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Urteile zum Versicherungsschutz

Bundessozialgericht urteilte in vier Fällen
Versichertes und unversichertes Terrain

Versichertes und unversichertes Terrain
Das Bundessozialgericht hat den Unfallversicherungsschutz nach Unterbrechung des Heimwegs gestärkt. Foto: © Sina Ettmer - stock.adobe.com
Wann gilt eine Unter­brechung der Heim­fahrt mit dem ÖPNV als been­det? Ste­ht ein Schüler, der in der Schul­pause den an die Schule gren­zen­den Stadt­park zum Rauchen auf­sucht, unter dem Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung? Unter welchen Voraus­set­zun­gen kann eine Post­trau­ma­tis­che Belas­tungsstörung als Unfall­folge anerkan­nt wer­den? Und muss die Beruf­sgenossen­schaft für einen Bein­bruch beim betrieblichen Fußball­turnier zahlen? Über diese Fra­gen entsch­ied der 2. Sen­at des Bun­dessozial­gerichts (BSG) in sein­er Sitzung am 28. Juni 2022.

Wird dieselbe Strecke zurückgelegt, greift Versicherungsschutz

Der Fußweg zur Straßen­bahn­hal­testelle ist auch dann unfal­lver­sichert, wenn der Ver­sicherte den begonnenen Heimweg aus pri­vat­en Grün­den unter­bricht und mit der Straßen­bahn wieder fort­set­zt. Voraus­set­zung ist allerd­ings, dass es sich bei dem Fußweg um dieselbe Strecke han­delt, die auch die Straßen­bahn zurück­legt. Dies entsch­ied das BSG im ersten Fall (Az. B 2 U 16/20 R) und stärk­te damit den Ver­sicherungss­chutz nach ein­er Unter­brechung des Heimwegs.

Geklagt hat­te der Lebenspart­ner eines inzwis­chen ver­stor­be­nen Zug­be­gleit­ers, der am Unfall­t­ag nach der Arbeit mit der Straßen­bahn nach Hause fahren wollte. Er unter­brach die Fahrt, um zu Fuß bei sein­er Hausärztin ein Rezept abzu­holen. Auf dem Weg von der Arzt­prax­is zur näch­st­gele­ge­nen Straßen­bahn­hal­testelle wurde er beim Über­queren der Straße von einem Auto erfasst und erhe­blich verletzt.

Der zuständi­ge Unfal­lver­sicherungsträger lehnte die Anerken­nung als Arbeit­sun­fall ab, weil der Mann seinen Heimweg wegen ein­er eigen­wirtschaftlichen Tätigkeit unter­brochen habe. Diese Unter­brechung sei zum Unfal­lzeit­punkt noch nicht been­det gewe­sen, da der Ver­sicherte die Straßen­bahn­hal­testelle noch nicht wieder erre­icht hatte.

Erfolg in drei Instanzen

Die dage­gen gerichtete Klage hat­te in allen drei Instanzen Erfolg. Zu Recht hät­ten die Vorin­stanzen fest­gestellt, dass der Ver­stor­bene einen Arbeit­sun­fall erlit­ten habe, entsch­ied das BSG. Zwar habe er seinen ver­sicherten Heimweg mit dem Ver­lassen der Straßen­bahn mehr als nur ger­ingfügig unter­brochen, um sich in der Arzt­prax­is ein Rezept zu holen. Anders als der Unfal­lver­sicherungsträger sahen die Richter die Unter­brechung zum Unfal­lzeit­punkt allerd­ings als bere­its been­det an. Bei Nutzung ein­er Straßen­bahn sei das Ende der Unter­brechung nicht erst mit Erre­ichen der Hal­testelle oder gar dem Ein­steigen in die Bahn markiert. Vielmehr werde das Ende der Unter­brechung bere­its dann erkennbar, wenn der Betrof­fene – wenn auch zunächst als Fußgänger – dieselbe Strecke in dieselbe Rich­tung zurück­legt wie das öffentliche Verkehrsmit­tel. Weil der Ver­stor­bene zum Unfal­lzeit­punkt sich bere­its wieder mit der Moti­va­tion, nach Hause zu kom­men, in die „richtige“ Rich­tung fort­be­wegt habe und bere­its den Kreuzungs­bere­ich erre­icht hat­te, den auch die Straßen­bahn nutzt, sei er auch wieder ver­sichert gewesen.

