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Long- und Post-COVID

Long- und Post-COVID
Der lange Weg zurück

Offiziell gene­sen und doch krank: Zahlre­ich sind die Symp­tome, die auch nach der Akut­phase ein­er COVID-19-Infek­tion auftreten und die Leis­tungs­fähigkeit bis hin zur Arbeit­sun­fähigkeit beein­trächti­gen kön­nen. Eine Reha­bil­i­ta­tions-Maß­nahme kann den Weg zurück ins Arbeit­sleben ebnen. Doch zuerst gilt es, die Symp­tome zu erken­nen, richtig zu diag­nos­tizieren – und Geduld für den Heilungsweg zu haben.

Marlene (als Fig­ur exem­plar­isch erfun­den) war sportlich, ging regelmäßig wan­dern und steck­te voller Taten­drang. Dann kam für die 40-jährige Krankenpflegerin der Ein­schnitt. Die COVID-19-Infek­tion, die bei ihr als Beruf­skrankheit anerkan­nt wurde, ver­lief rel­a­tiv harm­los. Sie lag ein paar Tage mit Fieber im Bett und kon­nte die akute Phase zu Hause über­ste­hen, mit ihrem Hausarzt hat­te sie nur per Tele­fon Kon­takt. Guten Mutes machte sie sich anschließend wieder an die Arbeit. Das ging eine Woche ganz gut – dass sie noch nicht ganz fit war, war schließlich nor­mal. Die zweite Woche war schon schwieriger und in der drit­ten Woche fiel sie nach ihrem Dienst nur noch ins Bett und erkan­nte: Das schaffe ich nicht mehr. Selb­st beim Schieben von Patien­ten­bet­ten oder bei den paar Trep­pen­stufen hin­auf zu ihrer Woh­nung rang sie nach Luft und brauchte eine Pause. Sortierte sie Medika­mente ein, musste sie immer wieder rekon­stru­ieren, welche Tablet­ten jet­zt noch fehlten und sich angestrengt vergewis­sern, dass ihr kein Fehler unter­laufen war.

Behandlungsbedarf bei Long- und Post-COVID enorm

„Kog­ni­tive Ein­schränkun­gen, etwa Gedächt­niss­chwierigkeit­en, ver­min­derte Reak­tions­fähigkeit und Konzen­tra­tionsprob­leme sowie kör­per­liche Schwäche mit Kurzat­migkeit sind ver­bre­it­ete Symp­tome bei Long- und Post-COVID“, weiß Dr. Michael Stegbauer. Er ist Ärztlich­er Direk­tor der beruf­sgenossen­schaftlichen Klinik Bad Reichen­hall, die sich als erste der BG-Kliniken beson­ders auf die Reha­bil­i­ta­tion von Post-COVID-Pati­entin­nen und ‑Patien­ten spezial­isiert hat. Heute gibt es nach sein­er Schätzung wohl ins­ge­samt rund hun­dert Reha­bil­i­ta­tion­skliniken in Deutsch­land, die Betrof­fene aufnehmen. „Der Bedarf ist enorm. Vor­sichti­gen Schätzun­gen zufolge ereilt 10 Prozent, anderen zufolge sog­ar 30 Prozent aller an COVID-19-Infizierten eine mas­sive Ein­schränkung ihrer Gesund­heit nach der akuten Phase – unab­hängig von der Schwere der ursprünglichen Erkrankung.“ Wenn diese gesund­heitlichen Prob­leme länger als drei Monate nach Abschluss der Akut­phase noch auftreten, sprechen Medi­zin­er von Post-COVID.

„Ins­ge­samt sind über 120 ver­schiedene Symp­tome beschrieben“, so Stegbauer. Zu den wichtig­sten gehörten neben der ver­min­derten kog­ni­tiv­en und kör­per­lichen Leis­tungs­fähigkeit auch neu­rol­o­gis­che Prob­leme, die sich in Kopf­schmerzen aus­drück­en kön­nen, Muskel- und Gelenkschmerzen, das Erschöp­fungssyn­drom, Herzprob­leme ver­schieden­er Art sowie der Ver­lust von Geruchs- und Geschmackssinn. Deshalb ist die inter­diszi­plinäre Zusam­me­nar­beit extrem wichtig. Pneu­molo­gen, Kar­di­olo­gen, Neu­rolo­gen, Radi­olo­gen und andere Diszi­plinen arbeit­en hier für eine opti­male Diag­nose und Ther­a­pieen­twick­lung zusammen.

