Um es gleich vorwegzunehmen: Auch der ausgewiesene Experte für das Fachgebiet Klima am Arbeitsplatz kann nicht mit einer Ideallösung für alle aufwarten. Der Grund: Es gibt sie nicht. „Studien haben gezeigt, dass man es nicht allen recht machen kann. Selbst wenn der beste Haustechniker das Raumklima auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik einsteuert, beschweren sich immer noch mindestens fünf Prozent der Beschäftigten“, erklärt Bux. Denn nicht nur die Geschmäcker sind verschieden, auch das Temperaturempfinden ist individuell ausgeprägt. „Ein ganz wesentlicher Faktor ist die Person selbst, ihre Physiologie: Mann, Frau, Alter, Gewicht, Konstitution – ist womöglich eine Erkältung im Anflug? All dies spielt für das thermische Empfinden und die persönliche Thermoregulation eine Rolle.“ Immerhin helfe diese Erkenntnis dabei, das potenzielle Streitthema Raumklima etwas zu entschärfen. „Dieses Wissen führt zu einem gewissen Verständnis.“
Komplexes Zusammenspiel
Das Raumklima setzt sich zusammen aus Lufttemperatur, Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit und der Wärmestrahlung der Umgebungsflächen. Es ist aber auch eine Frage von Bekleidung, Aktivität und Aufenthaltsdauer: Ein gutes Raumklima lasse sich nicht einfach am Thermometer ablesen, unterstreicht Bux. „Man muss auch berücksichtigen: Was haben die Menschen an, was tun sie, wie lange befinden sie sich in dem Raum – den ganzen Tag oder nur kurzfristig?“
Die richtige Kleidung
Wer sich im Winter an seinem Arbeitsplatz wohlfühlen möchte, hat also auch einen Eigenbeitrag dafür zu leisten. „Wir nennen das Verhaltensanpassung. Das heißt, man muss durch eigenes Zutun dafür sorgen, dass man das Klima in Ordnung findet“, sagt Bux. Dies geschieht vor allem durch die richtige Kleidung. Im Winter rät der Fachmann zum Zwiebelschalenprinzip, also möglichst viele dünne Schichten übereinander zu tragen. „Unterhemd, Hemd, Pullover und vielleicht noch ein Sweatshirt drüber, das lässt sich dann je nach Situation anpassen.“ Ein großes Problem seien zudem kalte Füße. Ein empfindliches Einfallstor für die Kälte werde dabei leicht übersehen: der Übergang zwischen Schuhen und Hose. Dieser bleibe bei Sockenträgern meist frei und wirke wie ein Korridor für die kalte Luft. „Wir sprechen hier vom Knöchelziehen.“
Stoßlüftung empfohlen
Aufgrund des unterschiedlichen Temperaturempfindens wird das Lüften leicht zum Zankapfel. Bux empfiehlt im Winter die sogenannte Stoßlüftung, sprich die Fenster kurz, aber komplett zu öffnen. „Es ist einfach gut, wenn frische Luft hereinkommt. Aber bevor die Wände auskühlen, schließt man die Fenster besser wieder.“ Kipplüften sei im Winter ungünstig – schon allein aus energetischer Sicht. „Dann fließt ständig warme Luft nach draußen und die kalte Luft im Raum staut sich aus physikalischen Gründen unten am Boden. Dort bildet sich dann ein sogenannter Kaltluftsee und schon sind wir wieder beim Knöchelziehen – sehr ungünstig.“
Achtung Zugluft!
Ein großes Thema ist auch die Zugluft. „Zugluft ist etwas Unangenehmes und wegen ihrer großen Belästigungswirkung gesetzlich verboten: Laut Arbeitsstättenverordnung dürfen durch die Lüftung oder Klimaanlage die Beschäftigten keinem störenden Luftzug ausgesetzt sein.“ Trifft Zugluft auf die Haut, etwa am Nacken oder an der Schulter, kommt es zu einer lokalen Unterkühlung. „Der Körper reguliert das, indem er an dieser Stelle die Durchblutung reduziert. Das kann dann zu Muskelverspannungen und Schmerzen führen.“
Wegen dieser Gefahr kann man das Zugluftrisiko beim Einsatz raumlufttechnischer Anlagen vorausberechnen. Zugluft sei aber nicht zu verwechseln mit einem kurzen Luftstoß: „Wenn zum Beispiel eine Tür geöffnet wird, wehen womöglich die Blätter vom Schreibtisch. Das ist aber keine Zugluft, das ist Wind.“ Die Grenze für Zugluft ist in einer Technischen Regel mit 0,15 Meter pro Sekunde festgelegt. „Das merkt man zunächst gar nicht. Aber wenn so ein Luftstrom kontinuierlich vorbeiströmt, ist das sehr unangenehm.“
Problem Trockenheit
Doch nicht nur die Kälte, auch die Trockenheit der Luft macht den Beschäftigten im Winter zu schaffen. „Rein rechtlich ist es so: Die winterbedingte Situation, dass die Luft trocken wird, muss man akzeptieren“, erklärt Bux. Am Arbeitsplatz bestehe somit kein Anspruch auf Luftbefeuchtung.
