: Wer etwas Konkretes von einem will, kann anrufen oder die betreffende Person direkt ins Adressfeld setzen.
Für automatisch generierte E‑Mails empfiehlt es sich, neue Ordner mit entsprechenden Regeln zu erstellen:
- Abwesenheitsnotizen beginnen häufig mit den Begriffen „Out of Office“, „Out-of-Office“, „Abwesenheitsnotiz“, „Auto-Reply“ oder enden mit „ist abwesend“
- Lesebestätigungen erkennt man meistens an den Zeichenketten „Lesebestätigung“, „return receipt“ oder „delivered to“ im Betreff.
- Natürlich kann man per Filter bestimmen, diese E‑Mails automatisch zu löschen. Doch zumindest die Abwesenheitsnotizen wichtiger Geschäftspartner möchte man vielleicht im Kalender notieren.
Eine aussagekräftige Abwesenheitsnotiz sollte folgende Informationen enthalten:
- den Hinweis, dass man abwesend ist,
- das Datum, wann man wieder zurück ist,
- einen Hinweis darauf, wann man die Mails wieder lesen beziehungsweise beantworten kann/wird,
- einen Hinweis darauf, ob eine Mail weitergeleitet wird und wenn ja, an wen,
- eine Stellvertretung für dringende Fälle, sofern vorhanden und deren Mail-Adresse beziehungsweise Telefonnummer.
Um nicht nach einem Urlaub ein überfülltes Postfach vorzufinden und direkt wieder unter Stress zu stehen, bietet es sich an, bereits vor dem Urlaub Maßnahmen dagegen zu treffen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Abwesenheitsnotiz folgendermaßen zu formulieren:
- „Hallo ich bin im Urlaub und Ihre E‑Mail wird jetzt gelöscht. Wenn Sie etwas Dringendes benötigen, dann wenden Sie sich bitte an Herrn/Frau … ich persönlich bin ab … wieder im Büro. Ihre E‑Mail wird nicht gelesen.“
Die Mails sollten tatsächlich direkt in den Papierkorb beziehungsweise einen dafür angelegten Ordner geleitet werden. Diese Lösung sollte selbstverständlich vorher mit dem Vorgesetzten beziehungsweise den Kollegen abgesprochen sein. Häufig können die Angelegenheiten tatsächlich warten, so dass sich nur wenige an eine Vertretung wenden.
E‑Mail-Management im Unternehmen
Um dem digitalen Overkill wirkungsvoll zu begegnen, muss nicht nur der einzelne Mitarbeitende für sich geeignete Strategien und Techniken entwickeln, um diese Herausforderung erfolgreich zu meistern. Auch im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen sollten Regeln etabliert werden. Zudem sollte das Unternehmen selbst durch Maßnahmen und Vereinbarungen dazu beitragen, dass der digitale Stress adäquat gehandhabt werden kann.
Was kann der Einzelne tun?
Wenn sich jeder einzelne Mitarbeitende an bestimmte Grundregeln hält, wird es für die gesamte Belegschaft leichter, einen gesunden Umgang mit den digitalen Medien zu entwickeln. Dazu gehören
- die Verwendung aussagekräftiger Betreffzeilen
- die kurze und knappe Formulierung beziehungsweise Informationsübermittlung
- die gezielte Auswahl der Empfänger (keine wahllose Verwendung von „Cc“ beziehungsweise „Bcc“)
- die Vermeidung erschöpfender digitaler Diskussionen
- im Netz nicht zu drängeln, sondern Dringendes eher telefonisch abzuklären
- einen angemessenen Tonfall zu wählen
- die direkte Kommunikation oder Telefonate wo immer nur möglich zu bevorzugen, insbesondere bei direktem Feedback
- der Pflege und dem Ausbau persönlicher Netzwerke
- der Vermittlung von Nebeninformationen durch Mimik und Gestik
Was kann das Unternehmen tun?