Leistungsfähigkeit schwankt

Ein wichtiger Bestandteil der Ther­a­pie ist das kör­per­liche Train­ing­spro­gramm – Gle­ichgewicht­sübun­gen, ther­a­peutis­ches Wan­dern, Nordic Walk­ing – immer entsprechend der indi­vidu­ellen Möglichkeit­en. „Auf­fäl­lig ist, dass die Leis­tungs­fähigkeit bei den meis­ten Patien­ten und Pati­entin­nen extrem schwank­end ist: An einem Tag funk­tion­iert vieles, am anderen geht dann ganz wenig. Darauf muss man sich ein­stellen.“ Auch die Ther­a­peuten mussten das erst ler­nen: „Anfänglich starteten wir mit einem zu inten­siv­en Pro­gramm – das hat­te jedoch deut­liche Ein­brüche zur Folge.“

Auch Psy­chi­ater und Psy­cholo­gen sind mit im Boot. „Die psy­chol­o­gis­che Betreu­ung ist für viele extrem wichtig, auch über die Reha hin­aus“, sagt Stegbauer. Vor allem die ursprünglich Schw­er­erkrank­ten, aber auch leichter Erkrank­te oder solche, durch deren Über­tra­gung zum Beispiel Ange­hörige ums Leben kamen, lit­ten oft am post­trau­ma­tis­chem Belas­tungssyn­drom und bräucht­en unbe­d­ingt eine psy­cho­so­ma­tis­che Mitbetreuung.

Hinweise auf Post-COVID

„Vorge­set­zte oder Sicher­heits­beauf­tragte, die von der COVID-19-Erkrankung eines Mitar­bei­t­en­den wis­sen, soll­ten ein Auge darauf haben, ob sich Verän­derun­gen zeigen. Wenn etwa Vergesslichkeit, Unkonzen­tri­ertheit oder leichte Ermüd­barkeit deut­lich wer­den, wenn die Per­son über Kopf­schmerzen oder Atem­not klagt, wenn sie öfter Pausen braucht und nicht mehr leis­tungs­fähig ist – dann soll­ten sie, auch aus Für­sorge­grün­den, die Per­son darauf ansprechen“, emp­fiehlt Stegbauer. Dies gelte auch, wenn der Arbeit­nehmende nach der akuten Phase häu­figer krankheits­be­d­ingt fehle.

Dann könne sich der oder die Betrof­fene ide­al­er­weise an den betrieb­särztlichen Dienst wen­den, sofern es einen solchen in der Fir­ma oder Organ­i­sa­tion gibt. Anson­sten sei die erste Anlauf­stelle bei Ver­dacht auf Post-COVID-19 immer der Hausarzt, der die Befunde der ver­schiede­nen Fachärzte koor­dinieren und zusam­men­führen muss. Auch drei bis sechs Monate nach der akuten Erkrankung ist bei unklaren Symp­tomen dieser Schritt sinnvoll.

COVID-19 als Berufskrankheit und Arbeitsunfall

Wie bei Mar­lene, unser­er erfun­de­nen Pati­entin, wer­den COVID-19 und dessen Folge-Beschw­er­den bei vie­len Beschäftigten aus dem Gesund­heits­bere­ich als Beruf­skrankheit anerkan­nt – wenn sie sich nach­weis­lich oder wahrschein­lich bei der Arbeit angesteckt haben. Doch auch Ange­hörige ander­er Berufe kön­nen in den BG-Kliniken lan­den – etwa solche mit viel Kun­denkon­takt, wie etwa Bankangestellte – oder Men­schen, die sich nach­weis­lich bei der Arbeit durch Kol­le­gen oder beim gemein­schaftlichen Trans­port angesteckt haben. COVID-19 kann auch hier unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen als Beruf­skrankheit oder als Arbeit­sun­fall eingestuft wer­den (siehe neben­ste­hen­den Kas­ten). Für diese Gruppe haben die BG-Kliniken einen eige­nen Post-COVID-Check entwick­elt – ein aufwändi­ges Diag­nose-Ver­fahren, für das die Pati­entin­nen und Patien­ten bis zu zehn Tage sta­tionär unter­sucht werden.

