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Betriebsneulinge integrieren und schützen

Berufsanfänger integrieren und schützen
Risikofrei – mittels Paten oder Schnitzeljagd

Markus Tischendorf
Betrieb­sneulinge ken­nen die Gegeben­heit­en am Arbeit­splatz und die Unfall­risiken nicht. Sie sind deshalb beson­ders gefährdet, einen Arbeit­sun­fall zu erlei­den. Sicher­heit und Gesund­heit für Beruf­san­fänger und ‑anfän­gerin­nen lassen sich aber leicht organisieren. 
 
Beschäftigte unter 18 Jahren stellt der Geset­zge­ber mit dem Jugen­dar­beitss­chutzge­setz (JArb­SchG) unter beson­deren Schutz. Als Jugendliche im Sinne des Geset­zes gel­ten Per­so­n­en, die zwis­chen 15 und 17 Jahre alt sind. Kinder sind hinge­gen jün­gere Men­schen, die das 15. Leben­s­jahr noch nicht erre­icht haben. Bis auf wenige Aus­nah­men ist Kinder­ar­beit in Deutsch­land ver­boten. Erlaubt ist aber beispiel­sweise die Teil­nahme von Kindern an einem Betrieb­sprak­tikum während ihrer Schulpflicht. Die Tätigkeit während des Prak­tikums muss jedoch leicht aus­führbar sein. Wed­er die Sicher­heit noch die per­sön­liche Entwick­lung des Kindes dür­fen beein­trächtigt werden.

Jugendliche extra schutzbedürftig

Im Gegen­satz zu volljähri­gen Per­so­n­en muss bei der Beschäf­ti­gung von Jugendlichen einiges berück­sichtigt wer­den. Hierzu gehören Beschränkun­gen der täglichen Arbeit­szeit und der Wochenar­beit­szeit eben­so wie die Ein­hal­tung bes­timmter Ruhep­ausen. Außer­dem schreibt der Geset­zge­ber für Jugendliche eine Begren­zung der Schichtzeit­en sowie die Ein­hal­tung der Nacht‑, Woch­enend- und Feiertagsruhe vor. Urlaub­stage für jugendliche Beschäftigte sind altersab­hängig geregelt. So beträgt beispiel­sweise der geset­zliche Min­desturlaub 30 Werk­tage, sofern Jugendliche zu Beginn des Kalen­der­jahrs noch keine 16 Jahre alt sind. Ein Anspruch auf 27 Urlaub­stage liegt vor, wenn die Jugendlichen im begin­nen­den Kalen­der­jahr noch keine 17 Jahre alt sind.

Darüber hin­aus bedarf es für die Einar­beitung von Jugendlichen ein­er Erst- und Nachunter­suchung. Die Erstun­ter­suchung darf zu Beginn der Tätigkeit­en nicht älter als 14 Monate sein. Nach einem Jahr ist eine Nachunter­suchung geset­zlich vorge­se­hen. Weit­erge­hende medi­zinis­che Unter­suchun­gen sind dem Jugendlichen durch den Arbeit­ge­ber anzu­bi­eten. Die Kosten für die genan­nten Unter­suchun­gen trägt das zuständi­ge Bun­des­land. Keine Unter­suchun­gen sind notwendig, wenn Jugendliche nur ger­ingfügig oder kurzzeit­ig mit leicht­en Tätigkeit­en beauf­tragt wer­den, von denen keine Nachteile zu erwarten sind.

Wiederholt unterweisen

Erfahrungs­gemäß ereignen sich die meis­ten Unfälle und kri­tis­chen Sit­u­a­tio­nen bei der Arbeit durch per­sön­lich­es Fehlver­hal­ten. Fehlende Ken­nt­nisse sind hier­für maßge­blich. Neben den soge­nan­nten „alten Hasen“ sind beson­ders Betrieb­sneulinge über­durch­schnit­tlich gefährdet. Sie sind vor Auf­nahme ihrer Tätigkeit aus­giebig zu unter­weisen. Mögliche Gefährdun­gen am Arbeit­splatz sind eben­so Bestandteil der Erstun­ter­weisung wie Maß­nah­men zur Risikover­mei­dung beziehungsweise der Unfal­lver­hü­tung. Anders als bei volljähri­gen Beschäftigten ist die regelmäßige Unter­weisung von Jugendlichen min­destens hal­b­jährlich zu ver­an­lassen. Für alle durchge­führten Unter­weisun­gen beste­ht außer­dem eine Dokumentationspflicht.

