Oft werden Schutzeinrichtungen an Maschinen aus Gründen der Zeitersparnis manipuliert, zum Beispiel, um die Produktivitätsvorgaben zu erreichen, und werden teilweise stillschweigend von Vorgesetzten geduldet. Doch das bewusste oder auch nur geduldete Umgehen von Schutzeinrichtungen ist kein Kavaliersdelikt und führt im Falle eines Unfalls oft zu schweren oder sogar tödlichen Verletzungen mit entsprechenden strafrechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen. Auch kann es zu finanziellen Einbußen durch Produktionsausfälle oder ‑stillstände kommen.
Ursachen ermitteln, Maßnahmen ergreifen
Wenn festgestellt wird, dass in einem Betrieb Schutzeinrichtungen manipuliert sind oder wurden, muss die Maschine sofort wieder in einen sicheren Zustand versetzt werden. Darüber hinaus sind die Gründe zu analysieren, die zu der Manipulation geführt haben. Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, im Gespräch mit den Beteiligten die Ursachen für die Manipulation herauszufinden.
Als Hilfestellung für die Analyse und Dokumentation steht auf www.stopp-manipulation.org eine Checkliste zur Ermittlung von Manipulationsursachen zur Verfügung. Außerdem müssen gegebenenfalls technische Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen ergriffen werden. Es kann sinnvoll sein, für die Entwicklung eines alternativen Schutzkonzepts die Unterstützung des Herstellers oder der Lieferfirma einzuholen. Das Nachrüsten einer Betriebsart zum Einrichten der Maschine kann den Manipulationsanreiz und das durch Manipulation entstehende Risiko senken.
Manipulation bereits im Vorfeld verhindern
Allerdings können Manipulationshandlungen an Schutzeinrichtungen von Maschinen von Anfang an erfolgreich eingedämmt werden, wenn bereits vor der Beschaffung die maschinenspezifischen Tätigkeiten in allen Phasen des Lebenszyklus einer Maschine bedacht werden. Eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Maschine und Schutzkonzept ist das sogenannte Lastenheft. Darin werden Anforderungen an die Maschine durch die betreibende Firma definiert. Es empfiehlt sich daher, das Lastenheft unter Berücksichtigung aller Lebensphasen der Maschine zu erstellen.
Auf Basis dieses Lastenheftes ist der Verkäufer in der Lage, den speziellen Bedarf des Kunden zu erkennen und kann ihm dadurch eine Maschine mit einem passenden Schutzkonzept anbieten. Bestandteil des Angebotes ist in der Regel ein Pflichtenheft. Darin legt der Hersteller dar, wie er die Anforderungen aus dem Lastenheft erfüllen will. Für den späteren Betreiber besteht somit eine transparente Möglichkeit, zu prüfen, ob das Angebot seinen Anforderungen entspricht und an welcher Stelle gegebenenfalls noch Anpassungsbedarf besteht.
Manipulation durch Unterweisungen unterbinden
Auch Unterweisungen kommen in diesem Gefahrenbereich eine hohe Bedeutung zu. In regel- oder anlassbezogenen Unterweisungen können die Beschäftigten für die Gefahren eines sicherheitswidrigen Arbeitens, das häufig mit schweren Verletzungen oder gar dem Tod einhergeht, sensibilisiert werden. Vor Ort an der Maschine kann veranschaulicht werden, wie eine unbedachte Idee, Sicherheitsvorkehrungen zu überbrücken, auszuhebeln oder abzuschrauben, schnell in der Hektik des Alltags zu einer eigenen Gefährdung oder zu einer Gefährdung der Kollegen wird.
Damit verbundene Anordnungen allein wirken aber oftmals nicht. Über den Austausch in der Kleingruppe über die aus ihrer Sicht „triftigen“ Gründe für verbotene Verhaltensweisen können die Beschäftigten sichere Maßnahmen besprechen und einüben. Anweisungen des Vorgesetzten, eine Manipulation zu unterlassen, werden von ihnen dann nicht mehr als Schikane erlebt, sondern als ernsthaft gemeintes Verhaltensgebot zur Erhaltung ihrer Gesundheit.
Es kommt also vor allem auf die Akzeptanz einer gemeinsam entwickelten Maßnahme bei den betroffenen Beschäftigten an. Diese ist nachweislich besonders hoch, wenn Beschäftigte in Analyse- und Entscheidungsprozesse aktiv einbezogen wurden. Werden Beschäftigte beteiligt oder, mehr noch, werden sie zu Protagonisten von Gestaltungsprozessen, dann sind Unterweisungen besonders wirkungsvoll und nachhaltig.
Unterweisungen und eine sich entwickelnde Sicherheitskultur
Unterweisungen mit einer hohen Beteiligung der Beschäftigten setzen eine gelebte Vertrauens- sowie Fehlerkultur voraus. Im Unternehmen muss ein Klima vorhanden sein, in dem die Auseinandersetzung mit den Gründen für ein Fehlverhalten positiv bewertet und als kontinuierlicher Verbesserungsprozess auf dem Weg hin zur Sicherheitskultur verstanden wird. In den Beschäftigten wird das Vertrauen gelegt, dass er selbst daran arbeitet, sicherheitswidriges Verhalten nicht zu dulden. Wird der Sachverhalt „Manipulation von Schutzeinrichtungen“ anhand dieser Begriffe differenziert und gleichzeitig mit Hilfe des Stufenmodells der kommmitmensch-Kampagne entwickelt, ergeben sich neue Möglichkeiten der Gefahrenabwehr (siehe Abbildung 1).
Das Ziel im Modell ist es, eine wertschöpfende Handlungs-Ebene zu erreichen: Das bedeutet, dass Sicherheit und Gesundheit ein anderer Wert beigemessen wird. Eine hohe Sicherheits- und Gesundheitskultur, die Abweichungen auf den Grund geht, trägt maßgeblich zur Leistungsfähigkeit und damit zur Wertschöpfung bei. Mitarbeitende tauschen sich eigenständig über relevante Themen aus. Führungskräfte schaffen Raum dafür.
Weitere Informationen
- zur kommmitmensch-Kampagne: www.eins-ist-sicher.de
- zum Seminarprogramm der BGHM: www.bghm.de, Webcode 13
Autoren:
- Christoph Meyer: Abteilung Maschinen, Robotik, Holzverarbeitung, Berufsgenossenschaft Holz und Metall
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Harald Sefrin: Abteilung Maschinen, Robotik, Holzverarbeitung, Berufsgenossenschaft Holz und Metall
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Reiner Stefan, Abteilung Qualifizierung, Berufsgenossenschaft Holz und Metall
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Ursula Willemsen: Abteilung Qualifizierung,Berufsgenossenschaft Holz und Metall