Beim Einsatz technischer Hilfsmittel zu diesem Zweck sei zudem einiges zu beachten: Luftbefeuchter müssten zur Raumgröße passen, Verdunstungsgefäße für Heizkörper hätten nur geringe Wirkung, zudem könnten solche Einrichtungen, wenn sie nicht richtig gewartet werden, hygienische Probleme aufwerfen: „Ein solches Gerät ist ja immer feucht, das heißt, dort können Keime wachsen.“
Sollen Raumluftbefeuchter eingesetzt werden, plädiert Bux für ein Gerät mit Gütesiegel, erkennbar am DGUV Test-Zeichen. „Da kann man davon ausgehen, dass es in Ordnung ist.“ Der psychologische Effekt sei hier oft größer als die messbare Wirkung zur Erhöhung der Luftfeuchte. „Die Beschäftigten haben aber zumindest das Gefühl, dass etwas gegen die trockene Luft getan wird.“
Psychologisch wirksam
Auch Grünpflanzen würden als Feuchtigkeitsspender überschätzt. „Für ein Büro mit 20 Quadratmetern Grundfläche bräuchte man ungefähr fünfzehn größere Pflanzen“, kalkuliert Bux. Und nicht jede Pflanze sei geeignet: Ein Ficus etwa verdunste zu wenig. Eine weitere Parallele zu den technischen Luftbefeuchtern: Pflanzen können Hygieneprobleme mit sich bringen – etwa durch Schimmelbildung auf der Erde oder die Verbreitung von unliebsamen Insekten. Unbestritten ist hingegen ihre positive Wirkung auf die Stimmung.
Psychologie im Spiel ist auch beim Thema Einflussnahme. Beschäftigte in kleineren Büroräumen gestalten das Raumklima bis zu einem gewissen Grad selbst – sie können lüften oder die Heizung aufdrehen und die Wirkung unmittelbar spüren. Diese sogenannte „wahrgenommene Kontrollmöglichkeit“ sei gut für das Wohlbefinden, bestätigt Bux: „Nicht Einfluss nehmen zu können ist ein Stressor.“ Beschäftigte in Großraumbüros oder Produktionshallen müssen allerdings mit den vorgegebenen Bedingungen zurechtkommen.
Beschwerden aufgreifen
Beschwerden über das Klima sollten immer ernst genommen werden, unterstreicht Bux. Dabei seien auch die Sicherheitsbeauftragten gefragt: „Sie sollten mit offenen Augen herumgehen, Beschwerden aufnehmen und versuchen, deren Ursachen zu finden.“ Denn oftmals könnten schon kleine Änderungen Abhilfe schaffen. Wenn keine Lösung gefunden wird, rät er zu einem runden Tisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft.
Nicht zuletzt könnten die Betriebe auf externe Unterstützung zurückgreifen. „Ich verweise hier auf die Berufsgenossenschaften. Dort gibt es hilfreiche Broschüren sowie Klima-Fachleute, die messen und beraten können.“ Das Raumklima sei in jedem Fall ein wichtiger Faktor bei der Arbeit: Laut BIBB/BAuA-Erwerbstätigenumfrage sei circa ein Viertel aller Beschäftigten von Hitze, Kälte, Nässe oder Zugluft betroffen und wiederum die Hälfte von ihnen dadurch belastet. „Das ist ganz klar ein Thema in den Betrieben, keine Randerscheinung.“
Weiterführende Literatur
BAuA Publikation „ Gesundes Klima und Wohlbefinden am Arbeitsplatz“
BAuA Publikation „Thermische Behaglichkeit während der Heizperiode“
DGUV Information 215–510 „Beurteilung des Raumklimas“
DGUV Information 215–520 „Klima im Büro“
Gesetzliche Regelungen
- Klimatische Faktoren sind Bestandteil der obligatorischen Gefährdungsbeurteilung nach § 3 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
- ASR A3.5 Raumtemperatur (GMBl 2010, S. 751)
- ASR A3.6 Lüftung (GMBl 2012, S. 92)
Weitere Informationen
- „Gesundes Klima und Wohlbefinden am Arbeitsplatz“ www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A75.html
- „Thermische Behaglichkeit während der Heizperiode“
- DGUV Information 215–510 „Beurteilung des Raumklimas“
- DGUV Information 215–520 „Klima im Büro“ https://publikationen.dguv.de
Winter-Knigge
- Temperatur: Je nach Art der Tätigkeit gelten für die Raumtemperatur andere Richtwerte. Im Büro sollte die Temperatur mindestens 20 °C betragen. Als optimal beziehungsweise behaglich gilt der Mittelwert 22 °C +/- 2 °C.
- Lüften: drei Minuten Stoßlüften pro Stunde, vorzugsweise in den Pausen
- Kleidung: nach dem Zwiebelschalenprinzip viele dünne Schichten übereinander tragen, Strümpfe helfen gegen Knöchelziehen
- Hautpflege: individuell geeignete Hautpflegemittel bewahren Gesicht und Hände vor dem Austrocknen
- Trinken: empfohlener Richtwert zwei Liter pro Tag