Mit dem Arbeitsschutzausschuss (ASA) wurde vom Gesetzgeber im Jahr 1973 ein Beratungsorgan für den innerbetrieblichen Arbeitsschutz eingeführt, das es in dieser Form vorher noch nie gegeben hat. Jeder Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten ist seitdem laut Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) verpflichtet, einen ASA einzurichten – „hat zu bilden“ heißt es hierzu im ASiG, das 1974 in Kraft trat. Denn anders als etwa der Betriebs- oder Personalrat gehört der ASA zu den Pflichteinrichtungen eines Betriebes: Der Arbeitgeber muss den Arbeitsschutzausschuss ins Leben rufen und auch am Leben erhalten.
Wichtig: Direkt vor Ort
Der ASA ist damit der Mittelpunkt der Arbeitsschutzorganisation in jedem deutschen Betrieb. Das heißt, nicht nur jedes Unternehmen, sondern schon jeder selbstständige Betrieb muss über dieses Beratungsorgan verfügen. Nach Betriebsverfassungsgesetz gelten Betriebe dann als selbstständig, wenn sie räumlich vom Hauptbetrieb getrennt sind und einen eigenen Aufgabenbereich und eine eigene Organisation besitzen. Sinn des ASA ist es nämlich, dass konkrete Probleme der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes direkt vor Ort diskutiert werden können und dies nicht fernab der meisten Beschäftigten in der Zentrale eines Unternehmens geschieht. Der ASA tagt in festgelegter Zusammensetzung regelmäßig, wobei die Abstände zwischen den Sitzungen gesetzlich nicht festgelegt sind – er muss aber zumindest einmal im Vierteljahr zusammenkommen.
ASA: Plattform für Arbeitsschutz-Experten
Im ASA versammeln sich die Arbeitsschutzfachleute des Betriebs zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit. Der gesetzliche Auftrag lautet wörtlich: „Die Anliegen des Arbeitsschutzes beraten.“ Oberste Ziele der Beratungen sind die Verbesserung des betrieblichen Arbeitsschutzes und die Unterstützung der Verantwortlichen im Betrieb bei allen Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes. Dazu werden das Unfallgeschehen im Betrieb, genauso wie potenzielle Unfall- und Gesundheitsrisiken besprochen und analysiert sowie sicherheitsrelevante Entscheidungen beraten, vorbereitet und getroffen.
Gegenstand der Beratungen können aber auch Vorschläge über betriebliche Investitionen mit Arbeitsschutzrelevanz, der Einsatz neuartiger Persönlicher Schutzausrüstungen sowie geeignete Schutzmaßnahmen bei der Einführung neuer Arbeitsverfahren beziehungsweise neuer Arbeits- oder Gefahrstoffe sein. Immer öfter werden neben den vorrangigen Themen des Arbeitsschutzes auch Fragen der Unternehmenskultur mit direktem oder indirektem Bezug zum Arbeitsschutz diskutiert, wie zum Beispiel Mobbing am Arbeitsplatz, das Zeitmanagement der Beschäftigten oder Angebote zur gesundheitlichen Prävention.
Grundsätzlich nur Vorschlagsrecht
Wie auch sonst in der Betriebspraxis haben die ASA-Mitglieder nur ein Vorschlagsrecht, aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Umsetzung ihrer Eingaben. Die Beteiligung der Beschäftigten, die nicht am ASA teilnehmen, erfolgt zumeist über thematisch eingegrenzte Projektgruppen der Betriebs- oder Personalräte, die zum Beispiel Vorschläge zur Entwicklung der Schicht- oder Pausenregelungen zur besseren Gestaltung der Arbeit ausarbeiten.
Wer nimmt am Arbeitsschutzausschuss teil?
Wer nimmt nun an einer ASA-Sitzung teil? Die ständigen Mitglieder des ASA sind:
- der Arbeitgeber oder ein von ihm Beauftragter,
- zwei vom Betriebsrat ausgewählte Betriebsratsmitglieder,
- die Betriebsärzte,
- die Fachkraft für Arbeitssicherheit,
- die Sicherheitsbeauftragten,
- die Schwerbehindertenvertretung.
