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Verletztenrente - Kein Anspruch auf Erhöhung

Verletztenrente
Kein Anspruch auf Erhöhung

Kein Anspruch auf Erhöhung
© Wasan – stock.adobe.com
Tanja Sautter
Trotz aller Bemühun­gen um eine voll­ständi­ge Wieder­her­stel­lung der Gesund­heit kön­nen nach einem Arbeit­sun­fall oder auf­grund ein­er Beruf­skrankheit länger anhal­tende oder sog­ar dauer­hafte Ein­schränkun­gen verbleiben. In solchen Fällen zahlt die Beruf­sgenossen­schaft (BG) oder Unfal­lka­sse eine Ver­let­zten­rente. Voraus­set­zung dafür ist, dass die Erwerb­s­fähigkeit des Ver­sicherten über die 26. Woche nach dem Ver­sicherungs­fall hin­aus um min­destens 20 Prozent gemindert ist.

Anders als im pri­vat­en Schaden­er­satzrecht set­zt die Ver­let­zten­rente nicht voraus, dass durch den Ver­sicherungs­fall ein konkret nach­weis­bar­er wirtschaftlich­er Schaden verur­sacht wurde. Vielmehr soll die Rente aus der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung den durch den Arbeit­sun­fall oder die Beruf­skrankheit bed­ingten Ver­lust an Erwerb­smöglichkeit­en auf dem gesamten Gebi­et des Erwerb­slebens aus­gle­ichen. Entschädigt wird also abstrakt die Min­derung der Erwerb­s­fähigkeit (MdE), unab­hängig davon, ob eine konkrete Min­derung des Erwerb­seinkom­mens einge­treten ist. Die MdE ori­en­tiert sich daher an der Beein­träch­ti­gung der kör­per­lichen und geisti­gen Leis­tungs­fähigkeit auf dem all­ge­meinen Arbeits­markt und nicht an der zulet­zt aus­geübten Tätigkeit.

Späteres Einkommen nicht maßgeblich

Ver­glichen wird also die Leis­tungs­fähigkeit vor und nach dem Ver­sicherungs­fall mit seinen gesund­heitlichen Fol­gen. Eine MdE kann deshalb auch dann vor­liegen, wenn der Ver­sicherte nach dem Unfall keinen Einkom­mensver­lust hat oder gar nach ein­er Umschu­lung mehr ver­di­ent als vorher. Maßgebend ist auss­chließlich, dass kör­per­liche, seel­is­che oder geistige Fol­gen zurück­ge­blieben sind, die durch den Arbeit­sun­fall oder die Beruf­skrankheit verur­sacht wur­den. Der Grad der MdE wird in Prozent angegeben und anhand ärztlich­er Gutacht­en vom Unfal­lver­sicherungsträger eingeschätzt.

Höhe der Rentenzahlungen

Die Höhe der Rente richtet sich neben dem Grad der MdE auch nach dem Jahre­sar­beitsver­di­enst. Dieser errech­net sich aus dem Gesamt­be­trag des Einkom­mens in den zwölf Kalen­der­monat­en vor dem Ver­sicherungs­fall. Das Gesetz sieht jedoch eine Min­d­est- und eine Ober­gren­ze vor. Bei voll­ständi­gem Ver­lust der Erwerb­s­fähigkeit wird eine Voll­rente geleis­tet. Diese beträgt zwei Drit­tel des Jahre­sar­beitsver­di­en­stes. Bei ein­er teil­weisen MdE wird eine Teil­rente gezahlt, die dem Grad der MdE entspricht. Bei ein­er um 20 Prozent geminderten Erwerb­s­fähigkeit beispiel­sweise wer­den 20 Prozent der Voll­rente geleis­tet. Die Rente wird in der Regel zunächst befris­tet gezahlt. Oft­mals bessern sich die Unfall­fol­gen noch, sodass die Erwerb­s­fähigkeit nicht mehr oder jeden­falls nicht mehr so stark eingeschränkt ist, dass sie eine Rente recht­fer­tigt. Beste­hen die Ein­schränkun­gen dauer­haft, beste­ht auch der Rente­nanspruch dauer­haft. Dies gilt unab­hängig von Beruf­stätigkeit und Alter des Ver­sicherten. Die Renten wer­den jährlich entsprechend der Renten in der geset­zlichen Renten­ver­sicherung angepasst. Ver­schlim­mern sich die Unfall­fol­gen später, wird die Rente erhöht.

MdE zu hoch angesetzt

Dass trotz Ver­schlim­merung kein Anspruch auf eine Renten­er­höhung beste­ht, wenn die BG vorher verse­hentlich eine zu hohe Rente bewil­ligt hat­te, hat das Bun­dessozial­gericht in einem aktuellen Urteil entsch­ieden. Der Kläger erhielt wegen eines als Beruf­skrankheit anerkan­nten Meniskuss­chadens eine Rente aus der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung nach ein­er MdE von 30 Prozent. Nach ein­er Implan­ta­tion ein­er Kniege­lenksprothese ver­langte er von der beklagten BG eine Erhöhung sein­er Rente, weil sich sein Lei­den durch den Ein­griff ver­schlim­mert habe. Dies lehnte die BG unter Hin­weis auf die Exper­tise ihres Beratungsarztes jedoch ab, der die MdE weit­er­hin mit 30 Prozent bew­ertete. Zwar sei eine Ver­schlim­merung einge­treten, jedoch sei die MdE bei der let­zten Renten­be­wil­li­gung um 10 Prozent zu hoch fest­ge­set­zt wor­den. Deshalb sei weit­er­hin von ein­er MdE von 30 Prozent auszugehen.

