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Adrian Mattern

Nachgefragt bei Adrian Mattern
Deutschlands bester Extremkajakfahrer

Petra Jauch
Adri­an Mat­tern sucht auf der ganzen Welt nach neuen Her­aus­forderun­gen, in die er sich im wahrsten Wortsinn stürzen kann: Der Hei­del­berg­er ist Deutsch­lands bester Extremka­jak­fahrer und ein­er der aktivsten Wasser­falljäger weltweit. Ger­ade ist er von ein­er zwölftägi­gen Wild­wass­er-Expe­di­tion auf dem Fluss Sary­jaz in Ost-Kir­gis­tan zurückgekehrt.

Adri­an Mat­tern, wie kam es zu Ihrer Lei­den­schaft für Wild­wasser­schlucht­en und Wasserfälle?

Als ich neun war haben mein Vater und ich in Hei­del­berg zusam­men ange­fan­gen mit dem Kajak­fahren auf Vere­in­sebene. Mit Zehn hätte ich den Sport beina­he wieder drangegeben, denn nach einem Unglück im Oden­wald hat­te ich erst­mal keinen Bock mehr auf Kajak­fahren, wirk­lich Null Kom­ma Null: Ich war unter einen Baum ger­at­en, hat­te mich mit dem Kajak verkeilt und hing hil­f­los im Wass­er. Mein Vater kon­nte mich dann irgend­wie befreien. Er hat es auch geschafft, mich langsam wieder an den Sport und das kalte Wass­er her­anzuführen. Das ist ein Draht­seilakt bei einem Kind – es regelmäßig zu motivieren, aber auch nicht zu sehr zu pushen. Er hat das wirk­lich gut gemacht und so habe ich langsam meine Angst über­wun­den. Mit fast 13 hat­te ich dann das erste Mal wieder so richtig Spaß am Kajak­fahren. Da waren wir in einem Wild­wasser­park in Hünin­gen. Ich habe dann meine gesamte Freizeit dafür aufgewen­det, bin schnell aus den Vere­inss­chuhen her­aus­gewach­sen und war für ein paar Jahre in der National­mannschaft. 2013 bei der WM in den USA kam es dann für mich zu einem Schlüs­sel­er­leb­nis: Ich hat­te mich vom Train­ing weggestohlen und war außer­halb des offiziellen Kurs­es unter­wegs. Das war wegen des Ver­let­zungsrisikos eigentlich unter­sagt. Aber für mich war es mein bis­lang schön­stes Erleb­nis und ab diesem Zeit­punkt war mir klar, dass ich mein eigenes Ding machen muss. Extrem­sport betreiben muss, außer­halb des Regelwerks.

Stich­wort Ver­let­zungsrisiko: Wie viel Kon­trolle haben Sie denn in der reißen­den Strö­mung von Wild­wassern und Wasser­fällen noch über Ihr Boot?

Es ist mir per­sön­lich sehr wichtig, zwis­chen kalkuliertem und unkalkuliertem Risiko zu unter­schei­den. Diesen weni­gen Sekun­den auf dem Wasser­fall geht ein unglaublich­er Aufwand voraus, um alles so sich­er und kon­trol­liert wie möglich zu machen. Das heißt, ich besichtige den Wasser­fall bei ver­schiede­nen Wasser­stän­den. Ich über­lege mir eine Lin­ie, die ich lang­fahren muss. Und ich definiere Gefahren­zo­nen und den Worst Case. Gibt es irgendwelche Höhlen, wie sieht der Lan­dungsplatz aus, wie geht es weit­er nach dem Pool? Wie ist die Abbruchkante beschaf­fen, dro­ht irgend­wo Steinkon­takt auf halbem Weg? All diese Fra­gen müssen im Voraus gek­lärt werden.