Die Unter­weisungsin­halte richt­en sich nach den betrieblichen Gegeben­heit­en und dem jew­eili­gen Arbeit­splatz. Bei der Erstun­ter­weisung soll­ten Betrieb­sneulinge über all­ge­meine und arbeit­splatzspez­i­fis­che The­men informiert wer­den. Zu den all­ge­meinen The­men zählen unter anderem

  • erhöht­es Unfall­risiko neuer Mitarbeitender
  • Rechte und Pflicht­en der Beschäftigten
  • Ansprech­per­so­n­en im Betrieb
  • Ver­hal­ten bei Unfällen und Störungen
  • Flucht- und Rettungsplan
  • Vor­beu­gen­der Brandschutz
  • Erste-Hil­fe-Organ­i­sa­tion
  • Verkehrssicher­heit
  • Sicher­heitskennze­ich­nung

Die arbeit­splatzspez­i­fis­chen The­men ergeben sich aus der Gefährdungs­beurteilung für den jew­eili­gen Arbeits­bere­ich. The­ma­tisch beste­ht kein Unter­schied zwis­chen der Erstun­ter­weisung und der wiederkehren­den Unter­weisung der Beschäftigten. Der Unter­schied liegt vor allem in der Durch­führung beziehungsweise der Ausführlichkeit.

Beschäftigungsbeschränkungen

Für Jugendliche gilt außer­dem eine Beschäf­ti­gungs­beschränkung. Gefährliche Arbeit­en, bei denen die Betrof­fe­nen zum Beispiel

  • schädlichen Ein­wirkun­gen
    von Gefahrstoffen,
  • Lärm,
  • Erschüt­terun­gen,
  • Strahlen oder
  • außergewöhn­lich­er Hitze beziehungsweise Kälte

aus­ge­set­zt sind, bleiben für sie ver­boten. Das gilt auch für Arbeit­en unter Tage und Akko­r­dar­beit. Aus­nah­men beste­hen, wenn die Tätigkeit­en zum Erre­ichen des Aus­bil­dungsziels unverzicht­bar sind. Neben dem JArb­SchG regeln auch einige Unfal­lver­hü­tungsvorschriften die Beschäf­ti­gung mit gefährlichen Tätigkeit­en. Nach § 29 UVV „Krane“ (DGUV Vorschrift 53) beispiel­sweise darf der Arbeit­ge­ber als Kran­führer nur Per­so­n­en beschäfti­gen, die das 18. Leben­s­jahr vol­len­det haben. Die Vorschrift lässt den Ein­satz von Jugendlichen zu Aus­bil­dungszweck­en allerd­ings zu, wenn sie unter Anleitung und ständi­ger Auf­sicht erfahren­er Per­so­n­en ste­hen. Zu beacht­en ist, dass diese Aus­nah­meregelung nicht für jugendliche Ferien­job­ber gilt.

Bewährte Praxisbeispiele bei der Beschäftigung von Betriebsneulingen

Bei der Beschäf­ti­gung von jugendlichen Auszu­bilden­den, Werk­stu­den­ten und Prak­tikan­ten haben sich über viele Jahre ver­schiedene Mod­elle bewährt. Exem­plar­isch sollen hier zwei erfol­gre­iche Meth­o­d­en vorgestellt wer­den, das soge­nan­nte „Paten­mod­ell“ und die „Schnitzel­jagd“.

Das Patenmodell

Für Beruf­san­fänger ist es schw­er einzuschätzen, wer für ihre vie­len Fra­gen zuständig ist. Deshalb hat es sich bewährt, eine Per­son zu benen­nen, die für den neuen Mitar­beit­er jed­erzeit ansprech­bar ist. Der als „Pate“ beze­ich­nete Kol­lege darf in sein­er Arbeit gestört wer­den, ohne dass der Betrieb­sneul­ing ein schlecht­es Gewis­sen haben muss. Oft ist der Pate mehr als nur Ansprech­part­ner im Betrieb: Er kann auch aktiv am Einar­beitung­sprozess beteiligt sein und insbesondere

  • räum­liche Ori­en­tierung geben,
  • die fach­liche Einar­beitung begleiten
  • und die soziale Inte­gra­tion fördern.

