Wo sehen Sie besondere Gefahren an ihren Standorten?
Schönberg: Die größte Gefahr stellen unsere Flurförderfahrzeuge dar – Stapler sind das Hauptarbeitsmittel, das zum Einsatz kommt. Aber auch das Heben und Tragen während der Komissioniertätigkeiten sind aus Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes die Hauptgefahren an unseren Standorten.
Wie sieht es bei Auftragsspitzen aus, wenn Sie Personal aufstocken müssen?
Schönberg: Man versucht natürlich die Quote möglichst gering zu halten, da punktuell eingesetzte Aushilfen oder Zeitarbeitskräfte nicht dieselbe Qualität liefern können wie ein fest eingearbeiteter Mitarbeiter. Es kann aber auch sein, dass unser Bestandspersonal durch Überstunden, Samstagsarbeit und höheren Umschlag stark unter Druck gerät. Es ist dann der Faktor Stress, der ein Risiko im Bereich Arbeitssicherheit darstellt. Daher müssen wir unser Bestandspersonal immer wieder sensibilisieren. Wir sagen ihnen: „Auch wenn es stressig wird – bedenkt, dass der Kampf Stapler gegen Mensch immer zugunsten des Staplers ausgeht.“ Zudem werden unsere Stapler nach Möglichkeit so ausgestattet, dass durch Assistenz-Systeme die Sicherheit auch bei nicht so routinierten Mitarbeitern gewährleistet ist.
Wie gewährleisten Sie die Sicherheit ihres Personals?
Schönberg: An den deutschen Standorten sind rund 60 Sicherheitsbeauftragte im Einsatz. Sie werden von uns mit Handwerkszeugen, zum Beispiel Checklisten für Sicherheitsbegehungen, Regalprüflehren, Messgeräten für Temperatur und Luftfeuchtigkeit, ausgestattet und zu den ASA-Sitzungen eingeladen. Regelmäßige, durch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit geleitete Erfahrungsaustausche mit den lokalen Sicherheitsbeauftragten bringen zusätzliche Impulse zur Verbesserung der Arbeitsschutzleistung. Und unsere Führungskräfte müssen unter anderem das Seminar „Verantwortung im Arbeitsschutz“ der Berufsgenossenschaft belegen.
Hauk: Um den hohen Standard im Arbeitsschutz durchgängig zu halten, legen wir die Kompetenzen unserer Führungskräfte mit der Abteilung HR (Anm. d. Red.: HR = Human Ressources = Personalabteilung) fest und schauen, wer welche Schulung benötigt, um mögliche Lücken zu schließen. Denn gerade mit der Umstellung auf die High-Level-Structure der ISO 45001 wird die Verantwortung unserer Führungskräfte im Arbeitsschutz mehr denn je gefordert. Verantwortung kann aber nur übertragen werden, wenn der Empfänger über die notwendigen Kompetenzen verfügt.
Wie ist die Akzeptanz dieser Maßnahmen?
Schönberg: Das kommt gut an, weil dann auch mal Schichtleiter die Möglichkeit haben, einen Tag lang nur über Arbeitsschutz und Gesundheit zu reden.
Welche Faktoren sind für erfolgreichen Arbeitsschutz aus Ihrer Sicht ausschlaggebend?
Schönberg: Es ist zum Beispiel wichtig, dass die Sicherheitsbeauftragten sich freiwillig in diesem Amt engagieren und nicht von oben herab bestimmt werden. Die Akteure im Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen von der Wichtigkeit ihrer Rolle und Aufgaben überzeugt sein.
Hauk: Früher hatten wir eine externe Betreuung im Bereich Arbeitssicherheit. Seit 2015 haben wir mit Herrn Schönberg eine interne Fachkraft für Arbeitssicherheit. Jetzt erreichen wir ein ganz anderes Level in diesem Bereich. Und auch unsere 1000-Mann-Quote geht sukzessive nach unten. Im vergangenen Jahr haben wir dann eine weitere Fachkraft für Arbeitssicherheit eingestellt.
Bisher haben Sie ja nach OHSAS 18001 gearbeitet. Warum starten Sie bereits jetzt mit der Umstellung auf die ISO 45001?
Hauk: Zum einem aus eigener Motivation. Aber letztendlich auch durch Kundenanforderungen. Es war eine unternehmerische Entscheidung, dass wir nach außen klar machen, dass wir die ISO 45001 jederzeit an jedem Standort zertifizieren können.
Aus welcher Branche kam der Ruf nach der neuen Arbeitsschutz-ISO?