Hinzu kommt die Absicherung im Unglücks­fall: Haben wir Kon­takt zum näch­sten Kranken­haus, gibt es einen Kranken­wa­gen, haben wir genug Erste Hil­fe-Mate­r­i­al? Das braucht man in der Wild­nis, da gibt es nichts um uns herum. Wir haben natür­lich ein Satel­li­ten­tele­fon dabei und jed­er ist in Erster Hil­fe fit. Aber es gilt – das ist auch mein per­sön­lich­er Anspruch – all diese Risiko­fak­toren im Voraus zu ken­nen und ein­schätzen zu kön­nen. Nur wenn ich dann sage, die Kosten-Nutzen-Rech­nung geht für mich auf, lasse ich mich auf das Aben­teuer ein. Das alles sieht man natür­lich sehr sel­ten in den Videos, aber es nimmt tat­säch­lich 90 Prozent mein­er Zeit in Anspruch.

Also gibt es dur­chaus Vorhaben, die Sie abbrechen?

Genau, sog­ar oft. Diese Entschei­dun­gen sind nicht zulet­zt abhängig von der Tages­form. Man muss da bru­tal ehrlich mit sich sein, um sich auch mal einzugeste­hen, das traue ich mir jet­zt nicht zu, dass ich zum Beispiel an dieser Stelle mit der Strö­mung ganz nach rechts komme und dann genau von dort über die Fal­lka­nte fahre und die und die Schläge mache, damit ich da eine kon­trol­lierte Befahrung garantieren kann. Dieser psy­chol­o­gisch-men­tale Anteil, diese Kopf­stärke und extreme Ehrlichkeit zu sich selb­st, macht das Kajak­fahren für mich so reizvoll und mega span­nend. Und man muss sich immer bewusst sein: Der Fluss ist stärk­er als man selb­st. Das ver­langt nach Respekt und ist ein ganz entschei­den­der Punkt im Kajaksport.

Das sind natür­lich auch Erfahrungswerte. Ich fahre seit zwanzig Jahren Kajak und die let­zten zehn Jahre mit über 250 Tagen im Jahr. Ich habe da unglaublich viele Stun­den und Energie reingesteckt. Und wie das bei allen Sachen so ist: Man steigert sich, fängt mit einem Meter Falltiefe an, irgend­wann sind es fünf, dann vielle­icht zehn, zwanzig und auf ein­mal 45. Das ist aber ein jahre­langer Prozess. Man kann hier nicht ein­fach mal so auf einem hohen Lev­el ein­steigen. Das würde nicht gut ausgehen.

Ihre Trips machen Sie nicht allein. Wie wichtig ist die Gemein­schaft in Ihrem Sport?

Kajak­fahren ist ein Einzel­sport, weil man allein in seinem Kajak sitzt, aber der Teamgedanke ist extrem wichtig. Viele Expe­di­tio­nen und Befahrun­gen kön­nten allein gar nicht durchge­führt wer­den. Und wenn ich mich in eine Sit­u­a­tion rein­manövriere, aus der ich mich selb­st nicht befreien kann, kön­nen mir nur die anderen das Leben ret­ten. Und natür­lich auch ander­srum. Man schenkt sich da erst­mal einen Riesen­vor­sprung an Ver­trauen und auf dieser Grund­lage entste­hen unheim­lich inten­sive Fre­und­schaften. Man lernt sich sehr gut ken­nen, wenn man gemein­sam Extrem­si­t­u­a­tio­nen durch­ste­ht. Meis­tens im Guten, manch­mal auch im Schlechten.

Diese vie­len Aspek­te machen den Kajak­sport für mich aus: die Zeit­en auf dem Fluss, die Fre­und­schaften, die Erleb­nisse, die vie­len Orte und Land­schaften, die man ohne Kajak niemals zu sehen bekäme. Das ist längst nicht nur ein Sport, son­dern ein Lebensstil.


Steckbrief von Adrian Mattern

  • geboren 1995 in Heidelberg
  • lei­den­schaftlich­er Wildwasser-Kajakfahrer
  • startete 2006 seine Karriere
  • war Mit­glied der Kanu-Freestyle-Nationalmannschaft
  • sucht seit 2013 weltweit nach gigan­tis­chen Strom­schnellen und Wasserfällen
  • befuhr 2017 als per­sön­lichen Reko­rd den 45 Meter hohen Wasser­fall „Big Banana“ in Mexiko
  • doku­men­tiert seine Trips auf Face­book und Instagram
  • ist seit 2019 Red Bull Athlet

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Simon Redel

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