Arbeit 4.0, künstliche Intelligenz, Big Data, Mobilität und Agilität – dies alles sind Begriffe, welche die fortschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt illustrieren. Insbesondere die örtliche und zeitliche Entgrenzung der Arbeit durch mobiles Arbeiten sowie der Einsatz von computergesteuerten Hilfsmitteln (sog. Wearables) nehmen bei der Digitalisierung eine entscheidende Rolle ein. Mobiles Arbeiten erschwert jedoch die Einhaltung von Arbeitsschutzpflichten, weil die Beschäftigten nicht mehr vor Ort im Betrieb tätig sind. Wearables können zwar die Arbeit erheblich erleichtern und damit Gesundheitsgefahren der Beschäftigten minimieren. Sie generieren aber eine Menge personenbezogener Daten, so dass ein rechtliches Spannungsverhältnis zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten und der technischen Notwendigkeit des betrieblichen Einsatzes besteht. Mit diesen Problemstellungen beschäftigt sich die vorliegende Reihe zum Thema Arbeitsschutz und Digitalisierung. Der letzte von drei Beiträgen setzt sich mit den arbeitsschutzrechtlichen Problemstellungen auseinander, welche der Einsatz von Wearables mit sich bringt.
Als Wearables werden mobile Kleincomputer bezeichnet, die von Beschäftigten am Körper getragen werden. Zu ihnen zählen beispielsweise Bodycams, Smartphones, Smart Watches, Smart Glasses („Datenbrillen“), Smart Hands („vernetzte Handschuhe“) oder Fitnessarmbänder. Sie werden zur Unterstützung der Beschäftigten bei der Arbeitsleistung beziehungsweise zur Optimierung von betrieblichen Arbeitsprozessen eingesetzt, bisweilen aber auch als „Fitness-Tracker“ für betriebliche Gesundheitsprogramme. Es gibt auch die sogenannte Exoskelette („Maschinen zum Anziehen“), die Arbeitnehmer bei der Hebung von Lasten unterstützen oder die Arbeitsschritte zum Beispiel am Fließband beschleunigen. Diese gehören per Definition nicht zu den Wearables, erfüllen aber vergleichbare Funktionen, weil auch sie ihren Träger bei vor allem physisch belastenden Arbeiten unterstützen sollen.
Interessen abwägen
Soweit Wearables dazu dienen, Gesundheitsgefährdungen der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu reduzieren, können sie einen wichtigen Beitrag zur Arbeitssicherheit leisten. Jeder Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, die Gesundheit seiner Beschäftigten bestmöglich zu schützen und Gefährdungen so weit wie möglich zu reduzieren. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille des Einsatzes von Wearables. Denn der Arbeitgeber muss auch den datenschutzrechtlichen Belangen seiner Beschäftigten im Betrieb genügen. Hierzu gehört die Beachtung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Beschäftigten, also das Recht des einzelnen, darüber zu entscheiden, wie man nach außen hin in Erscheinung tritt und welche Informationen man über sich preisgeben möchte. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht entstammt dem grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrecht jeder natürlichen Person. Dieses Recht gilt auch im Arbeitsleben und ist dort genauso zu achten wie beispielsweise das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Werden personenbezogene Daten des Arbeitnehmers durch den Einsatz von Wearables erhoben und gespeichert, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und damit das Datenschutzrecht des Arbeitnehmers betroffen. Personenbezogene Daten werden definiert als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse, die einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist der Einsatz von Wearables problematisch, weil diese während ihrer Nutzung laufend oder zumindest regelmäßig personenbezogene Daten (insbesondere auch besonders schützenswerte Gesundheitsdaten) ihrer Nutzer erfassen und auswerten können. Wearables ermöglichen deshalb – je nach konkretem Einsatz – eine besonders intensive Leistungs- und Verhaltenskontrolle bis hin zur Dauerüberwachung des Beschäftigten bei der Arbeit. So können Wearables den Beschäftigten nicht nur detaillierte Vorgaben für die Ausübung ihrer Arbeit erteilen, sondern auch die Geschwindigkeit der Arbeit messen, Abweichungen von Vorgaben oder Arbeitsfehler dokumentieren sowie Standort- und Bewegungsdaten erfassen. Wenn also zum Beispiel ein Arbeitnehmer im Logistikbereich eines Versandhandels eine Datenbrille trägt, die ihm den kürzesten Weg zum Standort der Ware zeigt oder ein Arbeitnehmer, der technische Anlagen wartet, „Smart Hands“ verwendet, die jeden einzelnen Arbeitsschritt erfassen und angeben, ob dieser richtig ausgeführt wurde, werden hierdurch reichlich personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Dies führt zu einem Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers.
