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In neun Schritten zur Gefährdungsbeurteilung?

Neue Sifa-Ausbildung erweitert Methodik
In neun Schritten zur Gefährdungsbeurteilung?

In neun Schritten zur Gefährdungsbeurteilung?
Lob und Anerkennung sind externe Ressourcen und fördern die Gesundheit. Foto: Firma V - stock.adobe.com
Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit wer­den durch anerkan­nte arbeitswis­senschaftliche Meth­o­d­en gefördert. Ziel­rich­tun­gen und Herange­hensweisen entwick­eln sich im Zuge der Dig­i­tal­isierung stetig weit­er, wie die neue Sifa-Aus­bil­dung beweist. Der erweit­erte Fokus auf die Gesund­heit und der neue ganzheitliche Ansatz lassen dabei einige Verän­derun­gen bei der Gefährdungs­beurteilung erwarten – eine Entwick­lung, die auch für Sicher­heits­beauf­tragte inter­es­sant ist.

Die Gefährdungs­beurteilung gilt als zen­trales Ele­ment im Arbeitss­chutz. Sie ist keines­falls nur eine formelle geset­zliche Verpflich­tung, son­dern wichtiges Werkzeug zur Beurteilung der beru­flichen Ein­wirkun­gen auf den Men­schen. Ziel aller Präven­tion­s­maß­nah­men ist die Ver­mei­dung von Betrieb­sun­fällen, arbeits­be­d­ingten Erkrankun­gen und per­sön­lichen Fehlbe­las­tun­gen. Mehr noch: Immer häu­figer ste­ht die Gesund­heit der Mitar­beit­er im Fokus der Arbeitss­chutz­analy­sen. Es ist deshalb sin­nvoll, sich den Gesund­heits­be­griff der Welt­ge­sund­heit­sor­gan­i­sa­tion (WHO) noch ein­mal ins Gedächt­nis zu rufen: „Gesund­heit ist ein Zus­tand des voll­ständi­gen kör­per­lichen, geisti­gen und sozialen Woh­lerge­hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

Die Gesun­der­hal­tung und Gesund­heits­förderung der Beschäftigten geht damit deut­lich über das bish­erige Arbeitss­chutzver­ständ­nis hin­aus. Beleg dafür ist das neue Aus­bil­dungskonzept für Fachkräfte für Arbeitssicher­heit der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (DGUV) – offiziell als „Sifa-Aus­bil­dung“ beze­ich­net (die Kurz­form Sifa ste­ht für Sicherheitsfachkraft).

  • Neben dem klas­sis­chen Gesund­heitss­chaden-Mod­ell und dem
  • Belas­tungs-Beanspruchungsmod­ell wird nun ein weit­eres Mod­ell genutzt:
  • das sys­tem­a­tis­che Anforderungs-Ressourcen Modell.

Ziel des neuen Mod­ells ist die men­schen­gerechte Arbeits­gestal­tung. Die sich wech­sel­seit­ig bee­in­flussenden Ein­wirkun­gen und Ressourcen soll­ten möglichst in einem aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis zueinan­der­ste­hen. Ein­wirkun­gen und Ressourcen kön­nen dabei externe oder interne Quellen haben (siehe Tabelle auf Seite 26).

Ganzheitlicher Ansatz mit drei Stoßrichtungen

Die DGUV ver­fol­gt bei der Gefährdungs­beurteilung zunehmend einen ganzheitlichen Ansatz. Nicht die Anwen­dung ein­er einzel­nen Methodik wird emp­fohlen, son­dern das Benutzen aller drei Betra­ch­tungsweisen. Hier­für ist im Rah­men der Gefährdungs­beurteilung zuerst das Arbeitssys­tem zu begutacht­en. Ist dieses klar definiert und hin­re­ichend beschrieben, wer­den die auf den Men­schen gerichteten Ein­wirkun­gen, nämlich

  • Gefährdun­gen
  • Belas­tun­gen und
  • Ressourcen

näher betra­chtet. Mit spez­i­fis­chen Meth­o­d­en – auf die hier wegen des erhe­blichen Umfangs nicht näher einge­gan­gen wird – erfol­gen die jew­eili­gen Teil­beurteilun­gen. Durch das Zusam­men­führen der Tei­l­ergeb­nisse ergibt sich let­z­tendlich das Gesamtergeb­nis, die Gefährdungs­beurteilung des Arbeitssys­tems. Bestandteile der gesamten Gefährdungs­beurteilung sind

  • das Unfall­risiko (Risiko = Ein­trittswahrschein­lichkeit x Schadensausmaß),
  • die Beanspruchung (das heißt die Reak­tion des men­schlichen Kör­pers auf eine äußere Belas­tung) und
  • das Ressourcen-Poten­zial (das heißt das Vorhan­den­sein und die Nutzung gesund­heitlich­er Ressourcen).

