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101 Jahre Sicherheitsbeauftragte: Erfolgsgeschichte für den Arbeitsschutz

101 Jahre Sicherheitsbeauftragte in Deutschland
Erfolgsgeschichte für den Arbeitsschutz

Seit 101 Jahren gibt es in Betrieben in Deutsch­land Sicher­heits­beauf­tragte: Im ereignis­re­ichen Nachkriegs­jahr 1919 begann die Geschichte dieses Ehre­namts. So wie sich Unternehmen dem Wan­del der Arbeitswelt immer anpassen mussten und müssen, so unter­liegt auch die Rolle der Sicher­heits­beauf­tragten ein­er ständi­gen Verän­derung. Dieses Spezial begin­nt mit einem Ein­blick in die his­torische Entwick­lung und zeigt dann anhand der Gefährdungs­beurteilung, wie stark Sicher­heits­beauf­tragte heute in den Arbeitss­chutz einge­bun­den wer­den kön­nen und sollten.

Das Ehre­namt der Sicher­heits­beauf­tragten wurde kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aus der Taufe gehoben – damals unter der Beze­ich­nung „Unfal­lver­trauensmann“. Als „Geburt­stag“ gilt der 20. Okto­ber 1919; an diesem Herb­st­tag beschloss der geschäfts­führende Auss­chuss des Ver­ban­des der Deutschen Beruf­sgenossen­schaften den Para­grafen 14a der Nor­mal-Unfal­lver­hü­tungsvorschrift (Quelle: Die Beruf­sgenossen­schaft, Nr. 1, 1920, Seite 5). Der Unfal­lver­trauensmann war damit der erste betriebliche Arbeitss­chutza­k­teur, der durch eine Unfal­lver­hü­tungsvorschrift definiert wurde.

Entwicklungsschub nach dem Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg war der Arbeitss­chutz zunehmend auf­grund des Kriegsver­laufs in den Hin­ter­grund getreten: Zum Beispiel waren Son­ntagsar­beit oder Dop­pelschicht­en durch die Aufhe­bung von Regelun­gen möglich gewor­den. Doch schon kurz nach Kriegsende zeich­neten sich pos­i­tive Entwick­lun­gen ab. So wur­den unter anderem die Arbeit­er­wohlfahrt und die Inter­na­tionale Arbeit­sor­gan­i­sa­tion (ILO) gegrün­det. Zudem stell­ten einige große Fab­riken ab 1920 erste Sicher­heitsin­ge­nieure ein, ohne dass dies geset­zlich vorgeschrieben gewe­sen wäre; 1925 wurde der Ver­sicherungss­chutz für Beruf­skrankheit­en und Wege­un­fälle festgeschrieben.

Handlungsbedarf durch viele tödliche Arbeitsunfälle

Haupt­mo­tiv für die Ein­führung des Unfal­lver­trauensman­ns war, die hohe Zahl von Arbeit­sun­fällen spür­bar zu reduzieren. Sowohl die Arbeit­ge­ber- als auch die Arbeit­nehmer­seite hat­ten daran ein großes Inter­esse: 1917 waren 7.904 Men­schen bei der Arbeit tödlich verunglückt.

Arbeit­er forderten zudem, an der beruf­sgenossen­schaftlichen Auf­sicht beteiligt zu wer­den. Das Reichsver­sicherungsamt reagierte auf diese Bestre­bun­gen und emp­fahl im Feb­ru­ar 1919, „bei der gegen­wär­ti­gen poli­tis­chen Lage Ent­ge­genkom­men zu zeigen und ein Zugeständ­nis, das man voraus­sichtlich doch machen müsse, lieber frei­willig zu gewähren“ (Quelle: Die Beruf­sgenossen­schaft, Nr. 11, 1919, Seite 65).

