Jeder kann ihnen zum Opfer fallen. Ötzi hat es ebenso erwischt wie Bastian Schweinsteiger. In den letzten Tagen häufen sich wieder die Meldungen zu einer wachsenden Gesundheitsbedrohung durch Zecken. Doch lauert tatsächlich eine Zecke in jedem Gebüsch und bedroht uns mit heimtückischen Krankheiten — Stichwort Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) und Borreliose? Darf man jetzt zu allem Übel durch Corona und Lockdown nicht mal mehr unbeschwert durch den Wald joggen? Der folgende Beitrag ordnet die Fakten ein und klärt auf, wer sich wo durch eine Zeckenimpfung schützen sollte. Im Beitrag „So schützen Betriebe ihre Outdoor-Mitarbeiter vor Zeckengefahren“ beleuchten wir, was dies für Beschäftigte in Freilandberufen bedeutet.
- Ein Parasit als Krankheitsüberträger
- Mal Zeckenbiss, mal Zeckenstich? Was stimmt denn nun?
- Warum Zecken harmlos sind, ihr Stich aber gefährlich werden kann
- FSME-Zahlen auf Rekordniveau – 5 neue Risikogebiete
- Was bedeutet Risikogebiet?
- Was uns bedroht, freut die Zecke: Klimawandel und Corona-Pandemie
- Der Schutz durch die Zeckenimpfung
- Keine Panik – Längst nicht jeder Zeckenstich macht krank!
Ein Parasit als Krankheitsüberträger
Bei dem angsterregenden Übeltäter geht es um ein winziges Tier, das nicht mal einen Millimeter groß wird. Die Schildzecke, auch Holzbock genannt, ist eine von rund 900 Zeckenarten. Alle Zecken sind Parasiten, die ein anderes Lebewesen als sogenannten Wirt benötigen. Viele Arten leben gänzlich oder zeitweise als Parasiten an Wirbeltieren und ernähren sich von deren Blut. Dabei können sie Krankheiten übertragen — weltweit mehr als 50 -, von denen viele zum Glück eher selten sind. Die beiden in Deutschland gefährlichsten durch Zecken übertragenen Erkrankungen sind als FSME und Borreliose bekannt.
Mal Zeckenbiss, mal Zeckenstich? Was stimmt denn nun?
In Diskussionen zu Zeckengefahren ist oft von einem Zeckenbiss die Rede, andere nennen es Zeckenstich. Um zu klären, welche Bezeichnung die richtige ist, muss man genau hinschauen. Die korrekte Antwort hängt auch davon ab, wie man Biss oder Stich definiert. Denn Zecken haben kein Gebiss im Sinne der Zahnreihen von Hund oder Mensch, also können sie nicht beißen, so wie wir es verstehen. Sie verfügen andererseits aber auch nicht über einen innen hohlen Stachel am Hinterleib, wie wir ihn von Wespen oder Mücken fürchten.
Zecken verfügen über spezielle Mundwerkzeuge, die auf das Saugen von Blut spezialisiert sind. Dazu gehören scharfkantige und scherenartige Kieferklauen, mit denen sie die Haut aufritzen und sich an der Wunde verankern. Anschließend schiebt die Zecken ihren sogenannten Stechrüssel in die offene Stelle. Dieser ist mit Widerhaken versehen und ähnelt einer schmalen offenen Rinne, durch die die Zecke das Blut saugt. Aus Sicht der Zoologen ist in der Gesamtbetrachtung dieses Vorgangs Stechen die exaktere Bezeichnung als Beißen.
Warum Zecken harmlos sind, ihr Stich aber gefährlich werden kann
Die Zecke selbst ist für den Menschen allenfalls lästig. Den Verlust der winzigen Menge Blut spüren wir nicht. Gefährlich wird eine Zecke, weil sie Krankheitserreger in sich tragen kann, die durch das Blutsaugen in unseren Körper gelangen. Für den Menschen sind dabei zwei Krankheiten besonders relevant:
- Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME), eine Virusinfektion, die grippeähnliche Symptome auslösen kann wie Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen und in schweren Fällen zu einer Hirnhaut- und Hirnentzündung führt. Erkrankte können vollständig genesen, das Virus kann auch zu bleibenden Lähmungen oder zum Tod führen.
- Lyme-Borreliose, eine bakterielle Erkrankung, die meist mit einer Hautrötung beginnt und zu Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen führt. Besonders tückisch ist, dass die Bakterien noch Monate und Jahre nach dem Zeckenstich auch Gehirn und Nerven (Neuroborreliose) und Gelenke (Lyme-Arthritis) befallen können. Es drohen Lähmungserscheinungen, schmerzhafte Nervenentzündungen, Gelenkbeschwerden und Herzprobleme.
Der Infektionsweg Zeckenstich ist für beide Erkrankungen sehr ähnlich, die Unterschiede fasst die folgende Tabelle zusammen.