Paten­mod­elle gibt es in vie­len Betrieben, unab­hängig von ihrer Größe. Sie tra­gen wesentlich zur Ent­las­tung der Vorge­set­zten bei. Welche Aspek­te bei der Ein­führung neuer Mitar­bei­t­en­der der Pate und welche der Vorge­set­zte wahrn­immt, sind jedoch ein­deutig festzule­gen (siehe Tabelle). Paten­mod­elle erlauben es dem Vorge­set­zten, Betreu­ungsauf­gaben zu delegieren. Die Ver­ant­wor­tung für die Einar­beitung neuer Kol­le­gen verbleibt jedoch stets beim jew­eili­gen Vorgesetzten.

Modell „Schnitzeljagd“

Dieses Mod­ell zur Ein­führung neuer Mitar­beit­er wurde in Anlehnung an das bekan­nte Gelän­de­spiel „Schnitzel­jagd“ erst­ma­lig in der Großin­dus­trie ange­wandt. Es lässt sich aber auch prob­lem­los auf andere Betrieb­s­größen über­tra­gen. Für den Betrieb­sneul­ing wird qua­si ein „rot­er Faden“ durch das noch unbekan­nte Unternehmen gelegt. Der neue Mitar­beit­er oder die neue Mitar­bei­t­erin erhält dazu vorge­fer­tigte Inter­view-Bögen, anhand der­er per­sön­liche Gespräche mit ver­schiede­nen Funk­tion­strägern im Betrieb zu führen sind. Funk­tion­sträger sind zum Beispiel Betrieb­sleit­er, Vorar­beit­er und Sicher­heits­beauf­tragte. Alle ver­mit­teln ihre Ken­nt­nisse über ein zuvor abge­gren­ztes The­men­feld. Mit zunehmender Befra­gung der Funk­tion­sträger lernt der Beruf­san­fänger das Unternehmen immer bess­er ken­nen. Die Schnitzel­jagd gewährleis­tet insbesondere

  • ein schnelles Ken­nen­ler­nen aller wichti­gen Personen
  • eine lück­en­lose Doku­men­ta­tion der Einarbeitung
  • einen über­schaubaren Zeitaufwand für die einzel­nen Ansprechpartner

Die Ein­weisung mit­tels Schnitzel­jagd set­zt eine inten­sive Vor­bere­itung voraus. Vor der Anwen­dung muss genau fest­gelegt wer­den, welch­es The­ma von welchem Funk­tion­sträger ver­mit­telt wer­den soll. Ein Organ­i­gramm über die Betrieb­sstruk­tur hil­ft dabei, alle rel­e­van­ten Bere­iche wie beispiel­sweise Sicher­heit, Gesund­heitss­chutz und Qual­itätswe­sen angemessen zu berücksichtigen.

Sicher­heits­beauf­tragte sind oft erfahrene und gle­ich­sam ver­ant­wor­tungs­be­wusste Per­sön­lichkeit­en, die sich im Betrieb oder in ihrer eige­nen Abteilung detail­liert ausken­nen. Es ist daher sin­nvoll, Sicher­heits­beauf­tragte an der Einar­beitung neuer Mitar­beit­er zu beteili­gen. Dabei ist es uner­he­blich, ob eines der hier vorgestell­ten Mod­elle oder gegebe­nen­falls eine andere prax­is­be­währte Methodik genutzt wird.

Hil­fre­iche Tipps zur Inte­gra­tion junger Men­schen in das Beruf­sleben find­en Inter­essierte zudem auf dem Por­tal des Präven­tion­spro­gramms „Jugend will sich-er-leben“.


Markus Tischendorf
Markus Tis­chen­dorf; Foto: © Dägling

Autor: 
Markus Tischendorf
Beruf­sgenossen­schaft Energie Tex­til Elek­tro Medi­enerzeug­nisse (BG ETEM)

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