Britta P. ist Anfang 50. In ihrer Jugend hat sie viel Sport getrieben. Doch mit den Kindern und dem Job sind Bewegung und Fitness in den Hintergrund gerückt. Nun hat ihr Hausarzt leichtes Übergewicht und einen erhöhten Blutdruck festgestellt. Gut wäre eine gesunde Ernährung und wenigstens täglich ausgedehnte Spaziergänge, meint der Arzt. Leichter gesagt als getan. Britta P. findet Unterstützung bei ihrer Krankenkasse. Die bietet einen Kurs zur Gewichtsreduktion an. Schon am ersten Kursabend bekommt sie einen Schrittzähler ausgehändigt und soll täglich notieren, wie viele Schritte sie geht.
Im Schnitt kommt sie in der ersten Woche auf weniger als 3.000 Schritte pro Tag. Kein Wunder. Zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Besuch von Freunden fährt Britta immer mit dem Auto. Bei der Arbeit sitzt sie fast den ganzen Tag. Im Kurs lernt sie, dass jeder Schritt mehr ein Gewinn für ihre Gesundheit ist und sie erfährt auch, wie sie Schritte sammeln kann: Zehn Minuten in der Mittagspause spazieren gehen, auf dem Parkplatz am Supermarkt weit weg vom Eingang parken, statt Freunde zu besuchen, sich mit ihnen zu einem Stadtbummel verabreden. Der Schrittzähler in ihrer Hosentasche motiviert sie zusätzlich und bereits nach vier Wochen hat sie die tägliche 10.000-Schritt-Grenze geknackt.
Aktuell gibt es weit über 100.000 Apps zum Thema Gesundheit, Fitness oder Wohlbefinden sowie unzählige Web-Angebote und Internetseiten. Und es werden immer mehr, da sich die Technik weiterentwickelt und ein kultureller Wandel im Gesundheitsverhalten stattfindet: Patienten werden aktiver und souveräner, wenn es um ihre eigene Gesundheit geht. Und sie nutzen dafür immer öfter digitale Angebote. Anbieter sind zum Beispiel Pharmafirmen, gesetzliche und private Krankenkassen, Organisationen, aber auch Fitness-Center, Verlage oder private Dienstleister.
Einheitliche Qualitätskriterien fehlen
Für Gesundheits-Apps gibt es bisher keine einheitlichen Qualitätskriterien. So ist bei manchen Apps weder erkennbar, wofür sie geeignet sind, noch was man mit ihrer Anwendung erreichen kann. Treten Probleme, unerwünschte Nebenwirkungen oder gar Schädigungen auf, gibt es kaum Möglichkeiten, andere darüber zu informieren oder vor der App zu warnen. Man ist darauf angewiesen, dass der Hersteller die App zurückruft, wenn er selbst ein Problem feststellt beziehungsweise ihm von Nutzern eines gemeldet wird. Studien zeigen zudem, dass viele Verbraucher zum einen Teil mangels Wissen, zum anderen Teil aber auch wissentlich, der digitalen Technik „blind“ vertrauen.
Stichwort Datenschutz
Egal, was mit der App gemessen wird: Die Daten können zusätzlich auf dem Smartphone, Tablet, Computer oder in einer Cloud gespeichert werden. Für Diskussionen sorgt deshalb immer wieder das Thema Datenschutz.
Hierzu gibt es eine Reihe von Fragen, die App-Nutzer klären sollten, bevor sie die Angebote in Anspruch nehmen:
- Wie wird die Privatsphäre geschützt beziehungsweise auf welche Funktionen greift die App zurück?
- Was darf der Anbieter mit den Daten tun?
- Ist es zwingend notwendig, dass der Zugriff auf die Kamera gewährt wird?
- Muss ich meine Einwilligung geben, damit meine Daten an Dritte weitergegeben werden dürfen?
Für jede Gesundheits-App muss eine Datenschutzerklärung vorliegen. Diese sollte man sich in Ruhe durchlesen und dabei darauf achten, ob sie Antworten auf die oben genannten Fragen gibt.
