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Dürfen Arbeitgeber PCR-Tests anordnen?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Dürfen Arbeitgeber PCR-Tests anordnen?

Dürfen Arbeitgeber PCR-Tests anordnen?
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Obgle­ich das Pan­demiegeschehen unseren All­t­ag zunehmend weniger bee­in­flusst, sind Coro­na-Tests nach wie vor ein wichtiges Instru­ment, um die Gesund­heit zu wahren. Die Bay­erische Staat­sop­er hat  zunächst tech­nis­che und organ­isatorische Maß­nah­men wie den Umbau des Büh­nen­raums und Anpas­sun­gen bei den aufzuführen­den Stück­en ergrif­f­en, diese aber als nicht als aus­re­ichend erachtet. Deswe­gen hat sie ein Hygien­ekonzept erar­beit­et, das für Per­so­n­en aus der Gruppe der Orch­ester­musik­er PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vor­sah. Diese Tests hat eine Flötistin ver­weigert, weswe­gen sie unbezahlt freigestellt wurde. Nun stellt sich die Frage: Dür­fen Arbeit­ge­ber PCR-Tests anord­nen? Das Bun­de­sar­beits­gericht bejaht diese Frage mit seinem Urteil (BAG – 5 AZR 28/22). 

Einseitige Anordnung von Corona-Tests

Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bay­erische Staat­sop­er im Rah­men ihres betrieblichen Hygien­ekonzepts eine Test­strate­gie entwick­elt. Als Orch­ester­musik­erin sollte die kla­gende Flötistin wie alle Mitar­bei­t­en­den zu Beginn der Spielzeit einen neg­a­tiv­en PCR-Test vor­legen. Im Abstand von ein bis drei Wochen sollte sie weit­ere Tests durch­führen lassen. Die Bay­erische Staat­sop­er bot hier­für kosten­lose PCR-Tests an, aber die Beschäftigten kon­nten die Tes­tun­gen auch bei selb­st aus­gewählten Anbi­etern vornehmen lassen.

Freistellung nach Verweigerung von PCR-Tests

Nach­dem die Klägerin sich weigerte die PCR-Tests auf­grund Unge­nauigkeit und eines unver­hält­nis­mäßi­gen Ein­griffs in ihre kör­per­liche Unversehrtheit, hat die Bay­erische Staat­sop­er von Ende August bis Ende Okto­ber 2020 die Gehalt­szahlun­gen eingestellt. Seit Ende Okto­ber 2020 legte die Klägerin ohne Anerken­nung ein­er Recht­spflicht PCR-Test­be­funde vor. Mit ihrer Klage hat sie für die Zeit von Ende August bis Ende Okto­ber 2020 Vergü­tung unter dem Gesicht­spunkt des Annah­mev­erzugs begehrt, hil­f­sweise die Bezahlung der Zeit­en häus­lichen Übens. Weit­er ver­langt sie, ohne Verpflich­tung zur Durch­führung von Tests jed­wed­er Art zur Fest­stel­lung von SARS-CoV­‑2 beschäftigt zu werden.

Teststrategie schützt gegen Gefahren für Leben und Gesundheit

Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen. Die vom Sen­at nachträglich zuge­lassene Revi­sion der Klägerin hat­te keinen Erfolg. Der Arbeit­ge­ber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeit­sleis­tun­gen, die unter sein­er Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeit­nehmer gegen Gefahren für Leben und Gesund­heit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeit­sleis­tung es ges­tat­tet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitss­chutznor­men des Arbeitss­chutzge­set­zes (Arb­SchG) konkretisieren den Inhalt der Für­sorgepflicht­en, die dem Arbeit­ge­ber hier­nach im Hin­blick auf die Sicher­heit und das Leben der Arbeit­nehmer obliegen. Zur Umset­zung arbeitss­chutzrechtlich­er Maß­nah­men kann der Arbeit­ge­ber Weisun­gen nach § 106 Satz 2 GewO hin­sichtlich der Ord­nung und des Ver­hal­tens der Arbeit­nehmer im Betrieb erteilen. Das hier­bei zu beach­t­ende bil­lige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vor­gaben des Arb­SchG konkretisiert.

Arbeitgeberseitige Anweisung zur Testpflicht ist rechtmäßig

Hier­von aus­ge­hend war die Anweisung des beklagten Freis­taats zur Durch­führung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygien­ekonzept der Bay­erischen Staat­sop­er recht­mäßig. Die auf diesem Konzept beruhen­den Anweisun­gen an die Klägerin entsprachen bil­ligem Ermessen iSv. § 106 GewO. Der mit der Durch­führung der Tests ver­bun­dene min­i­male Ein­griff in die kör­per­liche Unversehrtheit ist ver­hält­nis­mäßig. Auch das Grun­drecht auf infor­ma­tionelle Selb­st­bes­tim­mung macht die Tes­tanord­nung nicht unzuläs­sig. Schließlich wäre ein pos­i­tives Testergeb­nis meldepflichtig. Da hier­nach die arbeit­ge­ber­seit­ige Anweisung zur Umset­zung des betrieblichen Hygien­ekonzepts recht­mäßig war, hat der beklagte Freis­taat zu Recht einge­wandt (§ 297 BGB), dass Vergü­tungsansprüche wegen Annah­mev­erzugs im stre­it­ge­gen­ständlichen Zeitraum jeden­falls mit Blick auf den fehlen­den Leis­tungswillen der Klägerin, die die Durch­führung von PCR-Tests ver­weigert hat, nicht bestehen.

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