In der Firma Senvion, einem führenden Anbieter von Windenergieanlagen, hat das Thema Arbeitsschutz immer eine große Rolle gespielt, was sich in jahrelang konstant sinkenden Unfallzahlen gezeigt hat. Im April 2019 musste Senvion jedoch Insolvenz anmelden, so dass sich das bisherige Tagesgeschäft von einen auf den anderen Tag massiv veränderte: Die meisten Mitarbeiter begleitete nun die Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und sie starteten parallel die Suche nach einer neuen Stelle. Unklarheit über die Zukunft und unterschiedliche Informationen sowie informelle Kommunikation führten zu genereller Unsicherheit. Hinzu kam, dass das Arbeitspensum für einige Bereich massiv anstieg und erhöhte Leistung abgefragt wurde, andere – vor allem operative Bereiche – hatten hingegen nun eine sehr geringe Arbeitslast.
Arbeitsplatzabbau und die Folgen
In den Monaten der Verhandlungen mit potenziellen Investoren verringerte sich die Anzahl der Beschäftigten, da mehr und mehr Kollegen bereits neue Arbeitsverhältnisse gefunden hatten. Nachdem sich abzeichnete, dass nur eine partielle Übernahme durch Investoren möglich war, starteten die Aktivitäten zur Abtrennung des zu veräußernden Teils und die Vorbereitung zur Abwicklung der verbleibenden Bereiche. Eine sich konstant verringernde Organisation muss nun immer noch sicherstellen, dass die kritischen Funktionen besetzt und funktional sind.
Trotzdem guter Arbeitsschutz?
Wie kann man unter diesen Bedingungen das Thema Arbeitsschutz weiterhin hochhalten? Ein entscheidender Punkt war, dass trotz der Insolvenzsituation das Management in Eigenverwaltung (bestehend aus dem bisherigen Management als auch externen Geschäftsführern) weiterhin das Thema HSE stark unterstützte. Arbeitsschutzrechtliche Maßnahmen wurden weiterhin unterstützt und auch finanziert. Auch war es uns in der Abteilung HSE wichtig, so lange wie möglich HSE bezogene Aktivitäten und Projekte weiterlaufen zu lassen, unsere Vorgaben wurden noch mehrsprachig publiziert und kommuniziert, Verbesserungsmaßnahmen basierend auf HAZOBs (Hazardous Observation), Zwischenfällen und Unfällen wurden weiterhin umgesetzt.
Das HSE-Team musste sich aber auch mit der dynamischen Situation auseinandersetzen. Wie können wir Arbeitsschutz weiterhin prominent halten, wie können wir Unfälle aufgrund fehlender Konzentration und emotionaler Ablenkung verhindern?
Viele Mitarbeiter haben in dieser Phase Aufgaben bewältigt, die weit von deren ursprünglichen Aufgabenprofil abwichen, bis hin zu Transportaufgaben beim Abwickeln von Archiven, Umzügen etc., die aufgrund der Insolvenzsituation nur noch in geringem Maße von externen Anbietern übernommen werden konnten. Mit Informationsinitiativen auf mehreren Kanälen (E‑Mail, Intranet, aber auch direkter Kontakt) wurde hier auf Risiken und Gefahrenpotenziale hingewiesen.
Zum Schluss
Als Resumé können wir derzeit (März 2020) sagen, dass trotz geringerer Arbeitsstunden, sinkender Mitarbeiterzahlen und enormen Veränderungen der Arbeitsschutz auf einem hohen Niveau verblieben ist.
Vielleicht war unsere tatsächliche Arbeitsschutzkultur doch ganz gut, beziehungsweise: Eine hohe und gelebte Sicherheitskultur lohnt sich — bis zum Schluss.