Der Kläger war seit 2015 zunächst als Auszubildender und dann als Jung-Zerspanungsmechaniker bei der beklagten Firma beschäftigt. Zu Beginn der Corona-Pandemie stellte das Unternehmen einen internen Pandemieplan mit Hygienemaßnahmen auf. Unter anderem galten das Einhalten eines Sicherheitsabstandes sowie das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel als Verhaltensregeln. Die Belegschaft wurde in verschiedenen E‑Mails, Abteilungsversammlungen und Aushängen im Betrieb umfassend über die einzuhaltenden Maßnahmen informiert.
Unterschiedliche Darstellungen
Mit Kündigungsschreiben vom dritten April 2020 beendete das Unternehmen das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos. Es wirft dem jungen Mann vor, mehrfach gegen die Corona-Schutzmaßnahmen verstoßen zu haben. Er habe sich von Beginn an gegenüber dieser Maßnahmen ablehnend geäußert und signalisiert, sich nicht daran halten zu wollen.
Wenige Tage nach Einführung des Pandemieplans soll er dann einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet und sinngemäß gesagt haben, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme. Im Kündigungsschutzverfahren bestritt der Kläger die Vorwürfe. Er habe einen Hustenreiz verspürt und deshalb spontan husten müssen. Dabei habe er ausreichend Abstand zum Kollegen gehabt. Als der Kollege sich dadurch belästigt gefühlt und dies auch geäußert habe, habe er ihm entgegnet, er möge mal „chillen, er würde schon kein Corona bekommen“.
Willentlicher Anhuster rechtfertigt Kündigung
Nach Auffassung des Gerichts hätte der von dem Unternehmen geschilderte Sachverhalt eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Das vorsätzliche, provokante Anhusten eines Arbeitskollegen unter Missachtung der im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erlassenen behördlichen wie betrieblichen Arbeitsschutzregeln sei durchaus ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Denn der „Corona-Anhuster“ nehme zumindest billigend in Kauf, den von seiner Tat betroffenen Arbeitskollegen entweder tatsächlich einer Gefahr einer lebensbedrohlichen Infektion und Erkrankung oder jedenfalls einem konkreten Angstgefühl auszusetzen. Dadurch verletze er in erheblicher Weise seine Rücksichtnahmepflicht. Wenn der Arbeitnehmer dann auch noch deutlich gemacht habe, die Arbeitsschutzvorschriften nicht einhalten zu wollen, genüge auch keine Abmahnung.
Vorsatz nicht nachweisbar
Gleichwohl hat das LAG der Kündigungsschutzklage im konkreten Fall nach mehreren Zeugenvernehmungen stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Denn der Arbeitgeber trägt für den Kündigungsgrund die Beweislast. Die beklagte Firma hätte also beweisen müssen, dass der Kläger beim Anhusten des Kollegen vorsätzlich gehandelt hat. Dies ist ihr trotz umfangreicher Beweisaufnahme nicht gelungen. Da sich letztlich nur eine Verletzung der Abstandsregeln nachweisen ließ, hätte das Unternehmen zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen.
(Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.04.2021, Az. 3 Sa 646/20)