Konzepte zur Hygiene und Desinfektion sind in allen Unternehmen eine Grundvoraussetzung dafür, dass der Betrieb auch in Zeiten der Corona-Pandemie aufrechterhalten werden kann. So senken präventive Maßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen oder ‑desinfizieren die Gefahr einer Infektion bei den Beschäftigten und die damit verbundenen Fehlzeiten. Neben der Ausbreitung der Coronaviren wird durch diese Maßnahmen zusätzlich auch die Übertragung anderer Krankheitserreger wie der Grippe- oder Noroviren erheblich eingedämmt.
Nicht auf Kosten der Haut
„Dabei gilt es jedoch stets, den Schutz der Haut nicht aus den Augen zu verlieren“, warnt Anja Dick, die beim Euskirchener Hersteller Peter Greven Physioderm (PGP) als Produktmanagerin Desinfektion tätig ist und sich intensiv mit der Thematik befasst. „Denn durch das häufige Händewaschen und durch die regelmäßige Verwendung von Händedesinfektionsmitteln wird die natürliche Schutzfunktion der Haut gestört und die Entstehung unangenehm juckender Handekzeme begünstigt.“ Hautkrankheiten – sowohl Hautkrebs durch UV-Strahlung als auch übrige Hauterkrankungen – waren dabei nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung auch 2019 wieder die mit Abstand größte Gruppe unter den bestätigten Berufskrankheiten. Experten gehen nun davon aus, dass die Zahl der Hauterkrankungen in Folge des häufigen Händewaschens während der Corona-Pandemie noch weiter zunehmen wird.
Drei-Säulen-Modell überholt
Ursprünglich war im beruflichen Hautschutz vom Drei-Säulen-Modell die Rede, worunter man ein systematisches und aufeinander abgestimmtes Konzept von Mitteln und Maßnahmen zum Hautschutz, zur Hautreinigung und ‑pflege verstand. Die Desinfektionsmittel spielten dabei bis dato keine entscheidende Rolle – von Branchen wie der Pflege oder der Lebensmittelindustrie abgesehen. „Wie wichtig Desinfektionsmittel für den reibungslosen Ablauf in fast jedem Berufszweig sind, zeigte sich bisher nur phasenweise, wie etwa während der jährlichen Grippesaison“, sagt Anja Dick. Das hat sich nun verändert: „Mit der Corona-Pandemie haben nun auch die Verantwortlichen aller Branchen die Bedeutung der Desinfektion erkannt, sodass sie nun allseits akzeptiert als die vierte Säule des Hautschutzes angesehen wird.“ Die Hautschutz-Verantwortlichen in den Betrieben werden sich also künftig intensiver mit dem Thema Händedesinfektionsmittel befassen müssen.
Zwei verschiedene Virentypen
Je nach Art des eingesetzten Wirkstoffs und dessen Einsatzkonzentration variiert das Wirkspektrum der verschiedenen Desinfektionsmittel. Dazu muss man wissen, dass sich Viren allgemein in zwei große Gruppen unterteilen lassen: in behüllte und unbehüllte Viren. Der Unterschied beruht auf dem Vorhandensein beziehungsweise Fehlen einer Lipidhülle, die sich auf die Stabilität des Erregers gegenüber Umwelteinflüssen sowie die Entdeckung durch das menschliche Immunsystem auswirkt. Auch die Beständigkeit der Viren gegenüber Desinfektionsmitteln wird hiervon beeinflusst.
