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Gefahren lauern im Alltäglichen

Zu Besuch beim Verein für Soziale Bildungsarbeit
Gefahren lauern im Alltäglichen

Geset­zliche Vor­gaben bescherten Rein­er Kun­ze die Ernen­nung zum Sicher­heits­beauf­tragten. 26 Jahre ist das jet­zt her. Noch immer küm­mert er sich mit Herz und Ver­stand um das The­ma Sicher­heit in der Ver­wal­tung eines Weiterbildungsträgers.

Bet­ti­na Brucker

Rein­er Kun­ze ist ein unaufgeregter Typ. Und vielle­icht genau deshalb der Richtige für die Auf­gabe eines
Sicher­heits­beauf­tragten in der Ver­wal­tung. Leise, behar­rlich und manch­mal mit einem detek­tivis­chen Spürsinn für mögliche Gefahren erledigt er seinen viel­seit­i­gen Auftrag.

Über­nom­men hat er ihn im Jahr 1992: Als eine der Geschäfts­führerin­nen Rein­er Kun­ze fragt, ob er Sicher­heits­beauf­tragter für die Ver­wal­tung wer­den will, sagt er spon­tan ja. Und so ist er bis heute Sicher­heits­beauf­tragter beim Vere­in für Soziale Bil­dungsar­beit e. V. (VSB) in Gummersbach.

Kun­ze hat Maschi­nen­bau studiert. Tech­nik und in gewiss­er Weise auch Sicher­heit sind schon immer sein Ding gewe­sen. Doch dass let­ztere ein­mal ein The­ma bei seinem Arbeit­ge­ber sein kön­nte, hat er nicht geah­nt. Heute weiß er, wie vielfältig das Auf­gabenge­bi­et eines Sicher­heits­beauf­tragten sein kann – und zwar auch in einem Schu­lungs- und Ver­wal­tungs­be­trieb. Hier geht es nicht um große und sicht­bare Gefahren, son­dern eher um solche, die im Detail, ja fast im Alltäglichen lauern.

Vormals viel improvisiert

In den 1990ern und frühen 2000ern legte Kun­ze sein Augen­merk beim The­ma Sicher­heit vor allem auf die Verk­a­belung der EDV-Schu­lungsräume. Bei der EDV-Tech­nik musste noch vieles impro­visiert wer­den. Für Rein­er Kun­ze, damals Sys­temad­min­is­tra­tor im Haus, genau die richtige Auf­gabe. Die riesi­gen Röhren­bild­schirme stellte er kurz­er­hand schräg auf. Für eine ergonomis­che Anord­nung war nicht genü­gend Platz auf den Tis­chen. Die Verk­a­belung erfol­gte über die weni­gen Steck­dosen im Raum, kom­biniert mit kaskadieren­den Mehrfach­steck­dosen, die er mit Kabel­bindern sich­er unter den Tis­chen und an den Tis­chbeinen anbrachte. Als das Inter­net dazukam, ver­sorgte ein Tele­fo­nan­schluss zig PCs. Die Verbindung war extrem langsam und insta­bil. Das führte immer wieder zu stres­si­gen Sem­i­nar­si­t­u­a­tio­nen. Doch psy­chis­che Belas­tun­gen inter­essierten den Arbeits- und Gesund­heitss­chutz damals noch nicht.

Sicherheit näherbringen

Die Kol­legin­nen und Kol­le­gen, über­wiegend Sozialpäd­a­gogen und Ver­wal­tungskräfte, nehmen die Ratschläge des Sicher­heits­beauf­tragten gerne an. Doch bei einem The­ma scheinen sie beratungsre­sistent zu sein. „Wenn ich die Besteck­kästen in der Spül­mas­chine kon­trol­liere, ent­decke ich immer wieder ein Küchen­mess­er, das mit der Spitze nach oben eingeräumt ist. Da kann so schnell etwas passieren… Wenn wir ger­ade über Schnitt- und Stichver­let­zun­gen sprechen, fällt mir ein: Vor ein paar Jahren hat­ten wir einen Teil­nehmer mit Dia­betes, der sich spritzen musste. Er entsorgte die Spritzen im Waschraum im Abfal­lko­rb für die Papier­handtüch­er. Als der Inhalt eines Tages überquoll, wollte unsere Reini­gungskraft den Papier­berg zusam­men­drück­en und fasste dabei in die Spritze. Die Aufre­gung war natür­lich groß. Zum Glück ist alles gut aus­ge­gan­gen. Ich habe dann mit dem Teil­nehmer gesprochen und ihn über sein riskantes Han­deln aufgek­lärt. Er war sehr betrof­fen, weil er sich darüber keine Gedanken gemacht hatte.“

