Jeder weiß, was Staub ist – oder vielleicht doch nicht? Es fällt gar nicht leicht, den Begriff spontan zu erklären. Staub ist fein verteilter Schmutz, Staub trübt die Luft und Staub lässt die Augen tränen. Solche Antworten gehen in die richtige Richtung, eine exaktere Definition könnte etwa so lauten: Stäube sind winzige Partikel fester Stoffe, die so leicht sind, dass sie mehr oder weniger lange in der Luft schweben, bevor sie zu Boden sinken. Sind die Partikel flüssig, spricht man nicht von Stäuben, sondern von Nebeln, Dämpfen oder den in der Corona-Pandemie häufig genannten Aerosolen.
Aus was besteht eigentlich Staub?
Zunächst steht der Begriff Staub lediglich für die Kleinheit von Partikeln. Größere Teilchen würde man Pulver oder Granulat nennen, ohne dass es für die Abgrenzung jeweils festgelegte Partikelmaße gäbe. Eine für das Arbeitsschutzrecht maßgebliche Definition findet sich in Anhang I.2 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Danach sind Stäube „disperse Verteilungen fester Stoffe in der Luft, die insbesondere durch mechanische, thermische oder chemische Prozesse oder durch Aufwirbelung entstehen.“
Welcher Art diese Stoffe sind, bleibt hier völlig offen und das ist ein wichtiger Punkt für den betrieblichen Arbeitsschutz. Denn die GefStoffV unterscheidet nicht zwischen organischen Stäuben wie Blütenpollen, Mehl oder Schimmelpilzsporen und Staub aus anorganischen Partikeln wie Metall- oder Asbeststäube. Ebenso unerheblich ist es, ob ein Staub natürlichen Ursprungs ist oder durch einen Produktionsprozess entsteht. Wenn letzteres der Fall ist und die Partikel aus chemischen oder thermischen Vorgängen wie etwa beim Schweißen hervorgehen, spricht man meist von Rauch, zum Beispiel von Schweißrauch oder Zigarettenrauch. Auch die TRGS 900 unterscheidet zwischen Staub und Rauch sowie Nebel, hier kompakt definiert:
- Staub = fein verteilte feste Stoffe in Luft, die durch mechanische Prozesse oder durch Aufwirbeln entstanden sind
- Rauch = fein verteilte feste Stoffe in Luft, die durch thermische und/oder chemische Prozesse entstanden sind
- Nebel = fein verteilte flüssige Stoffe in Luft
Aus Sicht eines Chemikers oder Gefahrstoffexperten kann Staub alles Mögliche sein. Dazu kommt, dass im privaten wie betrieblichen Alltag die meisten Stäube Mischungen aus ganz unterschiedlichen Substanzen sind. Das reicht von Rußpartikeln, Reifenabrieb, Textilfusseln und Blütenpollen bis zu Hautschuppen oder den Ausscheidungen von Insekten. Neben diesen unerwünschten Stäuben kann die Eigenschaft staubförmig durchaus gewollt sein. Das ist bei den sogenannten Nutzstäuben in der Metallurgie, Pharmazie oder Kosmetik der Fall. In den meisten Branchen gehören die durch eine Tätigkeit freigesetzten Stäube jedoch eher zu den unerwünschten, aber unvermeidbaren Abfallstoffen. Nicht vergessen werden darf, dass Stäube auch im Explosionsschutz einen zentralen Risikofaktor darstellen. Die Beiträge in diesem Spezial fokussieren jedoch auf die Gesundheitsaspekte.
Besonders gefährliche Stäube
Wenn Beschäftigte bei der Arbeit Stäuben ausgesetzt sind, hat der Arbeitgeber – im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung – zunächst zu klären, um welche Art von Staub es sich handelt. Denn Staub ist nicht gleich Staub und je nach Herkunft und Zusammensetzung können andere Schutzmaßnahmen notwendig werden. Die folgenden Staubfraktionen treten häufig auf oder sind typisch für bestimmte Branchen.
