Die Verantwortung und die Pflichten des Arbeitgebers zum Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiter enden nicht am Werkstor oder dem Eingang der Arbeitsstätte. Sie gelten auch für das Firmengelände und bei allen mobilen und Freiland-Einsätzen. Sogenannte Outdoor-Worker sind hier vor allem angesprochen. Wo Zeckengefahren bei beruflichen Tätigkeiten bestehen, ist daher betrieblicher Arbeitsschutz angesagt. Im Beitrag „Zeckenalarm – Was ist dran an den Warnmeldungen?“ stellen wir dar, was Zecken so gefährlich macht, ob es Zeckenbiss oder Zeckenstich heißt und wie die Risikogebiete zustande kommen. Im Folgenden geht es um die Risiken und Erkrankungsgefahren für Beschäftigte aus Sicht des betrieblichen Arbeitsschutzes.
- In Dutzenden von Branchen arbeiten Outdoor-Worker
- Zecken im Technischem Regelwerk
- Zu Zecken-bedingten Risiken unterweisen
- Zecken richtig entfernen, so gelingt es
- Finger weg von Hausmitteln und Geheimtipps!
- Bei Wanderröte, Entzündung oder grippeartigen Symptomen immer zum Arzt!
- Zeckenimpfungen schützen vor FSME
- Zecken-Impfung und Corona-Impfung?
- Chemische Zeckenabwehr mit Bedacht
- Zeckenbiss oder Zeckenstich? Immer ins Verbandbuch!
In Dutzenden von Branchen arbeiten Outdoor-Worker
Eine Zecke unterscheidet nicht, ob wir picknicken, joggen oder beruflich bedingt im Freien aktiv sind. Beim Zeckenstich unter Arbeitsschutzaspekten ist meist von Förstern, Forstwirten und Landwirten die Rede. Diese sind in der Tat besonders gefährdet. Doch schaut man genauer hin, wird klar, dass Dutzende weiterer Branchen und Berufsgruppen vom Risiko eines Zeckenstichs betroffen sind. Das reicht von Beschäftigten in Garten- und Landschaftsbau, Grünpflege, Straßenunterhalt, Wasserwirtschaft oder Vermessungswesen über Forstwirte (Waldabeiter), Gleisbauer, Sprengmeister, Fahrradkuriere, Politessen und Bademeistern bis zu den Einsatzkräften der Feuerwehr. Auch für Tierpfleger oder Fleischereibetriebe, die Wild verarbeiten, besteht ein Zeckenrisiko.
Zecken im Technischem Regelwerk
Laut der TRBA 464, die Parasiten des Menschen in Risikogruppen einteilt, gehören Zecken in die Rubrik temporäre toxin- und allergeninjizierende Ektoparasiten. Das bedeutet:
- Zecken leben nicht ständig auf dem Menschen (wie z. B. Läuse), sondern suchen ihn nur zeitweilig (temporär) zur Nahrungsaufnahme auf.
- In dieser Zeit leben sie auf unserer Körperoberfläche (ekto = außerhalb) und nicht innerhalb des menschlichen Körpers (wie etwa Spulwürmer).
- Beim Blutsaugen injiziert die Zecke giftige (Toxine) und allergieauslösende Substanzen.
Gefährdungsbeurteilung, Sicherheitsunterweisungen und arbeitsmedizinische Vorsorge gefragt
Es gibt keine Schutzvorkehrungen oder Sicherheitsregeln, mit denen ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter einen hundertprozentigen Schutz gegen zeckenübertragene Krankheiten bieten könnte. Aber was jeder Betrieb mit Beschäftigten in naturnahen und Freilandberufen tun kann, sollte konsequent umgesetzt werden. Wichtigste Schritte sind Gefährdungsbeurteilung, Sicherheitsunterweisungen und arbeitsmedizinische Vorsorge.
In der Gefährdungsbeurteilung fällt ein Zeckenstich unter die biologischen Gefährdungen. Wo Mitarbeiter im Freien und naturnah eingesetzt werden, kann diese Gefährdung nicht ausgeschlossen werden.
