„Die Produktionskapazitäten sind voll gefordert“, sagt Daniel Pasch, Product Manager bei 3M in Solingen. Lieferfähigkeit sei jetzt in Coronazeiten das prägende Thema in der Branche. Vor allem Über‑, Vollsicht- und Korbbrillen sind gefragt. Axel Rühlemann, Geschäftsführer bei Schmerler in Nürnberg, formuliert drastisch: „Die Nachfrage ist im zweiten und dritten Quartal explosionsartig gestiegen und konnte eigentlich von keinem Hersteller wirklich gedeckt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Versorgungslage in Bezug auf Katastrophenschutz in Deutschland an sich schon eine Katastrophe ist.“ Vor allem der Absatz von Vollsicht- und Korbbrillen für soziale Dienste, Krankenhäuser, im Pflegebereich und dem Katastrophenschutz sind seit Corona in die Höhe geschossen. Vorherrschendes Thema bei Beschaffern und Anbietern sind also eher Lieferschwierigkeiten als Diskussionen über technische Eigenschaften oder Preise.
Größeres Sichtfeld gegen Tunnelblick
Nichtsdestotrotz wurde seit der Branchenfachmesse A+A 2019 die Weiterentwicklung der Modelle forciert. Zum Beispiel hinsichtlich der Größe des Sichtfeldes: Uvex etwa hat bei seinem „Megasonic“-Modell das Sichtfeld um 20 Prozent nach unten vergrößert. „So vermeidet man einen Tunnelblick“, erklärt Gerhard Dietl, Brillenspezialist beim Fürther PSA-Anbieter. „Die Scheibe ist außen wie bei einer Skirennbrille angebracht. Wenn der Skifahrer mit 130 Kilometer pro Stunde die Piste runterrast, muss er gut sehen können. Das ist am Arbeitsplatz nicht anders. Das erweiterte Sichtfeld hilft nicht nur beim Schleifen, Fräsen, Schweißen oder dem Umgang mit Chemikalien, sondern auch beim Laufen und Treppensteigen“, führt der Experte aus.
Hoher Tragekomfort – auch für Brillenträger
Die kompakte Vollsichtbrille „Preventor“ mit ihren vielen Optionen, Einstellmöglichkeiten und RX-Clip wurde auf der A+A 2019 als Prototyp vorgestellt, ist in Serie gegangen und entwickelt sich jetzt zum Verkaufsschlager bei Infield Safety in Solingen. Bei Protect Laserschutz, Nürnberg, stellt die Augenschutz-Spezialistin Nadine Dantonello fest, dass bei den Kunden besonders gut Produkte ankommen, die Leichtigkeit mit Funktionalität vereinen. Durch flexible und in der Länge und Neigung verstellbare Bügel ermögliche die Laserschutzbrille „Ontor“ einen hohen Tragekomfort. Das Einscheibenmodell biete zudem ein großes Sichtfeld und sei auch für Brillenträger mit modischen und größeren Korrektionsbrillen bequem zu tragen. Auf eine optimale Passform und hohen Komfort setzt auch der Hersteller Dräger. Die Schutzbrillen X‑pect 8200 und 8300 verfügen über eine bruchfeste Polycarbonatscheibe für eine sehr lange Lebensdauer. Dennoch sind die Brillen leichtgewichtig und bieten damit einen hohen Tragekomfort auch bei dauerhafter Nutzung.
Tendenz zu universellen Modellen
Da die Unternehmen dazu tendieren, universelle Modelle für ihre Belegschaft anzuschaffen, liegt ein Fokus der Augenschutz-Spezialisten auf flexiblen Brillen, die sich auf vielen Ebenen verstellen lassen und so für guten Tragekomfort sorgen. Schließlich ist jeder Kopf anders: Größe und Form von Kopf, Nase und Augen sowie Position der Ohren variieren von Mensch zu Mensch. Gemeinsam haben viele Berufstätige aber, dass sie bei der Arbeit oder bei bestimmten Tätigkeiten einen Augenschutz benötigen: Persönliche Schutzbrillen, einschließlich Gesichtsschildern oder Atemschutzmasken, müssen getragen werden, wenn Gefahr für die Augen besteht. Bei etlichen Unfällen waren die Beschäftigten jedoch der Ansicht, dass für die ausgeführte Aufgabe kein Augenschutz erforderlich war. Deshalb sollten Arbeitnehmer zu jeder Zeit Augen- und Gesichtsschutz tragen, wenn damit wahrscheinlich Verletzungen verhindert werden können.
Augen selbstverständlich schützen
Ein fliegender Funke oder ein verirrter Splitter können das Leben maßgeblich verändern. Das Tragen der Brille sollte insofern nicht als notwendiges Übel gelten, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Um dies zu erreichen, stehen die Anbieter mit ihren Abnehmern im engen Kontakt. „Unsere Produkte werden unter anderem auf Basis intensiver Kundengespräche entwickelt und verbessert. Dieser starke Kundenfokus ist notwendig, da die Schutzbrillen nur dann schützen können, wenn sie gerne getragen werden“, sagt Christian Wester von Infield Safety.
Eine für alle: Flexibel verstellbar
Zur Akzeptanz von Augenschutz trägt der Tragekomfort wesentlich bei. Und der erhöht sich mit der Passform. „Passt fast für alle Nationen“ lautet der Slogan bei Uvex, der aber im Prinzip für alle Anbieter gilt. Bei den Bügeln sind Länge und Neigung verstellbar, damit die Brille nicht am oder hinterm Ohr drückt beziehungsweise auch bei schweißtreibender Arbeit nicht verrutscht. Das Nasenteil ist weich, die Brille möglichst leicht, damit sie auch nach längerer Zeit nicht lästig wird. Auch die Scheibenneigung lässt sich variieren. Nicht zuletzt soll die Brille gut aussehen und einen sportlichen Touch haben. So fügt sie sich ins Gesamtbild der PSA ein, die sich bei allem Schutz immer mehr an Sport Styles orientiert. Auch das erhöht die Akzeptanz und somit die Wahrscheinlichkeit, dass die Brillen getragen werden.