Mit sechs Ver­wal­tungs­fachkräften und 19 Päd­a­gogin­nen und Päd­a­gogen ist die Zahl der Mitar­bei­t­en­den über­schaubar. Deut­lich höher ist die Zahl der Teil­nehmenden, die jedes Jahr die unter­schiedlich­sten Sem­i­nare durch­laufen. Mit diesen wird Rein­er Kun­ze in Zukun­ft mehr zu tun haben. Er soll die Erst-Unter­weisung mit ihnen durch­führen: Orts­bege­hung, Erste Hil­fe, Brand­schutz, Notaus­gänge, Feuer­lösch­er. „Zurzeit macht das unsere externe Sicher­heits­fachkraft. Bei der habe ich zweimal zugeschaut und gel­ernt, wie man die ganzen The­men in 45 Minuten unter­brin­gen kann.“

Kun­ze ist Sicher­heits­beauf­tragter für vier Stan­dorte, außer für den VSB e. V. auch noch für die VBS gGmbH sowie den Koop­er­a­tionspart­ner Reha & Beruf gGmbH. Deshalb ist er regelmäßig unter­wegs, „op jöck“, wie man im Rhein­land sagt. Als Hand­lungsreisender in Sachen Arbeitss­chutz fährt er die einzel­nen Stan­dorte ab, macht Erst-Unter­weisun­gen, schaut, ob ihm etwas auf­fällt. Kleinigkeit­en sind es, denn große Gefahren­stellen gibt es bei einem Weit­er­bil­dungsträger eher weniger. „Wir haben hier keine großen Unfälle, Gott sei Dank“, sagt Kunze.

Belastungsfaktor Störungen

Keine Kleinigkeit, son­dern zunehmend ein großes The­ma sind allerd­ings die psy­chis­chen Belas­tun­gen im Arbeit­sall­t­ag. „Früher dachte man bei vielem: ‚Das ist nor­mal. Das gehört zum Job’. Heute the­ma­tisiert man das. Ich habe vor kurzem eine Umfrage zu psy­chis­chen Belas­tun­gen durchgeführt.
60 bis 80 Prozent der Befragten haben angekreuzt, dass Störun­gen die größte Belas­tung für sie sind. Vor allem in den Sem­i­narpausen geht die Tür auf, streckt jemand den Kopf ins Büro und will etwas.“ Aber auch Tele­fonate wer­den als Störung wahrgenom­men, wenn man konzen­tri­ert einen Bericht für den Kos­ten­träger for­mulieren muss. Da die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer oft sehr prob­lem­be­laden sind, ist bei den päd­a­gogis­chen Fachkräften zudem die emo­tionale Belas­tung groß. Um diese aufz­u­fan­gen, find­en schon seit Jahren neben der Super­vi­sion regelmäßig soge­nan­nte kol­le­giale Fall­ber­atun­gen sowie wöchentliche Team­sitzun­gen statt.

Planbarer Tagesablauf

Kun­ze ist am The­ma Störun­gen drange­blieben. Denn fällt das Ergeb­nis ein­er Befra­gung höher als 50 Prozent aus, muss der Arbeit­ge­ber aktiv wer­den und die Belas­tun­gen mit entsprechen­den Maß­nah­men abstellen oder mildern. So wur­den unter anderem Tafeln an den Bürotüren ange­bracht, in die Teil­nehmende ihren Gesprächs­be­darf ein­tra­gen kön­nen. Dadurch kön­nen die Päd­a­gogin­nen und Päd­a­gogen ihren Tagesablauf bess­er planen.

Auch über die Bürokratie jam­mern die Päd­a­gogin­nen und Päd­a­gogen hin und wieder. Für Rein­er Kun­ze ist der
bürokratis­che Aufwand dage­gen über­schaubar. Was ihn allerd­ings nervt, sind die vie­len Info-Mails und Newslet­ter, die jede Woche reinkom­men. Er kommt gar nicht dazu, sie alle zu lesen. „Und dauernd ändern sich Verord­nun­gen und müssen neu aus­ge­hängt wer­den“, fügt er hinzu.

Alles unter Verschluss

Beim Gang durchs Gebäude fall­en die Ruhe und die geschlosse­nen Türen auf. Vor eini­gen Jahren standen fast alle Bürotüren offen. Die Verän­derung ist dem Daten­schutz geschuldet, so Kun­ze. Wenn man heute einen Raum ver­lässt, darf nichts offen rum­liegen. „Wir mussten sog­ar die Bild­schirm­schon­er so ein­richt­en, dass sie bere­its nach ein­er Minute aktiv wer­den.“ Und abends muss alles weggeschlossen wer­den, damit die Reini­gungskraft nichts sieht, was sie nicht sehen darf. Dafür wur­den alle Schränke und Roll­con­tain­er mit Schlössern versehen.