Zu Zecken-bedingten Risiken unterweisen
Gefährdete Outdoor-Worker müssen über die Risiken von Zecken übertragener Krankheiten informiert werden. Die Unterweisung sollte auch deutlich machen, wie jeder sein Infektionsrisiko senken kann.
Die wichtigsten Regeln lauten:
- Aufenthalt im Gestrüpp, Unterholz und hohem Gras vermeiden
- geschlossene Kleidung, anliegende Hosen und festes Schuhwerk tragen, damit eine Zecke nicht so schnell auf die Haut gelangt
- möglichst helle Farbtöne tragen, um Zecken schneller zu erkennen
- Zeckenabwehrmittel für Haut und Kleider benutzen
- spätestens bei Arbeitsende den Körper gründlich nach Zecken absuchen, insbesondere Stellen mit weicher Haut wie Kniekehle, Achselhöhle, Schamgegend usw. und somit die Zecke finden, bevor diese einen Platz zum Stechen gefunden hat
- entdeckte Zecken möglichst schnell entfernen, um sein Infektionsrisiko zu senken, anschließend die Stichstelle desinfizieren
Zecken richtig entfernen, so gelingt es
Die Zecke weder quetschen noch herausdrehen, sondern an ihrem Kopf, d. h. dicht an der Haut, mit spitzer Pinzette, Zeckenzange oder Zeckenkarte senkrecht zur Stichstelle langsam herausziehen oder heraushebeln.
Übrigens gehört eine Zeckenzange in die vorgeschriebene Erste-Hilfe-Ausrüstung. Jeder Sanitätskoffer nach DIN 13155 sollte ein „Mittel zum Entfernen von Zecken“ enthalten.
Finger weg von Hausmitteln und Geheimtipps!
Früher galt es als Trick, eine Zecke auf der Haut mit Mitteln wie Öl, Nagellackentferner, Vaseline, Essig, Alkohol, Klebstoff, Kältespray o. ä. zu betäuben oder zu ersticken. Ärzte raten heute dringend von solchen Methoden ab. Denn dadurch reizt man die Zecke, noch mehr Speichel abzugeben oder in ihrem Todeskampf den Mageninhalt hochzuwürgen, was weitere Krankheitserreger in die Wunde spült.
Bei Wanderröte, Entzündung oder grippeartigen Symptomen sollten Outdoor-Worker immer zum Arzt!
Niemand wird durch eine Zecke auf der Haut automatisch krank oder arbeitsunfähig — auch nicht Outdoor-Worker. Doch unbedingt in der Unterweisung deutlich werden muss, wann betroffene Kollegen einen Arzt aufsuchen sollten, und zwar, spätestens immer dann,
- wenn sich eine Zecke nicht entfernen lässt
- wenn eine Rötung (Wanderröte) bestehen bleibt
- wenn sich die Stichstelle entzündet
- wenn man einige Zeit später grippeartige Symptome spürt
Vorgesetzte sollten – insbesondere in Männer-dominierten Gruppen – ein Auge darauf achten, dass niemand als Weichei verspottet wird, der „nur wegen ner blöden Zecke“ zum Arzt oder Betriebsarzt geht.
Zeckenimpfungen schützen vor FSME
Gemäß der gleichnamigen Verordnung (ArbMedVV) ist jeder Arbeitgeber — also auch Outdoor-Worker — verpflichtet, auf Basis seiner Gefährdungsbeurteilungen eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge sicherzustellen. Bei bestehender Gefährdung ist eine Pflichtuntersuchung zu veranlassen, darauf weist auch ein Leitfaden für Betriebsärzte zur arbeitsmedizinischen Vorsorge im Forstbereich hin.
Diese Vorsorge kann und sollte je nach Gefährdungsgrad auch ein Impfangebot umfassen. Das RKI empfiehlt die aktive FSME-Schutzimpfung für Bewohner von Risikogebieten und für Personen, die durch FSME beruflich gefährdet sind, weil sie ihre Tätigkeit im Freien in einem Risikogebiet ausüben.