Das Gesetz bestimmt lediglich die genaue Anzahl der teilnehmenden Betriebsräte. Für alle anderen Funktionen hingegen enthält es keine konkreten Zahlen. Der Arbeitgeber hat bei der Frage, wie viele Teilnehmer mit am Tisch sitzen, einen Ermessensspielraum. Er muss aber die Festlegung der Zahl der ASA-Mitglieder unbedingt mit dem Betriebs- beziehungsweise Personalrat abstimmen.
Doch welche Teilnehmerzahl erscheint sinnvoll für ein solches Gremium? Die Berufsgenossenschaften empfehlen die Beteiligung von nicht mehr als zehn bis zwölf Personen, ein größerer Teilnehmerkreis sei für eine effektive Kommunikation ungeeignet. Diese Vorgabe wird aber in Betrieben mit mehr als 150 bis 200 Beschäftigten häufig übertroffen. Daher hat sich in größeren Betrieben eingebürgert, zu speziellen Themen oder für betriebliche Untereinheiten kleinere Arbeitskreise zu bilden. So existieren in diesen Betrieben neben dem ASA zusätzliche dezentrale „Arbeitssicherheitskreise“, beispielsweise auf Abteilungsebene, an denen sich mittlere und untere Führungskräfte, aber auch Sicherheitsbeauftragte und eine Fachkraft für Arbeitssicherheit regelmäßig beteiligen.
Organisation und Ablauf einer Sitzung des Arbeitsschutzausschusses
Die Einladung zu den ASA-Sitzungen erfolgt durch den Arbeitgeber oder einen vom ihm benannten Beauftragten. Über jede Sitzung wird Protokoll geführt, zumeist ein kurz gehaltenes Ergebnisprotokoll. Der Protokollführer wird zu Anfang jeder Sitzung von den Teilnehmern gewählt. In größeren Betrieben werden die Protokolle im Bedarfsfall auch an Personen versendet, die nicht zu den regelmäßigen ASA-Teilnehmern gehören.
Abhängig vom spezifischen Bedarf und der aktuellen Sitzungsagenda können zu den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses weitere Personen hinzugezogen werden. Dabei kann es sich sowohl um innerbetriebliche Personen wie etwa Brandschutzbeauftragte, Strahlenschutzbeauftragte, Immissionsschutzbeauftragte, Gewässerschutzbeauftragte oder Laserschutzbeauftragte, als auch um außerbetriebliche Fachleute handeln – so zum Beispiel Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften.
Die Sitzung des ASA wird vom Arbeitgeber beziehungsweise dessen Beauftragten – in der Regel eine andere Führungskraft – geleitet und moderiert. In einigen Unternehmen ist es, unabhängig von der Betriebsgröße, aber auch üblich, dass stets eine Fachkraft für Arbeitssicherheit diese Rolle übernimmt – gelegentlich auch der Betriebsarzt oder ein Sicherheitsbeauftragter.
Um was geht es?