Für die Fitness, gegen Stress
Besonders beliebt sind Apps, die Körper- und Fitnessdaten aufzeichnen oder bei der Stressbewältigung helfen. Die meisten bekommt man im App-Store bei Apple beziehungsweise Google. Das Angebot reicht von Fitnessanwendungen, Ernährungsprogrammen und Gesundheitstagebüchern bis hin zu komplexen Programmen zur Diagnostik und Therapie. Letztere machen allerdings nur einen sehr kleinen Bereich aus.
Es gibt aber auch Apps, mit denen chronisch Erkrankte Gesundheitsdaten erfassen oder Erinnerungs-Apps für die Medikamenteneinnahme. Solche Apps haben das Potenzial, Patienten in ihrer Rolle zu stärken und ihre Versorgung mithilfe des Smartphones – mehr als 63 Prozent der Deutschen benutzen eins – zu verbessern. Bisher wird dieser Nutzen für Patienten allerdings kaum ausgeschöpft. So verwenden bisher nur zwei Prozent der Smartphone-Nutzer Apps, die zum Beispiel an Impfungen oder die Einnahme von Medikamenten erinnern.
Unterschiedliche Nutzerprofile
Bei den App-Nutzern gibt es folglich ganz unterschiedliche Typen. Gesundheitsbewusste Nutzer sammeln Schritte oder Bewegungspunkte, achten bei Lebensmitteln auf Kalorien, den glykämischen Index oder SmartPoints. Chronisch Kranke wiederum können unter anderem auf diese Weise ihre Medikamenteneinnahme managen oder ihre Werte dokumentieren.
Akim F. ist Diabetiker. Er ist auf exakte Berechnungen seiner Insulinmengen und den Bedarf an notwendigen Kohlehydraten angewiesen. Dabei muss er berücksichtigen, ob und wie viel er sich körperlich anstrengt und welche Tageszeit es ist. Mit seinem Smartphone und der App ICT-Helper kann er immer und überall Insulin und Glucose berechnen und so verhindern, dass er in eine Unter- oder Überzuckerung rutscht. Außerdem kann er die Auswertungen ohne personenbezogene Daten an seinen Arzt schicken. Für ihn ist das Leben durch die App ein Stück leichter geworden.
Doch Diagnostik und Therapie spielen bei den App-Angeboten noch eine untergeordnete Rolle. Die Zielgruppe Erkrankte wird eher selten angesprochen, wie die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie CHARISMHA belegt. Selbst den Krankenkassen scheint die App als Medizinprodukt ein zu „heißes Eisen“ zu sein. Deshalb wird sie bisher nur in Pilotprojekten oder begrenzten Vorsorgeprogrammen eingesetzt.
App oder Medizinprodukt?
Der Hersteller entscheidet, ob er seine App als Medizinprodukt klassifizieren will – ein aufwendiger Prozess, da diese dann unter das Medizinproduktgesetz fällt. Das bedeutet, dass die App einer bestimmten Risikogruppe zugeordnet werden muss, die sich nach dem möglichen Schaden richtet, den der Ausfall des Produkts verursachen kann. Gesundheits-Apps, die nicht in eine Risikogruppe eingestuft sind, sind dagegen kaum Anforderungen unterworfen.
Vorsicht ist bei Diagnose-Apps geboten, die keine Medizinprodukte sind. So hat sich zum Beispiel gezeigt, dass Apps, die Hautkrebs, sprich Melanome, erkennen sollen, in weniger als einem Drittel der Fälle die richtige Diagnose stellen. Die Folge: App-Nutzer haben ein erhöhtes Risiko, zu spät zum Arzt zu gehen. In anderen Fällen führen Diagnose-Apps dazu, dass Nutzer übereilt eine lebensbedrohliche Krankheit vermuten, ohne wirklich erkrankt zu sein.
Nutzen oder Schaden nicht belegt
Gesundheits-Apps werden von den Anwendern vor allem zur „Selbstvermessung“, auf Englisch Self-Tracking, eingesetzt. Kritiker behaupten, dass es inzwischen Menschen gibt, die eher ihrem Smartphone vertrauen, ob es an der Zeit ist, etwas zu trinken oder sich zu
bewegen, als dem eigenen Körpergefühl beziehungsweise Verstand.
