Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in einer Klinik ist leicht und schwer zugleich. Einerseits hat man therapeutische Kompetenz im Haus. Andererseits sind die Mitarbeiter als „Sachverständige“ teilweise nicht so leicht zu motivieren. Dass es möglich ist, zeigt die Universitätsmedizin Mannheim. Für ihr „exzellentes, nachhaltiges Gesundheitsmanagement“ erhielt sie den Corporate Health Award 2012.
Rund 4500 Mitarbeiter gehören zur Universitätsmedizin Mannheim. Die größte Berufsgruppe sind Ärzte und Pflegekräfte, natürlich gibt es aber auch Mitarbeiter in der Verwaltung oder für die gesamte Infrastruktur, etwa die Kantine, Apotheke usw. Das Durchschnittsalter liegt knapp unter 40 Jahren und ist damit relativ jung. Fehltage haben die gleichen Ursachen wie bei der übrigen Bevölkerung: Erkrankungen der Atemwege, des Skelett- und Muskelsystems usw. Vor allem Pflegekräfte leiden unter Rückenbeschwerden durch die Beanspruchung beim Heben oder Umbetten von Patienten.
Beratung gut genutzt
Auch psychische Probleme führen, zu meist längeren, Fehlzeiten. Die seelische Belastung gerade von Pflegekräften und Ärzten ist hoch, etwa wenn sie auf der Palliativstation schwerkranke Patienten behandeln, eine engere Beziehung zu Sterbenden aufbauen oder schwerwiegende medizinische Maßnahmen vermitteln müssen.
Seit einigen Jahren erhalten die Mitarbeiter Unterstützung durch ein EAP-Programm (employee assistance program, zu deutsch Mitarbeiterunterstützungsprogramm) des Unternehmens OTHEB. Basis ist eine rund um die Uhr verfügbare Telefonberatung durch geschulte Fachkräfte, wie Psychologen, Psychotherapeuten, Pädagogen oder Juristen. Bei Problemen können sowohl die Mitarbeiter als auch ihre mit im Haushalt lebenden Familienangehörigen sich bei einem vertraulichen persönlichen Gespräch Rat holen. Zuerst für bestimmte Brennpunkte wie Intensivstationen und Operationssäle eingerichtet, sollen demnächst noch weitere Stationen dazu kommen, so dass dann 20 bis 25 Prozent der Mitarbeiter unter diesem „Schirm“ stehen. Sie nehmen das Angebot gut an. „Man rechnet normalerweise mit einer Nutzung durch drei bis fünf Prozent der Mitarbeiter, bei uns sind es mehr als 25 Prozent,“ erklärt Torsten Hintz, Geschäftsbereichsleiter Personal und Logistik, der die Betriebsleitung des Klinikums im Arbeitskreis Gesundheitsmanagement vertritt. Er hebt hervor: „25 Prozent der Mitarbeiter, die EAP in Anspruch nehmen, sind Führungskräfte, und die wirken als Multiplikatoren. Wenn sie Führungsaufgaben thematisieren, profitieren davon auch ihre Mitarbeiter.“ Dass die Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, wie das Beratungsangebot EAP, auch wirken, ist den Verantwortlichen in der Universitätsmedizin Mannheim wichtig. So führen sie regelmäßig Erfolgsbewertungen durch. Für EAP zeigte sich ein positives Ergebnis: Nach seiner Einführung gingen die krankheitsbedingten Fehlzeiten signifikant zurück – auch im Vergleich mit anderen Intensivstationen.
Enge Zusammenarbeit mit Krankenkassen
In das Gesundheitsmanagement ist auch die Klinikseelsorge und Sozialberatung einbezogen, die sich jedes halbe Jahr mit dem Arbeitskreis Gesundheitsmanagement zum Austausch trifft. Zu diesem Arbeitskreis gehören neben dem Leitern des Gesundheitsmanagements und der Leiterin des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM), zwei extra geschaffene Stellen, unter anderem Vertreter der Berufsgruppen der Ärzte und der Pflege, aus den Dienstleistungscentern Therapie und der Verpflegungsbetriebe. Zu dieser Steuergruppe kommen unterstützende Partner wie intern der Betriebsrat, die Personalentwicklung und der Bereich Arbeitssicherheit, extern unter anderem die Krankenkassen. Bereits mit Einführung des BGM im Jahr 2008 hat man festgestellt, dass 78 Prozent aller Mitarbeiter bei vier großen Krankenkassen versichert waren. Jede dieser Kassen hat einen bestimmten Schwerpunkt in der Prävention, auf den das BGM im Klinikum bei Bedarf zurückgreift. Auch die Finanzierung läuft gemeinsam, Kassen und Unternehmen zahlen je zur Hälfte in den „BGM-Topf“ des Klinikums. Daten der Krankenkassen fließen zusammen mit eigenen Daten in den Gesundheitsreport ein, den das BGM für 80 Prozent der Klinik-Mitarbeiter erstellt. Durch ihn kann es Gesundheits-Maßnahmen ganz gezielt anbieten. Regelmäßige Befragungen der Mitarbeiter helfen zusätzlich deren Bedürfnisse zu ermitteln.