Eine Sitzungsagenda wird zusammen mit der Einladung zur Sitzung verschickt. Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil die Teilnehmer so noch Zeit haben, eigene Punkte für die Agenda vorzuschlagen. Die Tagesordnungspunkte richten sich nach den spezifischen betrieblichen Gegebenheiten und Problemen. Abgesehen davon gibt es aber auch grundlegende Inhalte, die unabhängig vom Unternehmen Gegenstände jeder ASA-Sitzungen sind. Dabei handelt es sich um die folgenden Punkte:
- Auswertung und Diskussion des betrieblichen Unfall- und Krankengeschehens
- Auswertung und Diskussion der letzten Gefährdungsbeurteilungen
- Schwerpunktsetzung der wichtigsten Themen zum Arbeitsschutz
- Umsetzungskontrolle der in der letzten ASA-Sitzung beschlossenen Maßnahmen
- geplante Änderungen, so zum Beispiel neues Personal, Bauvorhaben, Umstellung der Organisationsstruktur und Arbeitsprozesse
- Bilanz der aktuellen Situation des Arbeitsschutzes
- Beschlussfassung über zu treffende Maßnahmen
Sicherheitsbeauftragte im ASA
Laut Arbeitssicherheitsgesetz nehmen auch die Sicherheitsbeauftragten an den Sitzungen des ASA teil. Dabei ist weder deren Anzahl, noch die Auswahl konkreter Sicherheitsbeauftragter gesetzlich festgelegt Einen leitenden Sicherheitsbeauftragten gibt es in der Regel nicht. Allerdings gibt es in einigen Unternehmen „Sprecher“ der Sicherheitsbeauftragten im ASA, die von den übrigen Sicherheitsbeauftragten des Betriebs gewählt werden.
Für Gerhard Kuntzemann, Leiter des Sachgebiets Sicherheitsbeauftragte im Fachbereich Organisation von Sicherheit und Gesundheit der DGUV, ist der Informationsfluss der wichtigste Faktor, der über die Effektivität der Arbeit der Sicherheitsbeauftragten im ASA entscheidet: „In erster Linie hängt die Wirkung der Sicherheitsbeauftragten im ASA von der Organisation des Gremiums ab. Besonders in großen und sehr großen Unternehmen ist dies eine Herausforderung, wenn zum Beispiel nur zwei von über 20 bestellten Beauftragten an den Sitzungen des ASA teilnehmen können. Dann muss die Kommunikation der Themen und der Ergebnisse des ASA ordentlich organisiert werden.“ Je nachdem, wie viele Sicherheitsbeauftragte ein Betrieb hat, werden daher unterschiedliche Varianten bei der Besetzung des ASA mit einem Vertreter der Sicherheitsbeauftragten angewandt:
- Rotationsprinzip
Jeder Sicherheitsbeauftragte erhält nach einem festzulegenden Rotationsverfahren die Möglichkeit zur Teilnahme.
- Vertretung durch Sprecher
Die Sicherheitsbeauftragten wählen aus ihrer Mitte einen Sprecher, der für eine festgelegte Zeit ASA-Mitglied wird.
- Mehrere Sicherheitsbeauftragte
In größeren Unternehmen nehmen oft alle oder mehrere Sicherheitsbeauftragte aus verschiedenen Produktionsbereichen an den ASA-Treffen teil.
Neben einem geregelten Informationsfluss hält Sachgebietsleiter Kuntzemann den vorbereitenden Austausch mit den Sicherheitsbeauftragten für wichtig: „Eine Alternative und manchmal auch Ergänzung hierzu sind intensivere Vorbereitungen der ASA-Sitzungen vor Ort. Gespräche der Sicherheitsbeauftragten mit den anderen ASA-Teilnehmern zu wichtigen Themen, die später im ASA diskutiert werden, sollten unbedingt im Vorfeld durchgeführt werden. So zum Beispiel über eine Maschine im Betrieb, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte.“
Qualifikationen und Kompetenzen
Entscheidend für eine wirksame Ausübung des Ehrenamtes und eine gewinnbringende Teilnahme am ASA seien folgende Aspekte:
- Sicherheitsbeauftragte sollten hinsichtlich ihrer Sozialkompetenz und vor allem fachlich in der Lage sein, dieses Ehrenamt auszufüllen.
- Sie sollten über eine Qualifizierung für branchenbezogene Fachthemen verfügen, die meist durch die Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse erfolgt, und einen klaren Schwerpunkt auf Kommunikationskompetenzen legen nach dem Motto: „Wie sage ich es meinem Kollegen/meinem Vorgesetzten?
- Sie sollten an der Gefährdungsbeurteilung vor Ort beteiligt sein, deren Ergebnisse kennen und verstehen.