Hauk: Aus der Automobilindustrie. Neben der Erfüllung unserer Dienstleistung mit qualitativ hochwertigen Prozessergebnissen stiegen mit der Revision der ISO 9001 und ISO 14001 und dem damit verbundenen Fokus auf die interessierten Parteien auch die Anforderungen an den Umweltschutz. Durch die Revision der ISO 45001 sehen wir uns nun auch deutlich konkreteren vertraglichen Anforderungen im Arbeitsschutz gegenüber, was wir unseren Kunden durch eine Zertifizierung nach ISO 45001 bescheinigen müssen.
Wo stehen Sie heute mit der Umsetzung der ISO 45001?
Hauk: Wir befinden uns gerade in der Planung der Umstellung. Wir sichten, was bereits normkonform ist und schauen, welche Prozesse wir von Seiten der Zentrale anpassen müssen. In unserer Abteilung „Integrierte Managementsysteme“ und im Team „Arbeitsschutz“ besteht die Herausforderung, den Standard, den wir festgelegt haben, auch auf die Fläche zu bringen. Also den Standorten das nötige Handwerkzeug, zum Beispiel durch Führungskräfte- Workshops, Gefährdungsbeurteilungen, Präventionsmaßnahmen in Form von Gesundheitstagen, Ursachenanalysen und das Dokumentieren von gefährlichen Situationen und Beinaheunfällen, an die Hand zu geben, zu unterweisen und in die Spur zu bringen.
Wo setzen Sie dabei innerhalb der Rudolph Logistik Gruppe an?
Hauk: Von unserer Zentrale in Baunatal geht praktisch alles aus. Das Zertifikat – ob nach 9001, 14001 oder dann 45001 – läuft auf unsere Unternehmenszentrale und zusätzlich auf die entsprechend zertifizierten Standorte. Welche Standorte nach welcher Norm zertifiziert sind, hängt immer davon ab, was im Kundenauftrag spezifiziert ist.
Gibt es einen einheitlichen Standard innerhalb der Gruppe?
Hauk: Unabhängig, ob wir nach 45001 zertifiziert sind oder nicht, das Arbeitsschutzlevel ist an jedem Standort gleich hoch.
Wie läuft der Roll-out bei Ihnen ab?
Hauk: Aktuell sind wir mit der OHSAS 18001 und mit der Umstellung auf die ISO 45001 an unseren deutschen Standorten unterwegs. Langfristig werden wir sicherlich auch die internationalen Standorte umstellen können, sofern auch hier konkrete Kundenanforderungen aufkommen.
Holen Sie sich dazu externes Know-how?
Hauk: Für die Erstzertifizierung etwa der OHSAS 18001 haben wir mit einem externen Partner, der uniconsult GmbH, zusammengearbeitet. Mittlerweile hat sich der Beratungsaufwand minimiert und wir klären nur noch Feinheiten. Zertifiziert werden wir durch die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen, der DQS GmbH.
Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit der Umsetzung?
Schönberg: Der Vorteil ist, dass wir uns jetzt in der gleichen Struktur bewegen, wie in den Normen ISO 9001 und ISO 14001. Das macht das System noch interessanter und effektiver für uns. Und wir bekommen neue Denkanstöße durch die Umstellung auf eine ISO-Norm.
Bedeutet das, dass Sie bereits in vielen Bereichen schon ISO-konform arbeiten? Wo besteht noch Handlungsbedarf?
Schönberg: Vieles erfüllen wir bereits. Wir werden auf jeden Fall einige Verfahrensanweisungen und Prozesse updaten müssen. Eine Riesenchance sehe ich bei der ISO 45001 darin, dass wir die Mitarbeiter noch stärker einbinden und beteiligen können – und natürlich in der High Level Structure, wodurch die Verantwortung klar bei den Führungskräften liegt.
Hauk: Im letzten Überwachungsaudit der OHSAS 18001 im August 2018 haben wir schon sehr positive Signale von unserem Zertifizierer erhalten – wir sind schon auf einem guten Weg in Richtung 45001.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Hauk: Jeder Standort muss sich Qualitätsziele setzen und diese verfolgen. Bei unserer integrierten Struktur sprechen wir nicht nur von Qualität, sondern auch von Zielen zur Umweltverbesserung und zur Verbesserung des Arbeitsschutzes. Das bedeutet, dass es für unsere Standorte nichts Neues ist, wenn sie sich zum Beispiel nach der ISO 45001 Ziele zur Verbesserung der Arbeitsschutzleistung setzen und diese in einem Managementreview bewerten müssen.
Sie sehen also durchaus für Ihre Arbeit eine kontinuierliche Weiterentwicklung – und müssen nicht alles auf den Kopf stellen.