Neues Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung

Neu ist zudem die Vorge­hensweise. Der bish­erige „Hand­lungskreis der Gefährdungs­beurteilung“ kön­nte schon bald durch die neun Prozess-Schritte – wie in der neuen Sifa-Aus­bil­dung gelehrt – abgelöst werden:

1. Arbeitssys­tem erfassen

2. Ein­wirkun­gen ermitteln

3. Ein­wirkun­gen beurteilen

4. Arbeitss­chutzziele setzen

5. Gestal­tungsziele setzen

6. Gestal­tungsalter­na­tiv­en entwickeln

7. Gestal­tungslö­sun­gen auswählen

8. Gestal­tungslö­sun­gen umsetzen

9. Wirk­samkeit­skon­trolle

Es bleibt abzuwarten, wie sich das neue Konzept in die Prax­is umset­zen lässt. Beim Anwen­den der Meth­o­d­en müssen sicher­lich Größe, Struk­tur und Kul­tur der Unternehmen berück­sichtigt wer­den. Über­ar­beit­ete Hand­lung­shil­fen der Beruf­sgenossen­schaften, Unfal­lka­ssen oder Fachver­bände (zum Beispiel VDSI – Ver­band für Sicher­heit, Gesund­heit und Umweltschutz bei der Arbeit) kön­nten entschei­dende Impulse für die offen­sichtlich notwendi­ge Neuaus­rich­tung der Gefährdungs­beurteilung liefern.

Gesundheitsschutz im Fokus

Unternehmen analysieren schon seit einiger Zeit nicht nur Unfall­ge­fahren, son­dern immer häu­figer auch Aspek­te der Gesun­der­hal­tung und der Gesund­heits­förderung. Das Beurteilen psy­chis­ch­er Belas­tun­gen bei der Arbeit ist mit­tler­weile inte­gra­tiv­er Bestandteil der Gefährdungs­beurteilung. Die aktuelle Sifa-Aus­bil­dung der DGUV wird diesem mod­er­nen Arbeitss­chutzansatz gerecht und rückt den Gesund­heitss­chutz in den Fokus ihrer Mod­elle und Meth­o­d­en. Möglicher­weise schädliche Ein­wirkun­gen auf den Men­schen wer­den zukün­ftig als die Summe aus Gefahr, Belas­tung und Ressource verstanden.

Schlussfolgerung: Es wird spannend!

Alle drei Ein­wirkungsarten (Gefährdun­gen, Belas­tun­gen und Ressourcen) sollen getren­nt voneinan­der betra­chtet und einzeln beurteilt wer­den. Der bekan­nte Prozess der Gefährdungs­beurteilung wird ver­mut­lich nicht mehr halt­bar sein. Viele aktuelle Arbeit­splatz­analy­sen müssen voraus­sichtlich dem aktuellen Stand der arbeitswis­senschaftlichen Erken­nt­nisse angepasst beziehungsweise entsprechend über­ar­beit­et wer­den. Welche Posi­tion die ein­schlägi­gen Insti­tu­tio­nen und Fachver­bände in Zukun­ft ein­nehmen wer­den, bleibt abzuwarten. Als Sicher­heits­beauf­tragter dür­fen Sie sich auf inter­es­sante Diskus­sio­nen im eige­nen Betrieb freuen.


Foto: Dägling

Autor:

Markus Tis­chen­dorf

BG ETEM

Präven­tion Hamburg


Die drei Modelle

  1. Gesund­heitss­chaden-Mod­ell: Das Augen­merk liegt auf den gesund­heitss­chädi­gen­den Ein­wirkun­gen, die beim Men­schen zu ein­er Ver­let­zung oder arbeits­be­d­ingten Erkrankung führen können.
  2. Belas­tungs-Beanspruchungs-Mod­ell: Eine objek­tive Belas­tung kann zu ein­er indi­vidu­ellen Beanspruchung beim Men­schen führen. Beanspruchun­gen kön­nen pos­i­tive oder neg­a­tive Fol­gen von äußeren Belas­tun­gen sein.
  3. Anforderungs-Ressourcen-Mod­ell: An den Men­schen wer­den beru­fliche Anforderun­gen gestellt, denen interne und externe Ressourcen gegenüber­ste­hen. Ein aus­ge­wo­genes Ver­hält­nis von Anforderun­gen und Ressourcen führt langfristig zur Gesun­der­hal­tung beziehungsweise Gesund­heits­förderung (siehe die schema­tis­che Darstel­lung unten auf dieser Seite).
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