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Neue EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern

Relevant auch für den Arbeitsschutz?
Neue EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern

Neue EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern
Die Entscheidung Missstände in Unternehmen und Behödern anzuprangern, soll mithilfe der neuen EU-Richtlinie einfacher werden. Foto: © WoGi – stock.adobe.com
Die EU-Richtlin­ie zum Schutz von Hin­weis­ge­bern, den soge­nan­nten Whistle­blow­ern, ist am 16.12.2019 in Kraft getreten. Die Mit­glied­staat­en haben nun zwei Jahre Zeit, um die Vorschriften in nationales Recht umzuset­zen. Mit der Richtlin­ie sollen Whistle­blow­er europaweit bess­er geschützt und Missstände in der öffentlichen Ver­wal­tung und in pri­vat­en Unternehmen leichter aufgedeckt wer­den. Dieser Beitrag beleuchtet die neuen EU-Regeln zum Schutz von Whistle­blow­ern und zieht eine Par­al­lele zum deutschen Arbeitss­chutzge­setz. Dort hat der Geset­zge­ber den Schutz von Whistle­blow­ern bere­its vor vie­len Jahren geregelt.

Die neue EU-Richtlin­ie verpflichtet Behör­den sowie öffentliche und pri­vate Unternehmen, sichere Kanäle für die Mel­dung von Rechtsver­stößen einzuricht­en. Ziel ist es, dass Hin­weis­ge­ber Ver­stöße gegen EU-Recht möglichst gefahr­los melden können.

Die Meldekanäle sind so einzuricht­en, dass Infor­ma­tio­nen mündlich oder schriftlich mit­geteilt wer­den kön­nen und gle­ichzeit­ig die Ver­traulichkeit der Iden­tität des Hin­weis­ge­bers und Betrof­fen­er gewahrt bleibt. Zudem soll eine Rück­mel­dung auf den Hin­weis inner­halb von sieben Tagen erfol­gen. Die Hin­weis­ge­ber sind verpflichtet, zunächst die inter­nen Kanäle ihres Unternehmens oder ihrer Behörde zu nutzen, bevor sie auf externe Kanäle zurück­greifen. Aber auch dann, wenn sich die Whistle­blow­er sofort an externe Stellen wen­den, wer­den sie durch die neue Richtlin­ie geschützt.

Unter den per­sön­lichen Schutzbere­ich der Richtlin­ie fall­en ins­beson­dere Angestellte und Beamte, aber zum Beispiel auch Prak­tikan­ten oder Mitar­beit­er von Auf­trag­nehmern. Die Richtlin­ie gilt unter anderem für:

  • die öffentliche Auftragsvergabe
  • Finanz­di­en­stleis­tun­gen
  • die Ver­hü­tung von Geldwäsche
  • das Gesund­heitswe­sen
  • die Pro­dukt- und Verkehrssicherheit
  • den Ver­brauch­er­schutz
  • den Daten­schutz.

Verpflich­t­end wer­den die neuen Vorschriften allerd­ings nur für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten und Gemein­den mit mehr als 10.000 Ein­wohn­ern sein. Aus­nah­men hier­von kön­nen fest­gelegt wer­den. Ziel ist es, Hin­weis­ge­ber vor Repres­salien zu schützen, etwa davor, sus­pendiert, her­abgestuft oder eingeschüchtert zu wer­den. Auch ihre Unter­stützer, etwa Kol­le­gen und Ange­hörige, wer­den geschützt. Behör­den und Unternehmen müssen des Weit­eren inner­halb von drei Monat­en auf Mel­dun­gen reagieren und diese weit­er­ver­fol­gen. Für externe Kanäle kann diese Frist auf sechs Monate ver­längert werden.

Die EU-Regelun­gen gel­ten nicht sofort. Sie müssen bis zum 17.12.2021 von den Mit­gliedsstaat­en in nationales Recht umge­set­zt werden.

Und Whistleblower im Arbeitsschutz?

Der Schutz für Whistle­blow­er in der Arbeitssicher­heit ist bere­its seit vie­len Jahren im deutschen Arbeitss­chutzge­setz geregelt, wobei die Regelun­gen hierzu eben­falls auf europäis­chen Richtlin­ien zum Arbeitss­chutz basieren. Nach Para­graf 17 des Arbeitss­chutzge­set­zes sind die Beschäftigten berechtigt, dem Arbeit­ge­ber Vorschläge zu allen Fra­gen der Sicher­heit und des Gesund­heitss­chutzes bei der Arbeit zu machen. Sie kön­nen sich zudem in allen Fra­gen der Sicher­heit und des Gesund­heitss­chutzes an die zuständi­ge Arbeitss­chutzbe­hörde wen­den und sich über den Arbeit­ge­ber beschw­eren. Nachteile dür­fen hier­aus nicht erfol­gen. Der Arbeit­ge­ber darf einen Beschäftigten wegen sein­er Beschw­erde also nicht maßregeln, also etwa abmah­nen, ver­set­zen oder gar kündi­gen. Diese Vorschrift gilt für alle Betriebe und Unternehmen unab­hängig von ihrer Größe oder der Anzahl ihrer Beschäftigten.

Für eine recht­mäßige Beschw­erde gel­ten jedoch zwei wesentliche inhaltliche Voraussetzungen:

  • Die Beschw­erde muss auf konkreten Anhalt­spunk­ten basieren, sie darf also nicht willkür­lich sein.
  • Zudem muss der Miss­stand zuvor inner­be­trieblich angezeigt wor­den sein.

Der Arbeit­ge­ber muss also die Gele­gen­heit bekom­men, selb­st Abhil­fe zu schaf­fen. Sind diese bei­den Voraus­set­zun­gen erfüllt, ist ein „Anschwärzen“ des Arbeit­ge­bers gesetzeskonform.