Auch auf Seiten der Unternehmensleitung lassen sich Regeln und Standards festschreiben, die die Belastungen durch digitale Medien reduzieren beziehungsweise ihren Nutzen steigern können. Hier hat es sich als hilfreich erwiesen,
- eine Führungskultur zu entwickeln, in der klar geregelt ist, wann E‑Mails angebracht sind und auf welche Weise sie bearbeitet werden (eine Art „Leitlinie für die digitale Kommunikation im Unternehmen“),
- den digitalen Versand der analogen Arbeitsstruktur im Unternehmen anzupassen (und so allzu überbordende CC-Versendungen vermeiden),
- die virtuelle Sozialkompetenz der Mitarbeiter zu entwickeln, zum Beispiel über Trainings zur Steigerung der Medienkompetenz, der Förderung geeigneter Arbeitsstrategien (Stichwort Zeitmanagement) oder auch der Netiquette, also der allgemeinen Umgangsformen im Rahmen der digitalen Kommunikation,
- technische Lösungen zu installieren, die die Mailflut zu kanalisieren helfen,
- entsprechende Software-Funktionen bekannt zu machen und
- Social Tools statt E‑Mails zu nutzen
Möglicherweise bietet es sich sogar an, eine entsprechende Betriebsvereinbarung abzuschließen. In dieser könnte beispielsweise geregelt werden,
- wie sich die E‑Mail-Menge verringern lässt, zum Beispiel darüber,
- welche Firewalls eingesetzt werden,
- wie über organisatorische Vereinbarungen Mehrfachzustellungen vermieden werden können,
- dass bestimmte Adressen, zum Beispiel „Alle User“ verboten sind,
- dass über geklärte Zuständigkeiten Verteilerlisten sinnvoll sind,
- dass Optionen wie Sende- und Lesebestätigung überlegt eingesetzt werden,
- dass eine eventuell bestehende „Absicherungsmentalität“ abgebaut wird,
- dass Pull- und Push-Informationen im Unternehmen unterschieden werden und so klar ist, welche Informationen „geliefert“ werden und welche man sich aktiv holen muss.
Weiterhin könnte man in einer solchen Betriebsvereinbarung als Ziel ausrufen, dass der Umfang von E‑Mails verringert wird, zum Beispiel indem man
- Attachments begrenzt,
- endlose Weiterleitungs- oder Antwortketten unterbindet oder
- Signaturen begrenzt.
Resümee und Ausblick
Die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt im Allgemeinen und der Kommunikation am Arbeitsplatz im Besonderen birgt Vorteile, aber auch Risiken. Zu den Vorteilen gehören
- die einfache, kostengünstige und extrem schnelle Kommunikation über digitale Kanäle,
- die Bündelung von Ressourcen,
- die Beschleunigung betrieblicher Prozesse durch raschen Informationsaustausch,
- verkürzte Entscheidungswege,
- eine erhöhte Mobilität und Flexibilität der Mitarbeiter und
- – was nicht verkannt werden sollte – eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung über digitale Kommunikation („schaut her, was ich alles tue“ und „schaut her, mit wem ich kommuniziere“).
Demgegenüber stehen Risiken und Gefahren des digitalen Stress‘, zum Beispiel durch
- den Wegfall ökonomischer, zeitlicher, räumlicher und organisatorischer Filter und damit einhergehend
- Informationsflut,
- oft unüberlegte Kommunikation (Technik und Empfänger jederzeit verfügbar),
- unspezifische, vorläufige Informationen,
- Mehrfachempfang
- sehr umfangreiche, schlecht strukturierte, lange Texte,
- eine inflationäre Verwendung von Abkürzungen und Symbolen,
- vielfach Anhängen,
- oftmals fehlendem Bezug zur eigenen Arbeit,
- fehlenden Aussagen über die erwartete Reaktion und
- zurückgehende persönliche Interaktion.
Generell zeigt sich, dass eine Eindämmung der digitalen Kommunikation nicht nur darin besteht, dass weniger E‑Mails geschrieben werden. Die Beschäftigten müssen auch ihren Arbeitsstil ändern. Das E‑Mail-Aufkommen zu senken bedeutet im Vorfeld besser zu planen, sich genauer abzusprechen, effektiver und eigenverantwortlicher zu arbeiten und sich weniger rückzuversichern, also weniger an nicht direkt Betroffene per „cc“ zu versenden.
