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Lernender Arbeitsschutz bei Amazon

Vor Ort bei Amazon in Pforzheim
Lernender Arbeitsschutz: Auf das Warum kommt es an

Lena Markmann
Die Arbeit in der Höhe und die Vielzahl an Flur­förder­fahrzeu­gen bergen einige poten­zielle Gefahren für die Beschäftigten im Hochre­gal­lager von Ama­zon in Pforzheim. Um Arbeit­sun­fällen vorzubeu­gen, hat Ama­zon zahlre­iche Maß­nah­men etabliert: Neben tech­nis­chen und organ­isatorischen Schutz­maß­nah­men ist vor allem auch das Engage­ment der Mitar­bei­t­en­den, wie das von Elvi­ra Sei­dl, gefragt. Als Sicher­heits­beauf­tragte leis­tet sie einen wichti­gen Beitrag zum Arbeitss­chutz bei Ama­zon in Pforzheim.

Es klin­gelt an der Woh­nungstür. Davor ste­ht der Paket­bote, in der Hand hält er ein Paket mit der Auf­schrift „Ama­zon“. Spätestens in der Coro­na-Pan­demie haben die meis­ten den Online-Ver­sand­han­del als bequeme Bezugsquelle genutzt. Hin­ter dem schein­bar ein­fachen Bestel­lvor­gang ver­birgt sich aber ein kom­plex­er Logis­tikprozess. Das zeigt ein Blick in das Logis­tikzen­trum von Ama­zon in Pforzheim. Damit die Pakete ihre Ziele erre­ichen, sind gut funk­tion­ierende Arbeitsabläufe gefragt. Dafür set­zt sich die Ver­sand­mi­tar­bei­t­erin Elvi­ra Sei­dl seit rund zehn Jahren ein. Doch ihr Engage­ment reicht noch weit­er: nach ihrer Teil­nahme am Grund­kurs zur Sicher­heits­beauf­tragten bei der zuständi­gen Beruf­sgenossen­schaft und dem inter­nen Sicher­heits­beauf­tragten-Train­ing wurde sie vor rund drei Jahren zur Sicher­heits­beauf­tragten ernan­nt. Seit­dem übern­immt sie Auf­gaben in der Arbeitss­chutz­abteilung. „Ich wollte mich weit­er­bilden. Da mir die Sicher­heit am Herzen liegt, fiel schnell die Wahl auf das Ehre­namt der Sicher­heits­beauf­tragten. Denn ich habe schon einzelne Unfälle miter­lebt, die ver­mei­d­bar gewe­sen wären“, erin­nert sie sich.

Ansprache ohne Hemmungen

Am Anfang plagten Sei­dl Selb­stzweifel. Sie fragte sich, wie sie ankommt und ob die Kol­legin­nen und Kol­le­gen sie als Sicher­heits­beauf­tragte akzep­tieren: „Für mich war es die größte Her­aus­forderung, auf die anderen zuzuge­hen.“ Doch mit der fach­lichen Unter­stützung der Mitar­bei­t­en­den der Safe­ty-Abteilung hat sie diese Sor­gen schnell über Bord wer­fen kön­nen. „Elvi­ra ist für uns ein wertvolles Sprachrohr. Wenn irgend­wo der Schuh drückt, dann suchen die Beschäftigten häu­fig den Kon­takt zu ihr“, berichtet Tim Schwenke zufrieden, der als Leit­er des Arbeitssicher­heit­steams in Pforzheim eng mit Elvi­ra Sei­dl zusammenarbeitet.

Vie­len fällt es leichter, sich direkt an Sicher­heits­beauf­tragte wie Elvi­ra Sei­dl zu wen­den, als an ihre Vorge­set­zten: „Ich bin eine von denen, ich arbeite mit ihnen auf ein­er Ebene. Das wis­sen die Kol­legin­nen und Kol­le­gen und haben so keine Hem­mungen auf mich zuzukom­men.“ Sie ver­mit­telt die jew­eili­gen Anliegen an die Führungsper­so­n­en und gibt den Rat­suchen­den entsprechende Rück­mel­dung. „Vieles weiß ich selb­st nicht. Aber dann gehe ich los und erkundi­ge mich. So sorge ich dafür, dass das Wis­sen weit­ergegeben wird“, beschreibt Sei­dl. Feed­back kön­nen die Beschäftigten aber nicht nur an die Sicher­heits­beauf­tragten her­antra­gen, son­dern auf Wun­sch auch anonym auf den soge­nan­nten Safe­ty-Save-Zetteln über­mit­teln. Diese wer­den sorgfältig aus­gew­ertet und schon häu­fig haben sich daraus kleine oder größere Verbesserun­gen ergeben.

