Der Betriebsrat eines Unternehmens, das im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe Fahrdienstleistungen erbringt war mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit, die bei der Arbeitgeberin beschäftigt war, nicht zufrieden und warf ihr vor, nicht ausreichend für den Arbeitsschutz tätig zu werden (warum dies der Fall war, ergibt sich aus der veröffentlichten Entscheidung leider nicht).
Er regte daher gegenüber der Arbeitgeberin an, den Mitarbeiter als Fachkraft für Arbeitssicherheit abzuberufen. Die Arbeitgeberin wies dieses Ansinnen als unbegründet zurück. Daraufhin zog der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht Berlin und beantragte, eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand „Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit“ einzusetzen. Das Arbeitsgericht entsprach diesem Antrag. Hiergegen legt die Arbeitgeberin Beschwerde ein und rügte sowohl die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle als auch die ordnungsgemäße Beschlussfassung durch den Betriebsrat.
Entscheidung des Gerichts
Die Beschwerde der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Das LAG entschied, dass ein ordentlicher Beschluss vorliege und auch die Einigungsstelle nicht offenkundig unzuständig sei.
Nur bei offensichtlicher Unzuständigkeit kann der Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle zurückgewiesen werden. Das ist der Fall, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt.
Sinn der weitgefassten Regelung ist es, in Zweifelsfällen der Einigungsstelle die Prüfung ihrer Zuständigkeit zu überlassen und so eine beschleunigte Durchführung des Einigungsstellenverfahrens zu ermöglichen.
Ansicht des LAG: kein Initiavrecht
Nach Ansicht des LAG sei dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) kein Initiavrecht des Betriebsrates zu entnehmen. Der Gesetzeswortlaut des einschlägigen § 9 ASiG spreche dagegen.
Die Zuständigkeit der Einigungsstelle für einen solchen Antrag sei daher eigentlich nicht gegeben. Denn nach dieser Vorschrift sind Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Zustimmung des Betriebsrats zu bestellen und abzuberufen. Das Gleiche soll bei deren Aufgabenerweiterung oder ‑einschränkung gelten. Dies greife jedoch nur für angestellte Fachkräfte, nicht aber bei der Verpflichtung von freiberuflich Tätigen. In diesem Fall ist der Betriebsrat (nur) zu hören. Nach Auffassung der Richter sehe das Gesetz für den Fall der Abberufung einer Fachkraft ausdrücklich nur die „Zustimmung“ des Betriebsrats vor. Eine „Zustimmung“ setze aber bereits begrifflich eine Maßnahme des Arbeitgebers voraus; nur einer solchen Vorgabe durch den Arbeitgeber könne der Betriebsrat „zustimmen“.
Noch keine höchstrichterliche Klärung
Die Frage, ob dem Betriebsrat ein Initiavrecht zusteht, ist rechtlich umstritten und noch nicht höchstrichterlich vom Bundesarbeitsgericht geklärt. Für ein solches Recht wird in der juristischen Literatur argumentiert, dass als Fachkraft für Arbeitssicherheit nur eine Person tätig werden soll, die stets das Vertrauen des Betriebsrats besitzen müsse.
Auch das LAG Hamm war in einem Beschluss aus dem Jahre 2008 (10 TaBV 125/07) in Bezug auf einen Betriebsarzt davon ausgegangen, dass in den Fällen, in denen sich Arbeitgeber und Betriebsrat auf die Anstellung eines Betriebsarztes durch Arbeitsvertrag geeinigt haben, der Betriebsrat bei der Abberufung des jeweiligen Betriebsarztes mitzubestimmen (und nicht nur der Abberufung zuzustimmen) habe.
Diese Auffassungen überzeugten das LAG jedoch nicht. Der Gesetzgeber habe sich im Arbeitssicherheitsgesetz bewusst dazu entschieden, nur von einer Zustimmung auszugehen. Hätte der Gesetzgeber dem Betriebsrat ein (dem Betriebsverfassungsgesetz entsprechendes) Mitbestimmungsrecht einräumen wollen, hätte er dies ohne Weiteres tun können. Im Gesetz sei jedoch nur von Zustimmung die Rede, nicht aber von Mitbestimmung.
Seine Auslegung hält das LAG auch für zweckmäßig. Dem Vertrauen des Betriebsrats in die Fachkraft für Arbeitssicherheit sei schon damit Rechnung getragen, dass ihm bei der Bestellung und Abberufung durch den Arbeitgeber ein Zustimmungsrecht eingeräumt wird. Auf diesem Weg sei sichergestellt, dass keine Person berufen werden kann, deren Bestellung der Betriebsrat nicht zugestimmt hätte.
Ebenso kann eine Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht abberufen werden, ohne dass der Betriebsrat dies mittragen würde, es sei denn eine Einigungsstelle hätte anders entschieden. Dass eine Vertrauenssituation zwischen Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsrat aber nur dann angenommen werden könnte, wenn dem Betriebsrat das Initiativrecht zu deren jederzeitigen Abberufung zustehen würde, sei nicht erforderlich.
LAG setzte Einigungsstelle ein
Im Hinblick darauf, dass diese Rechtsfrage umstritten und vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden wurde, waren die Voraussetzung der Einsetzung einer Einigungsstelle jedoch erfüllt. Daher bestätigte das LAG die Entscheidung der ersten Instanz und setzte die Einigungsstelle ein. Diese muss nun in eigener Kompetenz ihre Zuständigkeit klären.
Fazit
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist durchaus beachtenswert. Denn die Kammer hätte sich in ihrer Begründung darauf beschränken können, auf die noch ungeklärte Rechtsfrage zu verweisen und die Einigungsstelle einzusetzen. Denn offensichtlich unwirksam – insoweit ist dem LAG zuzustimmen – war die Einsetzung der Einigungsstelle (wie oben dargestellt) nicht.
Die Richter wollten den Parteien und der Einigungsstelle aber offenbar schon einmal ihre Auffassung zu der Rechtsfrage mitteilen. Inhaltlich ist dem LAG allerdings zu widersprechen. Geht man davon aus, dass die Fachkraft für Arbeitssicherheit das stetige Vertrauen des Betriebsrats besitzen muss, ist es nicht ausreichend, dem Betriebsrat bei der Bestellung und Abberufung durch den Arbeitgeber ein Zustimmungsrecht einzuräumen. Zwar kann er die grundsätzliche (theoretische) Qualifikation bei der Bestellung überprüfen und seine Entscheidung zur Zustimmung davon abhängig machen. Wird aber das zu Beginn bestehende Vertrauen in die Qualifikation der Fachkraft später gestört, wären dem Betriebsrat die Hände gebunden. Die Abberufung könnte dann nur der Arbeitgeber initiieren – wenn er die Bedenken des Betriebsrats teilt.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Angelegenheit seinen Weg bis zum Bundesarbeitsgericht findet. Erst dann wird endgültig Klarheit in dieser Rechtsfrage bestehen.