Unfallverhütung als oberstes Ziel

Damit die Unfal­lver­trauensleute aktiv mithelfen kon­nten, die Zahl der Arbeit­sun­fälle zu reduzieren, wurde Para­graf 14a der Nor­mal-Unfal­lver­hü­tungsvorschrift entsprechend for­muliert: „In jedem größeren Betriebe ins­beson­dere in jed­er Fab­rik im
Sinne des §538 RVO sollen eine oder nach Art und Größe des Betriebes mehrere geeignete, von den Arbeit­nehmern aus ihrem Kreise gewählte Ver­trauensper­so­n­en verpflichtet wer­den, sich von dem Vorhan­den­sein und der ord­nungs­gemäßen Benutzung der vorgeschriebe­nen Schutzvor­rich­tung fort­laufend zu überzeu­gen, vorge­fun­dene Män­gel dem Betrieb­sleit­er zu melden, auf­grund ihrer Erfahrun­gen und Beobach­tun­gen selb­st Vorschläge zur Verbesserung der Schutzvor­rich­tun­gen zu machen, auch das Inter­esse ihrer Arbeitsgenossen für den Unfallschutz zu weck­en, sowie den mit der Überwachung betraut­en staatlichen oder beruf­sgenossen­schaftlichen Auf­sichts­beamten bei Betrieb­s­besich­ti­gun­gen zu begleit­en und durch Auskün­fte und entsprechende Mit­teilun­gen in der Erfül­lung sein­er Auf­gabe zu unter­stützen“ (Quelle: Die Beruf­sgenossen­schaft, Nr. 1, 1920, Seite 5). Diese Regelun­gen blieben weit­ge­hend bis in die 1960er-Jahre bestehen.

Sicherheitsbeauftragte im geteilten Deutschland

Die heute noch gebräuch­liche Beze­ich­nung „Sicher­heits­beauf­tragte“ wurde in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land mit der grundle­gen­den Über­ar­beitung des drit­ten Buchs der Sozialver­sicherung einge­führt, die am 30. April 1963 im Rah­men des Unfal­lver­sicherungs-Neuregelungs­ge­set­zes (UVNG) veröf­fentlicht wurde. Der Begriff „Unfal­lver­trauensmann“ war damit passé. Eine weit­ere wichtige Änderung war, dass der Sicher­heits­beauf­tragte im Ver­gle­ich zum Unfal­lver­trauensmann nicht mehr von den Arbeit­nehmern gewählt, son­dern vom Unternehmer benan­nt wurde. Para­graf 719 des drit­ten Sozialge­set­zbuchs definierte, dass es zu den Auf­gaben der Sicher­heits­beauf­tragten gehöre, „den Unternehmer bei der Durch­führung des Unfallschutzes zu unter­stützen, ins­beson­dere sich vom Vorhan­den­sein und der ord­nungs­gemäßen Benutzung der vorgeschriebe­nen Schutzvor­rich­tun­gen fort­laufend zu überzeugen.“

In der Deutschen Demokratis­chen Repub­lik gab es schon in den 1950er-Jahren Sicher­heits­beauf­tragte, die aber eher die Auf­gaben von Fachkräften für Arbeitssicher­heit innehat­ten. Der Nach­fol­ger des Unfal­lver­trauensman­ns hieß dort „Arbeitss­chut­zob­mann“. Das Gesetz der Arbeit (GdA) aus dem Jahr 1950 gab hier die Regelun­gen vor.

Mehr als „nur“ Unfallverhütung

Zurück zur Bun­desre­pub­lik: Dort verän­derten sich ab Ende der 1960er-Jahre die Auf­gaben der Sicher­heits­beauf­tragten mas­siv. Beson­ders das The­ma „Human­isierung der Arbeitswelt“ sorgte in dieser Zeit dafür, dass Unfal­lver­hü­tung nicht mehr „der eine“ Schw­er­punkt der Arbeit im Arbeitss­chutz war. Ver­schiedene Inter­essens­grup­pen, allen voran die Gew­erkschaften, forderten, dass Arbeits­be­din­gun­gen men­schen­gerechter wer­den soll­ten. Es sollte mehr für die Gesun­der­hal­tung und die Arbeit­szufrieden­heit der Beschäftigten getan wer­den. Maschi­nen tru­gen dazu bei, dass kör­per­liche Arbeit reduziert wurde. Weit­ere Stich­wörter waren „Mitbes­tim­mung“ und „Selb­stver­wirk­lichung“: Die Monot­o­nie der Fließban­dar­beit sollte soweit wie möglich reduziert wer­den. Die Anfang der 1970er-Jahre erlassene Arbeitsstof­fverord­nung und die Ein­führung von Lärm­schutzvorschriften führten zudem dazu, dass Sicher­heits­beauf­tragte in der betrieblichen Prax­is mit Auf­gaben betraut wur­den, die weit über die reine Unfal­lver­hü­tung hin­aus­gin­gen und ver­stärkt Aspek­te des Gesund­heitss­chutzes bein­hal­teten. Den rechtlichen Rah­men für die Auf­gaben­er­weiterung hier­für lieferte das Arbeitssicher­heits­ge­setz von 1973.