Viele Augen sehen mehr

Elvi­ra Sei­dl ist nicht die einzige Sicher­heits­beauf­tragte am Stan­dort. Mit ihren Sicher­heits­beauf­tragten-Kol­legin­nen und ‑Kol­le­gen, den Abteilungsleitun­gen und der Arbeitss­chutz­abteilung trifft sie sich regelmäßig. Der unbürokratis­che und schnelle Aus­tausch erfol­gt entwed­er in Präsenz oder dig­i­tal über das ama­zoneigene Kom­mu­nika­tion­stool „Chime“. Ein­mal pro Woche bege­ht Sei­dl gemein­sam mit Vorar­bei­t­erin­nen und Vorar­beit­ern oder Schichtlei­t­erin­nen und Schichtleit­ern eine Abteilung. Bei den Bege­hun­gen set­zt Ama­zon auf das Vier-Augen-Prinzip. Die Sicher­heits­beauf­tragten über­prüfen die Sicher­heits­stan­dards jew­eils zu zweit anhand von Check­lis­ten, die auf die Abteilun­gen zugeschnit­ten sind. „Bei den Sitzun­gen werten wir die Check­lis­ten gemein­sam aus und ergreifen bei Missstän­den umge­hend Maß­nah­men im engen Schul­ter­schluss mit den oper­a­tiv­en Kol­legin­nen und Kol­le­gen“, beschreibt Sei­dl das Pro­cedere. Doch die Sicher­heits­beauf­tragten sind nicht nur zu zweit unter­wegs, son­dern besuchen auch ver­schiedene Abteilun­gen im Wechsel.

Das ver­mei­det Betrieb­s­blind­heit und poten­zielle Gefahren­stellen fall­en früher auf. Schließlich geht es nicht nur um Unfal­lver­mei­dung, son­dern auch um Präven­tion und Gesund­heits­förderung. Also auch darum, Verbesserungspoten­ziale aktiv anzugehen.

Auch wenn Sei­dl nicht offiziell in ihrem Ehre­namt unter­wegs ist, hat sie die Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit stets im Blick: „Ich laufe immer mit offe­nen Augen durch den Betrieb, spreche Kol­legin­nen und Kol­le­gen an und melde auch abteilungsüber­greifend Punk­te, die mir auf­fall­en. Wenn zum Beispiel eine Palette hochkant abgestellt wurde.“

Anderen Blickwinkel einnehmen

Um die Sicher­heit zu erhöhen, set­zt Ama­zon darüber hin­aus auf Per­spek­tivwech­sel. Beschäftigte haben einen anderen Blick auf die Dinge als Führungskräfte. Ein Gabel­sta­pler­fahrer nimmt die Verkehr­swege anders wahr als eine Fußgän­gerin. „Deswe­gen leg­en wir die Wege auf unter­schiedliche Weise zurück. Ein­mal gehend, ein­mal fahrend. So merken wir schnell, wo Sicher­heit­slück­en sind, für alle Beteiligten“, erk­lärt Schwenke. Was die inner­be­triebliche Verkehrssicher­heit mit Flur­förder­fahrzeu­gen (FFZ) gefährdet, sind aber nicht nur andere FFZ oder Beschäftigte, die zu Fuß unter­wegs sind, son­dern auch nicht ord­nungs­gemäß abgestellte Palet­ten. Sei­dl berichtet von einem Fall, an dem eine Palette auf der Fahrbahn und nicht in der vorge­se­henen markierten Abstell­fläche stand. „Das haben wir ange­sprochen. Der Mitar­beit­er hat seinen Fehler einge­se­hen und die Palette neu abgestellt“, erin­nert sich Sei­dl. Aber in der Fol­gezeit standen immer wieder an der­sel­ben Stelle Palet­ten. „Da haben wir gemerkt, dass es hier ein grund­sät­zlich­es Prozessprob­lem gibt und eine neue Abstell­fläche für Palet­ten geschaf­fen. Seit­dem wurde an dieser Stelle kein einziges Mal mehr eine Palette deponiert.“ Dass die Palet­ten auss­chließlich in den markierten Flächen abgestellt wer­den, ist immens wichtig. Son­st weichen die Fahren­den auf die Gegen­fahrbahn aus, wodurch sich die Wahrschein­lichkeit eines Zusam­men­stoßes mit dem Gegen­verkehr erhöht.