1.500 Geräte im Check

Alle zwei Jahre find­et die Über­prü­fung der ortsverän­der­lichen Geräte statt. Das sind an den vier Stan­dorten immer­hin rund 1.500 unter­schiedlich­er Art: PCs, Druck­er, Kaf­feemaschi­nen, Wasserkocher, Tele­fo­nan­la­gen et cetera. „Eines Tages sagte der Tech­niker schon bei der Sicht­prü­fung: ‚Guck mal, das sind niemals 1,5 Mil­lime­ter.’ Unsere Mehrfach­steck­dosen entsprachen nicht mehr der Norm. Sie waren zu dünn. Da bin ich in den Bau­markt nebe­nan und habe zehn neue gekauft. Bis der Elek­trotech­niker in den näch­sten Raum kam, war dort alles fehler­frei. Da kon­nte er alle Kabel abfühlen und keines war beschädigt, keines hat­te eine Knick­stelle oder eine Quetschung von einem Kabel­binder. Ich hat­te alle ausgetauscht.“

Immer auf der Suche …

Kun­ze ist ein Mann der Tat. Als es kür­zlich darum ging, eine mögliche Stolperge­fahr auf ein­er Wen­del­treppe aus Holz zu ban­nen, über­legte er sich, die Stufen mit schwarz-gelbem Band zu bek­leben. Damit wollte er das Sicher­heits­ge­fühl ein­er Teil­nehmerin mit Seh­prob­le­men erhöhen. Doch als die Treppe markiert war, fragten die anderen Teil­nehmenden, ob diese baufäl­lig sei. „Unser Haus­meis­ter besorgte daraufhin leuch­t­end gelbes, rutschhem­mendes Kle­be­band. Das haben wir dann auf die Stufen gek­lebt. Doch dieses Band ver­schmutzt schnell und ist durch die Straßen­schuhe bere­its an vie­len Stellen abgerieben. Jet­zt suchen wir nach ein­er nochmals besseren Lösung.“

… nach der besten Lösung

Es gibt aber auch Sicher­heitsvorschriften, die für den Weit­er­bil­dungsträger nicht gel­ten und trotz­dem zur Diskus­sion ste­hen, zum Beispiel das The­ma Rauch­warn­melder. Kun­ze weiß, dass die Pflicht für Warn­melder nur für den pri­vat­en Bere­ich gilt. Im geschäftlichen Bere­ich ist die Ausstat­tung damit nur notwendig, wenn in einem Gebäude über­nachtet wird, was beim VSB nicht der Fall ist. Doch bei immer wech­sel­nden Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmern taucht die Frage immer wieder auf. Einige fühlen sich ohne Rauch­warn­melder unsich­er, selb­st wenn er ihnen erk­lärt, warum keine notwendig sind. „Um solchen Diskus­sio­nen aus dem Weg zu gehen und weil es zum Beispiel in Bonn
einen Ruhe- und Rück­zugsraum für Teil­nehmende mit psy­chis­chen Erkrankun­gen gibt, hat sich die Geschäft­sleitung entschlossen, dort Warn­melder anzubringen.“

Blickfeld erweitert

Auf die Frage, ob sich in den Jahren etwas an seinem Ver­hal­ten als Sicher­heits­beauf­tragter, aber auch als Pri­vat­per­son geän­dert habe, antwortet Rein­er Kun­ze: „Man guckt schon öfter mal wohin, wo man früher nicht hingeschaut hätte.“


Steckbrief

  • Rein­er Kunze
  • 61 Jahre
  • ECDL Testleit­er
  • Branche: Weit­er­bil­dungsträger
  • Sicher­heits­beauf­tragter seit 1992

VSB e. V.

Der Vere­in für Soziale Bil­dungsar­beit e. V., kurz VSB, ist ein Weit­er­bil­dungsträger für Men­schen mit gesund­heitlichen Ein­schränkun­gen, die eine beru­fliche Neuori­en­tierung anstreben.

  • 1984 in Gum­mers­bach gegründet
  • ange­boten wer­den Einzel­ber­atun­gen, Sem­i­nare und Lehrgänge in Gum­mers­bach und Köln
  • Mit­glied im Deutschen Par­itätis­chen Wohlfahrtsver­band und zer­ti­fiziert nach AZAV
  • Ins­ge­samt 25 Mitar­beit­er an zwei Standorten
  • www.vsb-online.de
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