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Souverän kommunizieren – auch in Extremsituationen

Unfall, Notfall, Krise
Souverän kommunizieren – auch in Extremsituationen

Souverän kommunizieren – auch in Extremsituationen
© ashtproductions - stock.adobe.com
Dr. Friedhelm Kring

Ob Arbeit­sun­fall, Naturkatas­tro­phe oder Hack­eran­griff – in jedem Unternehmen kön­nen Extrem­si­t­u­a­tio­nen ein­treten, in denen es auf ein schnelles und gezieltes Han­deln ankommt. Fatal ist, wenn sich eine Ret­tung oder Schritte zur Gefahren­ab­wehr verzögern, weil Alarmierung und Infor­ma­tion­sweit­er­gabe gestört sind. Damit die Kom­mu­nika­tion nicht zum Nadelöhr wird, soll­ten Unternehmen jedoch nicht nur in die Sicher­heit­stech­nik investieren, son­dern auch beim men­schlichen Han­deln ansetzen.

Fehler aufgrund misslungener Kommunikation

Laut Stu­di­en geht jed­er dritte Fehler in der Inten­sivmedi­zin auf eine miss­lun­gene Kom­mu­nika­tion der beteiligten Ärzte und des OP-Per­son­als zurück. Dass auch in anderen Branchen und Berufen Kom­mu­nika­tion­s­män­gel nicht sel­ten Fehler und Schä­den nach sich ziehen, wird nie­mand bestre­it­en. Dies gilt umso mehr in Extrem­si­t­u­a­tio­nen. Der von der Leit­er gestürzte Kol­lege, das plöt­zliche Auf­flack­ern eines Feuers, aber auch eine Maschi­nen­störung oder ein Stro­maus­fall haben eines gemein­sam: Es kommt nicht nur auf das rasche Han­deln an, etwa Erste Hil­fe zu leis­ten oder den Feuer­alarm auszulösen. Eben­so wichtig ist, dass die betrof­fe­nen Beschäftigten möglichst sou­verän kom­mu­nizieren, um die Sit­u­a­tion zu bewälti­gen. Psy­chis­che wie auch tech­nis­che Aspek­te kön­nen dies erschweren.

Psyche unter Druck: Wenn uns die Worte fehlen

Not­fall­si­t­u­a­tio­nen erfordern eine hohe Kom­mu­nika­tions­dichte und eine schnelle Kom­mu­nika­tion­s­geschwindigkeit. Bei einem Unfall ist wichtig, dass der Ret­tungs­di­enst unverzüglich erre­icht wird. Doch eben­so gilt: Je geziel­ter und kor­rek­ter die Infor­ma­tio­nen sind, desto angemessen­er kann das Unfal­lopfer ver­sorgt und Spät­fol­gen vorge­beugt werden.

Doch ger­ade, wenn es darauf ankommt, ver­sagen allzu leicht unsere kom­mu­nika­tiv­en Fähigkeit­en. Die Redewen­dung, dass es uns „die Sprache ver­schlägt“ macht dies deut­lich. Jed­er Not­fall erzeugt einen hohen Stresspegel, der uns regel­recht block­ieren kann. Das kann so weit führen, dass uns die Notrufnum­mer nicht mehr ein­fällt oder die Haus­num­mer unseres Betriebs. Nie­mand ist davor gefeit, unter Druck zu stam­meln, zu stot­tern, sich zu ver­sprechen und somit die Ret­tungs­kette zu verzögern. In diesem Moment kön­nen Fehler sich jedoch fatal auswirken und die Fol­gen irre­versibel sein.

Jed­er sollte daher in seinem Arbeit­sum­feld darauf acht­en, dass Not­fall­rufnum­mern aushän­gen, dass diese Aushänge aktuell sind oder dass in Unter­weisun­gen die 5 W‑Fragen der Not­fallmel­dung eingeprägt wer­den. Betrieb­san­weisun­gen von Maschi­nen und Anla­gen soll­ten Hin­weise auf das Ver­hal­ten bei ein­er Störung enthal­ten. Bei sicher­heit­srel­e­van­ten Anla­gen, Überwachung­sein­rich­tun­gen oder anderen kom­plex­en Sys­te­men kön­nen weit­ere Infor­ma­tio­nen notwendig sein, etwa ein Aushang, wer bei Aus­fall, Störung, Warn­mel­dun­gen et cetera auf welche Weise zu informieren ist. Auch in Not­fallpla­nun­gen zu Naturge­fahren sind die Infor­ma­tion­swege einzu­binden. Im Fall der Fälle sollte klar sein, wer wen auf welche Weise informiert, betrieb­sin­tern wie nach außen zu Behör­den, Feuer­wehr, Versicherungen.

Tücken und Grenzen technischer Lösungen

Mobil­funknet­ze und Smart­phones für jed­er­mann erle­ichtern zweifel­los das Alarmieren in einem Not­fall. Auch in der Überwachung von Prozessen und von sicher­heit­skri­tis­chen Para­me­tern haben Dig­i­tal­isierung, Automa­tisierung und smarte Sen­sorik die Sicher­heit­slö­sun­gen vor­ange­bracht. Doch die Frage muss erlaubt sein, wann und wo der Men­sch zu sehr Ver­ant­wor­tung an eine Tech­nik abgibt und dadurch wiederum unselb­st­ständi­ger und hil­flos­er wird.