Hauk: Genau – es geht vor allem um den Feinschliff. Ein weiteres Beispiel ist das Ideen-Management in der Rudolph Logistik Gruppe, das auch in Bezug auf den Arbeitsschutz einen hohen Stellenwert einnimmt. Mitarbeiter werden nicht nur für gute Ideen zur Prozessverbesserung, sondern auch für Ideen zur Energieeinsparung, Verbesserung der Umweltleistung und auch zur Erhöhung der Arbeitsschutzleistung gleichermaßen prämiert.
Wie binden Sie die neue Norm in ihre Systeme ein?
Hauk: Wir arbeiten nicht mehr nur mit einem Qualitätsmanagement-System, sondern mit einem integrierten Management-System, zu dem auch die Arbeitssicherheit, der Umweltschutz und das energieeffiziente Arbeiten gehört. Meine Abteilung schafft die entsprechenden Standards und führt die internen Audits durch. Die Voraussetzung ist, dass der Gedanke des integrierten Managementsystems an jedem Standort verankert sein muss.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Schönberg: Ein Beispiel: Bei der Dienstleisterbewertung wird nicht nur der Lieferant bewertet, der wichtige Teile liefert, sondern auch der Betriebsarzt, der extern eingekauft wird. Das ist ein und dieselbe Datei und das gleiche Bewertungsschema – und ein gutes Beispiel für das Thema „integrierte Managementsysteme“.
Hauk: Die Kernthemen sind ja grundsätzlich gleich: Schau auf Deine Kompetenzen, auf Deine Schulungen, auf Deine Gefahren, Risiken und Chancen – nur die Ziele sind unterschiedlich. Und das ist der Vorteil eines Integrierten Managementsystems: Wir können dann schnell switchen und einfach den Fokus auf ein Thema legen – ohne den Blick für die anderen Themen zu verlieren.
Mit welchen externen Partnern – etwa Gewerbeaufsicht oder Berufsgenossenschaft – arbeiten Sie zusammen?
Schönberg: Schon in meiner Ausbildung zur Fachkraft zur Arbeitssicherheit durch die Berufsgenossenschaft wurde ich dahingehend sensibilisiert, die externen Experten frühzeitig einzubinden. Zum Beispiel bei Neubauten oder neuen Prozessen – aber auch bei Problemen sind wir in sehr engem Austausch mit den Berufsgenossenschaften. Wir haben an allen Standorten Listen mit Ansprechpartnern erstellt, und wir führen regelmäßig Begehungen durch. Gerade bei neuen Geschäften, aber auch nach Unfällen gehen wir proaktiv auf die Behörden zu. Wir teilen hier gerne unsere Erfahrungen für andere Unternehmen. Umgekehrt erhalten wir auch wichtige Informationen und Lösungsansätze aus der Branche.
Ein wichtiger Baustein zur Mitarbeiter-Qualifikation ist ja Ihre Lean- und Lern-Werkstatt. Was hat es damit auf sich?
Schönberg: Hier geht es zunächst um die Vermittlung logistischer Themen und Prozesse. Aber auch der Arbeitsschutz ist ein wichtiger Bereich in allen Basis-Seminaren, die unsere Mitarbeiter besuchen müssen. Das Thema begleitet sie ab dem ersten Tag.
Vielen Dank für das Gespräch.
Autorin:
Dipl.-Ing. Andrea Stickel,
Journalistin für Technik und Wissenschaft (BJV)
Die Rudolph Logistik Gruppe
Bei der Rudolph Logistik Gruppe (RLG), einem inhabergeführten Unternehmen in der vierten Generation, bieten insgesamt 4500 Mitarbeiter an weltweit 40 Standorten maßgeschneiderte Lagerlogistik-Lösungen für die Bereiche Automotive, Industrie und Handel. Dabei reicht das Leistungsspektrum vom Wareneingang und Bestandsmanagement über das Kommissionieren und Konfektionieren bis hin zu Warenausgang und Leergutmanagement.
ISO 45001 – das bringt sie
Die neue Norm ISO 45001 konzentriert sich auf die Interaktionen eines Unternehmens mit seinem Geschäftsumfeld. Am 11. März 2021 löst sie BS OHSAS 18001 ab und folgt der gemeinsamen High Level Structure, wie sie in allen modernen ISO-Management-Normen eingesetzt wird.
Andreas Ritter, Auditor im Umwelt- und Arbeitsschutz bei der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS GmbH) in Frankfurt erklärt: „Die neue Norm bringt einige Vorteile unter anderem aus der gemeinsamen Grundstruktur der ISO-Managementnormen: die ISO 45001 ist prozessorientiert, risikobasiert und berücksichtigt die relevanten interessierten Parteien, vor allem die Beschäftigten.“
Mehr zum Thema: https://bit.ly/2KruCal