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Peer-Beraterin der ersten Stunde

Im Gespräch mit Dagmar Marth
Peer-Beraterin der ersten Stunde

Peer-Beraterin der ersten Stunde
Dagmar Marth, Foto: MADFOX
Dag­mar Marth ken­nt dieses Gefühl, vor dem Nichts zu ste­hen. Doch sie hat es geschafft, ihre Sit­u­a­tion anzunehmen, an sich selb­st zu glauben und neuen Lebens­mut zu gewin­nen. Als Peer-Bera­terin dient sie anderen als Vor­bild und Impuls­ge­berin, um wieder auf die Beine zu kommen.

Die Fra­gen stellte Bernadett Groß.

Frau Marth, welch­es Hand­i­cap haben Sie und wodurch?

1985 hat­te ich im Alter von 27 Jahren einen Unfall mit der U‑Bahn, wobei ich den linken Arm und Unter­schenkel ver­lor. In der Char­ité in Berlin ret­teten mir die Ärzte das Leben.

Wie ging es Ihnen damals? Wie heute?

Ich wusste nach dem Unfall nicht, wie es weit­erge­hen wird. Wie werde ich laufen kön­nen, wie werde ich mit einem Bein und einem Arm zurecht kom­men, wird mich je wieder jemand lieben, so wie ich jet­zt ausse­he, werde ich eine Fam­i­lie grün­den kön­nen …? Die Prothe­se­nan­pas­sung war Neu­land. Ich musste umziehen. Aber vor allem musste ich ler­nen, mich an mich selb­st zu gewöh­nen und mich anzunehmen. Und ich musste einen neuen Beruf ler­nen, denn Sportlehrerin kon­nte ich nicht mehr sein. Ich habe mir mein Leben zurücker­obert und bin heute eine glück­liche Frau, Mut­ter zweier Kinder und dreifache Groß­mut­ter. Mit der Hil­fe und Unter­stützung, die ich habe, kann ich ein selb­st­bes­timmtes und erfülltes Leben führen, wenn auch mit Ein­schränkun­gen – aber wer hat die nicht?

Hat­ten Sie eine (Peer-)Beratung?

Nein, das gab es damals in der DDR nicht. Die physis­chen Wun­den waren ver­heilt, aber die seel­is­chen schmerzten jahre­lang. Ich fühlte mich sehr lange nicht als Frau und es gab so viele The­men, Fra­gen, die mir nie­mand beant­worten kon­nte. Ich war zwis­chen­durch verzweifelt, über­fordert und fühlte mich hil­f­los. Deshalb hat­te ich mir psy­chother­a­peutis­che Hil­fe gesucht, die von meinem Reha-Man­age­ment unter­stützt und finanziert wur­den. Dafür bin ich heute noch dankbar.

Warum ist Peer-Beratung sinnvoll?

Eine Ampu­ta­tion oder ein ver­gle­ich­bares Ereig­nis ist ein tiefer Ein­schnitt in das Leben eines Men­schen. Es ist ein großer Ver­lust mit kör­per­lichen, psy­chis­chen und sozialen Folgen.

Ein Peer-Berater ist Experte, er ken­nt die Sit­u­a­tion und kann auf Augen­höhe dem frisch Ver­let­zten zur Seite ste­hen. Das kann eine große Moti­va­tion sein, nicht aufzugeben und weit­erzuge­hen. Das macht das Peer Coun­sel­ing so wertvoll und einzi­gar­tig: Der Peer weiß, wovon er spricht. Und es ist eine sehr wirkungsvolle und direk­te Unter­stützung der Patien­ten im Prozess der Reha-Ange­bote – ein effek­tives, ergänzen­des Mod­ul im Reha-Management.

Wie ist Ihre Arbeit als Beraterin?

Seit 2010 arbeite ich als Bera­terin in der Prothe­sen-Reha­bil­i­ta­tion des Unfal­lkranken­haus­es Berlin. 2012, als die DGUV ein Pilot­pro­jekt mit dem Kranken­haus startete, wurde ich dann die erste offizielle Peer-Bera­terin im ukb. Ich habe erfahren, dass es Men­schen gut­tut, mit jeman­dem sprechen zu kön­nen, der Ähn­lich­es erlebt hat. Es geht darum, Men­schen zu helfen, ihren Lei­densweg abzukürzen, zu zeigen, dass es ein Leben danach gibt, das erfüllt sein kann. Mit der wirk­lich guten Unter­stützung der Beruf­sgenossen­schaften, der Kos­ten­träger, ist so vieles wieder mach­bar, was man sich anfangs gar nicht vorstellen kann.

Inwiefern arbeit­en Sie in dieser Funk­tion mit der DGUV zusammen?

Ich arbeite für die DGUV, wenn ich ange­fragt werde, und natür­lich im Pro­jekt PiK. 2014 erhielt ich den Auf­trag , die Konzep­tion für PiK zu schreiben. Ich halte Vorträge zum The­ma Peer-Beratung, unter anderem an der DGUV-Hochschule. Dort wer­den ange­hende Reha-Man­ag­er über dieses The­ma informiert und geschult. Das ist rel­a­tiv neu und sehr begrüßenswert.

Auch im Rah­men der Weit­er­bil­dung für Reha-Man­ag­er stelle ich das Pro­jekt vor. Über die DGUV bin ich Mit­glied des Steuerkreis­es von PiK. Ich führe Work­shops im Rah­men der Weit­er­bil­dung durch und halte Vorträge zum The­ma Peer-Beratun­gen. Es geht dabei um The­men wie Empow­er­ment, Resilienz, Gesprächs­führung, aktives Zuhören, Stress­man­age­ment und Selbstfürsorge.

Dabei ist mir Dr. Eckart von Hirschhausen, der als Schirmherr unser Engage­ment unter­stützt, in seinem vielfälti­gen Ein­satz für Men­schen ohne Lob­by Vor­bild und Motivation.

Frau Marth, vie­len Dank für das Gespräch!


Im Bild von links: Sylvia Wehde (BMAB), Dirk Scholtysik (DGUV), Dr. Melis­sa Beirau, Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Dag­mar Marth (ukb), Dr. Matthias Schmidt-Ohle­mann (DVfR), Dr. Edlyn Höller (DGUV), Prof. Dr. Bern­hard Gre­it­e­mann (DVfR) und Detlef Fron­höfer (AOK Nor­dost), Foto: Dorothee Scheurlen (ukb)

Auszeichnung für die Initiative „Peers im Krankenhaus“ (PiK)

Der Arzt und Dozent Prof. Dr. med. Dr. phil. h. c. Kurt-Alphons Jochheim (1921–2013) hat in beson­derem Maß dazu beig­er­a­gen, die Reha­bil­i­ta­tion in Deutsch­land voranzutreiben. In Würdi­gung seines Lebenswerks ehrt die Deutsche Vere­ini­gung für Reha­bil­i­ta­tion (DVfR) mit der Kurt-Alphons-Jochheim-Medaille seit 2011 Per­so­n­en, die in ver­schiede­nen Teil­bere­ichen der Reha­bil­i­ta­tion und Teil­habe von behin­derten und von Behin­derung bedro­ht­en Men­schen ein­schließlich der Forschung Her­aus­ra­gen­des geleis­tet haben. 2019 ging die Ausze­ich­nung an die Ini­tia­tive „Peers im Kranken­haus“ (PiK). Die Träger der Ini­tia­tive nah­men die Medaille am 19. Novem­ber 2019 bei der DVfR-Mit­gliederver­samm­lung in Berlin entgegen.

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