Der Arbeitgeber und seine von ihm beauftragten Führungskräfte sind verpflichtet, in eigener Verantwortung und mithilfe entsprechender Fachkunde die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes umzusetzen. Im Bereich der Elektrotechnik bedingt die erforderliche Fachkunde zumeist eine Pflichtenübertragung der elektrotechnisch relevanten Verantwortung im Arbeitsschutz auf eine Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK)1 bzw. einen Anlagenbetreiber2 (Elektrotechnik), sofern der Arbeitgeber oder seine Führungskraft fachlich und/oder zeitlich nicht in der Lage sind. Je nach Umfang des elektrotechnischen Bereichs bzw. der elektrotechnischen Aufgaben eines Unternehmens ergibt sich neben der disziplinarischen Ebene, ähnlich den zwei Seiten einer Medaille, auch eine fachliche Führungsstruktur.
Eine „geeignete Organisation“ gemäß § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), bei der die Maßnahmen des Arbeitsschutzes auch im Bereich der Elektrotechnik passend in die betrieblichen Führungsstrukturen eingebunden sind, kann demnach nur bestehen, wenn wichtige Schnittstellen zum Elektrobereich nachvollziehbar geregelt sind. Eine besondere Rolle nimmt dabei auch die Fachkraft für Arbeitssicherheit ein, die in ihrer Beratungs‑, Unterstützungs- und Kontrollfunktion eine wichtige koordinierende Position innehat.
In der Praxis fehlt es der Verantwortlichen Elektrofachkraft häufig an Akzeptanz oder Information bei der täglichen Aufgabenerfüllung. Da es eine Freidelegation von Verantwortung seitens des Arbeitgebers bzw. der Führungskräfte nicht gibt, sind die nachfolgenden Kernaspekte und Schnittstellen von großer Bedeutung.
Betreiberverantwortung im Bereich der Elektrotechnik
Im einschlägigen Regelwerk ist der Begriff Betreiber(-verantwortung) ein weitläufiger Begriff mit vielen Facetten. Bereits das Fehlen einer gesetzlichen Definition und der damit durch den Gesetzgeber implizit unterstellten Eindeutigkeit des Begriffs3 führt in der Praxis meist zu einer Pauschalisierung der Verantwortlichkeit und der verschiedenen Betreiberpflichten, die beispielsweise in der VDI 3810 „Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen“ anschaulich dargestellt sind (Abbildung 2 – Betreiberpflichten VDI 3810). Dass in einer Delegationsstruktur die Geschäftsführung bzw. der Vorstand immer der „oberste Betreiber“ bleibt, steht außer Frage.
Spätestens ab hier sind aber die speziellen Betreiberpflichten, von denen der Bereich Elektrotechnik zunächst nur eine Facette darstellt, inklusive der entsprechenden Rollenverteilungen meist unzureichend geregelt. In der Praxis gibt es einige Beispiele, die deutlich machen, dass mit der schriftlichen Beauftragung der Verantwortlichen Elektrofachkraft gemäß VDE 1000-10 Abs. 5.3 die Thematik „Betreiberverantwortung im Bereich der Elektrotechnik“ nicht automatisch umgesetzt ist. Beispielsweise die stichprobenhafte Kontrolle von Prüfprotokollen bei Krananlagen, Rolltoren oder raumlufttechnischen Anlagen bringt meist nur mechanische Prüfinhalte bzw. UVV-Prüfgrundlagen zum Vorschein. Ursächlich für das Fehlen von elektrotechnischen Prüfprotokollen oder auch mangelhaften, messtechnischen Prüfprotokollen ist häufig ein organisatorisches Defizit. Da vorgenannte Arbeitsmittel/Anlagen über eine elektrotechnische Ausrüstung verfügen, ist eine Prüfung der elektrischen Schutzmaßnahmen erforderlich. Auf die Frage, wer der Betreiber der betreffenden Anlagen ist, wird häufig mit „Das ist der Geschäftsführer/Standortleiter/Produktionsleiter“ geantwortet. Der genannte Personenkreis ist zwar letztlich für den Gesamtprozess verantwortlich, dennoch muss, vor dem Kontext des einschlägigen Regelwerks inklusive der elektrotechnischen Anforderungen, die Pflichtenübertragung auf eine „geeignete Person“ erfolgen, sofern der „(Gesamt-) Betreiber“ nicht über die erforderlichen fachlichen und zeitlichen Ressourcen im Bereich der Elektrotechnik verfügt. Eine solche Person, mit der Unternehmerverantwortung für den sicheren Betrieb und den ordnungsgemäßen Zustand der elektrischen Anlagen, wird in der VDE 0105–100:2015–10 Abs. 3.1 in Form des „Anlagenbetreibers“ gefordert. Auch wenn die Begrifflichkeit als solches keinen Unterschied zum Begriff des „Betreibers“ vermuten lässt, geht es inhaltlich hier um eine Teilverantwortung für den Betrieb der elektrischen Anlagen bzw. Anlagen, die elektrotechnische Ausrüstungen und Betriebsmittel beinhalten. Mit anderen Worten muss der für den Gesamtprozess, d. h. Hydraulik, Pneumatik, Mechanik, Elektrotechnik, Qualitätssicherung etc. verantwortliche Betreiber sich einer geeigneten Person, hier zumeist in Personalunion mit der Verantwortlichen Elektrofachkraft, bedienen, wenn es um die elektrotechnische Betreiberverantwortung geht. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die elektrotechnischen Anforderungen beginnend mit der Planung, Errichtung sowie Inbetriebnahme inklusive Probebetrieb bis hin zur Phase des Betriebs tragfähig umgesetzt werden können.
