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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Dienstplänen

LAG Schleswig-Holstein – Unterlassungsantrag
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Dienstplänen

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Dienstplänen
© Gina Sanders - stock.adobe.com
Matthias Klagge
Nach den Vorschriften des Betrieb­sver­fas­sungs­ge­set­zes hat der Betrieb­srat über die Grund­fra­gen der Arbeit­szeit der Beschäftigten mitzubes­tim­men. Über die Gren­zen des Mitbes­tim­mungsrecht­es kommt es jedoch immer wieder zu Stre­it­igkeit­en zwis­chen Arbeit­ge­ber und Betrieb­srat. In ein­er Entschei­dung vom 2. Novem­ber 2021 (1 TaBV 13/21) konkretisiert das Lan­desar­beits­gericht (LAG) Schleswig-Hol­stein das Mitbes­tim­mungsrecht für die Erstel­lung von Dienstplänen.

Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung

Sachver­halt: Der Arbeit­ge­ber betreibt zwei Kranken­häuser in Schleswig-Hol­stein. Er ist für das Erstellen von über hun­dert Dien­st­plä­nen pro Monat für die über 2.000 Beschäftigten im Pflege­di­enst zuständig. Grund­lage der Dien­st­pläne ist eine Betrieb­svere­in­barung, welche die fol­gen­den wesentlichen Regelun­gen in Hin­blick auf das Mitbes­tim­mungsrecht des Betrieb­srates bei Dien­st­plä­nen enthält: Erhebt der Betrieb­srat nicht bis zum 14. des Vor­monats Ein­wände, gilt der Dien­st­plan als genehmigt und wird am 15. des Vor­monats verbindlich. Er ist als genehmigt zu kennze­ich­nen und den Mitar­bei­t­en­den durch Aushang zugänglich zu machen. Ist der Dien­st­plan verbindlich, kön­nen Änderun­gen vom Vorge­set­zten grund­sät­zlich nur im Aus­nah­me­fall und nur mit Zus­tim­mung der betrof­fe­nen Mitar­bei­t­en­den vorgenom­men wer­den. Der Betrieb­srat genehmigt, stets wider­ru­flich, alle Dien­st­planän­derun­gen, die ein­vernehm­lich und frei­willig erfolgen.

Zustimmung zu Dienstplänen

Die Zus­tim­mung zu den Dien­st­plä­nen hat der Betrieb­srat einem Dien­st­planauss­chuss (DPA) über­tra­gen. Von Jan­u­ar bis Novem­ber 2020 lehnte dieser die Genehmi­gung von ins­ge­samt 103 Dien­st­plä­nen ab, weil nach sein­er Auf­fas­sung Ver­stöße gegen die Betrieb­svere­in­barung, zum Teil auch gegen arbeit­szeitrechtliche Vor­gaben vor­la­gen. Die Dien­st­pläne wur­den vom Arbeit­ge­ber – teil­weise nach Kor­rek­tur einzel­ner Ver­stöße – in Kraft geset­zt. Ab Mai 2020 rügte der Betrieb­srat in Besprechun­gen mit der Per­son­al­abteilung und der Geschäfts­führung wieder­holt die Dien­st­plangestal­tung. Im Sep­tem­ber 2020 wies er den Arbeit­ge­ber darauf hin, dass ohne Zus­tim­mung des DPA ein Dien­st­plan nicht veröf­fentlicht und umge­set­zt wer­den dürfe. Der Arbeit­ge­ber wurde aus­drück­lich aufge­fordert, zukün­ftig nur Dien­st­pläne zu veröf­fentlichen und umzuset­zen, die genehmigt wor­den seien. Der Arbeit­ge­ber hat­te in allen bean­stande­ten Fällen zwar nachgebessert, die neue Ver­sion der Dien­st­pläne dann aber ohne erneute Zus­tim­mung des DPA jew­eils nach dem 15. des Vor­monats aus­ge­hängt. Im Okto­ber 2020 leit­ete der Betrieb­srat das gerichtliche Ver­fahren ein und beantragte gerichtliche Fest­stel­lung, dass der Arbeit­ge­ber es zu unter­lassen habe, nicht mitbes­timmte Dien­st­pläne auszuhän­gen und in Vol­lzug zu setzen.

Der Unter­las­sungsantrag hat­te vor dem Arbeits­gericht Elmshorn zunächst keinen Erfolg. Das Arbeits­gericht bemän­gelte, dass der vom Betrieb­srat gestellte Antrag als „Glob­al­antrag“ zu unbes­timmt beziehungsweise zu weitre­ichend for­muliert sei, sodass auch Fälle erfasst waren, bei denen der Arbeit­ge­ber die Zus­tim­mung des Betrieb­srats nach den Regelun­gen der Betrieb­svere­in­barung gar nicht brauchte.

Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeit

Das Lan­desar­beits­gericht (LAG) Schleswig-Hol­stein gab dage­gen dem Antrag des Betrieb­srats statt. Die noch vom Arbeits­gericht in der Vorin­stanz bemän­gelte Unbes­timmtheit des Antrags ließen die Rich­terin­nen und Richter nicht gel­ten. Stattdessen inter­pretierten sie den Antrag dahinge­hend, dass nur die im Antrag und dessen Begrün­dung genan­nten Sachver­halte („Anlass­fälle“) für die Zukun­ft unter­sagt wer­den sollen. Damit war die prozes­suale Hürde der formellen Zuläs­sigkeit des Antrags genom­men. Aber auch inhaltlich war das LAG auf der Seite des Betrieb­srates. Es ver­wies auf das im Betrieb­sver­fas­sungs­ge­setz geregelte Mitbes­tim­mungsrecht bei der Arbeit­szeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Nach dieser Vorschrift bes­timmt der Betrieb­srat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeit­szeit ein­schließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeit­szeit auf die einzel­nen Wochen­t­age mit. Das Mitbes­tim­mungsrecht erfasse damit nach Darstel­lung des Gerichts auch die Erstel­lung von Dien­st­plä­nen durch den Arbeit­ge­ber. Die Ver­let­zung dieses Mitbes­tim­mungsrechts könne der Betrieb­srat im Wege des Unter­las­sungsanspruchs ver­hin­dern. Unstre­it­ig habe der Arbeit­ge­ber zahlre­iche Dien­st­pläne gegenüber den Beschäftigten durch Aushang verbindlich in Kraft geset­zt, ohne dass eine Zus­tim­mung des Dien­st­planauss­chuss­es hierzu vor­lag. Allein zwis­chen Jan­u­ar und Novem­ber 2020 seien über hun­dert Fälle betrof­fen gewe­sen. Auch die für das Beste­hen des Unter­las­sungsanspruchs erforder­liche Wieder­hol­ungs­ge­fahr war nach Ansicht des Gerichts gegeben. Diese sei nur dann aus­geschlossen, wenn aus fak­tis­chen oder rechtlichen Grün­den eine Wieder­hol­ung des betrieb­sver­fas­sungswidri­gen Ver­hal­tens auss­chei­det. Eine bloße Zusicherung des Arbeit­ge­bers, zukün­ftig betrieb­svere­in­barungswidriges Ver­hal­ten zu unter­lassen, genüge nicht. Gle­ich­es gelte für eine Anweisung zur Behe­bung der Bean­stan­dun­gen des Dien­st­planauss­chuss­es. Denn auch hier­nach fehle es immer noch an der Zus­tim­mung des Betrieb­srates. Vielmehr müsse ein abgelehn­ter Dien­st­plan, bei dem die Bean­stan­dun­gen des Dien­st­planauss­chuss­es behoben wur­den, zur Wahrung des Mitbes­tim­mungsrechts dem Dien­st­planauss­chuss erneut zur Genehmi­gung vorgelegt werden.

Anhalt­spunk­te für eine rechtsmiss­bräuch­liche Ausübung des Mitbes­tim­mungsrecht des Betrieb­srates erkan­nte das LAG nicht. Bere­its in Gesprächen zwis­chen der Per­son­alleitung und dem Dien­st­planauss­chuss im Früh­som­mer 2020 sei die Dien­st­plan­genehmi­gung Gegen­stand der Erörterun­gen gewe­sen. Für den erhobe­nen Ein­wand des Arbeit­ge­bers, der Betrieb­srat habe seine „prak­tizierte Tol­er­anz“ ohne weit­ere Ankündi­gung aufgegeben, gebe es daher keine tat­säch­lichen Anhaltspunkte.

Klare Formulierungen in Unterlassungsanträgen notwendig

Grund­sät­zlich ist bei Unter­las­sungsanträ­gen darauf zu acht­en, dass die Hand­lun­gen, die das Gericht unter­sagen soll, nicht zu all­ge­mein for­muliert sind. Son­st würde das Gericht dem Arbeit­ge­ber auch ein Ver­hal­ten ver­bi­eten, das eigentlich zuläs­sig ist. Dann ist der Antrag zu weit gefasst und hat als soge­nan­nter „Glob­al­antrag“ keinen Erfolg. Allerd­ings sind hier keine über­triebe­nen For­mulierungskün­ste notwendig. Denn Gerichte sind stets gehal­ten, unklar for­mulierte Anträge nach ihrem eigentlichen Sinn und Zweck auszule­gen. Hier­von machte das LAG Gebrauch. In der Sache bestätigte es, dass das Mitbes­tim­mungsrecht bei Dien­st­plä­nen sowohl das erst­ma­lige Auf­stellen als auch jede spätere Nachbesserung oder Änderung durch den Arbeit­ge­ber erfasst. Kön­nen sich Arbeit­ge­ber und Betrieb­srat nicht auf einen Dien­st­plan ver­ständi­gen, darf der Arbeit­ge­ber seinen Dien­st­plan nicht umset­zen. Stattdessen muss die Eini­gungsstelle eingeschal­tet wer­den. Dieses Vorge­hen entspricht den Bes­tim­mungen des Betrieb­sver­fas­sungs­ge­set­zes und der arbeits­gerichtlichen Rechtsprechung.


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Matthias Klagge; Foto: privat

Autor: 
Recht­san­walt Matthias Klagge, LL.M.
TIGGES Recht­san­wälte

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