Massage und Rückenschule im Haus
Nach dem so genannten „Diamant-Modell“ setzt das BGM in sechs Bereichen an. Das sind Bewegung, Ernährung, Stressmanagement, Kommunikation, psychologische Beratung und die Unternehmenskultur. In der praktischen Umsetzung bedeutet das unter anderem: Die Kantine bietet kalorienreduziertes und gesundes Essen. Es gibt Bewegungsangebote, wie Skigymnastik oder eine Walkinggruppe, oder auch den „Pausenexpress“, mit 15-Minuten-Sequenzen von aktiver Pausengestaltung vor Ort. In Kooperation mit dem Dienstleistungscenter Therapie, also Ergo- und Physiotherapeuten, finden im hauseigenen Massageraum Entspannungskurse statt. Die Kinesthetik-Abteilung führt eine arbeitsplatzspezifische Rückenschule durch. Pfleger und Pflegerinnen bewegen sich den ganzen Tag, und wollen dann abends oft nur noch „die Beine hochlegen“. Reine Sportangebote sind bei ihnen nicht so gefragt, aber konkrete Hinweise für den Arbeitsalltag schon.
Die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen fördert ein interdisziplinäres Führungsmodul.
Einmal im Jahr organisiert das BGM außerdem einen großen Gesundheitstag, bei dem externe Angebote vorgestellt werden, denn die Mitarbeiter sollen ja auch in ihrem sozialen Umfeld aktiv sein können. Bereits einige Sportvereine haben sich hier präsentiert, darunter der deutsche Alpenverein, ein Reiterverein und ein Segelsportclub – vermittelt durch Kollegen, die dort Mitglieder sind. Gesundheitsdienstleister zeigen ihr Angebot, seien es gesunde Matratzen oder Kompressionsstrümpfe und die Besucher können an verschiedenen Stationen ihre Gesundheit oder Stressresistenz testen.
Man kann nur appellieren
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement will möglichst alle Beschäftigten erreichen. Schon bei der Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeiter, dies sind pro Quartal immerhin rund hundert, stellen sich BGM und BEM vor. Im Intranet gibt es eine Seite mit Informationen. Hier stehen unter anderem auch Videos, die das BGM zusammen mit Schülern produziert hat. Sie zeigen darin Bewegungsübungen, die jeder nachmachen kann. Demnächst soll ein Newsletter des BGM auch an die Privatadresse der Mitarbeiter gehen, denn dort haben sie mehr Muße sich mit Gesundheitsfragen zu beschäftigen.
Ärzte sind nicht gesünder als andere Berufsgruppen, um sie persönlich anzusprechen, erbittet sich das BGM Gesprächszeit in den Frühbesprechungen. Thorsten Hintz: „Man kann nur appellieren. Das ist schwer genug, bei Angehörigen von Berufsgruppen, die für Gesundheit zuständig sind.“ Da sich die BGM-Verantwortlichen dieses Dilemmas bewusst sind, tun sie einiges dafür, die Mitarbeiter zu motivieren. So sprechen sie zum Beispiel verschiedene Bereiche auf Ideen für ein BGM-Projekt an. Besonders interessante Beiträge wählen sie aus und begleiten sie. Weiter haben sie im Jahr 2013 eine Vortragsveranstaltung geplant. „Ärzte muss man wissenschaftlich und herausfordernd ansprechen“, meint Hardy Reckling, der Leiter des Gesundheitsmanagements. Auf dem Programm stehen unter anderem „Gesunder Schlaf aus der chinesischen Medizin betrachtet“, und „Neurokommunikation“ zum Thema Kommunikation und Führen. Ob die Vorträge das Interesse geweckt haben, wird später in einem Notensystem abgefragt. Weiteres Vorhaben für 2013: „Wir wollen uns gezielt mit den älteren Mitarbeitern befassen“, sagt Torsten Hintz. „Denn bei den jüngeren Beschäftigten des Universitätsklinikums Mannheim ist die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage signifikant niedriger als im Branchendurchschnitt, aber in der Altersgruppe der 49- bis 55-Jährigen nimmt die Krankheitshäufigkeit und ‑dauer über dem Schnitt zu.“ Demografie ist also auch hier ein Thema.
Zuerst einmal freuen sich die Gesundheitsmanager von der Universitätsmedizin Mannheim aber über die Verleihung des Corporate Health Award 2012. Schließlich sind sie das erste so genannte Maximalversorgungshaus, das den Preis in der Kategorie Gesundheits- und Sozialwesen bekommen hat. Mit fast 300 Bewerbern hatten sich 2012 so viele Unternehmen wie noch nie beworben. Prämiert werden Unternehmen, die sich in besonderer Weise für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter einsetzen. Besonders hoben die Juroren beim Gesundheitsmanagement der Universitätsmedizin Mannheim die Nachhaltigkeit und Einbindung der Führungskräfte hervor.
Universitätsklinikum Mannheim
Das Mannheimer Universitätsklinikum verfügt entsprechend dem Auftrag als Krankenhaus der Maximalversorgung über ein breit gefächertes Spektrum in Diagnostik und Therapie. Rund 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für die 69.000 stationären und teilstationären Patienten und 209.000 ambulanten Patienten, die in den 30 Kliniken und Instituten behandelt werden. Über 500 Auszubildende lernen im Klinikum einen Beruf. Die hier angesiedelte Medizinische Fakultät gehört zur Universität Heidelberg. Die Infrastruktur des Klinikums aufrecht zu erhalten erfordert einen hohen Aufwand. Der Stromverbrauch liegt in der Größenordnung einer Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern. Der Reinigungsdienst muss täglich eine Fläche von 150.000 Quadratmetern sauber halten.
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