Permanenter Durchblick
Einmal auf der Nase sollte die Brille nicht beschlagen. „Anti Fog“-Beschichtungen sorgen innen und immer öfter auch außen dafür, dass das nicht oder zumindest nur kurz und in geringem Ausmaß passiert. Auch Überbrillen sind zusehends mit Anti-Beschlag-Technologie ausgestattet. 3M beispielsweise bietet eine Überbrille für den Dauereinsatz über der Korrekturbrille. Raumwechsel wie vom Kühlhaus in warme Innenräume sind dank der Antifog-Beschichtung kein Problem. Die „SecureFit 3700“-Modelle verfügen über eine patentierte Bügeldruckverteilungstechnologie und je nach Ausführung integrierten Augenbrauenschutz, damit auch Partikel von oben nicht in die Augen kommen können. Gerhard Dietl von Uvex, selbst Brillenträger und ausgebildeter Optiker, erklärt außerdem, wie wichtig die Luftzirkulation für die Augen ist. „Bei unseren Megasonic-Brillen verbessert die indirekte Ventilation die Konzentration und auf Dauer auch die Augengesundheit“.
Kratzfest und widerstandsfähig
Schließlich ist es wichtig, dass die Brillengläser eine hohe Kratzfestigkeit aufweisen. Denn durch das Auf- und Absetzen sowie raue Arbeitsbedingungen kann es schnell zu Beschädigungen kommen, sodass die optimale Sicht nicht mehr gewährleistet ist. Die neuen (Corona-)Hygienekonzepte sehen zudem vor, dass Brillen und Bekleidung häufiger desinfiziert werden müssen. In der Regel können Brillen problemlos immer wieder besprüht und abgewischt werden. Bestimmte Modelle von 3M lassen sich autoklavieren, also durch Dampfsterilisation bei 120 bis 140°C sterilisieren, ohne dass die Anti-Beschlag-Beschichtung Schaden nimmt. Schutzbrillen sollten antistatisch ausgerüstet sein, um keinen Staub und Schmutz anzuziehen. Für den Einsatz im Lebensmittelsektor muss die Brille zudem detektierbar sein, also Metall enthalten, damit sie – falls sie mal ins Essen fällt – gefunden werden kann. Zunehmend gebraucht werden Brillen, die vor Blaulicht schützen, das Bildschirme und Energiesparlampen ausstrahlen können. Und bei Tätigkeiten im Reinraum schützen Brillen nicht den Träger, sondern die Produkte.
Nachhaltige Produktion
Außerdem liegt den Lieferanten noch eine weitere Angelegenheit sehr am Herzen: das Thema Nachhaltigkeit. Da es sich bei den meisten Brillen um Wegwerfartikel handelt, ist der Wunsch nach dem Einsatz recycelter oder recycelbarer Materialien groß. „Für uns ist das Thema Nachhaltigkeit von hoher Bedeutung. Es gilt ganz klar, den Kunststoffverbrauch zu minimieren. Schutzbrillen haben im Einsatz eine begrenzte Haltbarkeit und verursachen nach ihrer Lebensdauer Plastikmüll. Hier sollten wir ansetzen“, erklärt Axel Rühlemann. Derzeit arbeite Schmerler an der Entwicklung von Schutzbrillen aus nachhaltigen Kunststoffen, sogenannten biobasierten Kunststoffen. „Das geht sogar bis hin zu biologisch abbaubaren Kunststoffen. Bis zum Serienmodell werden wir aber noch etwas Zeit benötigen“, gibt der Fachmann einen Ausblick. Bei Uvex ist man derzeit dabei, zunächst die Verpackung in diesem Sinne zu optimieren. Als Zukunftsvision wird zudem die Rücknahme und Wiederverwendbarkeit der Rahmenmaterialien angestrebt.
Digitalisierung derzeit noch ein Randthema
Beim Thema Schutzbrille fokussieren sich viele Firmen meist noch auf das klassische Geschäftsfeld. „Aber es geht in Richtung Datenbrille“, unterstreicht Dietl. „Maschinen werden immer mehr eingehaust, der traditionelle Augenschutz wird nicht mehr in dem Maße nötig sein. Dann braucht man die Brille nur noch bei Störungen und Reparaturen.“ Als aktiver Augenschutz ist zum Beispiel eine Brille mit beheizbarer Scheibe für Temperaturwechsel denkbar. Für den Laserschutz wäre eine intelligente Laserschutzbrille wünschenswert: „Ein Modell, das unabhängig von der verwendeten Wellenlänge optimalen Schutz und Sicht für den Anwender ermöglicht – sofern es die Normen und Richtlinien des Laserschutzes sowie die technischen Gegebenheiten zulassen“, ergänzt Nadine Dantonello.
Datenbrille für mehr Sicherheit
In der Logistikbranche erleichtert die Datenbrille entscheidend die Arbeit, etwa beim Auffinden der Ware, bei Unregelmäßigkeiten oder Fehlern bei der Lagerung, aber auch beim Übermitteln des Standorts von Flurförderfahrzeugen zum Vorbeugen von Unfällen.
Im Außendienst können eingespielte Daten bei der Montage und Reparatur helfen. Schließlich kann die Digitalisierung der Schutzausrüstung so gestaltet werden, dass Maschinen sich erst bedienen lassen, wenn diese richtig und vollständig angelegt ist.