Stellen sich die „Nach­we­hen“ der Coro­na-Erkrankung als gravierend her­aus, kommt eine Reha­bil­i­ta­tion­s­maß­nahme in Betra­cht. Ist die Infek­tion nicht als arbeits­be­d­ingt anerkan­nt, tritt dabei – anders als in Mar­lenes Fall – die Renten­ver­sicherung in Aktion. Doch auch nach ein­er Reha-Maß­nahme ist in der Regel nicht gle­ich alles in But­ter, weshalb die Nach­sorge eine große Rolle spielt. Ist die Beruf­sgenossen­schaft zuständig, küm­mert sich beispiel­sweise der beauf­tragte Reha-Man­ag­er um die ambu­lante Weiterbetreuung.

Rückkehr ins Arbeitsleben

Die Chan­cen, dass die Betrof­fe­nen ins Arbeit­sleben zurück­kehren kön­nen, ste­hen let­ztlich gut. Wom­öglich gelingt dies nicht sofort, son­dern erst nach mehreren Monat­en oder nach einem Jahr, und wahrschein­lich mit ein­er stufen­weisen Wiedere­ingliederung, so Stegbauer. Und nicht immer kann man naht­los anknüpfen und weit­er­ma­chen wie zuvor: Nachtschicht komme für manche Beschäftigte nicht mehr in Frage, bei anderen ist die Umwand­lung ihrer Vol­lzeit- in eine Teilzeit-Stelle nötig. In etwa zehn Prozent der Post-COVID-Fälle rech­net Stegbauer mit ein­er dauer­haften Arbeitsunfähigkeit.

„Weib­lich­es Geschlecht und Übergewicht kristallisieren sich als Risiko­fak­toren für das Post-COVID-19-Syn­drom her­aus“, sagt Stegbauer. Der Impf­s­ta­tus scheine, genau­so wie die Schwere der COVID-19-Erkrankung, keine Rolle zu spie­len – aber valide Stu­di­en gäbe es dazu noch nicht. Und auch bei Omikron erwartet der Medi­zin­er keine Unter­schiede zur Delta-Vari­ante, was die Spät­fol­gen bet­rifft. „Ich denke, da kommt noch ein großes sozialpoli­tis­ches The­ma auf uns zu“, prog­nos­tiziert der Ärztliche Direktor.

Deshalb seine Mah­nung: „Die beste vor­beu­gende Maß­nahme gegen Post-COVID-19 ist, eine Infek­tion zu ver­mei­den: durch Impfen und durch Ein­hal­tung der bekan­nten Regeln wie Maske tra­gen, Lüften, Abstand hal­ten – und dies beson­ders auch in den Pausenräumen!


Foto: privat

Autorin:
Bernadett Groß
Freie Journalistin


Linktipps

  • Krisen-Coach­ing für Ver­ant­wortliche: Für ihre beson­ders von der Pan­demie betrof­fe­nen Ver­sicherten bietet die Betrieb­sgenossen­schaft für Gesund­heits­di­enst und Wohlfahrt­spflege Krisen-Coach­ing für Führungskräfte und Ver­ant­wor­tungstra­gende an. Weit­ere Infor­ma­tio­nen unter www.bgw-online.de The­men Gesund im Betrieb Psy­che und Gesund­heit Krisen-Coach­ing per Video oder Telefon
  • Umfassend und fach­lich fundiert über COVID 19 und mögliche Langzeit­fol­gen der Viruserkrankung informiert die Bun­deszen­trale für gesund­heitliche Aufk­lärung auf der Web­site „Infek­tion­ss­chutz“: www.informationsschutz.de Basis­in­for­ma­tio­nen Long COVID: Langzeit­fol­gen von COVID-19.
  • Für Betrof­fene oder Inter­essierte ste­ht auf der Web­site der Arbeits­ge­mein­schaft der Wis­senschaftlichen Medi­zinis­chen Fachge­sellschaften (AWMF) die Patien­ten­leitlin­ie „Post-COVID/­Long-COVID“ zum Down­load bere­it: www.awmf.org Leitlin­ien (Such­be­griff Post-COVID)