Wichtigste durch Zecken übertragene Krankheiten in Deutschland | Frühsommer-Meningoenzephalitis | Lyme-Borreliose |
Erreger | FSME-Virus | Bakterium Borrelia burgdorferi |
Durchseuchung der Zecken | bis zu 5 % | 10 bis 30 % |
Vorkommen „infizierter“ Zecken | Süden und Mitte mit Ausbreitungstendenz | flächendeckend in ganz Deutschland |
Übertragung | Zeckenstich | Zeckenstich |
Zeitpunkt der Infektion | ab dem Festbeißen der Zecke | 12 bis 24 h nach dem Festbeißen |
Impfung | möglich | nicht möglich |
medikamentöse Behandlung | keine, nur symptomatisch | Antibiotika |
Neue Fälle pro Jahr | ca. 400 — 700 | ca. 40.000 — 120.000 |
FSME-Zahlen auf Rekordniveau – 5 neue Risikogebiete
Da die Warnungen vor Zecken und steigenden Infektionsrisiken in jedem Frühling erneut auftauchen, werden sie manchmal als übertrieben abgetan. Richtig ist, dass wir bei durch Zecken übertragenen Krankheiten weit entfernt sind von einer explosionsartigen Zunahme oder einer mit den Corona-Wellen vergleichbaren Entwicklung. Dies ist aber kein Anlass zur Verharmlosung. Denn sowohl FSME wie Borreliose können schwerwiegende Folgen haben und zu anhaltenden Gesundheitsschäden führen und die Zahl der Opfer wächst.
Fakt ist, dass 2020 in Deutschland so viele FSME-Erkrankungen bekannt wurden wie seit fast 20 Jahren nicht mehr und Experten für 2021 neue Rekordwerte prognostizieren. Auch die Schweiz und Österreich melden steigende Zahlen bei den von Zecken übertragenen Krankheiten. Für 2021 hat das Robert-Koch-Institut (RKI) fünf neue Risikogebiete ausgewiesen: die Landkreise Dillingen an der Donau (Bayern), Fulda (Hessen), Mittelsachsen (Sachsen) und Weimarer Land (Thüringen) sowie den Stadtkreis Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt).
Was bedeutet Risikogebiet?
FSME ist eine meldepflichtige Erkrankung, daher werden alle bekannt gewordenen Fälle vom RKI erfasst und ausgewertet. Anhand dieser Zahlen werden dann auf Kreisebene Inzidenzen und Risiken ermittelt. Risikogebiet bedeutet, dass 0,1 bis 3 Prozent der Zecken in dieser Region das FSME-Virus in sich tragen können.
Etwa jeder dritte Kreis in Deutschland ist inzwischen Risikogebiet. Bayern und Baden-Württemberg sind großflächig betroffen, aber es kommen immer mehr Kreise hinzu aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und bis nach Niedersachen. Ob man in einem Gebiet mit erhöhtem FSME-Risiko lebt oder arbeitet, kann man auf der Karte der FSME-Risikogebiete in Deutschland sehen.
Wichtig zum Verständnis ist, dass sich ein Risikogebiet stets allein auf FSME bezieht. Für Borreliose gibt es keine solchen Karten, die Krankheit ist nur in einigen Bundesländern meldepflichtig.
Was uns bedroht, freut die Zecke: Klimawandel und Corona-Pandemie
Wer die Situation verfolgt, kann beobachten, wie die Risikogebiete sich in den letzten Jahren immer weiter ausdehnen. Die Gründe dafür sind zwar nicht genau bekannt, doch die Experten gehen davon aus, dass der Klimawandel der Zecke zugutekommt. Denn die Plagegeister mögen es warm und werden erst ab etwa 8 °C aktiv. Daher wurde eine Infektionsgefahr früher eher zwischen März und Oktober angenommen. Doch inzwischen werden in milden Wintern selbst im Januar bereits Fälle von FSME nachgewiesen.
Für die Zunahme an zeckenbedingten Erkrankungen in 2020 wird außerdem der Lockdown mitverantwortlich gemacht. Denn je mehr Menschen bei schönem Wetter ihre Zeit draußen verbringen, desto mehr Personen werden sich infizieren.
Irrtümer aufgelöst – 10 Fakten über Zecken
Über Zecken sind allerlei Irrtümer und Mythen im Umlauf. Nachfolgend 10 Fakten, die mit Fehlvorstellungen aufräumen:
- Zecken sind keine Insekten (6 Beine), sondern gehören mit ihren 8 Beinen zu den Spinnentieren.
- Eine Zecke sieht ihr Opfer nicht. Sie späht uns nicht mit den Augen aus, sondern sie reagiert auf Gerüche im Schweiß, ausgeatmetes CO2 sowie Körperwärme.
- Zecken springen nicht von Bäumen, sondern sitzen auf Kniehöhe im Unterholz und hohem Gras und werden dort leicht abgestreift.
- Zecken leben nicht nur im Wald, sondern auch in Gärten und Parks, auf Spielplätzen, Grillstellen, Campingplätzen, Friedhöfen usw.
- Zeckenbiss oder Zeckenstich? Zwar setzen Zecken scharfkantige Mundwerkzeuge ein, um sich in die Haut zu beißen, aber die eigentliche Verletzung besteht darin, dass die Zecke uns ihren Stechrüssel in die Haut rammt. Zeckenstich ist daher die exaktere Bezeichnung.