Weiterer Schwerpunkt Gesundheitsschutz

Als Folge daraus wurde im Jahr 1996 mit der Ein­führung des Sozialge­set­zbuchs (SGB) VII fest­geschrieben, dass der Gesund­heitss­chutz ein weit­er­er Schw­er­punkt der Arbeit von Sicher­heits­beauf­tragten sein sollte. In Para­graf 22 wur­den die Begriffe „Beruf­skrankheit­en“ und „Gesund­heits­ge­fahren“ aufgenom­men. Dort heißt es bis heute wie fol­gt: „Die Sicher­heits­beauf­tragten haben den Unternehmer bei der Durch­führung der Maß­nah­men zur Ver­hü­tung von Arbeit­sun­fällen und Beruf­skrankheit­en zu unter­stützen, ins­beson­dere sich von dem Vorhan­den­sein und der ord­nungs­gemäßen Benutzung der vorgeschriebe­nen Schutzein­rich­tun­gen und per­sön­lichen Schutzaus­rüs­tun­gen zu überzeu­gen und auf Unfall- und Gesund­heits­ge­fahren für die Ver­sicherten aufmerk­sam zu machen.“ Zudem wur­den in das SGB VII „Arbeits­be­d­ingte Gesund­heits­ge­fahren“ als zusät­zliche Präven­tion­sauf­gabe aufgenommen.

Fokus auf Prävention und Gesundheitsförderung

2015 wurde nach langem Rin­gen ein neues Gesetz ver­ab­schiedet, das auf Vor­beu­gung in ver­schiede­nen „Lebenswel­ten“, speziell auch in Betrieben, abzielt: das Präven­tion­s­ge­setz. Ziel dieses Geset­zes ist es, primäre Präven­tion und Gesund­heits­förderung als wichtige Her­aus­forderung in den Unternehmen zu platzieren. Wenn es um die Umset­zung von Gesund­heits­förderung im Betrieb geht, sind zwar Betrieb­särztin­nen, Betrieb­särzte und Fachkräfte für Arbeitssicher­heit im Fokus. Doch auch Sicher­heits­beauf­tragte wer­den immer mehr in diese The­men­felder involviert. Durch ihre Nähe zu den Beschäftigten und durch ihre Ortsken­nt­nisse waren und sind sie wichtige Mul­ti­p­lika­toren und Unter­stützer in Sachen sichere und gesunde Arbeit.

Neue Aufgaben – neue Bezeichnung?

Beson­ders die Entwick­lun­gen der ver­gan­genen Jahre haben dazu geführt, dass der Begriff „Sicher­heits­beauf­tragte“ die Tätigkeit­en und Auf­gaben dieses Ehre­namts nicht mehr aus­re­ichend wider­spiegelt. 56 Jahre nach dem Inkraft­treten des Unfal­lver­sicherungs-Neuregelungs­ge­set­zes scheint eine erneute Umbe­nen­nung drin­gend geboten, denn der Sicher­heits­beauf­tragte ist bei Weit­em nicht mehr nur auf Sicher­heit­s­the­men beschränkt.

Tat­säch­lich sind die 670.000 Sicher­heits­beauf­tragten, die einen wichti­gen Beitrag für den Arbeitss­chutz in Deutsch­land leis­ten, von ihren Auf­gaben her schon längst zu „Beauf­tragten für Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit“ gewor­den – größere Unternehmen nen­nen Per­so­n­en in dieser Funk­tion deswe­gen auch schon so oder ähn­lich. Und ihre Auf­gaben wer­den sich weit­er wan­deln, denn auch in Zukun­ft wer­den neue gesellschaftliche und betriebliche Entwick­lun­gen in das Rol­len­bild der Sicher­heits­beauf­tragten inte­gri­ert werden.


Foto: BGHM

Autor: Ger­hard Kuntzemann
Beruf­sgenossen­schaft Holz und Metall
Leit­er Sachge­bi­et Sicherheitsbeauftragte
Fach­bere­ich Organ­i­sa­tion von Sicher­heit und Gesundheit

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