Anerkennung als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall

  • Beruf­skrankheit

COVID-19 kann bei Per­so­n­en als Beruf­skrankheit anerkan­nt wer­den, wenn sie als Folge ihrer Tätigkeit im Gesund­heits­di­enst, in der Wohlfahrt­spflege (zum Beispiel Behin­derten­werk­stät­ten oder Kinder­hil­fe) oder in einem Labor mit dem Coro­n­avirus SARS-CoV­‑2 infiziert wur­den und klin­is­che Symp­tome aufwiesen. Gle­ich­es gilt für Men­schen, die bei ihrer ver­sicherten Tätigkeit in einem beson­deren Maß der Infek­tion­s­ge­fahr aus­ge­set­zt waren, wie etwa Friseure. Treten erst später Gesund­heitss­chä­den auf, die als Folge der Infek­tion anzuse­hen sind, kann eine Beruf­skrankheit ab diesem Zeit­punkt anerkan­nt werden.

  • Arbeit­sun­fall

Liegen bei ein­er Infek­tion mit dem Coro­na-Virus SARS-CoV­‑2 keine Voraus­set­zun­gen ein­er Beruf­skrankheit vor, kann sie den­noch als Arbeit­sun­fall gel­ten: Die Infek­tion muss auf die ver­sicherte Tätigkeit zurück­zuführen sein, bei der nach­weis­lich entwed­er ein inten­siv­er Kon­takt zu ein­er infek­tiösen Per­son stattge­fun­den hat oder bei der es im Umfeld eine größere Anzahl infek­tiös­er Per­so­n­en gegeben hat. Dabei spie­len Art und Dauer des Kon­tak­ts, die räum­liche Sit­u­a­tion und andere Fak­toren eine Rolle. Hat eine Infek­tion auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg stattge­fun­den (etwa bei Fahrge­mein­schaften oder Grup­pen­be­förderung), kann auch ein Arbeit­sun­fall vor­liegen. In eng begren­zten Aus­nah­me­fällen kann sog­ar eine Infek­tion in Kan­ti­nen oder in Gemein­schaft­sun­terkün­ften als Arbeit­sun­fall anerkan­nt werden.

www.dguv.de


Long COVID / Post COVID

Die Begriffe Long COVID und Post COVID – eigentlich Long-COVID-Syn­drom und Post-COVID-Syn­drom (englisch long = lang; lateinisch post = nach) – haben sich in den let­zten Monat­en etabliert. Bei­de beze­ich­nen Beschw­er­den durch eine SARS-CoV-2-Infektion,

  • die über die akute Krankheit­sphase hin­aus entwed­er fort­dauern oder
  • die erst nach der akuten Phase aufge­treten sind, aber auf die Infek­tion zurück­ge­führt wer­den, oder
  • die zwar von ein­er Vor­erkrankung her­rühren, aber durch die Infek­tion (auch) nach der akuten Phase ver­schlim­mert sind.

Long COVID beze­ich­net dabei immer die Beschw­er­den, die später als vier Wochen nach der Infek­tion, Post COVID immer jene, die ab der zwölften Woche nach der ursprünglichen Infek­tion existieren. Die Beze­ich­nung Long COVID wird dabei noch nicht ein­heitlich ver­wen­det: Für die einen endet Long COVID mit Ende der elften Woche und wird dann durch Post COVID abgelöst; für die anderen beze­ich­net Long COVID die entsprechen­den Beschw­er­den nach der vierten Woche ohne zeitlich­es Ende – und ist somit ein Über­be­griff, der Post COVID mit einschließt.

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