Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung
Sachverhalt: Der Arbeitgeber betreibt zwei Krankenhäuser in Schleswig-Holstein. Er ist für das Erstellen von über hundert Dienstplänen pro Monat für die über 2.000 Beschäftigten im Pflegedienst zuständig. Grundlage der Dienstpläne ist eine Betriebsvereinbarung, welche die folgenden wesentlichen Regelungen in Hinblick auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Dienstplänen enthält: Erhebt der Betriebsrat nicht bis zum 14. des Vormonats Einwände, gilt der Dienstplan als genehmigt und wird am 15. des Vormonats verbindlich. Er ist als genehmigt zu kennzeichnen und den Mitarbeitenden durch Aushang zugänglich zu machen. Ist der Dienstplan verbindlich, können Änderungen vom Vorgesetzten grundsätzlich nur im Ausnahmefall und nur mit Zustimmung der betroffenen Mitarbeitenden vorgenommen werden. Der Betriebsrat genehmigt, stets widerruflich, alle Dienstplanänderungen, die einvernehmlich und freiwillig erfolgen.
Zustimmung zu Dienstplänen
Die Zustimmung zu den Dienstplänen hat der Betriebsrat einem Dienstplanausschuss (DPA) übertragen. Von Januar bis November 2020 lehnte dieser die Genehmigung von insgesamt 103 Dienstplänen ab, weil nach seiner Auffassung Verstöße gegen die Betriebsvereinbarung, zum Teil auch gegen arbeitszeitrechtliche Vorgaben vorlagen. Die Dienstpläne wurden vom Arbeitgeber – teilweise nach Korrektur einzelner Verstöße – in Kraft gesetzt. Ab Mai 2020 rügte der Betriebsrat in Besprechungen mit der Personalabteilung und der Geschäftsführung wiederholt die Dienstplangestaltung. Im September 2020 wies er den Arbeitgeber darauf hin, dass ohne Zustimmung des DPA ein Dienstplan nicht veröffentlicht und umgesetzt werden dürfe. Der Arbeitgeber wurde ausdrücklich aufgefordert, zukünftig nur Dienstpläne zu veröffentlichen und umzusetzen, die genehmigt worden seien. Der Arbeitgeber hatte in allen beanstandeten Fällen zwar nachgebessert, die neue Version der Dienstpläne dann aber ohne erneute Zustimmung des DPA jeweils nach dem 15. des Vormonats ausgehängt. Im Oktober 2020 leitete der Betriebsrat das gerichtliche Verfahren ein und beantragte gerichtliche Feststellung, dass der Arbeitgeber es zu unterlassen habe, nicht mitbestimmte Dienstpläne auszuhängen und in Vollzug zu setzen.
Der Unterlassungsantrag hatte vor dem Arbeitsgericht Elmshorn zunächst keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht bemängelte, dass der vom Betriebsrat gestellte Antrag als „Globalantrag“ zu unbestimmt beziehungsweise zu weitreichend formuliert sei, sodass auch Fälle erfasst waren, bei denen der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats nach den Regelungen der Betriebsvereinbarung gar nicht brauchte.
Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeit
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein gab dagegen dem Antrag des Betriebsrats statt. Die noch vom Arbeitsgericht in der Vorinstanz bemängelte Unbestimmtheit des Antrags ließen die Richterinnen und Richter nicht gelten. Stattdessen interpretierten sie den Antrag dahingehend, dass nur die im Antrag und dessen Begründung genannten Sachverhalte („Anlassfälle“) für die Zukunft untersagt werden sollen. Damit war die prozessuale Hürde der formellen Zulässigkeit des Antrags genommen. Aber auch inhaltlich war das LAG auf der Seite des Betriebsrates. Es verwies auf das im Betriebsverfassungsgesetz geregelte Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Nach dieser Vorschrift bestimmt der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mit. Das Mitbestimmungsrecht erfasse damit nach Darstellung des Gerichts auch die Erstellung von Dienstplänen durch den Arbeitgeber. Die Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts könne der Betriebsrat im Wege des Unterlassungsanspruchs verhindern. Unstreitig habe der Arbeitgeber zahlreiche Dienstpläne gegenüber den Beschäftigten durch Aushang verbindlich in Kraft gesetzt, ohne dass eine Zustimmung des Dienstplanausschusses hierzu vorlag. Allein zwischen Januar und November 2020 seien über hundert Fälle betroffen gewesen. Auch die für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr war nach Ansicht des Gerichts gegeben. Diese sei nur dann ausgeschlossen, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet. Eine bloße Zusicherung des Arbeitgebers, zukünftig betriebsvereinbarungswidriges Verhalten zu unterlassen, genüge nicht. Gleiches gelte für eine Anweisung zur Behebung der Beanstandungen des Dienstplanausschusses. Denn auch hiernach fehle es immer noch an der Zustimmung des Betriebsrates. Vielmehr müsse ein abgelehnter Dienstplan, bei dem die Beanstandungen des Dienstplanausschusses behoben wurden, zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts dem Dienstplanausschuss erneut zur Genehmigung vorgelegt werden.
Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erkannte das LAG nicht. Bereits in Gesprächen zwischen der Personalleitung und dem Dienstplanausschuss im Frühsommer 2020 sei die Dienstplangenehmigung Gegenstand der Erörterungen gewesen. Für den erhobenen Einwand des Arbeitgebers, der Betriebsrat habe seine „praktizierte Toleranz“ ohne weitere Ankündigung aufgegeben, gebe es daher keine tatsächlichen Anhaltspunkte.
Klare Formulierungen in Unterlassungsanträgen notwendig
Grundsätzlich ist bei Unterlassungsanträgen darauf zu achten, dass die Handlungen, die das Gericht untersagen soll, nicht zu allgemein formuliert sind. Sonst würde das Gericht dem Arbeitgeber auch ein Verhalten verbieten, das eigentlich zulässig ist. Dann ist der Antrag zu weit gefasst und hat als sogenannter „Globalantrag“ keinen Erfolg. Allerdings sind hier keine übertriebenen Formulierungskünste notwendig. Denn Gerichte sind stets gehalten, unklar formulierte Anträge nach ihrem eigentlichen Sinn und Zweck auszulegen. Hiervon machte das LAG Gebrauch. In der Sache bestätigte es, dass das Mitbestimmungsrecht bei Dienstplänen sowohl das erstmalige Aufstellen als auch jede spätere Nachbesserung oder Änderung durch den Arbeitgeber erfasst. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf einen Dienstplan verständigen, darf der Arbeitgeber seinen Dienstplan nicht umsetzen. Stattdessen muss die Einigungsstelle eingeschaltet werden. Dieses Vorgehen entspricht den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung.
Autor:
Rechtsanwalt Matthias Klagge, LL.M.
TIGGES Rechtsanwälte