Beschaffungsprozess
Neben einer klaren Rollenverteilung gilt es auch beim Prozess der Beschaffung von Arbeitsmitteln, Maschinen und Anlagen mit elektrotechnischen Komponenten einige Hürden zu überwinden. Nicht zuletzt mit der Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) 2015 wird dem Thema Beschaffung ein besonderer Stellenwert in der Arbeitsschutzorganisation beigemessen. Unter anderem nach BetrSichV i.V.m. der BekBS4 1113 „Beschaffung von Arbeitsmitteln“ haben der Arbeitgeber sowie seine Führungskräfte auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung nur solche Arbeitsmittel, Maschinen und Anlagen zu beschaffen, bei denen bei bestimmungsgemäßer Verwendung, Sicherheit und Gesundheitsschutz ausgeht. Insofern müssen bereits im Zuge der Beschaffung die bestimmungsgemäße Verwendung und die Geeignetheit für die Arbeitsaufgabe hinterfragt werden. Im Alltag endet dies im Zuge der Inbetriebnahme meist mit fehlenden messtechnischen Prüfprotokollen, Schaltplänen, veralteten Konformitätserklärungen und nicht vorhandenen Gefährdungsbeurteilungen inkl. der Festlegung von Prüffrist, Prüfart und Prüfumfang gemäß § 3 Abs. 6 BetrSichV5. Auch hier wird die für die Elektrosicherheit in Verantwortung stehende Person, namentlich die Verantwortliche Elektrofachkraft/der Anlagenbetreiber (Elektrotechnik), meist im Beschaffungsprozess und während der Inbetriebnahme nicht passend eingebunden. Die zuvor erwähnten Mängel können nur abgestellt werden, wenn Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die elektrotechnisch verantwortlichen Personen für klare Verhältnisse sorgen und Schnittstellen untereinander geregelt werden. Die Anwendung von Spezifikationen und Abnahmeprotokollen durch fachkundige Personen im Bereich der Elektrotechnik, vor dem Hintergrund der Betreiberverantwortung, ist damit unabdingbar geworden.
Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung
Der Einsatz von Beschäftigten im Bereich der Elektrotechnik ist an eine entsprechende Fachkunde, bezogen auf das jeweilige Arbeitsgebiet, gebunden. Auf Basis von Gefährdungsbeurteilungen für Tätigkeiten bzw. Arbeitsplätze müssen der Arbeitgeber und seine Führungskräfte für eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen sorgen und präventive Schutzmaßnahmen nach dem TOP6 ‑Prinzip, einschließlich der Kontrolle auf Wirksamkeit, ergreifen. Erfahrungsgemäß werden tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilungen federführend von der Fachkraft für Arbeitssicherheit erstellt, die wiederum nicht in allen Fachgebieten über die erforderliche Fachkunde verfügen kann. An diesem Punkt ist entscheidend, dass die VEFK, die für die Gefährdungsbeurteilung im Elektrobereich verantwortlich ist, frühzeitig in diesen Prozess eingebunden wird. Auf Basis der aus den Gefährdungsbeurteilungen resultierenden Anweisungen muss weiterführend auch die Unterweisung der Beschäftigten im Bereich der Elektrotechnik organisiert sein. Dass hierzu mindestens jährliche Unterweisungen7 im einschlägigen Regelwerk gefordert sind, ist ein offenes Geheimnis. In der Praxis herrscht jedoch nicht selten Unkenntnis darüber, dass die „allgemeine Sicherheitsunterweisung“ noch nicht automatisch den Erhalt der Fachkunde im Bereich der Elektrotechnik abdeckt. Dabei ist es von enormer Bedeutung, dass ein Konzept für Unterweisungs- und Schulungsmaßnahmen existiert, bei welchem auch die Schnittstelle zwischen Führungskräften und der Fachkraft für Arbeitssicherheit auf der einen Seite und der VEFK auf der anderen Seite geregelt ist. Nur auf diese Weise lassen sich Synergien nutzen und Unterweisungen respektive Schulungsmaßnahmen im Bereich der Elektrotechnik sinnvoll gestalten. Die Verantwortliche Elektrofachkraft ist demnach auch für die Festlegung der elektrotechnischen Unterweisungs- und/oder Schulungsinhalte verantwortlich.
Fazit
Eine „Rechtssichere Organisation im Bereich der Elektrotechnik“ kann nur dann aufgebaut und erhalten werden, wenn disziplinarische und fachliche Verantwortlichkeiten eng miteinander zusammenarbeiten und Schnittstellen eindeutig geregelt sind. Der Arbeitgeber hat dabei die oberste Verantwortung und für eine lebendige Organisationsstruktur zu sorgen. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit hat in diesem Spielfeld eine wichtige Beratungs- und Kontrollaufgabe.
- 1 Gem. § 13 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)/ § 13 DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“, § 49 Energiewirtschaftgesetz (EnWG) i. V. m. VDE 1000-10:2009–10 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“
2 Gem. § 13 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)/ § 13 DGUV Vorschrift 1, § 49 EnWG i. V. m. VDE 0105–100:2015–10 „Betrieb von elektrischen Anlagen“
- 3 Siehe Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) 3 C 47.02
- 4 BekBS = Bekanntmachung zur Betriebssicherheit
- 5 In Verbindung mit der Technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 1111
- 6 TOP = Technische‑, Organisatorische‑, Personenbezogene Maßnahmen.
- 7 Siehe u. a. § 4 DGUV Vorschrift 1, § 12 ArbSchG, § 12 BetrSichV
Hartmut Hardt
(VDI)
Rechtsanwalt
Dipl.-Ing. (FH)
René Rethfeldt (VDI)
BDSH e.V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik
Mebedo Consulting GmbH