Desk Sharing revolutioniert die Bürowelt. Die Beschäftigten beziehen bei diesem Arbeitsorganisationskonzept jeden Tag oder zumindest mehrmals in der Woche einen neuen Schreibtisch. Laut einer Studie des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA) arbeiteten 2019/20 bereits 16 Prozent aller im Büro Beschäftigten an Desk-Sharing-Arbeitsplätzen. Dieser Trend, der in New Yorker und Londoner Büros bereits in den neunziger Jahren seinen Anfang nahm, hat durch die Pandemie nun weiter an Fahrt aufgenommen. Da viele Beschäftigte immer öfter im Homeoffice (und analog Selbstständige in ähnlich strukturierten „Co-Working-Spaces“) arbeiten, lohnt sich in vielen Fällen die Einrichtung fester Arbeitsplätze für die Unternehmen nicht mehr. Sie greifen stattdessen auf das flexiblere Desk Sharing zurück und halten nur noch eine bestimmte Anzahl an Büroarbeitsplätzen vor. So können sie die Gesamt-Büroflächen verkleinern und Kosten senken. Damit die Ergonomie nicht auf der Strecke bleibt, eignet sich die Investition in Büromöbel mit Memory-Funktion.
Wechselarbeitsplatz: Wo bleibt die Ergonomie?
Die Entscheidung für Desk Sharing bedeutet eine grundlegende Veränderung: Personalisierte Arbeitsplätze werden durch standardisierte Arbeitsplätze ersetzt. Die „One-Size-Fits-All“-Lösung („eine Größe muss für alle passen“) birgt aber Herausforderungen für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, denn die modernen Wechselarbeitsplätze sind noch weniger als die Arbeitsplätze in konventionellen Büros auf die einzelnen Arbeitnehmenden zugeschnitten. Das heißt, Schreibtisch- und Bürostuhleinstellungen entsprechen häufig nicht den individuellen Bedürfnissen.
Auch durch das allgemeine Büroraumkonzept könnten Gefährdungen entstehen, etwa wenn sich die Abmessungen für den Bildschirmarbeitsplatz ändern und dadurch die Bewegungsfreiheit der Beschäftigten eingeschränkt wird. Für die Betriebe ist es daher wichtig, bereits bei der Planung von Desk-Sharing-Arbeitsplätzen auf eine gute ergonomische Anpassbarkeit zu achten. Ein bedeutsamer Aspekt dabei: Bildschirm, Bürostuhl und Bürotisch müssen auf die Bedürfnisse der Ad-Hoc-Nutzerinnen und ‑Nutzer einstellbar sein. Bis zu 90 Prozent aller Beschäftigten wissen laut Studien aber nicht, worauf es dabei ankommt, beziehungsweise stellen ihre Büromöbel falsch ein.
Wie kann ergonomisches Arbeiten unter diesen Voraussetzungen dennoch möglich und praktikabel sein? Anders gesagt: Wie lässt es sich vermeiden, dass die Büromöbel jeden Tag mehr oder weniger mühsam neu eingestellt werden müssen, damit der Arbeitsplatz den eigenen Anforderungen entspricht?
Vorbild: Fahrersitze in modernen Autos
Ein Hamburger Start-up-Unternehmen hat sich daran gemacht, auf dieses Problem der neuen Arbeitswelt eine Antwort zu finden. Unter dem Slogan „Make any office yours“ („Mach jedes Büro zu deinem“) entwickelt die AdaptionLab GmbH Büromöbel und Software zur individuellen Einstellung. Christoph Janyska, Head of Business Operations im vierköpfigen Gründerteam, erklärt den verfolgten Ansatz: „Flexible Bürokonzepte erfordern auch flexible Arbeitsplätze. Die Technologie hierfür kennen wir schon seit Jahren von den Fahrersitzen der modernen Autos: die Memory-Funktion. So wird auch bei ständig wechselnden Nutzern die Ergonomie des Sitzes sichergestellt. Diese Technologie bieten wir nun auch im Büro mit Büromöbeln mit Memory-Funktion an.“
Die körperlichen Parameter der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer, die lokal in einer speziell dazu entwickelten App gespeichert sind, bestimmen dann Sitzhöhe und ‑tiefe, die Einstellung von Arm- und Rückenlehne und die Tischhöhe. Des Weiteren enthält die App einen digitalen Ergonomie-Berater, der bei der Ersteinstellung des Arbeitsplatzes unterstützt. „Über die App loggt der Beschäftigte sich an seinem Platz im Büro ein, indem er das Smartphone oder alternativ die NFC-Karte an die Dockingstation am Arbeitsplatz hält. Die Nahfeldkommunikationstechnik (NFC) am Platz verbindet sich mit dem Handy des Arbeitnehmers. Alle relevanten Parameter werden an Tisch und Stuhl gesendet und in Sekunden haben sich Tisch und Stuhl auf die Bedürfnisse des Beschäftigten eingestellt. Dieser ist zudem eingeloggt und kann sofort mit der Arbeit loslegen“, beschreibt Janyska den Vorgang. Mit Büromöbeln mit Memory-Funktion lässt sich jeder Arbeitsplatz blitzschnell ins eigene Büro verwandeln.