- Holzstäube
Bei Krebsgefahren am Arbeitsplatz denkt man an Asbest oder giftige Chemikalien. Doch auch das Einatmen von Holzstäuben kann zu bösartigen Tumoren der Nase, der Nasennebenhöhlen oder anderen Tumoren in den Atemwegen führen. Sogenannte Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Stäube von Eichen- oder Buchenholz kommen bei Holzarbeiterinnen und Holzarbeitern um ein Vielfaches häufiger vor als im Rest der Bevölkerung und sind als Berufskrankheit Nr. 4203 anerkannt. Besonders gefährdet sind Bau- und Möbelschreiner, Parkettleger, Treppenbauer sowie die selten gewordenen Küfer und Stellmacher. Die TRGS 906 nennt mehr als 30 Arten von Harthölzern, deren Stäube als besonders gefährlich gelten. Neben heimischen Holzarten wie Buche, Birke, Eiche, Esche, Kirsche oder Walnuss befinden sich auch exotische Hölzer wie Teak oder Palisander darunter. Bei staubenden Tätigkeiten mit solchen Hölzern darf deshalb nicht auf Atemschutz verzichtet werden.
- Mineralische Stäube
Dazu gehören Stäube, die beim Bearbeiten von Mineralien und Gesteinen entstehen, zum Beispiel Granit, Sandstein, Basalt oder Kalkstein. Solche Gesteinsstäube treten typischerweise auf Baustellen beim Innenausbau auf. Hier sind insbesondere Angehörige von Elektroberufen gefährdet, wenn sie Wände und Decken bohren und aufstemmen, um Leitungen und Verteilerdosen zu setzen. Als besonders gefährlich gelten Quarzfeinstäube, die beim ungeschützten Arbeiten tief in die Lunge eindringen. Es drohen chronische Bronchitis, Silikose (Staublunge) und Lungenkrebs.
- Metallstäube
Auch beim Bearbeiten von metallischen Werkstücken beispielsweise aus Eisen, Zinn oder Aluminium können winzige Partikel freigesetzt werden. Gelangen diese beim Einatmen in die Lunge, kann dies zu einer Lungenentzündung oder einer sogenannten gutartigen Staublunge führen.
- Asbeststäube
Asbesthaltige Materialien sind und bleiben eine Altlast im Baubestand. Der Niedergang von der Wunderfaser zum Killerstaub ist bekannt und die Zahl der Asbesttoten übersteigt die Zahl der Opfer tödlich verlaufender Arbeitsunfälle. Asbestrisiken müssen stets beachtet werden bei allen Abbruch‑, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor 1993 errichtet wurden.
- Faserstäube
Beim Umgang mit Mineralwolle-Dämmstoffen können gesundheitsgefährliche Faserstäube freigesetzt werden. Aufgrund verschärfter Kriterien gelten zwar viele neuere Dämmstoffe nicht mehr als krebserzeugend, von einer pauschalen Entwarnung kann jedoch keine Rede sein. Zudem muss bei Abbruch‑, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten damit gerechnet werden, dass Mitarbeitende den Stäuben aus „alten“ Mineralwolleprodukten ausgesetzt sind. Für diese Fälle wurde eine eigene Technische Regel erstellt (siehe Kasten Rechtsgrundlagen).
- Infektiöse Stäube
Stäube mit Infektionsrisiken kommen nicht nur im Gesundheitswesen vor, sondern auch bei Abbrucharbeiten, in der Abfallwirtschaft oder in Archiven. Die hier auftretenden Bio-Stäube sind oft alles andere als gesundheitsfreundlich, sie können Krankheitserreger enthalten oder allergische Reaktionen auslösen. Typische Quellen sind Taubenkot, Mäusedreck oder Schimmelpilze. Zu den Bio-Stäuben gehören auch die Blütenstäube, die sich aus Blütenpollen zusammensetzen und vor allem bei Allergikern gefürchtet sind.
Die Problematik der verkehrsbedingten Luftverschmutzung durch Rußpartikel und Diesel“stäube“ wird im Zusammenhang mit dem Dieselskandal breit diskutiert und soll hier nicht wiederholt werden. Darüber hinaus treten an spezifischen Arbeitsplätzen oder in bestimmten Branchen weitere gesundheitsrelevante Staubfraktionen auf. Mit einigen dieser Spezialfälle wie Mehlstäube, Tonerstäube oder Nanostäube werden sich die kommenden Ausgaben des „Sicherheitsbeauftragten“ gesondert befassen.