Nun ließe sich argumentieren, dass der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts grundsätzlich berechtigt ist, die Verwendung von Wearables gegenüber den Beschäftigten anzuordnen. Allerdings unterliegen derartige Weisungen auch einer datenschutzrechtlichen Kontrolle, weil das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Beschäftigten wie dargelegt auch im Arbeitsverhältnis zu beachten ist. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geben vor, dass für jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten entweder eine Einwilligung des Beschäftigten notwendig ist oder eine rechtliche Grundlage die Datenverarbeitung erlauben muss. Als Erlaubnisnormen kommen gesetzliche Vorschriften oder auch eine Betriebsvereinbarung in Betracht. Eine Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie freiwillig abgegeben wird. Problematisch hierbei ist, dass wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Arbeitnehmern gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Freiwilligkeit oft nicht angenommen werden kann, weil Arbeitnehmer oftmals aus Sorge um ihren Arbeitsplatz der Maßnahme des Arbeitgebers zustimmen. Von einer freiwilligen Einwilligung soll nach dem Bundesdatenschutz nur dann ausgegangen werden, wenn ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil für den Arbeitnehmer besteht oder Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichgelagerte Interessen haben. Das könnte man durchaus annehmen, wenn es durch den Einsatz von Wearables zur Erleichterung der Arbeit kommt oder sich eine signifikante Reduzierung von Gesundheitsgefährdungen einstellt. Der Einsatz von Wearables auf Basis einer Einwilligung der Beschäftigten ist aber stets mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor für den Arbeitgeber verbunden. Denn das Bundesdatenschutzgesetz erlaubt den jederzeitigen Widerruf einer datenschutzrechtlich erteilten Einwilligung.
Außerhalb einer erteilten Einwilligung kann der Einsatz von Wearables auch auf gesetzlicher Grundlage erfolgen: § 26 des Bundesdatenschutzgesetzes erlaubt die Datenverarbeitung von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses, allerdings nur, wenn die Verarbeitung der Daten insgesamt verhältnismäßig ist. Das setzt einen legitimen Zweck zum Einsatz von Wearables voraus, der zum Beispiel in der Arbeitserleichterung oder im Gesundheitsschutz der Beschäftigten begründet sein kann. Ferner muss der Einsatz von Wearables erforderlich sein. Es darf keine mildere, aber gleich geeignete Alternative geben, um die angestrebte Arbeitserleichterung oder den Gesundheitsschutz zu erreichen. Letztlich muss der Einsatz auch angemessen sein. Das heißt, die betrieblichen Interessen zum Einsatz der Wearables sind mit den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer (informationelle Selbstbestimmung) abzuwägen und letztere dürfen nicht überwiegen. An der datenschutzrechtlichen Angemessenheit kann es insbesondere fehlen, wenn mithilfe von Wearables Leistungsprofile der Beschäftigten erstellt werden sollen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Einsatz der Wearables für die Arbeitsleistung des Beschäftigten erforderlich ist, weil der Arbeitgeber berechtigt ist, die Arbeitsorganisation nach seinen Vorstellungen zu gestalten und zu diesem Zweck auch den Einsatz bestimmter Technologien vorzugeben. Entscheidend ist vielmehr, dass die mithilfe der Wearables zu erfolgende Datenverarbeitung auf das unbedingt zur Erbringung der Arbeitsleistung nötige Maß beschränkt bleibt.