Kontinuierlich dranbleiben

Zu Sei­dls eigentlich­er Tätigkeit gehört auch das Schulen von Beschäftigten in der Hand­habung von FFZ. Dabei ste­ht für Sei­dl die Begrün­dung im Mit­telpunkt: „Nur wenn ich das Warum erk­lären kann, ver­ste­hen die Beschäftigten die Maß­nah­men und set­zen sie auch um“, erk­lärt sie, warum diese so wichtig ist. Die FFZ im Logis­tikzen­trum fahren wie in allen europäis­chen Stan­dorten beispiel­sweise nur 6 km/h. Warum das so ist? Weil es in der Ver­gan­gen­heit Geschwindigkeit­süber­schre­itun­gen und damit Gefahren­poten­ziale gab. „Ganz oft sagen mir die Kol­legin­nen und Kol­le­gen, dass sie bes­timmte Regeln gar nicht gekan­nt oder die Sicher­heits­maß­nah­men nicht ver­standen haben. Da ist eine Erk­lärung ganz wichtig. Aber eine ein­ma­lige Erk­lärung oder Schu­lung reicht da nicht. Ger­ade am Anfang hat man einen Infor­ma­tions-Over­load. Da muss man dran­bleiben, kon­tinuier­lich unter­weisen, Sicher­heit­sregeln erk­lären und an die Maß­nah­men erin­nern.“ Deswe­gen wieder­holt Sei­dl die Regeln immer wieder, stellt Fra­gen und zeigt, wie Arbeitsabläufe opti­mal laufen sollten.

Doch Sei­dl schult nicht nur, son­dern nimmt auch selb­st regelmäßig an Weit­er­bil­dun­gen teil. „Eigentlich wollte ich 2021 den Auf­baukurs für Sicher­heits­beauf­tragte besuchen. Der Kurs fiel wegen Coro­na aber lei­der flach“, erzählt sie ent­täuscht. Ihr Arbeit­ge­ber ste­ht ihr dabei keines­falls im Weg, im Gegen­teil: Immer da, wo es nötig ist und sin­nvoll erscheint, ermöglicht Ama­zon den Beschäftigten entsprechende weit­er­bildende Maß­nah­men. „Wir arbeit­en in einem speziellen Umfeld. Deswe­gen haben wir unser eigenes internes Schu­lung­spro­jekt Safe­ty Ambas­sadors entwick­elt. Mit soge­nan­nten Learn­ing Nuggets, sprich Sicher­heit­sim­pulsen, investieren wir in die Arbeitssicher­heit“, führt Schwenke aus. Es wird ein ler­nen­der Arbeitss­chutz gelebt, der sich stetig weit­er­en­twick­elt und sich an die momen­tane Arbeitssi­t­u­a­tion anpasst.

Schon immer ehrenamtlich engagiert

Elvi­ra Sei­dl hat sich immer schon ehre­namtlich engagiert, auch vor ihrer Zeit als Sicher­heits­beauf­tragte. „Ich hat­te keine ein­fache Kind­heit, bin im Heim groß gewor­den und mir wur­den viele Steine in den Weg gelegt. Aber ich habe nie den Mut ver­loren. Ich wollte immer etwas Sin­nvolles tun, wollte etwas bewe­gen.“ Und so möchte Sei­dl sich auch weit­er bei Ama­zon ein­brin­gen und ein­set­zen: „Seit Antritt mein­er Tätigkeit füh­le ich mich hier gut unter­stützt. Am Anfang musste ich zum Beispiel immer wieder spon­tan nach Hause, um mich um meinen behin­derten Sohn zu küm­mern. Das war nie ein Prob­lem.“ Auch wenn Ama­zon wegen vorherrschen­der Arbeits­be­din­gun­gen des Öfteren in der Neg­a­tiv­presse stand, so kann Sei­dl diese Ein­drücke nicht teilen. Sie hat immer Unter­stützung bekom­men. Sobald die Coro­na-Pan­demie es zulässt, hat Sei­dl auch schon einen konkreten Plan: „Ich möchte mich im Bere­ich Gefahrstoffe fort­bilden. Wir haben zwei große Hallen, in denen wir Gefahrstoff­pro­duk­te für unsere Kun­den ein­lagern. Da brauche ich mehr Hin­ter­grund­wis­sen, um die Sicher­heits­maß­nah­men gut ver­mit­teln zu können.“


Amazon Logistikzentrum in Pforzheim

  • Das Ama­zon Logis­tikzen­trum in Pforzheim wurde 2012 eröffnet.
  • Die erste Bestel­lung ver­ließ das Logistikzentrum
    am 26. Sep­tem­ber 2012.
  • Es hat die Größe von 15 Fußballfeldern (110.000 m²).
  • In Pforzheim hat Ama­zon rund
    1.600 Mitarbeiter:innen.
  • Der Stan­dort ist das Ref­eren­zw­erk im Ama­zon Non­Sort-Net­zw­erk, das sich auf große Artikel wie Fernse­her und Gartengeräte spezialisiert.
  • Durch die Spezial­isierung auf größere Artikel, ver­fügt der Stan­dort über weit­ere Hochregallagerflächen
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