- Zeckenstiche bemerkt man deshalb so spät, weil sie – anders als bei Mücken oder Wespen – selten weh tun oder jucken. Der Grund: Die Zecke gibt beim Stich ihren Speichel in die Wunde ab und dieser enthält schmerzstillende und gerinnungshemmende Substanzen. Durch diesen Trick betäubt die Zecke ihr Opfer und kann so unbemerkt sitzen bleiben und sich am Blut laben.
- Eine Zecke kommt monatelang ohne Nahrung aus. Findet sie jedoch ein Opfer, saugt sie sich mit Blut bis zum 100fachen ihres Eigengewichts voll.
- Zecken mögen es feucht und sind hart im Nehmen. Sie überleben bis zu 3 Wochen im Wasser und selbst ein Bad in der Waschmaschine bei 40 Grad.
- Eine Zeckenschutzimpfung schützt nicht vor Zecken, sondern vor der durch Zecken übertragenen Infektion mit FSME.
- Zeckenerkrankungen sind nicht ansteckend, weder FSME- noch Borreliosepatienten können andere Menschen infizieren.
Der Schutz durch die Zeckenimpfung
Die gute Nachricht ist, dass gegen eine Erkrankung an der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wirksame Impfstoffe verfügbar sind. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt diesen Impfschutz für jeden, die sich in einem FSME-Risikogebiet aufhält und dort das Risiko für einen Zeckenstich besteht. Diese Empfehlung gilt unabhängig davon, ob man sich aus privaten Gründen, etwa beim Spazierengehen, Grillen oder im Urlaub naturnah in einem FSME-Risikogebiet aufhält, oder ob der Aufenthalt in einer gefährdeten Region berufliche Gründe hat.
Jeder Hausarzt oder auch Betriebsarzt kann diese Impfung durchführen. Bei erstmaliger Impfung erfolgt zunächst eine Grundimmunisierung in drei Schritten innerhalb bestimmter Abstände im Lauf eines Jahres. Schon etwa 2 Wochen nach dem zweiten dieser drei Impftermine ist für 90 Prozent der Geimpften ein wirksamer Schutz gegeben. Gemäß dem festgelegten Impfschema erfolgt nach 3 Jahren eine Auffrischimpfung, die dann – ienach Impfstoff – alle 5 Jahr, bei älteren Personen ggf. auch alle 3 Jahre wiederholt werden sollte. Diese Zeckenschutzimpfung gilt als der sichersten Schutz vor einer FSME-Erkrankung. Zu einem analogen Schutz gegen eine Erkrankung an der Borreliose wird derzeit kein Impfstoff angeboten.
Hinweis: Wer kurzfristig einen Aufenthalt in einem FSME-Risikogebiet plant, ob für einen Urlaub oder aus beruflichen Gründen, und noch nicht über einen Impfschutz verfügt, sollte dies mit seinem Hausarzt oder Betriebsarzt besprechen. Der Arzt kann dann evtl. nach einem für solche Situationen entwickelten Schnellschema von den ansonsten üblichen Impfabständen abweichen und Termine vorziehen, so dass möglichst schnell ein ausreichender Impfschutz aufgebaut wird.
Keine Panik – Längst nicht jeder Zeckenstich macht krank!
Last, not least sollte aller berechtigte Respekt vor zeckenübertragenen Krankheiten nicht dazu führen, dass man sich der Erholung in der Natur verweigert oder in einem Freiland-Beruf nur noch mit einem beklemmenden Gefühl zur Arbeit geht. Angst ist selten gut für die Gesundheit und auch bei einem akuten Zeckenstich ist keine Panik angebracht. Bewusst bleiben sollte man sich stets:
- Längst nicht jede Zecke ist infiziert.
- Längst nicht jede Infektion führt zu einer Erkrankung.
- Längst nicht jeder Erkrankung verläuft schwer oder mit bleibenden Folgen.
Eine Infektion mit dem FSME-Virus kann unbemerkt bleiben oder nur leichte Symptome auslösen. In 7 von 10 Fällen verläuft sie harmlos.
Nur etwa einer von 100 Menschen erkrankt nach einem Zeckenstich an Borreliose. Die Krankheit lässt sich mit Antibiotika behandeln und heilt meist ohne bleibende Schäden aus. Die gefährlichen späten Stadien treten eher selten auf, Neuroborreliose bei etwa 3 % der Erkrankten auf, die Lyme-Arthritis bei etwa 2 von 100.
Fakt bleibt dennoch, dass beide Erkrankungen schwerwiegende Folgen haben können. Und noch weiß die Medizin zu wenig darüber, warum manche Menschen schwer erkranken und andere gar nicht. Die Klimaprognosen lassen erwarten, dass sich zum einen die Risikogebiete weiter ausdehnen und zum anderen die Zeckensaison verlängert. Das Thema Zecken und wie man sich vor Erkrankungen schützen kann, wird uns daher weiter beschäftigen.
Autor: Friedhelm Kring