Klageweg durch die Instanzen

Mit sein­er dage­gen gerichteten Klage war der Erkrank­te sowohl vor dem Sozial­gericht als auch vor dem Lan­dessozial­gericht (LSG) erfol­gre­ich. Die beklagte BG wurde zur Gewährung ein­er Rente nach ein­er MdE von 40 Prozent verurteilt, weil nach der orthopädis­chen Begutach­tung eine Ver­schlim­merung einge­treten sei. Bei­de Gerichte stell­ten zwar nicht in Abrede, dass die ursprüngliche Bew­er­tung der Beruf­skrankheit­en-Folge mit 30 Prozent zu hoch gewe­sen sei, sahen die BG jedoch an ihre dama­lige Entschei­dung gebun­den. Auf­grund der nun einge­trete­nen Ver­schlim­merung habe der Kläger Anspruch auf eine Rente nach ein­er MdE von 40 Prozent. Das Bun­dessozial­gericht bew­ertete die Sache anders und sprach dem Ver­sicherten die Renten­er­höhung wieder ab. Denn dass eine wegen ein­er zu hoch eingeschätzten MdE der Beruf­skrankheit­en­fol­gen ursprünglich fehler­haft zu hohe Ver­let­zten­rente zusät­zlich zu erhöhen ist, obwohl die Ver­schlim­merung der Beruf­skrankheit­en­fol­gen bei der Neube­w­er­tung einen Anspruch lediglich auf eine Ver­let­zten­rente in Höhe der ursprünglich bewil­ligten Ver­let­zten­rente begrün­det, lasse sich dem Gesetz nicht ent­nehmen (Urteil des Bun­dessozial­gerichts vom 08.12.2021, Az. B 2 U 10/20 R).

Verletztenrente für Flussfischer

Eine ein­mal gewährte Rente kann unter Umstän­den wieder ent­zo­gen wer­den, wenn sich später her­ausstellt, dass der anerkan­nte Gesund­heitss­chaden gar keine Folge des Arbeit­sun­falls war. So erg­ing es einem Berufs­fis­ch­er in einem vom LSG Berlin-Bran­den­burg entsch­iede­nen Fall. Der Kläger war als Flussfis­ch­er tätig und hat­te sich beim Reini­gen der Fis­ch­er­net­ze in Gum­mistiefeln eine Blase am Fuß zuge­zo­gen. Er öffnete sie und klebte ein Pflaster darauf. Die Wunde entzün­dete sich so stark, dass der Mann ins Kranken­haus musste. Dort wurde eine Dia­betes-Erkrankung diag­nos­tiziert, die sich bis dahin nicht bemerk­bar gemacht hat­te. In der Folge weit­ete sich die Entzün­dung am Fuß aus, bis schließlich ein Teil des Fußes amputiert wer­den musste.

Rentenentzug statt Erhöhung

Die BG erkan­nte den Vor­fall mit all seinen Fol­gen als Arbeit­sun­fall an und gewährte eine Ver­let­zten­rente. Nach­dem der Kläger Jahre später eine Ver­schlim­merung gel­tend machte, ließ die BG ihn erneut ärztlich unter­suchen. Der Gutachter kam zu dem Ergeb­nis, dass die Blase am Fuß lediglich der (aus­tauschbare) Aus­lös­er der schw­er­wiegen­den Fol­gen gewe­sen sei, unter denen der Fis­ch­er in der Folge litt. Eine ähn­liche, alltäglich vork­om­mende Ver­let­zung am Fuß hätte in Anbe­tra­cht der Dia­betes-Erkrankung zu einem ver­gle­ich­baren Ver­lauf geführt. Daraufhin ent­zog die BG dem Mann die Ver­let­zten­rente. Das LSG bestätigte die Entschei­dung. Eine Blase am Fuß führe nicht zu ein­er schw­er­wiegen­den Weichteil­in­fek­tion. Ursäch­lich hier­für sei vielmehr die Dia­betes-Erkrankung gewe­sen. Eine Blase komme mit großer Häu­figkeit in der All­ge­mein­bevölkerung vor und heile in fast 100 Prozent der Fälle inner­halb kurz­er Zeit fol­gen­los ab. Komme es infolge ein­er Blase zu ern­sten Kom­p­lika­tio­nen, liege die wesentliche Ursache hier­für in ein­er anderen Schaden­san­lage, hier der Dia­betes-Erkrankung (Urteil des Lan­dessozial­gerichts Berlin-Bran­den­burg vom 16.03.2022, Az. L 3 U 58/20).

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