Jed­er hat bere­its über kuriose Fälle geschmun­zelt, in denen Aut­o­fahrer vom Navi geleit­et ihr Fahrzeug auf eine Skip­iste, eine Fußgänger-Treppe oder in einen Fluss steuern. Oder man amüsiert sich über den Fam­i­lien­vater, der mit einem Störsender ver­hin­dern wollte, dass seine Kinder im Inter­net sur­fen, und damit das kom­plette Mobil­funknetz an seinem Wohnort lahm­legte. Doch kön­nten ver­gle­ich­bare Vor­fälle nicht auch den eige­nen Betrieb betr­e­f­fen? Blindes Ver­trauen auf dig­i­tale Helfer kann fatal sein, ins­beson­dere wenn die Tools und Tech­nolo­gien sicher­heit­srel­e­vant sind.

Abhängigkeit ausloten und kritisch hinterfragen

Auch in der eige­nen Arbeit­sumge­bung ist es daher eine gute Idee, ein­mal selb­stkri­tisch zu hin­ter­fra­gen, wie sehr man beim Bewälti­gen ein­er Not­fall­si­t­u­a­tion von tech­nis­chen Voraus­set­zun­gen abhängig gewor­den ist. Wie nüt­zlich ist zum Beispiel die tolle Erste-Hil­fe-App, wenn im Ern­st­fall der Handy-Akku ger­ade leer ist, Ver­band­szeug fehlt oder einem bewusst wird, dass man die Herz-Lun­gen-Wieder­bele­bung nie aktiv geübt hat? Welche Kom­mu­nika­tions- und Infor­ma­tion­swege bleiben, wenn – etwa bei Hochwass­er oder Sturm – Tele­fon­net­ze und Online-Verbindun­gen aus­fall­en? Welche Maschi­nen und Anla­gen wer­den durch Mobil­geräte ges­teuert und was passiert, wenn einem dabei das Tablet aus der Hand fällt? Wie reagieren die Alarmierungs‑, Überwachungs- oder Zutrittskon­troll­sys­teme des Betriebs bei Stro­maus­fall, ein­er Net­zstörung oder einem Hack­eran­griff und wann wurde dies zulet­zt simuliert und kri­tisch geprüft?

Souverän Kommunizieren

Unternehmen investieren oft viel in Sicher­heit­stech­nik und hochw­er­tige Gerätschaften, doch im Fall der Fälle kommt es den­noch auf die han­del­nden Per­so­n­en an. Strate­gien zum Sich­er­stellen ein­er effizien­ten Kom­mu­nika­tion bei Not­fällen soll­ten auf bei­den Ebe­nen anset­zen, bei der Tech­nik wie beim Men­schen. Not­fall­si­t­u­a­tio­nen sind nur bed­ingt vorausse­hbar, zudem entwick­eln sie leicht eine Eigen­dy­namik. Den­noch lassen sich durch Ret­tungs- und Evakuierungsübun­gen Ver­hal­tensweisen trainieren und ein­prä­gen. Dabei ist auch das Kom­mu­nika­tionsver­hal­ten kri­tisch zu beobacht­en und auszuw­erten. Hier geht es nicht nur um ein möglichst rasches und zielführen­des Alarmieren, son­dern auch um das sou­veräne Kom­mu­nizieren untere­inan­der und vor allem mit den Unfal­lopfern. Wird beruhigt, Sicher­heit ver­mit­telt oder Panik ver­bre­it­et? Erfahren Ver­let­zte, dass der Arzt unter­wegs ist, sie gle­ich ver­sorgt wer­den und solange nicht allein bleiben?

Genau­so wichtig ist in ein­er solchen Sit­u­a­tion neben dem Reden das Zuhören, etwa wenn das Unfal­lopfer darum bit­tet, Ange­hörige zu informieren. Je mehr man sich auf solche Sit­u­a­tio­nen men­tal vor­bere­it­et und dies in Übun­gen erleb­bar macht, desto eher wird man im Ern­st­fall in der Lage sein, angemessen zu reagieren und zu kommunizieren.

Eine Not­fall­si­t­u­a­tion kann extrem belas­tend sein. Alarm­rufe, Schmerzenss­chreie, Sire­nenge­heul und andere Wahrnehmungen strö­men gle­ichzeit­ig auf uns ein und die Gefahr ist groß, den Überblick zu ver­lieren. Nicht immer ist automa­tisch klar, was nun genau zu tun ist. Hier set­zt das 10-für-10-Prinzip an: Zehn Sekun­den für zehn Minuten oder anders for­muliert: Bess­er zehn Sekun­den innehal­ten und über­legen als zehn Minuten in die falsche Rich­tung ren­nen. Schnelles Han­deln ja, aber gezielt und ohne Aktion­is­mus. Auch dies lässt sich (in Gren­zen) simulieren und einüben, um im Fall der Fälle mit der Sit­u­a­tion ver­trauter zu sein und einem Kon­trol­lver­lust vorzubeugen.


Erhöhtes Risiko durch falsches Sicherheitsgefühl?

Die Berg­wacht warnt, dass das all­ge­gen­wär­tige Handy viele Wan­der­er leichtsin­niger wer­den lässt. Wer kann noch eine Land­karte lesen oder die Him­mel­srich­tung bes­tim­men, wenn das Navi aus­fällt und das Smart­phone kein Netz find­et? Solche Über­schätzun­gen ein­er­seits und Schwächen ander­er­seits kön­nen auch im Betrieb lauern. Ger­ade Sicher­heits­beauf­tragte soll­ten ein sen­si­bles Auge dafür haben, wo Kol­le­gen unnötig hohe Risiken einge­hen, weil sie sich zu sehr auf tech­nis­che Unter­stützung ver­lassen. Beson­ders für kom­mu­nika­tiv anspruchsvolle Sit­u­a­tio­nen wie etwa bei Alleinar­beit oder in lär­menden Umge­bun­gen soll­ten klare Regeln gelten.

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