Lösungsansatz: E‑Mail gegen „Geld“
Ein interessanter Ansatz in diesem Zusammenhang könnte – neben den oben erwähnten kompetenz- und regelbasierten Maßnahmen – auch eine Art „Preissystem“ im E‑Mail-Verkehr sein. Hierfür existieren bereits softwaregestützte Lösungen. Das Preissystem reflektiert die Knappheit der Zeit, die beim Lesen und Beantworten der E‑Mails entsteht. Es basiert auf einer künstlichen E‑Mail-Währung. Die entstehenden Preise legen das Grunddilemma der E‑Mail offen: ein Überangebot infolge der vernachlässigbaren Kosten für die Absender bei gleichzeitig begrenzter Zeit und Aufmerksamkeit auf der Empfängerseite.
Das „Mail Application with Relevance Classification“ (MARC) getaufte System lässt sich innerhalb eines Unternehmens technisch leicht umsetzen. Der Sender muss beim Versand der E‑Mail diese mittels einer von vier Prioritätsstufen klassifizieren. Der Sender kennt den Inhalt der E‑Mail. Er muss daher abschätzen, ob der Inhalt der E‑Mail „unwichtig“, „wenig wichtig“, „wichtig“ oder „sehr wichtig“ für den Empfänger ist. Jeder Empfänger kann flexibel festlegen, wie viele E‑Mails der verschiedenen Prioritätsstufen er am Tag empfangen möchte. Anhand dieses Ziels und der durchschnittlichen Nachfrage wird von einem zentralen Server mittels einer Nachfragekurve der Preis für den Sender an einem konkreten Zeitpunkt bestimmt. Der Sender muss sich überlegen, ob er bereit ist, den ermittelten Preis der künstlichen E‑Mail-Währung (Relevance Units) zu zahlen oder die E‑Mail doch nicht versenden will. Je unwichtiger eine E‑Mail für den Empfänger ist, desto höher ist der zu entrichtende Preis. Für die Prioritätsstufe „sehr wichtig“ wird der Empfänger vermutlich alle E‑Mails zulassen. Denn in diesem Fall liegt das Interesse an der E‑Mail primär bei ihm. Der Preis für diese Kategorie wäre dann null.
Dieses System erfordert eine richtige Klassifizierung der Bedeutung des Inhalts durch den Sender. Sonst wählt er die für ihn günstigste Prioritätsstufe, um möglichst billig E‑Mails verschicken zu können. Deshalb wird dem Empfänger die Einschätzung des Senders angezeigt. Der Empfänger erhält die Möglichkeit, die Prioritätsstufe bei Missfallen nachträglich per Buttonklick zu revidieren, sollte er der Meinung sein, der Sender habe die Priorität missbräuchlich oder falsch eingeschätzt. In diesem Fall werden dem Sender die doppelten Kosten auferlegt, die er bei richtiger Klassifizierung hätte zahlen müssen. Auf diese Weise wird ein Missbrauch des Systems verhindert.
Die Zahl der Relevance Units, die jeder Angestellte eines Unternehmens am Monatsanfang erhält, ist beschränkt. Mit dieser Geldmenge muss er den Monat über wirtschaften. Er muss sich gut überlegen, welche E‑Mails wirklich wichtig sind und welche nicht. Für Positionen innerhalb eines Unternehmens mit viel Kommunikationsbedarf kann die Zahl der am Monatsanfang zugesprochenen Relevance Units (RUs) höher festgelegt werden. Sind die Einheiten aufgebraucht, kann der Betreffende keine E‑Mails mehr versenden. Er ist dann gezwungen, auf andere Medien auszuweichen, zum Beispiel zu telefonieren.
Aspekte der sozialen Kontrolle werden so einbezogen. Wer am Monatsende Relevance Units gespart hat, kann belohnt werden. Die mittels Preisen sichtbar gemachten versteckten Kosten stellen einen ausreichenden Anreiz dar, innerhalb eines Unternehmens vernünftig mit E‑Mails umzugehen.
Autor: Dr. Stefan Poppelreuter
Leiter Analysen & Befragungen HR Consulting,
TÜV Rheinland Akademie GmbH
E‑Mail: stefan.poppelreuter@de.tuv.com