Kein Versicherungsschutz im Stadtpark 

Im zweit­en Fall (Az. B 2 U 20/20 R) ging es um einen Schüler, der mit zwei Mitschülern in der Schul­pause den in der Nähe der Schule liegen­den Stadt­park zum Rauchen aufge­sucht hat­te und dabei verunglückt war. An diesem Tag herrschte Unwet­ter mit Sturm und Hagel. Während des Park-Aufen­thalts fiel ihm ein Ast auf Kopf und Kör­p­er, wodurch der junge Mann ein schw­eres Schädel-Hirn-Trau­ma erlitt.

Das Bun­dessozial­gericht hat die Entschei­dung des Lan­dessozial­gerichts (LSG) bestätigt, das – anders als noch das Sozial­gericht – einen Arbeit­sun­fall abgelehnt hat­te. Der organ­isatorische Ver­ant­wor­tungs- und Ein­fluss­bere­ich der Schule sei auf das Schul­gelände beschränkt, urteilte das BSG. Der Stadt­park könne auch nicht als erweit­ert­er Schul­hof ange­se­hen werden.

PTBS als Unfallfolge?

Im drit­ten Fall (Az. B 2 U 9/20 R) strit­ten die Parteien über die Anerken­nung ein­er Post­trau­ma­tis­chen Belas­tungsstörung (PTBS) als Unfall­folge. Der Kläger war als Schloss­er in der Strang­gießan­lage eines Stahlw­erks beschäftigt. Am Unfall­t­ag ging er in den abges­per­rten Bere­ich der Anlage und wurde dabei mit dem Oberkör­p­er von ein­er Mas­chine eingek­lemmt. Dabei zog er sich einen Rip­pen­bruch und ein stumpfes Bauch­trau­ma zu. Wenige Wochen später begab er sich in psy­chi­a­trische Behand­lung, bei der ihm eine PTBS diag­nos­tiziert wurde. Die zuständi­ge Beruf­sgenossen­schaft hat­te diese jedoch als nicht erwiesen ange­se­hen. Das LSG hat­te sich dem noch angeschlossen.

Veraltetes Diagnosesystem: Berufung

Das BSG hegte jedoch Zweifel und hat den Fall an das LSG zurück­ver­wiesen, weil es nicht abschließend entschei­den kon­nte, ob eine Post­trau­ma­tis­che Belas­tungsstörung beim Kläger beste­ht. Es bemän­gelte, dass das LSG ein ver­al­tetes Diag­nosesys­tem ver­wen­det habe. Im wieder­eröffneten Beru­fungsver­fahren müssen nun mit Hil­fe eines Sachver­ständi­gen die Diag­nosekri­te­rien ermit­telt und fest­gestellt werden.

Auch als BGM-Angebot unversichert

Im vierten Fall (Az. B 2 U 8/20 R) begehrte ein Pro­duk­tion­s­mi­tar­beit­er die Anerken­nung eines Bein­bruchs als Arbeit­sun­fall, den er bei einem betrieblichen Fußball­turnier erlit­ten hat­te. Sein Arbeit­ge­ber hat­te mit einem Aushang alle fußballinter­essierten Beschäftigten zum „St. Team Cup“ ein­ge­laden. Die Ver­anstal­tung wurde aus dem Bud­get des Betrieblichen Gesund­heits­man­age­ments (BGM) unter­stützt. Etwa 60 bis 70 der rund 1.600 Betrieb­sange­höri­gen nah­men teil, betrieb­s­fremde Per­so­n­en waren nicht dabei. Zeitweise war ein Mit­glied der Unternehmensleitung anwesend.

Die Klage des Verun­fall­ten wurde in allen drei Instanzen abgewiesen. Bei dem Turnier habe es sich wed­er um Betrieb­ss­port noch um eine betriebliche Gemein­schaftsver­anstal­tung gehan­delt. Auch die Auf­nahme des Fußball-Cups in das BGM begrün­det nach Auf­fas­sung des BSG keinen Ver­sicherungss­chutz. Denn ein BGM im Unternehmen habe zum Ziel, gesund­heits­fördernde Struk­turen zu entwick­eln und zu ver­ankern. Allein die Exis­tenz eines BGM oder die Teil­nahme an ein­er Maß­nahme begründe aber noch keinen Ver­sicherungss­chutz, solange sich – wie hier – ein inner­er Zusam­men­hang zur ver­sicherten Tätigkeit nicht her­stellen lasse.

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