Eine vorherige inner­be­triebliche Anzeige ist jedoch nicht immer oblig­a­torisch. Ist davon auszuge­hen, dass vom Arbeit­ge­ber keine Abhil­fe (mehr) zu erwarten ist, etwa wenn der Zus­tand offenkundig ist und seit län­ger­er Zeit nichts unter­nom­men wurde, oder hat der Arbeit­ge­ber bere­its auf die berechtigte Anzeige eines Kol­le­gen nicht reagiert, ist eine inner­be­triebliche Anzeige nicht notwendig. Gle­ich­es gilt, wenn eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Beschäftigten beste­ht. Bei der Bew­er­tung kommt es stets auf den Einzelfall an.

Auf die Anzeige eines Beschäftigten muss der Arbeit­ge­ber unverzüglich, also ohne schuld­haftes Zögern, reagieren. In weniger gefährlichen Fällen darf der Arbeit­ge­ber zunächst den Sachver­halt erforschen und die Berech­ti­gung der Anzeige sorgfältig prüfen. Erfol­gt keine oder keine adäquate Reak­tion, kann der Beschäftigte den Arbeit­ge­ber bei der Arbeitss­chutzbe­hörde anschwärzen, ohne dass ihm arbeit­srechtliche Kon­se­quen­zen dro­hen. Denn sein Ver­hal­ten ste­ht dann im Ein­klang mit dem Arbeitsschutzgesetz.

Warum dürfen interne Sifas und Betriebsärzte nicht „anschwärzen“?

Für interne Fachkräfte für Arbeitssicher­heit und Betrieb­särzte ist wed­er ein Anzeigerecht noch ein Schweigerecht geset­zlich geregelt. Bei­de Funk­tion­sträger haben nach dem Arbeitssicher­heits­ge­setz die Auf­gabe, den Arbeit­ge­ber fachkundig zu berat­en, indem sie Arbeitss­chutzver­stöße melden und Abhil­fe­maß­nah­men vorschla­gen. Sie kön­nen ihre Auf­gaben als betriebliche Arbeitss­chutzex­perten nur dann effek­tiv erfüllen, wenn der Arbeit­ge­ber ihnen ver­traut und nicht zögert, sie ger­ade auch bei Ver­stößen im Betrieb einzu­binden. Dieses Ver­trauen würde durch eine Beschw­erde­befug­nis bei der Auf­sichts­be­hörde in nicht vertret­bar­er Weise gefährdet. Daher wird ein Beschw­erderecht für interne Sifas und Betrieb­särzte grund­sät­zlich abgelehnt. Da der § 17 Arb­SchG sich nur auf Beschäftigte im Betrieb des Arbeit­ge­bers bezieht, fall­en externe Fachkräfte für Arbeitssicher­heit und Betrieb­särzte nicht darunter. Diese befind­en sich lediglich in einem Auf­tragsver­hält­nis. Auf­grund ihrer beson­deren Ver­trauenssi­t­u­a­tion kön­nte ein „Anschwärzen“ des sie beauf­tra­gen­den Unternehmens aber gegen ihre Ver­tragspflicht­en verstoßen.

Bei den Sicher­heits­beauf­tragten hinge­gen han­delt es sich um Beschäftigte, die als „ver­längert­er Arm des Arbeit­ge­bers“ tätig sind, und den Arbeit­ge­ber bei der Umset­zung des Arbeitss­chutzes im Betrieb unter­stützen. Für sie gilt wie für alle anderen Beschäftigten auch das geset­zlich ver­briefte Beschw­erderecht. Im Gegen­satz zu den Arbeitss­chutzber­atern set­zt ihre Tätigkeit auch nicht zwin­gend ein beson­deres Ver­trauensver­hält­nis zum Arbeit­ge­ber voraus. Daher gibt es keine Beschränkung ihres Beschwerderechts.

Fazit

Die EU will erre­ichen, dass Hin­weis­ge­ber den Mut haben, über­all in der EU Fehlver­hal­ten und Rechtsver­stöße zu melden. Nie­mand soll Gefahr laufen, durch das Aufdeck­en von ille­galen Machen­schaften sein Anse­hen oder seinen Arbeit­splatz zu ver­lieren. Das gle­iche Ziel soll auch mit dem Beschw­erderecht im Arbeitss­chutzge­setz erre­icht wer­den. Geregelt ist auch hier, dass der Arbeit­ge­ber oder die Arbeitss­chutzbe­hörde möglichst zeit­nah auf die Missstände reagieren müssen. Allerd­ings ist – anderes als in der EU-Richtlin­ie – der beson­dere Schutz von Whistle­blow­ern nicht von der Größe des Betriebes abhängig. Dies hängt mit der her­aus­ra­gen­den Bedeu­tung des Gesund­heitss­chutzes für die Beschäftigten zusammen.

Kern­punkt der neuen EU-Richtlin­ie ist die Ein­rich­tung von sicheren Kanälen für die Mel­dung von Fehlver­hal­ten. Eine der­ar­tige Verpflich­tung enthält das Arbeitss­chutzge­setz hinge­gen nicht. Allerd­ings wird die neue EU-Richtlin­ie spätestens ab Ende 2021 auch für den Arbeitss­chutz rel­e­vant sein. Dann müssen größere Betriebe und Kom­munen sichere Kom­mu­nika­tion­skanäle unter anderem für die Beschw­er­den von Beschäftigten ein­richt­en. Über diese Kanäle kön­nen dann auch Missstände im Bere­ich der Arbeitssicher­heit mit­geteilt werden.

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