Insgesamt lässt sich die Wirksamkeit von Händedesinfektionsmitteln gegenüber Viren in drei verschiedene Stufen unterteilen. Die meisten Desinfektionsmittel zeigen eine begrenzt viruzide Wirksamkeit, das heißt, dass sie lediglich gegenüber allen behüllten Viren aktiv sind. Dazu zählen beispielsweise Influenzaviren, aber auch SARS-CoV‑2. Daneben gibt es noch die begrenzt viruzid PLUS Wirkung, bei der auch recht viele lipophile, unbehüllte Viren inaktiviert werden, zum Beispiel Rota‑, Adeno- oder Noroviren. Nur wenige Desinfektionsmittel zeigen eine viruzide Wirksamkeit, also eine Wirksamkeit gegenüber allen Viren. Für die Anwendung in Unternehmen und im öffentlichen Bereich sind Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsbereich „begrenzt viruzid“ so gut wie immer völlig ausreichend, weil sie einen sehr großen Teil der vorkommenden Viren wirksam bekämpfen.
Pflegestoffe gewinnen an Bedeutung
Neben ihrer Wirksamkeit spielt auch bei Desinfektionsmitteln – wie bei allen Hautschutzmitteln – die Hautfreundlichkeit eine große Rolle. Pflegestoffe sind schon lange essentielle Bestandteile in der Kosmetik – sowohl in Hautschutz- und Hautpflegemitteln als auch in Hautreinigern dürfen sie nicht fehlen. Aber auch in Händedesinfektionsmitteln haben sie einen hohen Stellenwert. Denn durch häufiges Händewaschen oder Desinfizieren gehen der Haut Lipide verloren, und die Hände werden trocken und spröde.
Eine große Gruppe im Bereich der Pflegestoffe stellen die Rückfetter dar. Sie können gut in die Hornschicht der Haut eindringen und Fettverluste ausgleichen. Damit stärken sie die Schutzbarriere der Haut. Außerdem hinterlassen sie ein angenehm weiches Hautgefühl. Milchsäure dagegen ist Teil des Säureschutzmantels. Sie kontrolliert einerseits die bakterielle Besiedelung und bindet andererseits Feuchtigkeit. Weitere feuchtigkeitsspendende Substanzen, die auch natürlicherweise im Schutzfilm der Haut vorkommen, sind Urea, also Harnstoff, oder auch Glycerin.
Die Kombination ist entscheidend
Entscheidend ist jedoch immer die Kombination. „Unterschiedliche Pflegestoffe können sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Haut ergänzen, als Bestandteile in Desinfektionsmitteln aber auch deren Wirksamkeit beeinflussen“, erklärt Fachfrau Anja Dick. So gebe es Substanzen wie Glycerol, die ab einer gewissen Konzentration die bakterizide Wirksamkeit von alkoholischen Wirkstoffen beeinträchtigen können. Daneben gibt es aber auch die Milchsäure, die einen positiven Einfluss auf die viruzide Wirkung von Alkoholen hat. „Es kommt also immer auf das richtige Zusammenspiel der verschiedenen Inhaltsstoffe an, damit Händedesinfektionsmittel sowohl wirksam als auch hautfreundlich sind“, sagt Anja Dick.
Ob und welche Pflegemittel in einem Desinfektionsmittel enthalten sind, ist für die Anwender übrigens nicht leicht nachzuvollziehen. Denn bei den Inhaltsstoffen ist meist nur der Wirkstoffgehalt angegeben. Einige Hersteller legen ihren Produkten jedoch freiwillig Hautverträglichkeitsgutachten bei. In Sachen Wirksamkeit hingegen ist es für die Anwender transparenter: Listungen in den Desinfektionsmittellisten vom Verbund für angewandte Hygiene (VAH) beziehungsweise vom Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz (IHO) sind Merkmale für das Vorhandensein solcher Wirksamkeitsnachweise nach anerkannten Prüfnormen.
Aber nicht nur die Auswahl des richtigen Händedesinfektionsmittels ist für den beruflichen Hautschutz wichtig. Auch das Zusammenspiel der verschiedenen Säulen untereinander, also die optimale Kombination von Mitteln zum Hautschutz, zur Hautreinigung und zur Hautpflege – ist für das Gesamtkonzept entscheidend. „Jede der vier Säulen hat im Rahmen des beruflichen Hautschutzes ihren eigenen Stellenwert“, unterstreicht Anja Dick.