- Für die Ausübung ihrer Funktion muss der Arbeitgeber den Sicherheitsbeauftragten die notwendige Zeit zur Verfügung stellen.
Eine weitere wichtige Kompetenz, an der es vielen Sicherheitsbeauftragten noch mangele, seien Wissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Gesundheit. Gerhard Kuntzemann erklärt: „Durch das Präventionsgesetz hat sich seit 2015 in vielen Betrieben die Gesundheitsförderung als zusätzlicher thematischer Schwerpunkt im ASA ergeben. Dies verstärkt die ohnehin schon vorhandene Entwicklung hin zu mehr Gesundheitsthemen in den vergangenen zwanzig Jahren. In Unternehmen, in denen Sicherheitsbeauftragte nur den Sicherheitsthemen zugeordnet werden, verlieren diese oftmals den Anschluss an bestimmte Diskussionen. In der Qualifizierung und in Fortbildungen muss daher diesem Wandel Rechnung getragen werden.“
Nach 50 Jahren noch zeitgemäß?
Seitdem der Gesetzgeber dieses zentrale Gremium für die Arbeitsschutzorganisation geschaffen hat, sind fast fünfzig Jahre vergangen. Nach so langer Zeit stellt sich die Frage, ob der ASA in dieser Form noch den Anforderungen in der heutigen Arbeitswelt entsprechen kann. Tatsache ist, dass der Gesetzgeber den Unternehmen bei der Organisation und Durchführung der Ausschusssitzungen viel Freiraum gelassen hat, um diese an die Anforderungen des Unternehmens und der jeweiligen Zeit anpassen zu können. Beispiel Organisation: Nirgends ist festgelegt, ob der ASA wie eine Sitzung im klassischen Sinne abzuhalten ist, wie lange er tagen sollte oder ob alle Teilnehmer (körperlich) anwesend sein müssen. Jedes Unternehmen kann selbst entscheiden, ob der Austausch am Konferenztisch, per Mailing, Web-Konferenz oder über Instant Messaging erfolgt, und damit einen technologisch „zeitgemäßen“ Durchführungsstil wählen.
Praxis-Tipp ASA-Protokolle
Die Protokollführung sollte an die Bedürfnisse der Sicherheitsbeauftragten als Multiplikatoren angepasst werden: Die Berufsgenossenschaften empfehlen, die Protokolle der ASA-Sitzungen so zu formulieren, dass die Sicherheitsbeauftragten die wichtigsten Inhalte und vereinbarten Maßnahmen den Beschäftigten in ihren Abteilungen gut vermitteln können. Daher werden die Protokolle bevorzugt in Form einer klar strukturierten To-Do-Liste verfasst.
Kein direkter Anspruch des Betriebsrats
§ 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines ASA. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Betriebsrat zwar die zuständige Arbeitsschutzbehörde auffordern, gegenüber dem Arbeitgeber die Einrichtung dieses Gremiums durchzusetzen. Einen unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch des Betriebsrats auf Einrichtung eines ASA enthält das Gesetz jedoch nicht. Der Betriebsrat kann die ASA-Bildung somit nicht über seine Mitbestimmungsrechte erzwingen.
ASA mit Beschlussmandat
Eigentlich ist der Arbeitsschutzausschuss kein Beschlussorgan. Unter einer Voraussetzung darf der ASA aber auch Beschlüsse fassen: wenn Arbeitgeber und Betriebsrat eine entsprechende Betriebsvereinbarung treffen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ASA mit Beschlussmandat schneller und effizienter arbeiten und damit erfolgreicher wirken. Die letztendliche Verantwortung für den Arbeitsschutz hat aber auch in dieem Fall der Arbeitgeber.
Weiterhin kann ein ASA auch als Steuerungsgruppe zur Umsetzung der für den Arbeitsschutz relevanten Projekte im Betrieb arbeiten. Beispiele hierfür sind die Steuerung von Gefährdungsbeurteilungen oder gesundheitsfördernden Projekten.