Betriebsärzte sollten Impfungen als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge frühzeitig organisieren und – nach entsprechender ärztlicher Beratung – anbieten. Ein kompletter Impfschutz benötigt 3 Einzelimpfungen und wird je nach Alter und Impfstoff alle 3 bis 5 Jahre aufgefrischt. Die Kosten für das Impfen durch den Betriebsarzt trägt der Arbeitgeber.
Wichtig zum Verständnis ist, dass es bei FSME keine Herdenimmunität gibt. Ein Impfschutz gilt stets individuell nur für den Geimpften. Niemand ist um einen Deut besser geschützt, nur weil sich die Kollegen haben impfen lassen.
Zecken-Impfung und Corona-Impfung?
Sich sowohl gegen FSME wie gegen Covid-19 impfen zu lassen, ist kein Problem. Allerdings rät das RKI, zwischen den beiden Impfungen zwei Wochen Abstand zu halten.
Chemische Zeckenabwehr mit Bedacht
Verschiedene chemische Substanzen, Naturstoffe wie ätherische Öle, aber auch synthetisch hergestellte Stoffe wirken als sogenannte Repellentien. Sie halten unerwünschte Insekten ab, einige Produkte wirken auch gegen Zecken. Inzwischen wird sogar Berufskleidung als Anti-Zecken-Bekleidung angeboten, die mit solchen Mitteln imprägniert wurde. Auch die DGUV weist – etwa in der neuen Branchenregel Grün- und Landschaftspflege – darauf hin, „gegebenenfalls“ Repellentien zu verwenden.
Wie bei jedem Einsatz eines Biozids sollten Nutzen und Risiken abgewogen werden. Die Substanzen dürfen nicht in die Augen oder auf Schleimhäute gelangen. Statt jeden Morgen die ganze Belegschaft mit irgendwelchen Mitteln einzunebeln, sollte der Einsatz gezielt erfolgen. Laut einem Bericht der Stiftung Warentest von 2017 bieten 10 von 14 untersuchten Mitteln einen zuverlässigen Schutz. Das Umweltbundesamt warnt vor im Ausland erhältlich Repellentien, da diese Substanzen enthalten können, die in Deutschland nicht zugelassen sind.
Zeckenbiss oder Zeckenstich? Immer ins Verbandbuch!
Ob Zeckenbiss oder Zeckenstich, ein solcher Vorfall bei der Arbeit der Outdoor-Worker sollte stets dokumentiert werden. Denn falls es – und das kann bei Borreliose viele Monate später sein – zu ernsten Folgeerkrankungen kommen sollte, muss das Zeckenopfer nachweisen könne, dass sich der Zeckenstich während der versicherten Tätigkeit ereignet hat. Daher sollten gerade auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragten eine Auge darauf haben, dass ein Eintrag im Verbandbuch erfolgt.
Nur wenn der Zeckenstich beruflich erworben wurde, übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten der Behandlung und gegebenenfalls weiterer Maßnahmen. Wenn eine Ursache in der beruflichen Tätigkeit gesehen wird, können Borreliose oder FSME als Berufskrankheiten (Bk. 3102) anerkannt werden.
Praxistipp:
Eine Orientierung für betriebliche Arbeitsschützer bietet die DGUV Information 214–078 „Vorsicht Zecken! Risiko Zeckenstich — was tun?“. Die Broschüre enthält überraschenderweise auch einen eingeklebten Zeckenentferner mit Hinweisen zur Anwendung.
Wie im Beitrag „Zeckenalarm – Was ist dran an den Warnmeldungen?“ dargestellt, ist damit zu rechnen, dass sich die Risikogebiete für FSME weiter nach Norden ausdehnen werden. Zum anderen verlängert sich – insbesondere durch milde Winter – die Zeckensaison. Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte und Betriebsärzte aus immer mehr Regionen werden sich daher voraussichtlich immer öfter mit dem Thema Zeckengefahren befassen müssen.
Autor: Friedhelm Kring