Stäube im Arbeitsschutzrecht
Wer sich mit den Arbeitsschutzvorgaben zum Schutz vor gesundheitsgefährlichen Stäuben befasst, kommt um die Begriffe E‑Staub und A‑Staub nicht herum. Diese Einteilung hat einen medizinischen Hintergrund. Denn während sich größere Staubteilchen in Nase, Hals oder Rachen absetzen, dringen kleinere bis tief in das Lungengewebe und die Alveolen (Lungenbläschen) vor. Arbeitsmediziner bezeichnen den Staubanteil, den wir beim Atmen einatmen, als E‑Staub (einatembarer Staub). Mit A‑Stäuben sind dagegen die feineren alveolengängigen Stäube gemeint. Der A‑Staub ist somit der Anteil des E‑Staubs, bei dem die Staubpartikel so winzig sind, dass sie tief in die Alveolen eindringen.
Je kleiner umso gefährlicher
Wenn von den besonders gesundheitsgefährlichen Feinstäuben die Rede ist, ist meist die A‑Staubfraktion gemeint. Manchmal wird der Feinstaub auch als PM 10 bezeichnet, das steht für „particulate matter“ und umfasst alle Staubpartikel, deren Durchmesser kleiner als 10 µm (Mikrometer = 1 millionstel Meter) sind (vergleiche Tabelle oben). Entscheidend zu wissen für den Gesundheitsschutz im Betrieb ist, dass fast jeder Stoff zu einem Gesundheitsrisiko werden kann, wenn er in dieser Winzigkeit – als Feinstaub – vorliegt, so harmlos die Substanz als „größerer Brocken“ ansonsten sein mag.
Maßgeblich für den Arbeitsschutz an staubenden Arbeitsplätzen ist der sogenannte Allgemeine Staubgrenzwert (ASGW). Dieser besteht genau genommen aus zwei Werten, einem Grenzwert für die einatembare Fraktion (E‑Fraktion) und einem Grenzwert für die alveolengängige Fraktion (A‑Fraktion). Die Grenzwerte sind Schichtmittelwerte. Der ASGW für die A‑Fraktion wurde vor einigen Jahren von 3 auf 1,25 mg / m³ gesenkt und spätestens 2019 sind alle Übergangsfristen abgelaufen.
Wichtig ist an dieser Stelle zu wissen, dass der ASGW unabhängig von der Art und Herkunft des Staubes gilt. Er hat die Funktion einer allgemeinen Obergrenze. Darüber hinaus können im Technischen Regelwerk (TRGS 900, TRGS 910) für bestimmte Substanzen eigene Beurteilungsmaßstäbe oder spezifische Arbeitsplatzgrenzwerte genannt sein. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn von einem staubenden Stoff gefährliche Eigenschaften wie toxisch, erbgutverändernd oder krebserzeugend bekannt sind.
Wichtige Rechtsgrundlagen zum Umgang mit Staub
- TRGS 553 „Holzstaub“
- TRGS 559 „Quarzhaltiger Staub“
- TRGS 521 „Abbruch‑, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten mit alter Mineralwolle“
- TRGS 500, Kap. 9 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Staub“
- DGUV Information 209–044 „Holzstaub“
- DGUV Information 209–084 „Industriestaubsauger und Entstauber“
Staub – eine unterschätzte Gefahr
Die Gesundheitsrisiken, die von Staub ausgehen, werden oft unterschätzt. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Stäube sind uns aus dem Alltag vertraut. Sie wirken lästig, aber harmlos. Bei den Stäuben in den eigenen vier Wänden oder auf dem Dachboden mag das zutreffen, doch je nach Branche und Tätigkeit kann ein Staub am Arbeitsplatz hochgradig gesundheitsgefährlich sein.
- Auch unverdächtige Materialien, die weder giftig sind noch ein Gefahrstoffsymbol tragen – wie etwa ein Holzstück –, können Gesundheitsrisiken bergen, sobald sie beim Bearbeiten Stäube freisetzen.
- Stäube sind überall und unvermeidbar. Ein bisschen Staub gibt es – abgesehen von Reinräumen – überall, in jeder Branche und an jedem Arbeitsplatz. Ab wann dieses „bisschen Staub“ zu einer Gesundheitsgefahr wird, können unsere Sinnesorgane nicht erkennen. Nase und Augen melden uns zwar Staub, aber auch der Niesreiz ist kein verlässlicher Sensor, um die Gefährlichkeit des Reizursprungs einzuschätzen.
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