In der betrieblichen Praxis dienen Arbeitsanweisungen dazu, die ordnungsgemäße Ausführung von Arbeiten sicherzustellen. So werden den Beschäftigten verbindliche Anweisungen erteilt, wie und in welcher Art sie Tätigkeiten auszuführen haben. Der Arbeitgeber hat gemäß § 4 des Arbeitsschutzgesetzes seinen Beschäftigten geeignete Anweisungen zum sicheren und gesundheitsgerechten Arbeiten zu erteilen. In welcher Art der Arbeitgeber dieser Pflicht napchkommen muss, ist nicht näher erläutert. In den meisten Fällen erfolgt die Anweisung bei der Unterweisung, welche nach den Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung vor der Aufnahme der Tätigkeit und mindestens einmal jährlich durchzuführen ist. (BGBI. 08/1996, 02/2015; Dr. Albert Ritter)
Bei der Betrachtung von Unfallursachen wird die Notwendigkeit für sichere Arbeitsanweisungen deutlich. Eine Unfallanalyse der BG RCI ergab, dass 75 Prozent aller darin gelisteten tödlichen Arbeitsunfälle zwischen 2004 und 2015 auf eine fehlerhafte Arbeitsweise der Verunglückten zurückzuführen waren. Bei jedem dritten tödlichen Arbeitsunfall sind nicht einmal die sicheren Arbeitsweisen festgelegt worden oder die Unterweisungen wurden mangelhaft durchgeführt. (Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie 2017a, 2017b)
Auch die regelmäßige Unfallanalyse bei MAN Diesel & Turbo zeigt, dass Unfälle hauptsächlich auf ein fehlerhaftes Verhalten der Mitarbeiter zurückzuführen sind. In 96 Prozent der Unfälle war die Ursache im unsicheren Verhalten der Mitarbeiter zu suchen. (Josef Fischer 2018)
Unterschied zwischen Betriebs- und Arbeitsanweisung
Unter einer Betriebsanweisung ist ein Dokument zu verstehen, welches in Kurzform Gefahren, zu ergreifende Schutzmaßnahmen und Verhaltensmaßnahmen auf möglichst einer DIN-A4-Seite darstellt. In einer Arbeitsanweisung hingegen geht es um viel mehr, als nur darum, Gefahren, Schutzmaßnahmen und Verhaltensmaßnahmen darzustellen. Darin werden die einzelnen Arbeitsschritte, die durchzuführen sind, detailliert beschrieben, um die Arbeitsaufgabe sicher, effizient und qualitätsgerecht durchzuführen. Aus diesem Grund geht der Umfang einer Arbeitsanweisung in den meisten Fällen über eine DIN-A4-Seite hinaus. (Berufsgenossenschaft Holz und Metall 2012; Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen 2015)
Ein weiterer Unterschied liegt in der rechtlichen Grundlage. So ist der Arbeitgeber gemäß den verschiedenen Verordnungen und Vorschriften dazu verpflichtet, Betriebsanweisungen zu erstellen. Es gibt jedoch keine Pflicht zur Erstellung einer Arbeitsanweisung.
Gefährdungsbeurteilung: Grundlage für sichere Arbeitsanweisungen
Der Arbeitgeber ist gemäß Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Dazu sind im Rahmen einer Beurteilung des Arbeitsplatzes die Gefährdungen, die Wechselwirkungen zwischen den Menschen und der Arbeit sowie die Umgebungseinflüsse zu ermitteln und erforderliche Maßnahmen zu treffen. (BGBI. 08/1996)
Die ermittelten Gefährdungen und die abgeleiteten Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung sind erforderlich, um in der Arbeitsanweisung einen sicheren und gesundheitsgerechten Arbeitsablauf beschreiben zu können. Hierzu sind weniger die technischen Maßnahmen von Relevanz, sondern viel mehr die organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen. Grund hierfür ist, dass solche Maßnahmen meist auf das Handeln der Beschäftigten abzielen und somit in der Arbeitsanweisung aufgeführt werden sollten.
Darüber hinaus ist eine grundlegende Organisation des Arbeitsschutzes wichtig, da die Arbeitsanweisungen darauf aufbauen. Andernfalls fehlen wichtige arbeitsschutzrelevante Informationen, die dann nicht in die Arbeitsanweisung aufgenommen werden können.