Die Selbstvermessung ist allerdings nicht erst durch die Digitalisierung entstanden. Puls, Blutdruck, Gewicht und vieles mehr messen und dokumentieren Menschen beziehungsweise Patienten schon lange selbst. Wer etwa an hohem Blutdruck, Diabetes oder Asthma leidet, misst am besten regelmäßig die entsprechenden Werte. Praktisch und unkompliziert geht das mit einer passenden App. Der Vorteil: Die Werte können direkt an den Arzt weitergegeben werden. Auch die Blutgerinnung können Patienten selbst messen und die Dosis für Gerinnungshemmer entsprechend anpassen, wenn sie dazu ausführlich von einem Arzt unterwiesen wurden.
Ständige Begleiter
Die digitalen Geräte motivieren spielerisch dazu, Ernährungsziele einzuhalten, regen zu mehr Bewegung an und bieten die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Meist werden sie von gesunden Menschen zur Prophylaxe und Gesundheitsförderung genutzt. Weder Nutzen noch Schaden von Fitness- beziehungsweise Gesundheits-Apps sind wissenschaftlich belegt. Was sie allerdings machen können, ist ein schlechtes Gewissen.
Trotzdem sind Gesundheits-Apps für manche bereits zum ständigen Begleiter geworden. Und letztendlich profitiert auch die Wissenschaft von den Daten, die Millionen Menschen Tag für Tag und weltweit erheben.
Praxis-Tipp
Auch eine App an sich kann schon „sensibel“ sein. Achten Sie darauf, welche App sie sichtbar auf Ihrem Smartphone mit sich rumtragen. Oder muss Ihr Kollege wirklich wissen, dass Sie eine Kinderwunsch-App oder eine Depressions-App benutzen? Sichern Sie Ihr Smartphone mit einem Sperrbildschirm plus Passwort, dann sind die sensiblen Daten auch geschützt, wenn Sie Ihr Smartphone verlieren.
Weitere Informationen zum Thema gibt es …
- in der Studie CHARISMHA – Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps der Medizinischen Hochschule Hannover
www.bundesgesundheitsministerium.de - In der Studie „Digital-Health-Anwendungen“ der Bertelmann Stiftung
www.bertelsmannstiftung.de - im Beitrag „Gesundheits-Apps der Krankenkassen: Prävention ja, Therapie nein“ bei der Stiftung Warentest unter www.test.de (jeweils Suchwort Gesundheits-Apps eingeben)
- bei der Techniker Krankenkasse unter dem Stichwort „Digitale Gesundheit“ www.tk.de
Umfrage: Wer nutzt die Apps zu welchem Zweck?
Wer nutzt Gesundheits-Apps?
Wie eine Umfrage von Bitkom 2017 ergeben hat,
- verwenden 45 % aller Smartphone-Nutzer eine Gesundheits-App.
- messen 27 % damit Herzfrequenz, Blutdruck oder Schritte.
- informieren sich 20 % mit einer App über Gesundheits‑, Fitness‑, Gewichts- oder Ernährungsthemen.
Warum verwenden Smartphone-Nutzer eine Gesundheits-App?
- 74 % nutzen Apps, um ihre Gesundheit generell zu verbessern.
- 51 % haben Spaß daran, ihre Körper- und Fitnessdaten regelmäßig zu überprüfen.
- 48 % wollen generell mehr über ihren Gesundheitszustand wissen.
- 42 % wollen ihr Training verbessern.
- 39 % wollen sich durch Unterstützung der App mehr bewegen.
- 26 % nutzen eine App, um sich gesünder zu ernähren.
- 17 % wollen die Genesung von einer Krankheit fördern.
Was spricht gegen die Nutzung?
- 25 % der Nicht-Nutzer verzichten auf Gesundheits-Apps aus Angst, dass ihre Daten in falsche Hände gelangen könnten.