Bausteine des smarten Büros
AdaptionLab bietet somit die grundlegende Infrastruktur dafür, in der standardisierten Welt der Desk-Sharing-Büros gesundheitsorientierte Individualität zu ermöglichen. Die Stühle mit elektrifizierter Verstellung der Sitztiefe, ‑höhe und Armlehnen entwickelt das Start-up komplett selbst. In Sachen Schreibtisch integriert das Start-up die erforderliche Technologie in bestehende höhenverstellbare Gestelle. Das Gesamtsystem setzt sich aus den folgenden Bausteinen und Funktionen zusammen:
- Der höhenverstellbare Schreibtisch dient als Dock für den Bürostuhl. Er kann mit einem Akustikschutz und Display ausgestattet werden.
- Die NFC-Schnittstelle verbindet das Smartphone nahtlos mit den Möbeln (via Bluetooth) und verfügt über ein induktives QI-Ladepad.
- Mehrere Aktuatoren verfahren Tisch und Stuhl in die richtige Position.
- Herzstück der AdaptionApp ist die Memory-Funktion. Hier sind die gewünschten individuellen Parameter zur unmittelbaren Übertragung gespeichert. In die App integriert ist zudem ein digitaler Ergonomie-Coach, der bei der richtigen Ersteinstellung von Tisch und Stuhl hilft.
- Für ein Tisch- und Raumbuchungssystem, mit dem ein Arbeitsplatz reserviert werden kann, arbeitet das Start-up aktuell mit dem niederländischen Unternehmen GoBright B.V. zusammen.
- Integrierte LEDs und ein Display zeigen den Buchungsstatus des Arbeitsplatzes an – am Tisch und künftig auch am Stuhl.
VieIversprechende erste Bilanz
Im Februar 2020 nahmen die Gründer ihre Arbeit auf und bauten bereits im Sommer den ersten Demonstrator. Nun sucht AdaptionLab nach Unterstützung für die Produktion im industriellen Maßstab. Aktuell werden zehn Arbeitsplätze gefertigt, die in den nächsten Monaten an die Airline KLM im Zuge eines Pilotprojekts ausgeliefert werden. „Ende September 2021 gründeten wir offiziell. Und schon im Februar fragte der erste Großkunde an, ob wir ihre IT-Abteilung ausstatten“, erzählt Christoph Janyska – und freut sich auf die weitere Entwicklung: „Wer weiß: Eines nicht so fernen Tages mag AdaptionLab ein Synonym für gesundheitsorientierte und ergonomische Bürogestaltung sein, bei der das individuelle Wohlbefinden der Beschäftigten im Mittelpunkt steht.“ Dies erfolge nicht zuletzt im Eigeninteresse der Betriebe: „Die Gestaltung von gesunden und modernen Arbeitsplätzen wird zweifellos in Zukunft darüber mitentscheiden, ob Unternehmen als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden oder nicht“, ist sich der Gründer sicher.
Präsentation auf der OrgaTec 22: Bedarf deutlich erkennbar
Auch das Echo von der Büromesse OrgaTec 2022, bei der AdaptionLab mit einem Gemeinschaftsstand vertreten war, fiel vielversprechend aus. „Der Bedarf nach unserer Ergonomie-Lösung für New Work ist deutlich erkennbar. Die Ergonomie im geteilten Büro stellt für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar. Genau dazu konnten wir den Unternehmen unseren Lösungsansatz präsentieren und diese für Büromöbel mit Memory-Funktion begeistern.“
Autor:
Dr. Joerg Hensiek
Fachautor und freier Journalist