Gestaltung von Arbeitsanweisungen
Bei der Erstellung einer Arbeitsanweisung ist zu berücksichtigen, dass die Verständlichkeit eines Textes im Wesentlichen von vier Merkmalen abhängig ist. Mit diesen vier Merkmalen befasst sich das Hamburger Verständlichkeitsmodell. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Textverständlichkeit“ fanden die Projektbeteiligten heraus, dass die vier Merkmale
- Einfachheit,
- Übersichtlichkeit,
- Kürze und
- Anregung
für die Verständlichkeit eines Textes relevant sind. Diese vier Merkmale haben jedoch nicht denselben Stellenwert für die Verständlichkeit von Texten. So sind die Merkmale Einfachheit, Gliederung und Kürze maßgeblich für die Verständlichkeit eines Textes verantwortlich. (Stangl 2019; Langer et al. 2011)
So lässt sich festhalten, dass bei der Erstellung von Texten ein besonderes Augenmerk auf eine einfache und anschauliche Sprache sowie eine übersichtliche Darstellung, welche sich auf das Wesentliche bezieht, zu legen ist. Auch wenn keine speziellen Richtlinien zur Erstellung von Arbeitsanweisungen existieren, sollten generelle Gestaltungsvorgaben von technischen Dokumenten genutzt werden.
Darüber hinaus sollte sich das Layout einer Arbeitsanweisung für eine Tätigkeit mit einem hohen Risiko gegenüber der mit einem geringen Risiko unterscheiden: Eine klare Differenzierung des Risikos im Layout kann zu einer Sensibilisierung für Gefahren beitragen. Eine mögliche Differenzierung kann über eine unterschiedliche Farbgebung der Kopfzeile vorgenommen werden. So eignet sich für ein hohes Risiko ein roter Farbhintergrund. Dieser erzeugt beim Betrachter Aufmerksamkeit und weist auf eine erhöhte Gefahr hin.
In der Kopfzeile sollten die Art der Arbeitsanweisung (hohes/ geringes Risiko), das Firmenlogo, der Firmenname, der Titel der Arbeitsanweisung und für eine bessere Zurückverfolgbarkeit von älteren Versionen eine Versionsnummer aufgeführt werden.
Auf dem Deckblatt sind neben allgemeinen Informationen zur Arbeitsanweisung die PSA und benötigte Arbeitsmittel aufzulisten. Die Auflistung der benötigten PSA und Arbeitsmittel dient dazu, dass der Beschäftigte vor Arbeitsbeginn überprüfen kann, ob ihm alle notwendigen Materialen für die Tätigkeit zur Verfügung stehen, bevor er mit dieser beginnt.
Nach dem Deckblatt erfolgt die Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte, die durchgeführt werden müssen. Im Falle einer Arbeitsanweisung sollte die Textanordnung die Abfolge einzelner Arbeitsschritte erkennen lassen. Durch die Verwendung einer Tabelle lassen sich die einzelnen Arbeitsschritte chronologisch darstellen und in Form einer Checkliste nach der Durchführung abhaken. Zusätzlich bietet es sich an, die einzelnen Arbeitsschritte zu nummerieren, um die logische Reihenfolge dieser zusätzlich hervorzuheben. (Lang 2007; Klanten und Bilz 2009)
Für eine besser Übersichtlichkeit und Struktur der Tabelle, ist die Tätigkeit in Teiltätigkeiten aufzuteilen und dementsprechend mit Überschriften zu versehen, sodass der Beschäftigte die Teiltätigkeiten auf Anhieb erkennen kann. Im Anschluss an die Überschrift folgt die Beschreibung von Gefährdungen für die Teiltätigkeit. Dies dient dazu, die Beschäftigten darauf aufmerksam zu machen und Hinweise zum sicheren Arbeiten zu geben. Zusätzlich wird der Text mit dem entsprechenden Gefahrensymbol ergänzt, welches als „Eyecatcher“ dient.