Personenbezogene Gesundheitsdaten können aber grundsätzlich mithilfe von Wearables verarbeitet werden, soweit mit der Arbeitsleistung besondere Gesundheitsgefahren einhergehen, die eine Überwachung erforderlich macht. Ähnliches gilt für die Lokalisierung von Beschäftigten mithilfe von Wearables. Eine solche kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Beschäftigte im Rahmen seiner Tätigkeit in Nothilfesituationen gelangen kann oder unter Umständen auch dann, wenn der Einsatz der Assistenzsysteme der verbesserten Koordinierung von Beschäftigten dient. Ein mögliches Beispiel in diesem Zusammenhang sind Sensoren in der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) von Rettungskräften oder im Zusammenhang mit dem Umgang mit Gefahrstoffen. Dort wäre ein Einsatz als grundsätzlich angemessen anzusehen. Allerdings setzt die Rechtsprechung die Grenze des Einsatzes von Wearables dort, wo die Privat- oder gar Intimsphäre der Arbeitnehmer betroffen ist oder eine Rundumüberwachung (Totalkontrolle) der Beschäftigten ermöglicht. Wenn allerdings Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, das Wearable jederzeit ein- und auszuschalten, also selbst über seinen Einsatz in einer konkreten Situation zu bestimmen, spricht das in der Regel für einen angemessenen und damit zulässigen Einsatz.
Anerkannte Rechtsgrundlage für eine zulässige Datenerhebung im Arbeitsverhältnis kann auch eine Betriebsvereinbarung sein. Der Betriebsrat hat nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ohnehin ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die geeignet sind, die Arbeitnehmer zu überwachen oder soweit ihr Einsatz dem Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern dient. Zu beachten ist allerdings, dass auch hier das Prinzip der Verhältnismäßigkeit unter Wahrung der bereits genannten Grundsätze gilt.
Auch im Rahmen betrieblicher Gesundheitsprogramme können Wearables zum Einsatz kommen, zum Beispiel in Form von sogenannten Fitnesstrackern, die in der Lage sind, Schritte oder Kalorien zu zählen und Körperfunktionen wie Puls, Herzfrequenz oder Körpertemperatur zu messen. Dies ist nur auf Grundlage einer ausdrücklichen Einwilligung der Beschäftigten zulässig, da sich der Arbeitgeber ein umfangreiches Bild über die gesundheitliche Verfassung der Beschäftigten machen kann und Gesundheitsdaten in besonderer Weise zu schützen sind. Eine Einwilligung kann nur datenschutzrechtlich wirksam sein, wenn der Beschäftigte vorab umfassend und transparent über die Verarbeitung seiner Daten informiert wurde.
Verletzt der Einsatz von Wearables das informationelles Selbstbestimmungsrecht der Arbeitnehmer, können sie die Arbeitsleistung verweigern, bis der rechtswidrige Einsatz der Wearables abgestellt ist. Daneben kann die Löschung von unzulässig erhobenen personenbezogenen Daten verlangt werden. Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Arbeitgeber kommen vor allem dann in Betracht, wenn besonders schützenswerte Gesundheitsdaten rechtswidrig verarbeitet wurden.
Fazit
Der Einsatz von Wearables generiert personenbezogene Daten, die dem Beschäftigtendatenschutz unterliegen. Der Arbeitgeber hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer zu beachten. Der Einsatz ist dann legitim, wenn er zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlich ist. Er muss aber auch verhältnismäßig sein, das heißt die betrieblichen Interessen und die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu einem sachgerechten Ausgleich bringen. Das ist jedoch dann regelmäßig nicht der Fall, wenn der Einsatz von Wearables zu einer Totalüberwachung des Arbeitnehmers führt.
Autor: Rechtsanwalt Matthias Klagge, LL.M.
TIGGES Rechtsanwälte