Danach werden die Arbeitsschritte, die für die Erfüllung der Aufgabe notwendig sind, chronologisch aufgelistet. Bei der Formulierung der einzelnen Arbeitsschritte ist darauf zu achten, dass diese als genaue und knappe Aufforderungen zu verstehen sind, um eine Tätigkeit auszuführen. Außerdem sollte ein Satz aus maximal 20 Wörtern bestehen, um eine schnelle Auffassung der Arbeitsaufforderungen zu ermöglichen. (Lang 2007; Krautmann 1981)
Den Abschluss der Arbeitsanweisung sollte ein Abschnitt mit Verbesserungsvorschlägen/Abweichungen machen, welcher bei Bedarf von den Beschäftigten auszufüllen ist, um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess anzuregen.
Nutzen von sicheren Arbeitsanweisungen
Ein einheitlich beschriebener Arbeitsablauf, an den sich die Mitarbeiter verbindlich zu halten haben, wirkt sich neben dem verbesserten Arbeitsschutz positiv auf die Qualität und Produktivität der Arbeit aus. Durch den genau beschriebenen Arbeitsablauf wird sichergestellt, dass die Arbeitsaufgabe immer auf einem gleichbleibenden Niveau erfüllt wird. Darüber hinaus können die Arbeitsanweisungen zum Anlernen neuer Mitarbeiter verwendet werden. Mithilfe der detaillierten Beschreibung des Arbeitsablaufs in einzelnen Schritten lassen sich Mitarbeiter schneller einarbeiten und die Arbeitsabläufe effizienter durchführen. (Dr. Albert Ritter; Unterweisung Plus 2018)
Literatur:
- Berufsgenossenschaft Holz und Metall (Hg.) (2012): DGUV‑I 211–010 Sicherheit durch Betriebsanweisungen
- Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (Hg.) (2017a): KB 012–1 Mein Leben. 12 Lebenretter für Beschäftigte
- Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (Hg.) (2017b): KB 012–2 Meine Verantwortung. 12 Lebensretter für Führungskräfte
- BGBI. (08/1996): Arbeitsschutzgesetz. ArbSchG, vom 31.08.2015
- BGBI. (02/2015): Betriebssicherheitsverordnung. BetrSichV, vom 18.10.2017
- Dr. Albert Ritter: Lexikonbeitrag aus Arbeitsschutz Office. Arbeitsanweisungen. Hg. v. Haufe
- Josef Fischer (2018): Beschäftigte nachhaltig für sicheres Verhalten gewinnen. Beispiel MAN Diesel&Turbo. In: Sicherheitsingenieur (06), S. 32–34.
- Klanten, Robert Hrsg.; Bilz, Silja (2009): Der kleine Besserwisser. Grundwissen für Gestalter. 3., durchges. und korrigierte Aufl. Berlin: Die Gestalten Verl.
- Krautmann, Axel (1981): Zur Analyse von Verständlichkeitsproblemen bei der Gestaltung von Gebrauchsanleitungen. Köln: Fördergesellschaft Produkt-Marketing e.V.
- Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2015): Was ist der Unterschied zwischen einer Betriebsanweisung und einer Arbeitsanweisung? KomNet Dialog 5757.
- Lang, Stefan (2007): Durchgängige Mitarbeiterinformation zur Steigerung von Effizienz und Prozesssicherheit in der Produktion. Zugl.: Erlangen-Nürnberg, Univ., Diss., 2007. Bamberg: Meisenbach (Fertigungstechnik – Erlangen, 181).
- Langer, Inghard; Schulz von Thun, Friedemann; Tausch, Reinhard (2011): Sich verständlich ausdrücken. 9., neu gest. Aufl. München: Reinhardt.
- Stangl, W. (2019): Verständlichkeit von Texten: Einfachheit, Gliederung, Ordnung, Kürze und Prägnanz
- Unterweisung Plus (Hg.) (2018): Arbeitsanweisung. Online verfügbar unter https://www.unterweisung-plus.de/arbeitsanweisung
[1] Der Beitrag basiert auf der Bachelorthesis von Lukas Kleffmann am Lehrstuhl Sicherheitstechnik/Arbeitssicherheit (Prof. Dr. Anke Kahl) der Bergischen Universität Wuppertal. Betreut wurde die Bachelorthesis von M. Sc. Leonie Bornfeld.
Autor: Lukas Kleffmann
Sicherheitsingenieur
Ingenieurbüro Artzt
E‑Mail: l.kleffmann@artzt.de